wie es auch welche gibt, die deren drei, wenn nicht gar vier haben, so muß man umgekehrt die Generation des Maikäfers für die meisten Gegenden als vierjährig, die der oben erwähnten Cicade als siebenzehnjährig bezeichnen.
Es ist im Verhältniß zu der ungeheueren Anzahl aller Jnsekten erst von sehr wenigen die Entwickelungsgeschichte zuverlässig beobachtet; soweit unsere Kenntnisse reichen, dürften einige Gesetze als maßgebend sich herausgestellt haben, wie etwa: 1) Das Larvenleben dauert länger, als das Leben des Jmago, eine Ausnahme davon machen die freilebenden Larven derer, welche im vollkommenen Zustande überwintern, sodann diejenigen Jnsekten, die einen Staat bilden (Bienen, Ameisen, Termiten). 2) Die bohrenden oder unterirdischen Larven brauchen längere Zeit zu ihrer Entwickelung als die frei auf Pflanzen etc. oder über der Erde lebenden. 3) Die fußlosen, ganz besonders aber die fuß- und kopflosen Larven gebrauchen am wenigsten Zeit zu ihrer Ausbildung. 4) Je längere Zeit ein Jnsekt zu seiner Entwickelung braucht, desto kürzer ist ihm im Verhältniß hierzu die Lebenszeit für den vollkommenen Zustand bemessen. So wenig diese und vielleicht noch andere Gesetze, die sich aufstellen ließen, ausnahmslos sind, ebensowenig treffen die jeder Art im Allgemeinen gesetzten Termine bei ihren Verwandlungen immer zu. Frauendorf hatte, um ein Beispiel anzuführen, Ende Juni 1836 Raupen eines an Birken nesterweise lebenden, für manche Gegenden Deutschlands gemeinen Spinners, der Gastropacha lanestris, und zwar zwei solche Nester eingetragen. Die Raupen hatten sich Mitte August sämmtlich versponnen. Den 18. Sep- tember erschien der erste Schmetterling, den 14. Oktober ein zweiter, beides Männchen. Einige zwanzig Stücke beiderlei Geschlechts schlüpften im Frühjahre 1837 aus -- dies wäre der regelrechte Zeitpunkt -- andere folgten im Herbste nach, einzelne in den folgenden Jahren, das letzte am 4. März 1842. Der Puppenzustand hatte bei diesem letzten Exemplare also 51/2 Jahre gedauert, beim ersten dagegen ebensoviele Wochen. Aehnliche Beobachtungen, wenn auch nicht mit so bedeu- tenden Zeitunterschieden, hat man auch bei anderen Schmetterlingen, blos nicht bei Tag- und Kleinfaltern gemacht. Jn einem Falle, welchen F. Smith erwähnt, verpuppten sich von 250 Larven einer gemeinen Mauerbiene (Osmia parietina) 25 erst im Sommer 1852, obschon die Eier 1849 gelegt waren und für gewöhnlich ein Jahr zur Entwickelung hinreicht. Es darf uns nicht Wunder nehmen, besonders von Schmetterlingen dergleichen Beispiele zu kennen, weil gerade diese Jnsektenordnung von jeher und von den verschiedensten Liebhabern beobachtet wurde und daher am allervollständigsten in ihrer Entwickelungsgeschichte bekannt ist.
Daß Wärme mit der gehörigen Feuchtigkeit und für die fressenden Larven Ueberfluß an Nahrung die Entwickelung beschleunigen, der Mangel an jenen Erfordernissen dieselbe aufhält, hat die Erfahrung gelehrt, und diese Einflüsse treten noch hinzu, um das Auffinden gewisser Gesetze schwieriger zu machen, als es an sich schon ist. Der kundige Schmetterlingszüchter weiß, daß er aus der Puppe, welche im Freien ungefähr erst im Mai den Falter liefern würde, denselben schon um die Weihnachtszeit in gleich schöner Farbenpracht entlocken kann, wenn er jene dem warmen Ofen recht nahe bringt und sie öfter anfeuchtet, damit er ihr Vertrocknen verhütet. Jm umgekehrten Falle hat er die Eier des Seidenspinners in der Kälte zu überwintern, wenn er sich nicht der Gefahr aussetzen will, im Frühjahre eher Raupen zu haben, als der Maulbeerbaum das Futter dazu hergibt. Die beiden angeführten Beispiele waren nicht aus dem unumschränkten Walten der Natur selbst entnommen; denn wir müssen uns im zweiten daran erinnern, daß der Seidenspinner in unserem Klima nicht heimisch ist, suchen wir uns daher noch einige andere, wo die menschliche Beeinflussung fern bleibt.
Der aufmerksame Beobachter kann wahrnehmen, wie ein Jnsekt durch ungünstiges Wetter um etwa vier Wochen und noch länger im Erscheinen zurückgehalten wird, gegen andere, seiner Entwickelung günstigere Jahre; es kann ihm nicht entgehen, wie ein und dasselbe Kerf, wenn es im Sommer seine Metamorphose durchmacht, dazu viel kürzere Zeit gebraucht, als wenn bei der nächsten der Winter dazwischen fällt. Am schlagendsten werden wir aber von dem Einflusse der
Ein Blick auf das Leben der Geſammtheit.
wie es auch welche gibt, die deren drei, wenn nicht gar vier haben, ſo muß man umgekehrt die Generation des Maikäfers für die meiſten Gegenden als vierjährig, die der oben erwähnten Cicade als ſiebenzehnjährig bezeichnen.
Es iſt im Verhältniß zu der ungeheueren Anzahl aller Jnſekten erſt von ſehr wenigen die Entwickelungsgeſchichte zuverläſſig beobachtet; ſoweit unſere Kenntniſſe reichen, dürften einige Geſetze als maßgebend ſich herausgeſtellt haben, wie etwa: 1) Das Larvenleben dauert länger, als das Leben des Jmago, eine Ausnahme davon machen die freilebenden Larven derer, welche im vollkommenen Zuſtande überwintern, ſodann diejenigen Jnſekten, die einen Staat bilden (Bienen, Ameiſen, Termiten). 2) Die bohrenden oder unterirdiſchen Larven brauchen längere Zeit zu ihrer Entwickelung als die frei auf Pflanzen ꝛc. oder über der Erde lebenden. 3) Die fußloſen, ganz beſonders aber die fuß- und kopfloſen Larven gebrauchen am wenigſten Zeit zu ihrer Ausbildung. 4) Je längere Zeit ein Jnſekt zu ſeiner Entwickelung braucht, deſto kürzer iſt ihm im Verhältniß hierzu die Lebenszeit für den vollkommenen Zuſtand bemeſſen. So wenig dieſe und vielleicht noch andere Geſetze, die ſich aufſtellen ließen, ausnahmslos ſind, ebenſowenig treffen die jeder Art im Allgemeinen geſetzten Termine bei ihren Verwandlungen immer zu. Frauendorf hatte, um ein Beiſpiel anzuführen, Ende Juni 1836 Raupen eines an Birken neſterweiſe lebenden, für manche Gegenden Deutſchlands gemeinen Spinners, der Gastropacha lanestris, und zwar zwei ſolche Neſter eingetragen. Die Raupen hatten ſich Mitte Auguſt ſämmtlich verſponnen. Den 18. Sep- tember erſchien der erſte Schmetterling, den 14. Oktober ein zweiter, beides Männchen. Einige zwanzig Stücke beiderlei Geſchlechts ſchlüpften im Frühjahre 1837 aus — dies wäre der regelrechte Zeitpunkt — andere folgten im Herbſte nach, einzelne in den folgenden Jahren, das letzte am 4. März 1842. Der Puppenzuſtand hatte bei dieſem letzten Exemplare alſo 5½ Jahre gedauert, beim erſten dagegen ebenſoviele Wochen. Aehnliche Beobachtungen, wenn auch nicht mit ſo bedeu- tenden Zeitunterſchieden, hat man auch bei anderen Schmetterlingen, blos nicht bei Tag- und Kleinfaltern gemacht. Jn einem Falle, welchen F. Smith erwähnt, verpuppten ſich von 250 Larven einer gemeinen Mauerbiene (Osmia parietina) 25 erſt im Sommer 1852, obſchon die Eier 1849 gelegt waren und für gewöhnlich ein Jahr zur Entwickelung hinreicht. Es darf uns nicht Wunder nehmen, beſonders von Schmetterlingen dergleichen Beiſpiele zu kennen, weil gerade dieſe Jnſektenordnung von jeher und von den verſchiedenſten Liebhabern beobachtet wurde und daher am allervollſtändigſten in ihrer Entwickelungsgeſchichte bekannt iſt.
Daß Wärme mit der gehörigen Feuchtigkeit und für die freſſenden Larven Ueberfluß an Nahrung die Entwickelung beſchleunigen, der Mangel an jenen Erforderniſſen dieſelbe aufhält, hat die Erfahrung gelehrt, und dieſe Einflüſſe treten noch hinzu, um das Auffinden gewiſſer Geſetze ſchwieriger zu machen, als es an ſich ſchon iſt. Der kundige Schmetterlingszüchter weiß, daß er aus der Puppe, welche im Freien ungefähr erſt im Mai den Falter liefern würde, denſelben ſchon um die Weihnachtszeit in gleich ſchöner Farbenpracht entlocken kann, wenn er jene dem warmen Ofen recht nahe bringt und ſie öfter anfeuchtet, damit er ihr Vertrocknen verhütet. Jm umgekehrten Falle hat er die Eier des Seidenſpinners in der Kälte zu überwintern, wenn er ſich nicht der Gefahr ausſetzen will, im Frühjahre eher Raupen zu haben, als der Maulbeerbaum das Futter dazu hergibt. Die beiden angeführten Beiſpiele waren nicht aus dem unumſchränkten Walten der Natur ſelbſt entnommen; denn wir müſſen uns im zweiten daran erinnern, daß der Seidenſpinner in unſerem Klima nicht heimiſch iſt, ſuchen wir uns daher noch einige andere, wo die menſchliche Beeinfluſſung fern bleibt.
Der aufmerkſame Beobachter kann wahrnehmen, wie ein Jnſekt durch ungünſtiges Wetter um etwa vier Wochen und noch länger im Erſcheinen zurückgehalten wird, gegen andere, ſeiner Entwickelung günſtigere Jahre; es kann ihm nicht entgehen, wie ein und daſſelbe Kerf, wenn es im Sommer ſeine Metamorphoſe durchmacht, dazu viel kürzere Zeit gebraucht, als wenn bei der nächſten der Winter dazwiſchen fällt. Am ſchlagendſten werden wir aber von dem Einfluſſe der
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[20/0032]
Ein Blick auf das Leben der Geſammtheit.
wie es auch welche gibt, die deren drei, wenn nicht gar vier haben, ſo muß man umgekehrt die
Generation des Maikäfers für die meiſten Gegenden als vierjährig, die der oben erwähnten
Cicade als ſiebenzehnjährig bezeichnen.
Es iſt im Verhältniß zu der ungeheueren Anzahl aller Jnſekten erſt von ſehr wenigen die
Entwickelungsgeſchichte zuverläſſig beobachtet; ſoweit unſere Kenntniſſe reichen, dürften einige
Geſetze als maßgebend ſich herausgeſtellt haben, wie etwa: 1) Das Larvenleben dauert länger,
als das Leben des Jmago, eine Ausnahme davon machen die freilebenden Larven derer, welche im
vollkommenen Zuſtande überwintern, ſodann diejenigen Jnſekten, die einen Staat bilden (Bienen,
Ameiſen, Termiten). 2) Die bohrenden oder unterirdiſchen Larven brauchen längere Zeit zu ihrer
Entwickelung als die frei auf Pflanzen ꝛc. oder über der Erde lebenden. 3) Die fußloſen, ganz
beſonders aber die fuß- und kopfloſen Larven gebrauchen am wenigſten Zeit zu ihrer Ausbildung.
4) Je längere Zeit ein Jnſekt zu ſeiner Entwickelung braucht, deſto kürzer iſt ihm im Verhältniß
hierzu die Lebenszeit für den vollkommenen Zuſtand bemeſſen. So wenig dieſe und vielleicht noch
andere Geſetze, die ſich aufſtellen ließen, ausnahmslos ſind, ebenſowenig treffen die jeder Art im
Allgemeinen geſetzten Termine bei ihren Verwandlungen immer zu. Frauendorf hatte, um
ein Beiſpiel anzuführen, Ende Juni 1836 Raupen eines an Birken neſterweiſe lebenden, für manche
Gegenden Deutſchlands gemeinen Spinners, der Gastropacha lanestris, und zwar zwei ſolche
Neſter eingetragen. Die Raupen hatten ſich Mitte Auguſt ſämmtlich verſponnen. Den 18. Sep-
tember erſchien der erſte Schmetterling, den 14. Oktober ein zweiter, beides Männchen. Einige
zwanzig Stücke beiderlei Geſchlechts ſchlüpften im Frühjahre 1837 aus — dies wäre der regelrechte
Zeitpunkt — andere folgten im Herbſte nach, einzelne in den folgenden Jahren, das letzte am
4. März 1842. Der Puppenzuſtand hatte bei dieſem letzten Exemplare alſo 5½ Jahre gedauert,
beim erſten dagegen ebenſoviele Wochen. Aehnliche Beobachtungen, wenn auch nicht mit ſo bedeu-
tenden Zeitunterſchieden, hat man auch bei anderen Schmetterlingen, blos nicht bei Tag- und
Kleinfaltern gemacht. Jn einem Falle, welchen F. Smith erwähnt, verpuppten ſich von 250
Larven einer gemeinen Mauerbiene (Osmia parietina) 25 erſt im Sommer 1852, obſchon die
Eier 1849 gelegt waren und für gewöhnlich ein Jahr zur Entwickelung hinreicht. Es darf uns
nicht Wunder nehmen, beſonders von Schmetterlingen dergleichen Beiſpiele zu kennen, weil gerade
dieſe Jnſektenordnung von jeher und von den verſchiedenſten Liebhabern beobachtet wurde und
daher am allervollſtändigſten in ihrer Entwickelungsgeſchichte bekannt iſt.
Daß Wärme mit der gehörigen Feuchtigkeit und für die freſſenden Larven Ueberfluß an
Nahrung die Entwickelung beſchleunigen, der Mangel an jenen Erforderniſſen dieſelbe aufhält,
hat die Erfahrung gelehrt, und dieſe Einflüſſe treten noch hinzu, um das Auffinden gewiſſer Geſetze
ſchwieriger zu machen, als es an ſich ſchon iſt. Der kundige Schmetterlingszüchter weiß, daß er
aus der Puppe, welche im Freien ungefähr erſt im Mai den Falter liefern würde, denſelben
ſchon um die Weihnachtszeit in gleich ſchöner Farbenpracht entlocken kann, wenn er jene dem
warmen Ofen recht nahe bringt und ſie öfter anfeuchtet, damit er ihr Vertrocknen verhütet. Jm
umgekehrten Falle hat er die Eier des Seidenſpinners in der Kälte zu überwintern, wenn er ſich
nicht der Gefahr ausſetzen will, im Frühjahre eher Raupen zu haben, als der Maulbeerbaum das
Futter dazu hergibt. Die beiden angeführten Beiſpiele waren nicht aus dem unumſchränkten
Walten der Natur ſelbſt entnommen; denn wir müſſen uns im zweiten daran erinnern, daß der
Seidenſpinner in unſerem Klima nicht heimiſch iſt, ſuchen wir uns daher noch einige andere, wo
die menſchliche Beeinfluſſung fern bleibt.
Der aufmerkſame Beobachter kann wahrnehmen, wie ein Jnſekt durch ungünſtiges Wetter
um etwa vier Wochen und noch länger im Erſcheinen zurückgehalten wird, gegen andere, ſeiner
Entwickelung günſtigere Jahre; es kann ihm nicht entgehen, wie ein und daſſelbe Kerf, wenn es
im Sommer ſeine Metamorphoſe durchmacht, dazu viel kürzere Zeit gebraucht, als wenn bei der
nächſten der Winter dazwiſchen fällt. Am ſchlagendſten werden wir aber von dem Einfluſſe der
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/32>, abgerufen am 27.11.2024.
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