erreicht der Bohrer, ohne aus dem Körper in der Ruhelage hervorzutreten, eine unverhältnißmäßige Länge, weniger darum, weil diese Thierchen ihn so tief zu versenken hätten beim Eierlegen, sondern vielmehr, um durch seine Elasticität den Nachdruck zu verstärken, welchen ihm die schwache Muskel- kraft der kleinen Wesen beim Einbohren nicht würde verleihen können. Zu diesem Zwecke legt er sich schleifenförmig an die Jnnenwände der Hinterleibshöhle, und der Mechanismus ist so ein- gerichtet, daß der Bohrer wie eine ein oder einige Mal gewundene Stahlfeder eines Uhrwerks federt. Ja es kommen Fälle vor, wo sich der Hinterleib, weil sein normaler Umfang nicht hierzu ausreicht, in ganz eigenthümlicher Weise erweitert, z. B. an der Bauchseite durch eine kegelförmige Anschwellung bis zur Mittelbrust, oder auf der Rückenseite vom Stiele an durch ein bis zum Kopfe vordringendes, rundes Horn bei Platygaster Boscii und so den nöthigen Raum schafft für den wunderbaren Mechanismus. Daß indeß auch die Gallwespen beim Legen ihrer Eier und Einstechen in die verschiedensten Pflanzentheile einen Saft absondern müssen, der für diese als Gift, d. h. zerstörend und den Bildungsgang in krankhafter Weise abändernd wirkt, scheint die für jede Art ganz bestimmte Form der Galle zu beweisen, deren Ansatz sofort beginnt und nicht der erst später ausschlüpfenden Larve zugeschrieben werden kann, mag diese zu der weiteren Entwickelung der Galle dann immerhin auch das Jhrige mit beitragen.
Von den Beinen, deren vorderstes Paar weit von den beiden hinteren, einander sehr genäherten, absteht, sei nur bemerkt, daß bei den Blatt-, Holz-, Schlupf- und Gallwespen zwei- gliederige Schenkelringe vorhanden sind, und zwar ist das Grundglied am längsten; eingliederig bleiben dieselben bei den Raub- und Blumenwespen. Jn einer schwierigen Familie (Proctotrupier), die wir den Schlupfwespen anschließen werden, kommen Arten mit ein- und zweigliederigem Schenkelringe vor und liefern hierdurch, wie durch ihre schmarotzende oder den Raubwespen gleich kommende Lebensart den Beweis, wenn ein solcher überhaupt noch nöthig wäre, daß es überall Uebergangsgruppen gibt, die dem ordnenden Systematiker so häufig im Wege stehen. Fünf Glieder bilden in den meisten Fällen den Fuß.
Die Flügel, das wesentliche Bewegungsorgan dieses ewig unruhigen, luftigen Gesindels bestehen alle vier aus einer dünnen, dem bloßen Auge nackt erscheinenden, unter dem Mikroskope aber kurz behaarten Haut, die wasserhell, in den meisten Fällen aber etwas getrübt, wie ange- räuchert aussieht; nicht selten zieht ihre Farbe in Gelb, oder die Hinterränder sind geschwärzt, auch bindenartige Trübung durch die Fläche kommt öfter vor. Weniger bei unseren einheimischen Jmmen, dagegen nicht selten bei den vielen, weit stattlicheren erotischen Arten nimmt der ganze Flügel oder ein Theil desselben eine schwarze, blaue, violette, braune, rothe oder gelbe Färbung an und trägt dadurch nicht wenig zur Ausschmückung des schönen Thieres bei. Die Haut wird im Verhältniß zu den Flügeln der sonst nahe verwandten Netzflügler von nur wenigen Adern oder Nerven durchzogen und gestützt, welche durch ihre Einmündungen in einander oder mit dem Saume des Flügels gewisse geschlossene Räume, die Zellen, bilden. Jn der Ruhe pflegen die Flügel wagrecht auf dem Rücken zu liegen und den Hinterleib zu überschleiern, bei den eigentlichen Wespen, wo sie sich der Länge nach falten, hängen sie mehr an den Seiten des Körpers und bedecken den Hinterleib nicht. Jeder Vorderflügel ist mit seinem Hinterflügel im Fluge vereinigt, indem dieser mit sehr feinen Häkchen seines Vorderrandes an entsprechenden Stellen des Hinterrandes von jenem ein- greift. Auf der Einlenkungsstelle des Vorderflügels liegt ein bewegliches, horniges Plättchen, das sogenannte Flügelschüppchen, das sich manchmal durch besondere Färbung von seiner Umgebung auszeichnet, und mehr darum, als durch seine eigenthümliche Gestalt der Berücksichtigung werth wird. Ein anderes Hornfleckchen, welches, eben weil es hornartig ist, wie die Adern, durch seine andere Färbung gegen die dünne Flügelhaut leicht in die Augen fällt, findet sich am Vorderrande der meisten Flügel hinter der Mitte und heißt das Flügel- oder Randmal; wo es fehlt, werden die Adern sehr sparsam oder fallen gänzlich aus. Sie sind es nun mit den von ihnen gebildeten Zellen, denen wir unsere besondere Aufmerksamkeit zuwenden müssen, da sie für den bei weitem größten
11*
Allgemeines.
erreicht der Bohrer, ohne aus dem Körper in der Ruhelage hervorzutreten, eine unverhältnißmäßige Länge, weniger darum, weil dieſe Thierchen ihn ſo tief zu verſenken hätten beim Eierlegen, ſondern vielmehr, um durch ſeine Elaſticität den Nachdruck zu verſtärken, welchen ihm die ſchwache Muskel- kraft der kleinen Weſen beim Einbohren nicht würde verleihen können. Zu dieſem Zwecke legt er ſich ſchleifenförmig an die Jnnenwände der Hinterleibshöhle, und der Mechanismus iſt ſo ein- gerichtet, daß der Bohrer wie eine ein oder einige Mal gewundene Stahlfeder eines Uhrwerks federt. Ja es kommen Fälle vor, wo ſich der Hinterleib, weil ſein normaler Umfang nicht hierzu ausreicht, in ganz eigenthümlicher Weiſe erweitert, z. B. an der Bauchſeite durch eine kegelförmige Anſchwellung bis zur Mittelbruſt, oder auf der Rückenſeite vom Stiele an durch ein bis zum Kopfe vordringendes, rundes Horn bei Platygaster Boscii und ſo den nöthigen Raum ſchafft für den wunderbaren Mechanismus. Daß indeß auch die Gallwespen beim Legen ihrer Eier und Einſtechen in die verſchiedenſten Pflanzentheile einen Saft abſondern müſſen, der für dieſe als Gift, d. h. zerſtörend und den Bildungsgang in krankhafter Weiſe abändernd wirkt, ſcheint die für jede Art ganz beſtimmte Form der Galle zu beweiſen, deren Anſatz ſofort beginnt und nicht der erſt ſpäter ausſchlüpfenden Larve zugeſchrieben werden kann, mag dieſe zu der weiteren Entwickelung der Galle dann immerhin auch das Jhrige mit beitragen.
Von den Beinen, deren vorderſtes Paar weit von den beiden hinteren, einander ſehr genäherten, abſteht, ſei nur bemerkt, daß bei den Blatt-, Holz-, Schlupf- und Gallwespen zwei- gliederige Schenkelringe vorhanden ſind, und zwar iſt das Grundglied am längſten; eingliederig bleiben dieſelben bei den Raub- und Blumenwespen. Jn einer ſchwierigen Familie (Proctotrupier), die wir den Schlupfwespen anſchließen werden, kommen Arten mit ein- und zweigliederigem Schenkelringe vor und liefern hierdurch, wie durch ihre ſchmarotzende oder den Raubwespen gleich kommende Lebensart den Beweis, wenn ein ſolcher überhaupt noch nöthig wäre, daß es überall Uebergangsgruppen gibt, die dem ordnenden Syſtematiker ſo häufig im Wege ſtehen. Fünf Glieder bilden in den meiſten Fällen den Fuß.
Die Flügel, das weſentliche Bewegungsorgan dieſes ewig unruhigen, luftigen Geſindels beſtehen alle vier aus einer dünnen, dem bloßen Auge nackt erſcheinenden, unter dem Mikroſkope aber kurz behaarten Haut, die waſſerhell, in den meiſten Fällen aber etwas getrübt, wie ange- räuchert ausſieht; nicht ſelten zieht ihre Farbe in Gelb, oder die Hinterränder ſind geſchwärzt, auch bindenartige Trübung durch die Fläche kommt öfter vor. Weniger bei unſeren einheimiſchen Jmmen, dagegen nicht ſelten bei den vielen, weit ſtattlicheren erotiſchen Arten nimmt der ganze Flügel oder ein Theil deſſelben eine ſchwarze, blaue, violette, braune, rothe oder gelbe Färbung an und trägt dadurch nicht wenig zur Ausſchmückung des ſchönen Thieres bei. Die Haut wird im Verhältniß zu den Flügeln der ſonſt nahe verwandten Netzflügler von nur wenigen Adern oder Nerven durchzogen und geſtützt, welche durch ihre Einmündungen in einander oder mit dem Saume des Flügels gewiſſe geſchloſſene Räume, die Zellen, bilden. Jn der Ruhe pflegen die Flügel wagrecht auf dem Rücken zu liegen und den Hinterleib zu überſchleiern, bei den eigentlichen Wespen, wo ſie ſich der Länge nach falten, hängen ſie mehr an den Seiten des Körpers und bedecken den Hinterleib nicht. Jeder Vorderflügel iſt mit ſeinem Hinterflügel im Fluge vereinigt, indem dieſer mit ſehr feinen Häkchen ſeines Vorderrandes an entſprechenden Stellen des Hinterrandes von jenem ein- greift. Auf der Einlenkungsſtelle des Vorderflügels liegt ein bewegliches, horniges Plättchen, das ſogenannte Flügelſchüppchen, das ſich manchmal durch beſondere Färbung von ſeiner Umgebung auszeichnet, und mehr darum, als durch ſeine eigenthümliche Geſtalt der Berückſichtigung werth wird. Ein anderes Hornfleckchen, welches, eben weil es hornartig iſt, wie die Adern, durch ſeine andere Färbung gegen die dünne Flügelhaut leicht in die Augen fällt, findet ſich am Vorderrande der meiſten Flügel hinter der Mitte und heißt das Flügel- oder Randmal; wo es fehlt, werden die Adern ſehr ſparſam oder fallen gänzlich aus. Sie ſind es nun mit den von ihnen gebildeten Zellen, denen wir unſere beſondere Aufmerkſamkeit zuwenden müſſen, da ſie für den bei weitem größten
11*
<TEI><text><body><floatingText><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0181"n="163"/><fwplace="top"type="header">Allgemeines.</fw><lb/>
erreicht der Bohrer, ohne aus dem Körper in der Ruhelage hervorzutreten, eine unverhältnißmäßige<lb/>
Länge, weniger darum, weil dieſe Thierchen ihn ſo tief zu verſenken hätten beim Eierlegen, ſondern<lb/>
vielmehr, um durch ſeine Elaſticität den Nachdruck zu verſtärken, welchen ihm die ſchwache Muskel-<lb/>
kraft der kleinen Weſen beim Einbohren nicht würde verleihen können. Zu dieſem Zwecke legt<lb/>
er ſich ſchleifenförmig an die Jnnenwände der Hinterleibshöhle, und der Mechanismus iſt ſo ein-<lb/>
gerichtet, daß der Bohrer wie eine ein oder einige Mal gewundene Stahlfeder eines Uhrwerks<lb/>
federt. Ja es kommen Fälle vor, wo ſich der Hinterleib, weil ſein normaler Umfang nicht hierzu<lb/>
ausreicht, in ganz eigenthümlicher Weiſe erweitert, z. B. an der Bauchſeite durch eine kegelförmige<lb/>
Anſchwellung bis zur Mittelbruſt, oder auf der Rückenſeite vom Stiele an durch ein bis zum<lb/>
Kopfe vordringendes, rundes Horn bei <hirendition="#aq">Platygaster Boscii</hi> und ſo den nöthigen Raum ſchafft<lb/>
für den wunderbaren Mechanismus. Daß indeß auch die Gallwespen beim Legen ihrer Eier<lb/>
und Einſtechen in die verſchiedenſten Pflanzentheile einen Saft abſondern müſſen, der für dieſe<lb/>
als Gift, d. h. zerſtörend und den Bildungsgang in krankhafter Weiſe abändernd wirkt, ſcheint<lb/>
die für jede Art ganz beſtimmte Form der Galle zu beweiſen, deren Anſatz ſofort beginnt und<lb/>
nicht der erſt ſpäter ausſchlüpfenden Larve zugeſchrieben werden kann, mag dieſe zu der weiteren<lb/>
Entwickelung der Galle dann immerhin auch das Jhrige mit beitragen.</p><lb/><p>Von den <hirendition="#g">Beinen,</hi> deren vorderſtes Paar weit von den beiden hinteren, einander ſehr<lb/>
genäherten, abſteht, ſei nur bemerkt, daß bei den Blatt-, Holz-, Schlupf- und Gallwespen <hirendition="#g">zwei-</hi><lb/>
gliederige Schenkelringe vorhanden ſind, und zwar iſt das Grundglied am längſten; <hirendition="#g">eing</hi>liederig<lb/>
bleiben dieſelben bei den Raub- und Blumenwespen. Jn einer ſchwierigen Familie (Proctotrupier),<lb/>
die wir den Schlupfwespen anſchließen werden, kommen Arten mit ein- und zweigliederigem<lb/>
Schenkelringe vor und liefern hierdurch, wie durch ihre ſchmarotzende oder den Raubwespen gleich<lb/>
kommende Lebensart den Beweis, wenn ein ſolcher überhaupt noch nöthig wäre, daß es überall<lb/>
Uebergangsgruppen gibt, die dem ordnenden Syſtematiker ſo häufig im Wege ſtehen. Fünf<lb/>
Glieder bilden in den meiſten Fällen den Fuß.</p><lb/><p>Die <hirendition="#g">Flügel,</hi> das weſentliche Bewegungsorgan dieſes ewig unruhigen, luftigen Geſindels<lb/>
beſtehen alle vier aus einer dünnen, dem bloßen Auge nackt erſcheinenden, unter dem Mikroſkope<lb/>
aber kurz behaarten Haut, die waſſerhell, in den meiſten Fällen aber etwas getrübt, wie ange-<lb/>
räuchert ausſieht; nicht ſelten zieht ihre Farbe in Gelb, oder die Hinterränder ſind geſchwärzt,<lb/>
auch bindenartige Trübung durch die Fläche kommt öfter vor. Weniger bei unſeren einheimiſchen<lb/>
Jmmen, dagegen nicht ſelten bei den vielen, weit ſtattlicheren erotiſchen Arten nimmt der ganze<lb/>
Flügel oder ein Theil deſſelben eine ſchwarze, blaue, violette, braune, rothe oder gelbe Färbung<lb/>
an und trägt dadurch nicht wenig zur Ausſchmückung des ſchönen Thieres bei. Die Haut wird<lb/>
im Verhältniß zu den Flügeln der ſonſt nahe verwandten Netzflügler von nur wenigen Adern oder<lb/>
Nerven durchzogen und geſtützt, welche durch ihre Einmündungen in einander oder mit dem Saume des<lb/>
Flügels gewiſſe geſchloſſene Räume, die <hirendition="#g">Zellen,</hi> bilden. Jn der Ruhe pflegen die Flügel wagrecht auf<lb/>
dem Rücken zu liegen und den Hinterleib zu überſchleiern, bei den eigentlichen Wespen, wo ſie ſich<lb/>
der Länge nach falten, hängen ſie mehr an den Seiten des Körpers und bedecken den Hinterleib<lb/>
nicht. Jeder Vorderflügel iſt mit ſeinem Hinterflügel im Fluge vereinigt, indem dieſer mit ſehr<lb/>
feinen Häkchen ſeines Vorderrandes an entſprechenden Stellen des Hinterrandes von jenem ein-<lb/>
greift. Auf der Einlenkungsſtelle des Vorderflügels liegt ein bewegliches, horniges Plättchen, das<lb/>ſogenannte <hirendition="#g">Flügelſchüppchen,</hi> das ſich manchmal durch beſondere Färbung von ſeiner Umgebung<lb/>
auszeichnet, und mehr darum, als durch ſeine eigenthümliche Geſtalt der Berückſichtigung werth wird.<lb/>
Ein anderes Hornfleckchen, welches, eben weil es hornartig iſt, wie die Adern, durch ſeine andere<lb/>
Färbung gegen die dünne Flügelhaut leicht in die Augen fällt, findet ſich am Vorderrande der meiſten<lb/>
Flügel hinter der Mitte und heißt das <hirendition="#g">Flügel-</hi> oder <hirendition="#g">Randmal;</hi> wo es fehlt, werden die Adern<lb/>ſehr ſparſam oder fallen gänzlich aus. Sie ſind es nun mit den von ihnen gebildeten Zellen,<lb/>
denen wir unſere beſondere Aufmerkſamkeit zuwenden müſſen, da ſie für den bei weitem größten<lb/><fwplace="bottom"type="sig">11*</fw><lb/></p></div></div></body></floatingText></body></text></TEI>
[163/0181]
Allgemeines.
erreicht der Bohrer, ohne aus dem Körper in der Ruhelage hervorzutreten, eine unverhältnißmäßige
Länge, weniger darum, weil dieſe Thierchen ihn ſo tief zu verſenken hätten beim Eierlegen, ſondern
vielmehr, um durch ſeine Elaſticität den Nachdruck zu verſtärken, welchen ihm die ſchwache Muskel-
kraft der kleinen Weſen beim Einbohren nicht würde verleihen können. Zu dieſem Zwecke legt
er ſich ſchleifenförmig an die Jnnenwände der Hinterleibshöhle, und der Mechanismus iſt ſo ein-
gerichtet, daß der Bohrer wie eine ein oder einige Mal gewundene Stahlfeder eines Uhrwerks
federt. Ja es kommen Fälle vor, wo ſich der Hinterleib, weil ſein normaler Umfang nicht hierzu
ausreicht, in ganz eigenthümlicher Weiſe erweitert, z. B. an der Bauchſeite durch eine kegelförmige
Anſchwellung bis zur Mittelbruſt, oder auf der Rückenſeite vom Stiele an durch ein bis zum
Kopfe vordringendes, rundes Horn bei Platygaster Boscii und ſo den nöthigen Raum ſchafft
für den wunderbaren Mechanismus. Daß indeß auch die Gallwespen beim Legen ihrer Eier
und Einſtechen in die verſchiedenſten Pflanzentheile einen Saft abſondern müſſen, der für dieſe
als Gift, d. h. zerſtörend und den Bildungsgang in krankhafter Weiſe abändernd wirkt, ſcheint
die für jede Art ganz beſtimmte Form der Galle zu beweiſen, deren Anſatz ſofort beginnt und
nicht der erſt ſpäter ausſchlüpfenden Larve zugeſchrieben werden kann, mag dieſe zu der weiteren
Entwickelung der Galle dann immerhin auch das Jhrige mit beitragen.
Von den Beinen, deren vorderſtes Paar weit von den beiden hinteren, einander ſehr
genäherten, abſteht, ſei nur bemerkt, daß bei den Blatt-, Holz-, Schlupf- und Gallwespen zwei-
gliederige Schenkelringe vorhanden ſind, und zwar iſt das Grundglied am längſten; eingliederig
bleiben dieſelben bei den Raub- und Blumenwespen. Jn einer ſchwierigen Familie (Proctotrupier),
die wir den Schlupfwespen anſchließen werden, kommen Arten mit ein- und zweigliederigem
Schenkelringe vor und liefern hierdurch, wie durch ihre ſchmarotzende oder den Raubwespen gleich
kommende Lebensart den Beweis, wenn ein ſolcher überhaupt noch nöthig wäre, daß es überall
Uebergangsgruppen gibt, die dem ordnenden Syſtematiker ſo häufig im Wege ſtehen. Fünf
Glieder bilden in den meiſten Fällen den Fuß.
Die Flügel, das weſentliche Bewegungsorgan dieſes ewig unruhigen, luftigen Geſindels
beſtehen alle vier aus einer dünnen, dem bloßen Auge nackt erſcheinenden, unter dem Mikroſkope
aber kurz behaarten Haut, die waſſerhell, in den meiſten Fällen aber etwas getrübt, wie ange-
räuchert ausſieht; nicht ſelten zieht ihre Farbe in Gelb, oder die Hinterränder ſind geſchwärzt,
auch bindenartige Trübung durch die Fläche kommt öfter vor. Weniger bei unſeren einheimiſchen
Jmmen, dagegen nicht ſelten bei den vielen, weit ſtattlicheren erotiſchen Arten nimmt der ganze
Flügel oder ein Theil deſſelben eine ſchwarze, blaue, violette, braune, rothe oder gelbe Färbung
an und trägt dadurch nicht wenig zur Ausſchmückung des ſchönen Thieres bei. Die Haut wird
im Verhältniß zu den Flügeln der ſonſt nahe verwandten Netzflügler von nur wenigen Adern oder
Nerven durchzogen und geſtützt, welche durch ihre Einmündungen in einander oder mit dem Saume des
Flügels gewiſſe geſchloſſene Räume, die Zellen, bilden. Jn der Ruhe pflegen die Flügel wagrecht auf
dem Rücken zu liegen und den Hinterleib zu überſchleiern, bei den eigentlichen Wespen, wo ſie ſich
der Länge nach falten, hängen ſie mehr an den Seiten des Körpers und bedecken den Hinterleib
nicht. Jeder Vorderflügel iſt mit ſeinem Hinterflügel im Fluge vereinigt, indem dieſer mit ſehr
feinen Häkchen ſeines Vorderrandes an entſprechenden Stellen des Hinterrandes von jenem ein-
greift. Auf der Einlenkungsſtelle des Vorderflügels liegt ein bewegliches, horniges Plättchen, das
ſogenannte Flügelſchüppchen, das ſich manchmal durch beſondere Färbung von ſeiner Umgebung
auszeichnet, und mehr darum, als durch ſeine eigenthümliche Geſtalt der Berückſichtigung werth wird.
Ein anderes Hornfleckchen, welches, eben weil es hornartig iſt, wie die Adern, durch ſeine andere
Färbung gegen die dünne Flügelhaut leicht in die Augen fällt, findet ſich am Vorderrande der meiſten
Flügel hinter der Mitte und heißt das Flügel- oder Randmal; wo es fehlt, werden die Adern
ſehr ſparſam oder fallen gänzlich aus. Sie ſind es nun mit den von ihnen gebildeten Zellen,
denen wir unſere beſondere Aufmerkſamkeit zuwenden müſſen, da ſie für den bei weitem größten
11*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/181>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.