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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Muscheln. Monomyarier.
namentlich der feine Schlamm, die der Beobachtung und täglichen Reinigung entzogenen Faschinen
mit ihren Ansiedlern zu zerstören drohten. Auch war der Ansatz ein so massenhafter und stand
in so gar keinem Verhältniß zum Zuwachs der gleich ihnen tiefer liegenden und sich selbst über-
lassenen Bänke, daß höchst wahrscheinlich gerade in dieser Fülle der Keim des Siechthums und
des Unterganges lag. Höchst wahrscheinlich, sagen wir, fehlte es diesen, von den Bewegungen
der Gezeiten nicht berührten vielen Millionen von jungen Austern an der gehörigen Nahrung.
Kurz, es ergab sich nach einigen Jahren kostbaren Experimentirens, daß auf diesem Wege, durch
Versenkung von Faschinen in größere Tiefen, der Austernkalamität nicht abgeholfen werden könne.
Diese Versuche waren in der Bai von Saint Brieuc angestellt worden. Seitdem hat man sich
auf die Brut-Parks in der Bai von Arcachon beschränkt, welche im Bereiche der Ebbe liegen und wo
man die Ueberwachung vollständig in Händen hat. Man bietet der Austernbrut theils Faschinen,
theils ungehobelte Bretter, theils Bretter, an denen man Muschelschalen mit einer Mörtelschicht
befestigt, oder auch eigens geformte Hohlziegel zum Ansetzen, und hat nur die Vorsicht zu
beobachten, alle diese Gegenstände nicht früher in die Parks zu thun, als bis die Stunde des
Wochenbettes für die schon darin befindlichen alten Austern unmittelbar bevorsteht. Uebergibt
man die Ziegel, Bretter u. s. w. schon früher dem Wasser, so bedecken sie sich schnell mit Algen
und die Austernbrut kann nicht an ihnen haften. Das Resultat ist nun, daß alle diese Objekte
bei jeder Brutsaison vollständig mit jungen Austern bedeckt werden, und daß sie nach einem Jahre,
in welchem sie etwa den Umfang eines Fünfgroschenstückes erreicht haben, von ihrer Wiege
abgebrochen oder abgelöst werden können, um ihre weitere Erziehung in den Mastställen zu
bekommen. Jn den Parks von Arcachon befinden sich nach den neuesten Angaben 35 Millionen
Austern jeder Größe, welche, das Tausend zu 40 Franes gerechnet, ein Kapital von 1,400,000 Franes
repräsentiren. Der jährliche Ertrag würde sich auf 6 Millionen Austern und auf 240,000 Franes
belaufen.

Wie Hüningen für die Süßwasser-Fischzucht, so sollte Arcachon die Musteranstalt für die
Produktion der eßbaren Seethiere sein, und was die Austern betrifft, so fanden sich auch bald
viele Unternehmer, welche die französische Regierung um Koncessionen zur Anlage von Zucht- und
Mastparks angingen. Es hat damit in Frankreich eine eigne Bewandtniß. Das ganze Meeres-
gestade, welches bei der Ebbe blosgelegt wird, also der einzige Ufergürtel, welcher sich für die
Austernzuchten eignet, ist Staatseigenthum, und ferner werden alle Personen, welche sich mit
irgend einer Gattung von Seefischerei beschäftigen, in die Konskriptionslisten der Marine ein-
getragen. Wer also in Frankreich Austern züchten will, muß erstens ein Mann von bewährter
Gesinnung sein und zweitens gewärtig, daß er von seinen Austern weg zum Flottendienst ein-
berufen wird. Es hat sich gezeigt, daß die von Konskriptionspflichtigen und bloßen Spekulanten,
unternommenen Austernzuchten den gewünschten Erfolg nicht hatten, indem diese Leute theils
kein wirkliches Jnteresse an der Sache hatten, theils ohne sonderliche Mühe in kurzer Zeit viel
Geld zu machen hofften. Nur solche Fischer und Küstenbewohner eignen sich aber zu Austern-
züchtern, welche täglich jahraus jahrein ihren ganzen Fleiß den Austern widmen, das sind also
solche, welche einen Lebensberuf daraus machen und die Koncession nicht durch irgend welchen
Gesinnungswechsel zu verlieren fürchten müssen, also arbeitsame und freie Menschen. Derartige
unwiderrufliche Erlaubnisse zur Austernzucht sind den Bewohnern der kleinen Jnsel Re gegeben.
Ueber den Fortgang und das Gedeihen der Austernzucht bei Re hat man nun in den letzten
Tagen geradezu Entgegengesetztes gehört. Ein dortiger Pfarrer schrieb 1865, das, was darüber
berichtet worden sei, gleiche unendlich mehr einem Romane und einem zum Vergnügen ersonnenen
Ammenmährchen, als den Thatsachen, wie sie sich zugetragen haben. Die Wahrheit sei, daß die
neuen Versuche in der Austernzucht an den dortigen Küsten durchaus nicht alle gut ausgefallen
seien, und daß es eine Unwahrheit sei, wenn man behaupte, die Bewohner der Jnsel Re ver-
dankten ihnen ein bis dahin unbekanntes Wohlergehen. Wenn schon diejenigen selten sind, sagt

Muſcheln. Monomyarier.
namentlich der feine Schlamm, die der Beobachtung und täglichen Reinigung entzogenen Faſchinen
mit ihren Anſiedlern zu zerſtören drohten. Auch war der Anſatz ein ſo maſſenhafter und ſtand
in ſo gar keinem Verhältniß zum Zuwachs der gleich ihnen tiefer liegenden und ſich ſelbſt über-
laſſenen Bänke, daß höchſt wahrſcheinlich gerade in dieſer Fülle der Keim des Siechthums und
des Unterganges lag. Höchſt wahrſcheinlich, ſagen wir, fehlte es dieſen, von den Bewegungen
der Gezeiten nicht berührten vielen Millionen von jungen Auſtern an der gehörigen Nahrung.
Kurz, es ergab ſich nach einigen Jahren koſtbaren Experimentirens, daß auf dieſem Wege, durch
Verſenkung von Faſchinen in größere Tiefen, der Auſternkalamität nicht abgeholfen werden könne.
Dieſe Verſuche waren in der Bai von Saint Brieuc angeſtellt worden. Seitdem hat man ſich
auf die Brut-Parks in der Bai von Arcachon beſchränkt, welche im Bereiche der Ebbe liegen und wo
man die Ueberwachung vollſtändig in Händen hat. Man bietet der Auſternbrut theils Faſchinen,
theils ungehobelte Bretter, theils Bretter, an denen man Muſchelſchalen mit einer Mörtelſchicht
befeſtigt, oder auch eigens geformte Hohlziegel zum Anſetzen, und hat nur die Vorſicht zu
beobachten, alle dieſe Gegenſtände nicht früher in die Parks zu thun, als bis die Stunde des
Wochenbettes für die ſchon darin befindlichen alten Auſtern unmittelbar bevorſteht. Uebergibt
man die Ziegel, Bretter u. ſ. w. ſchon früher dem Waſſer, ſo bedecken ſie ſich ſchnell mit Algen
und die Auſternbrut kann nicht an ihnen haften. Das Reſultat iſt nun, daß alle dieſe Objekte
bei jeder Brutſaiſon vollſtändig mit jungen Auſtern bedeckt werden, und daß ſie nach einem Jahre,
in welchem ſie etwa den Umfang eines Fünfgroſchenſtückes erreicht haben, von ihrer Wiege
abgebrochen oder abgelöſt werden können, um ihre weitere Erziehung in den Maſtſtällen zu
bekommen. Jn den Parks von Arcachon befinden ſich nach den neueſten Angaben 35 Millionen
Auſtern jeder Größe, welche, das Tauſend zu 40 Franes gerechnet, ein Kapital von 1,400,000 Franes
repräſentiren. Der jährliche Ertrag würde ſich auf 6 Millionen Auſtern und auf 240,000 Franes
belaufen.

Wie Hüningen für die Süßwaſſer-Fiſchzucht, ſo ſollte Arcachon die Muſteranſtalt für die
Produktion der eßbaren Seethiere ſein, und was die Auſtern betrifft, ſo fanden ſich auch bald
viele Unternehmer, welche die franzöſiſche Regierung um Konceſſionen zur Anlage von Zucht- und
Maſtparks angingen. Es hat damit in Frankreich eine eigne Bewandtniß. Das ganze Meeres-
geſtade, welches bei der Ebbe blosgelegt wird, alſo der einzige Ufergürtel, welcher ſich für die
Auſternzuchten eignet, iſt Staatseigenthum, und ferner werden alle Perſonen, welche ſich mit
irgend einer Gattung von Seefiſcherei beſchäftigen, in die Konſkriptionsliſten der Marine ein-
getragen. Wer alſo in Frankreich Auſtern züchten will, muß erſtens ein Mann von bewährter
Geſinnung ſein und zweitens gewärtig, daß er von ſeinen Auſtern weg zum Flottendienſt ein-
berufen wird. Es hat ſich gezeigt, daß die von Konſkriptionspflichtigen und bloßen Spekulanten,
unternommenen Auſternzuchten den gewünſchten Erfolg nicht hatten, indem dieſe Leute theils
kein wirkliches Jntereſſe an der Sache hatten, theils ohne ſonderliche Mühe in kurzer Zeit viel
Geld zu machen hofften. Nur ſolche Fiſcher und Küſtenbewohner eignen ſich aber zu Auſtern-
züchtern, welche täglich jahraus jahrein ihren ganzen Fleiß den Auſtern widmen, das ſind alſo
ſolche, welche einen Lebensberuf daraus machen und die Konceſſion nicht durch irgend welchen
Geſinnungswechſel zu verlieren fürchten müſſen, alſo arbeitſame und freie Menſchen. Derartige
unwiderrufliche Erlaubniſſe zur Auſternzucht ſind den Bewohnern der kleinen Jnſel Ré gegeben.
Ueber den Fortgang und das Gedeihen der Auſternzucht bei Ré hat man nun in den letzten
Tagen geradezu Entgegengeſetztes gehört. Ein dortiger Pfarrer ſchrieb 1865, das, was darüber
berichtet worden ſei, gleiche unendlich mehr einem Romane und einem zum Vergnügen erſonnenen
Ammenmährchen, als den Thatſachen, wie ſie ſich zugetragen haben. Die Wahrheit ſei, daß die
neuen Verſuche in der Auſternzucht an den dortigen Küſten durchaus nicht alle gut ausgefallen
ſeien, und daß es eine Unwahrheit ſei, wenn man behaupte, die Bewohner der Jnſel Ré ver-
dankten ihnen ein bis dahin unbekanntes Wohlergehen. Wenn ſchon diejenigen ſelten ſind, ſagt

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[956/1004] Muſcheln. Monomyarier. namentlich der feine Schlamm, die der Beobachtung und täglichen Reinigung entzogenen Faſchinen mit ihren Anſiedlern zu zerſtören drohten. Auch war der Anſatz ein ſo maſſenhafter und ſtand in ſo gar keinem Verhältniß zum Zuwachs der gleich ihnen tiefer liegenden und ſich ſelbſt über- laſſenen Bänke, daß höchſt wahrſcheinlich gerade in dieſer Fülle der Keim des Siechthums und des Unterganges lag. Höchſt wahrſcheinlich, ſagen wir, fehlte es dieſen, von den Bewegungen der Gezeiten nicht berührten vielen Millionen von jungen Auſtern an der gehörigen Nahrung. Kurz, es ergab ſich nach einigen Jahren koſtbaren Experimentirens, daß auf dieſem Wege, durch Verſenkung von Faſchinen in größere Tiefen, der Auſternkalamität nicht abgeholfen werden könne. Dieſe Verſuche waren in der Bai von Saint Brieuc angeſtellt worden. Seitdem hat man ſich auf die Brut-Parks in der Bai von Arcachon beſchränkt, welche im Bereiche der Ebbe liegen und wo man die Ueberwachung vollſtändig in Händen hat. Man bietet der Auſternbrut theils Faſchinen, theils ungehobelte Bretter, theils Bretter, an denen man Muſchelſchalen mit einer Mörtelſchicht befeſtigt, oder auch eigens geformte Hohlziegel zum Anſetzen, und hat nur die Vorſicht zu beobachten, alle dieſe Gegenſtände nicht früher in die Parks zu thun, als bis die Stunde des Wochenbettes für die ſchon darin befindlichen alten Auſtern unmittelbar bevorſteht. Uebergibt man die Ziegel, Bretter u. ſ. w. ſchon früher dem Waſſer, ſo bedecken ſie ſich ſchnell mit Algen und die Auſternbrut kann nicht an ihnen haften. Das Reſultat iſt nun, daß alle dieſe Objekte bei jeder Brutſaiſon vollſtändig mit jungen Auſtern bedeckt werden, und daß ſie nach einem Jahre, in welchem ſie etwa den Umfang eines Fünfgroſchenſtückes erreicht haben, von ihrer Wiege abgebrochen oder abgelöſt werden können, um ihre weitere Erziehung in den Maſtſtällen zu bekommen. Jn den Parks von Arcachon befinden ſich nach den neueſten Angaben 35 Millionen Auſtern jeder Größe, welche, das Tauſend zu 40 Franes gerechnet, ein Kapital von 1,400,000 Franes repräſentiren. Der jährliche Ertrag würde ſich auf 6 Millionen Auſtern und auf 240,000 Franes belaufen. Wie Hüningen für die Süßwaſſer-Fiſchzucht, ſo ſollte Arcachon die Muſteranſtalt für die Produktion der eßbaren Seethiere ſein, und was die Auſtern betrifft, ſo fanden ſich auch bald viele Unternehmer, welche die franzöſiſche Regierung um Konceſſionen zur Anlage von Zucht- und Maſtparks angingen. Es hat damit in Frankreich eine eigne Bewandtniß. Das ganze Meeres- geſtade, welches bei der Ebbe blosgelegt wird, alſo der einzige Ufergürtel, welcher ſich für die Auſternzuchten eignet, iſt Staatseigenthum, und ferner werden alle Perſonen, welche ſich mit irgend einer Gattung von Seefiſcherei beſchäftigen, in die Konſkriptionsliſten der Marine ein- getragen. Wer alſo in Frankreich Auſtern züchten will, muß erſtens ein Mann von bewährter Geſinnung ſein und zweitens gewärtig, daß er von ſeinen Auſtern weg zum Flottendienſt ein- berufen wird. Es hat ſich gezeigt, daß die von Konſkriptionspflichtigen und bloßen Spekulanten, unternommenen Auſternzuchten den gewünſchten Erfolg nicht hatten, indem dieſe Leute theils kein wirkliches Jntereſſe an der Sache hatten, theils ohne ſonderliche Mühe in kurzer Zeit viel Geld zu machen hofften. Nur ſolche Fiſcher und Küſtenbewohner eignen ſich aber zu Auſtern- züchtern, welche täglich jahraus jahrein ihren ganzen Fleiß den Auſtern widmen, das ſind alſo ſolche, welche einen Lebensberuf daraus machen und die Konceſſion nicht durch irgend welchen Geſinnungswechſel zu verlieren fürchten müſſen, alſo arbeitſame und freie Menſchen. Derartige unwiderrufliche Erlaubniſſe zur Auſternzucht ſind den Bewohnern der kleinen Jnſel Ré gegeben. Ueber den Fortgang und das Gedeihen der Auſternzucht bei Ré hat man nun in den letzten Tagen geradezu Entgegengeſetztes gehört. Ein dortiger Pfarrer ſchrieb 1865, das, was darüber berichtet worden ſei, gleiche unendlich mehr einem Romane und einem zum Vergnügen erſonnenen Ammenmährchen, als den Thatſachen, wie ſie ſich zugetragen haben. Die Wahrheit ſei, daß die neuen Verſuche in der Auſternzucht an den dortigen Küſten durchaus nicht alle gut ausgefallen ſeien, und daß es eine Unwahrheit ſei, wenn man behaupte, die Bewohner der Jnſel Ré ver- dankten ihnen ein bis dahin unbekanntes Wohlergehen. Wenn ſchon diejenigen ſelten ſind, ſagt

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 956. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/1004>, abgerufen am 23.11.2024.