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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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dargestellten Spitze desselben, oben am Querdurchschnitte in dem oberen schwarzen Bogen den
Eileiter, in der unteren, albermals halbirten Hälfte die beiden Gräten. Auch der Eileiter kann sich
vollständig oder theilweise in zwei häutig verbundene und dadurch der Erweiterung fähige Stücke auf-
lösen. Durch diese Einrichtung wird eine Verschiebung der Gräten gegen den Eileiter nach oben und
[Abbildung] Legbohrer der großen Holzwespe mit
seiner Scheide, rechts daneben die Spitze
desselben ohne solche. x Schwanzspitze des
Hinterleibes. Bei c -- a der Muskelappa-
rat zum Aufrichten des Vohrers. Bedeu-
tende Bergrößerung.
unten möglich, wo es nöthig ist, feste Körper zu durchdringen.
Die Gräten stellen Pfriemen, Messer, Bohrer, Säge, mit einem
Worte das Schneidewerkzeug dar, mit welchem die Jnsekten
diejenigen Körper zu durchdringen haben, welche zwischen ihnen
und der Stelle im Wege sind, die das Ei einnehmen soll. Bei
vielen Schlupfwespen, den Raub- und Blumenwespen ist der
Stachel im Bauche verborgen, kurz und schärfer gespitzt, als die
feinste Nähnadel und selbstverständlich auch geeignet, einen
empfindlichen Stich demjenigen in die Finger zu versetzen, der
sich erkühnt, einem dieser Thierchen die gewohnte Freiheit rauben
zu wollen. Es sindet aber noch ein Unterschied hierbei Statt.
Der Stich einer Schlupfwespe schmerzt nur wie der einer Nadel,
und die Empfindung hält nicht lange an, wem dagegen eine
Raub- oder Blumenwespe ihr Stilet in das Fleisch bohrt, der
empfindet ein nachhaltiges Brennen, die Stelle röthet sich und
schwillt mehr oder weniger an, weil das Jnsekt nicht blos stach,
sondern gleichzeitig Gift in die Wunde ausfließen ließ. Diese
Flüssigkeit, eine concentrirte Ameisensäure, sammelt sich in einer
Blase am Grunde des Stachels an, beim Stechen wird dieselbe
gedrückt und läßt ein Tröpflein durch jenen fließen, wie sonst
bei nicht feindlicher Gesinnung ein Ei. Dieser Giftstachel, deren
Träger man auch unter dem Namen der "Aculeaten" zusam-
mengefaßt hat, ist den Raubwespen unentbehrlich, um die
Jnsekten zu lähmen, die sie für ihre Brut zusammentragen, wie
bereits erzählt wurde, bei den Blumenwespen hingegen, die ja
nur Honigseim verfüttern, dient er als Vertheidigungswasse, wird
zum "Wehrstachel". Da das in Rede stehende Werkzeug
zum Ablegen der Eier bei den übrigen Hautflüglern weder
Giftstachel ist, wie bei den genaunten, noch in der äußern Form demselben entspricht, wie bei
gewissen Schlupfwespen, sondern häufig als kürzere oder längere Schwanzborste aus dem
Hinterleibe heraustritt, so hat man es im Gegensatze zu dem Stachel (aculeus) Legröhre,
Legbohrer (terebra) genannt und seine Jnhaber unter dem Namen der Hymenoptera terebrantia
vereinigt. Bei den weiblichen Blattwespen wird er am Bauche sichtbar, wenn er auch nicht zur
Körperverlängerung des Thieres beiträgt, hat die Form einer Messerklinge, aber in Folge der
gezahnten Gräten vollkommen die Wirkung und das Aussehen einer Säge. Bei den Holzwespen
ragt er stabförmig merklich über die Hinterleibsspitze hinaus und läßt sich am besten mit einer
Raspel vergleichen. Bei sehr vielen Schlupfwespen steht er als kürzere oder längere Borste, die,
einen spitzen Winkel mit dem Hinterleibe bildend, nach vorn bewegt werden kann, über diesen
hinaus, um so länger, je tiefer im Holze das Weibchen die Larven derjenigen Jnsekten zu suchen
hat, denen es seine Nachkommen anzuvertrauen gedenkt. Besonders solche lange Bohrer erscheinen
nach dem Tode des Thieres als drei fadenförmige Schwanzborsten, die mittelste steifer -- der
hornige Bohrer -- die seitlichen gedreht und unregelmäßig gekrümmt, weil sie die weichere Scheide
ausmachen, welche durch das Eintrocknen ihre straffe Haltung nicht länger zu behaupten vermag.
Bei kleineren Schlupfwespen, vielen Gallwespen, die auch zu den Microhymenopteren zählen,

Die Hautflügler.
dargeſtellten Spitze deſſelben, oben am Querdurchſchnitte in dem oberen ſchwarzen Bogen den
Eileiter, in der unteren, albermals halbirten Hälfte die beiden Gräten. Auch der Eileiter kann ſich
vollſtändig oder theilweiſe in zwei häutig verbundene und dadurch der Erweiterung fähige Stücke auf-
löſen. Durch dieſe Einrichtung wird eine Verſchiebung der Gräten gegen den Eileiter nach oben und
[Abbildung] Legbohrer der großen Holzwespe mit
ſeiner Scheide, rechts daneben die Spitze
deſſelben ohne ſolche. x Schwanzſpitze des
Hinterleibes. Bei c — a der Muſkelappa-
rat zum Aufrichten des Vohrers. Bedeu-
tende Bergrößerung.
unten möglich, wo es nöthig iſt, feſte Körper zu durchdringen.
Die Gräten ſtellen Pfriemen, Meſſer, Bohrer, Säge, mit einem
Worte das Schneidewerkzeug dar, mit welchem die Jnſekten
diejenigen Körper zu durchdringen haben, welche zwiſchen ihnen
und der Stelle im Wege ſind, die das Ei einnehmen ſoll. Bei
vielen Schlupfwespen, den Raub- und Blumenwespen iſt der
Stachel im Bauche verborgen, kurz und ſchärfer geſpitzt, als die
feinſte Nähnadel und ſelbſtverſtändlich auch geeignet, einen
empfindlichen Stich demjenigen in die Finger zu verſetzen, der
ſich erkühnt, einem dieſer Thierchen die gewohnte Freiheit rauben
zu wollen. Es ſindet aber noch ein Unterſchied hierbei Statt.
Der Stich einer Schlupfwespe ſchmerzt nur wie der einer Nadel,
und die Empfindung hält nicht lange an, wem dagegen eine
Raub- oder Blumenwespe ihr Stilet in das Fleiſch bohrt, der
empfindet ein nachhaltiges Brennen, die Stelle röthet ſich und
ſchwillt mehr oder weniger an, weil das Jnſekt nicht blos ſtach,
ſondern gleichzeitig Gift in die Wunde ausfließen ließ. Dieſe
Flüſſigkeit, eine concentrirte Ameiſenſäure, ſammelt ſich in einer
Blaſe am Grunde des Stachels an, beim Stechen wird dieſelbe
gedrückt und läßt ein Tröpflein durch jenen fließen, wie ſonſt
bei nicht feindlicher Geſinnung ein Ei. Dieſer Giftſtachel, deren
Träger man auch unter dem Namen der „Aculeaten“ zuſam-
mengefaßt hat, iſt den Raubwespen unentbehrlich, um die
Jnſekten zu lähmen, die ſie für ihre Brut zuſammentragen, wie
bereits erzählt wurde, bei den Blumenwespen hingegen, die ja
nur Honigſeim verfüttern, dient er als Vertheidigungswaſſe, wird
zum „Wehrſtachel“. Da das in Rede ſtehende Werkzeug
zum Ablegen der Eier bei den übrigen Hautflüglern weder
Giftſtachel iſt, wie bei den genaunten, noch in der äußern Form demſelben entſpricht, wie bei
gewiſſen Schlupfwespen, ſondern häufig als kürzere oder längere Schwanzborſte aus dem
Hinterleibe heraustritt, ſo hat man es im Gegenſatze zu dem Stachel (aculeus) Legröhre,
Legbohrer (terebra) genannt und ſeine Jnhaber unter dem Namen der Hymenoptera terebrantia
vereinigt. Bei den weiblichen Blattwespen wird er am Bauche ſichtbar, wenn er auch nicht zur
Körperverlängerung des Thieres beiträgt, hat die Form einer Meſſerklinge, aber in Folge der
gezahnten Gräten vollkommen die Wirkung und das Ausſehen einer Säge. Bei den Holzwespen
ragt er ſtabförmig merklich über die Hinterleibsſpitze hinaus und läßt ſich am beſten mit einer
Raspel vergleichen. Bei ſehr vielen Schlupfwespen ſteht er als kürzere oder längere Borſte, die,
einen ſpitzen Winkel mit dem Hinterleibe bildend, nach vorn bewegt werden kann, über dieſen
hinaus, um ſo länger, je tiefer im Holze das Weibchen die Larven derjenigen Jnſekten zu ſuchen
hat, denen es ſeine Nachkommen anzuvertrauen gedenkt. Beſonders ſolche lange Bohrer erſcheinen
nach dem Tode des Thieres als drei fadenförmige Schwanzborſten, die mittelſte ſteifer — der
hornige Bohrer — die ſeitlichen gedreht und unregelmäßig gekrümmt, weil ſie die weichere Scheide
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Bei kleineren Schlupfwespen, vielen Gallwespen, die auch zu den Microhymenopteren zählen,

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[162/0180] Die Hautflügler. dargeſtellten Spitze deſſelben, oben am Querdurchſchnitte in dem oberen ſchwarzen Bogen den Eileiter, in der unteren, albermals halbirten Hälfte die beiden Gräten. Auch der Eileiter kann ſich vollſtändig oder theilweiſe in zwei häutig verbundene und dadurch der Erweiterung fähige Stücke auf- löſen. Durch dieſe Einrichtung wird eine Verſchiebung der Gräten gegen den Eileiter nach oben und [Abbildung Legbohrer der großen Holzwespe mit ſeiner Scheide, rechts daneben die Spitze deſſelben ohne ſolche. x Schwanzſpitze des Hinterleibes. Bei c — a der Muſkelappa- rat zum Aufrichten des Vohrers. Bedeu- tende Bergrößerung.] unten möglich, wo es nöthig iſt, feſte Körper zu durchdringen. Die Gräten ſtellen Pfriemen, Meſſer, Bohrer, Säge, mit einem Worte das Schneidewerkzeug dar, mit welchem die Jnſekten diejenigen Körper zu durchdringen haben, welche zwiſchen ihnen und der Stelle im Wege ſind, die das Ei einnehmen ſoll. Bei vielen Schlupfwespen, den Raub- und Blumenwespen iſt der Stachel im Bauche verborgen, kurz und ſchärfer geſpitzt, als die feinſte Nähnadel und ſelbſtverſtändlich auch geeignet, einen empfindlichen Stich demjenigen in die Finger zu verſetzen, der ſich erkühnt, einem dieſer Thierchen die gewohnte Freiheit rauben zu wollen. Es ſindet aber noch ein Unterſchied hierbei Statt. Der Stich einer Schlupfwespe ſchmerzt nur wie der einer Nadel, und die Empfindung hält nicht lange an, wem dagegen eine Raub- oder Blumenwespe ihr Stilet in das Fleiſch bohrt, der empfindet ein nachhaltiges Brennen, die Stelle röthet ſich und ſchwillt mehr oder weniger an, weil das Jnſekt nicht blos ſtach, ſondern gleichzeitig Gift in die Wunde ausfließen ließ. Dieſe Flüſſigkeit, eine concentrirte Ameiſenſäure, ſammelt ſich in einer Blaſe am Grunde des Stachels an, beim Stechen wird dieſelbe gedrückt und läßt ein Tröpflein durch jenen fließen, wie ſonſt bei nicht feindlicher Geſinnung ein Ei. Dieſer Giftſtachel, deren Träger man auch unter dem Namen der „Aculeaten“ zuſam- mengefaßt hat, iſt den Raubwespen unentbehrlich, um die Jnſekten zu lähmen, die ſie für ihre Brut zuſammentragen, wie bereits erzählt wurde, bei den Blumenwespen hingegen, die ja nur Honigſeim verfüttern, dient er als Vertheidigungswaſſe, wird zum „Wehrſtachel“. Da das in Rede ſtehende Werkzeug zum Ablegen der Eier bei den übrigen Hautflüglern weder Giftſtachel iſt, wie bei den genaunten, noch in der äußern Form demſelben entſpricht, wie bei gewiſſen Schlupfwespen, ſondern häufig als kürzere oder längere Schwanzborſte aus dem Hinterleibe heraustritt, ſo hat man es im Gegenſatze zu dem Stachel (aculeus) Legröhre, Legbohrer (terebra) genannt und ſeine Jnhaber unter dem Namen der Hymenoptera terebrantia vereinigt. Bei den weiblichen Blattwespen wird er am Bauche ſichtbar, wenn er auch nicht zur Körperverlängerung des Thieres beiträgt, hat die Form einer Meſſerklinge, aber in Folge der gezahnten Gräten vollkommen die Wirkung und das Ausſehen einer Säge. Bei den Holzwespen ragt er ſtabförmig merklich über die Hinterleibsſpitze hinaus und läßt ſich am beſten mit einer Raspel vergleichen. Bei ſehr vielen Schlupfwespen ſteht er als kürzere oder längere Borſte, die, einen ſpitzen Winkel mit dem Hinterleibe bildend, nach vorn bewegt werden kann, über dieſen hinaus, um ſo länger, je tiefer im Holze das Weibchen die Larven derjenigen Jnſekten zu ſuchen hat, denen es ſeine Nachkommen anzuvertrauen gedenkt. Beſonders ſolche lange Bohrer erſcheinen nach dem Tode des Thieres als drei fadenförmige Schwanzborſten, die mittelſte ſteifer — der hornige Bohrer — die ſeitlichen gedreht und unregelmäßig gekrümmt, weil ſie die weichere Scheide ausmachen, welche durch das Eintrocknen ihre ſtraffe Haltung nicht länger zu behaupten vermag. Bei kleineren Schlupfwespen, vielen Gallwespen, die auch zu den Microhymenopteren zählen,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/180>, abgerufen am 23.11.2024.