Ein Blick auf das Leben der Gesammtheit. Gesichtspunkte der Eintheilung.
Drahtsieb aus, breitet diesem einen Bogen hellen Papieres unter und fängt an zu rütteln und zu schütteln, so wird man zu seiner nicht geringen Verwunderung auf dem Papiere ein reges Leben wahrnehmen und eine Menge derselben Thierchen wieder erkennen, die man im Herbste draußen im Freien antraf, vorausgesetzt, daß man ein treues Gedächtniß für dergleichen Dinge hat. Bei- läufig gesagt, ist dieses Verfahren eine zwar schon bekannte, aber ganz vortreffliche Methode für den Sammler, sich mit einer Menge, besonders kleinerer Thiere, zu bereichern, die er auf den sommerlichen Excursionen übersieht, oder absichtlich unberücksichtigt läßt, weil er gerade andere Zwecke verfolgt.
Den Bewohnern eines Flußthales bieten die mit dem Eisgange meist verbundenen Ueber- schwemmungen im ersten Frühjahre Gelegenheit dar, sich auf andere Weise davon zu überzeugen, wie viele Jnsekten im vollkommenen Zustande den Winter durchleben. Die kleinen Holzstückchen, Schilfstengel, Pflanzensamen und das sonstige Gekrümel, welches die Fluthen und Eisschollen mit sich fortführen und an den Rändern des Wasserspiegels zur Ruhe kommen lassen, sind vermengt mit Hunderten von Jnsekten, vornehmlich Käfern, die vermöge ihrer härteren Körperbedeckung die unfreiwillige, gewiß sehr unangenehme Reise unbeschädigt eher zurücklegen konnten, als die weicheren unter den Kerfen; sie sind es übrigens auch hauptsächlich, die als Jmago überwintern und von den austretenden Gewässern aus ihren Verstecken herausgespült und auf so klägliche Weise aus dem Winterschlafe erweckt werden. Wenn sich das Röhricht allmälig aufstauet und von dem wieder zurücktretenden Wasser trocken gelegt wird, erwachen viele der armen Schiffbrüchigen, ein Paar Stunden durchwärmender Sonnenschein thuen ihnen so wohl, daß sie sichtlich an Lebenskraft gewinnen und -- wenn das Wetter mild bleibt -- sich bald so weit gekräftigt haben, daß man ihnen keine Noth anmerkt. Jn solcher Weise spielt das Geschick diesen kleinen Wesen mit, aber ihre Lebenszähigkeit, die sich auch bei anderen Gelegenheiten zeigt, ist größer als die Naturkräfte, welche andere Dinge zerstören, die weit widerstandsfähiger erscheinen. Nicht als Beweis für das Ueberwintern vieler vollkommener Jnsekten, wohl aber als noch viel ergiebigere Fanggelegenheit für den Käfersammler dient dieselbe Erscheinung, wenn sie sich im Sommer nach anhaltenden Regengüssen in etwas anderer Form wiederholt. Die jetzt von Geziefer aller Art reich bewohnten Wiesen bieten, so lange die Grasspitzen noch aus dem Wasser hervorragen, ein Schauspiel ganz eigenthümlicher Art. Taufende und abermals Tausende von Käferchen, die man gar nicht dort vermuthete, weil sie geborgen und für das menschliche Auge verborgen im Schatten ihres Gras- haines ihr Wesen trieben, suchen jetzt in gedrängten Schaaren an den äußersten Gipfeln der Stengel und Blätter das Trockene. Fürwahr, ein Strohhalm, an den sich der Geängstete anklam- mert. Die bewegende Wasserkraft von unten, die zu große Last der enger und enger sich Zusammendrängenden und Zappelnden von oben und es ist um die Hilfe Suchenden geschehen. Der Rettungsanker ist zu schwach, dahin geht es mit der Schaar, die des Schwimmens nicht kundig; ein zweites Hälmchen wird von diesem und jenem erfaßt, ihm fehlte aber eben nur noch die geringste Belastung, um unterzutauchen, ein drittes und viertes gewährt keine größere Sicherheit. So geht es fort, bis die Kräfte endlich schwinden und der unfreiwillige Schwimmer willenlos sich den Fluthen übergibt. Endlich treibt er doch an sicheren Strand, eine Erhöhung inmitten der Fluth, der Rand der Gewässer spült die Leidensgefährten wieder zusammen und da ja jene bald wieder zurückzugehen pflegen, werden sie, die halb Erstarrten, trocken gelegt, und schwerlich ist Einer von ihnen zu Grunde gegangen, so gefährlich für sie vom menschlichen Stand- punkte aus die Situation auch erscheinen mochte. (S. "Die Käfer in Wassersnoth".)
Es ließen sich noch mancherlei Züge aus dem Jnsektenleben erzählen, die in eine allgemeine Schilderung gehören, wir wollen sie aber bis zuletzt auf einen Rückblick auf dieses lustige und luftige Völkchen verschieben, wenn sie sich nicht bei dem einen und anderen derselben einflechten lassen, weil wir meinen, daß diese Dinge und Namen, die wir etwa dabei zu nennen haben,
Ein Blick auf das Leben der Geſammtheit. Geſichtspunkte der Eintheilung.
Drahtſieb aus, breitet dieſem einen Bogen hellen Papieres unter und fängt an zu rütteln und zu ſchütteln, ſo wird man zu ſeiner nicht geringen Verwunderung auf dem Papiere ein reges Leben wahrnehmen und eine Menge derſelben Thierchen wieder erkennen, die man im Herbſte draußen im Freien antraf, vorausgeſetzt, daß man ein treues Gedächtniß für dergleichen Dinge hat. Bei- läufig geſagt, iſt dieſes Verfahren eine zwar ſchon bekannte, aber ganz vortreffliche Methode für den Sammler, ſich mit einer Menge, beſonders kleinerer Thiere, zu bereichern, die er auf den ſommerlichen Excurſionen überſieht, oder abſichtlich unberückſichtigt läßt, weil er gerade andere Zwecke verfolgt.
Den Bewohnern eines Flußthales bieten die mit dem Eisgange meiſt verbundenen Ueber- ſchwemmungen im erſten Frühjahre Gelegenheit dar, ſich auf andere Weiſe davon zu überzeugen, wie viele Jnſekten im vollkommenen Zuſtande den Winter durchleben. Die kleinen Holzſtückchen, Schilfſtengel, Pflanzenſamen und das ſonſtige Gekrümel, welches die Fluthen und Eisſchollen mit ſich fortführen und an den Rändern des Waſſerſpiegels zur Ruhe kommen laſſen, ſind vermengt mit Hunderten von Jnſekten, vornehmlich Käfern, die vermöge ihrer härteren Körperbedeckung die unfreiwillige, gewiß ſehr unangenehme Reiſe unbeſchädigt eher zurücklegen konnten, als die weicheren unter den Kerfen; ſie ſind es übrigens auch hauptſächlich, die als Jmago überwintern und von den austretenden Gewäſſern aus ihren Verſtecken herausgeſpült und auf ſo klägliche Weiſe aus dem Winterſchlafe erweckt werden. Wenn ſich das Röhricht allmälig aufſtauet und von dem wieder zurücktretenden Waſſer trocken gelegt wird, erwachen viele der armen Schiffbrüchigen, ein Paar Stunden durchwärmender Sonnenſchein thuen ihnen ſo wohl, daß ſie ſichtlich an Lebenskraft gewinnen und — wenn das Wetter mild bleibt — ſich bald ſo weit gekräftigt haben, daß man ihnen keine Noth anmerkt. Jn ſolcher Weiſe ſpielt das Geſchick dieſen kleinen Weſen mit, aber ihre Lebenszähigkeit, die ſich auch bei anderen Gelegenheiten zeigt, iſt größer als die Naturkräfte, welche andere Dinge zerſtören, die weit widerſtandsfähiger erſcheinen. Nicht als Beweis für das Ueberwintern vieler vollkommener Jnſekten, wohl aber als noch viel ergiebigere Fanggelegenheit für den Käferſammler dient dieſelbe Erſcheinung, wenn ſie ſich im Sommer nach anhaltenden Regengüſſen in etwas anderer Form wiederholt. Die jetzt von Geziefer aller Art reich bewohnten Wieſen bieten, ſo lange die Grasſpitzen noch aus dem Waſſer hervorragen, ein Schauſpiel ganz eigenthümlicher Art. Taufende und abermals Tauſende von Käferchen, die man gar nicht dort vermuthete, weil ſie geborgen und für das menſchliche Auge verborgen im Schatten ihres Gras- haines ihr Weſen trieben, ſuchen jetzt in gedrängten Schaaren an den äußerſten Gipfeln der Stengel und Blätter das Trockene. Fürwahr, ein Strohhalm, an den ſich der Geängſtete anklam- mert. Die bewegende Waſſerkraft von unten, die zu große Laſt der enger und enger ſich Zuſammendrängenden und Zappelnden von oben und es iſt um die Hilfe Suchenden geſchehen. Der Rettungsanker iſt zu ſchwach, dahin geht es mit der Schaar, die des Schwimmens nicht kundig; ein zweites Hälmchen wird von dieſem und jenem erfaßt, ihm fehlte aber eben nur noch die geringſte Belaſtung, um unterzutauchen, ein drittes und viertes gewährt keine größere Sicherheit. So geht es fort, bis die Kräfte endlich ſchwinden und der unfreiwillige Schwimmer willenlos ſich den Fluthen übergibt. Endlich treibt er doch an ſicheren Strand, eine Erhöhung inmitten der Fluth, der Rand der Gewäſſer ſpült die Leidensgefährten wieder zuſammen und da ja jene bald wieder zurückzugehen pflegen, werden ſie, die halb Erſtarrten, trocken gelegt, und ſchwerlich iſt Einer von ihnen zu Grunde gegangen, ſo gefährlich für ſie vom menſchlichen Stand- punkte aus die Situation auch erſcheinen mochte. (S. „Die Käfer in Waſſersnoth“.)
Es ließen ſich noch mancherlei Züge aus dem Jnſektenleben erzählen, die in eine allgemeine Schilderung gehören, wir wollen ſie aber bis zuletzt auf einen Rückblick auf dieſes luſtige und luftige Völkchen verſchieben, wenn ſie ſich nicht bei dem einen und anderen derſelben einflechten laſſen, weil wir meinen, daß dieſe Dinge und Namen, die wir etwa dabei zu nennen haben,
<TEI><text><body><floatingText><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0034"n="22"/><fwplace="top"type="header">Ein Blick auf das Leben der Geſammtheit. Geſichtspunkte der Eintheilung.</fw><lb/>
Drahtſieb aus, breitet dieſem einen Bogen hellen Papieres unter und fängt an zu rütteln und zu<lb/>ſchütteln, ſo wird man zu ſeiner nicht geringen Verwunderung auf dem Papiere ein reges Leben<lb/>
wahrnehmen und eine Menge derſelben Thierchen wieder erkennen, die man im Herbſte draußen<lb/>
im Freien antraf, vorausgeſetzt, daß man ein treues Gedächtniß für dergleichen Dinge hat. Bei-<lb/>
läufig geſagt, iſt dieſes Verfahren eine zwar ſchon bekannte, aber ganz vortreffliche Methode für<lb/>
den Sammler, ſich mit einer Menge, beſonders kleinerer Thiere, zu bereichern, die er auf den<lb/>ſommerlichen Excurſionen überſieht, oder abſichtlich unberückſichtigt läßt, weil er gerade andere<lb/>
Zwecke verfolgt.</p><lb/><p>Den Bewohnern eines Flußthales bieten die mit dem Eisgange meiſt verbundenen Ueber-<lb/>ſchwemmungen im erſten Frühjahre Gelegenheit dar, ſich auf andere Weiſe davon zu überzeugen,<lb/>
wie viele Jnſekten im vollkommenen Zuſtande den Winter durchleben. Die kleinen Holzſtückchen,<lb/>
Schilfſtengel, Pflanzenſamen und das ſonſtige Gekrümel, welches die Fluthen und Eisſchollen mit<lb/>ſich fortführen und an den Rändern des Waſſerſpiegels zur Ruhe kommen laſſen, ſind vermengt<lb/>
mit Hunderten von Jnſekten, vornehmlich Käfern, die vermöge ihrer härteren Körperbedeckung die<lb/>
unfreiwillige, gewiß ſehr unangenehme Reiſe unbeſchädigt eher zurücklegen konnten, als die weicheren<lb/>
unter den Kerfen; ſie ſind es übrigens auch hauptſächlich, die als Jmago überwintern und von<lb/>
den austretenden Gewäſſern aus ihren Verſtecken herausgeſpült und auf ſo klägliche Weiſe aus<lb/>
dem Winterſchlafe erweckt werden. Wenn ſich das Röhricht allmälig aufſtauet und von dem<lb/>
wieder zurücktretenden Waſſer trocken gelegt wird, erwachen viele der armen Schiffbrüchigen, ein<lb/>
Paar Stunden durchwärmender Sonnenſchein thuen ihnen ſo wohl, daß ſie ſichtlich an Lebenskraft<lb/>
gewinnen und — wenn das Wetter mild bleibt —ſich bald ſo weit gekräftigt haben, daß man<lb/>
ihnen keine Noth anmerkt. Jn ſolcher Weiſe ſpielt das Geſchick dieſen kleinen Weſen mit, aber<lb/>
ihre Lebenszähigkeit, die ſich auch bei anderen Gelegenheiten zeigt, iſt größer als die Naturkräfte,<lb/>
welche andere Dinge zerſtören, die weit widerſtandsfähiger erſcheinen. Nicht als Beweis für das<lb/>
Ueberwintern vieler vollkommener Jnſekten, wohl aber als noch viel ergiebigere Fanggelegenheit<lb/>
für den <hirendition="#g">Käferſ</hi>ammler dient dieſelbe Erſcheinung, wenn ſie ſich im Sommer nach anhaltenden<lb/>
Regengüſſen in etwas anderer Form wiederholt. Die jetzt von Geziefer aller Art reich bewohnten<lb/>
Wieſen bieten, ſo lange die Grasſpitzen noch aus dem Waſſer hervorragen, ein Schauſpiel ganz<lb/>
eigenthümlicher Art. Taufende und abermals Tauſende von Käferchen, die man gar nicht dort<lb/>
vermuthete, weil ſie geborgen und für das menſchliche Auge verborgen im Schatten ihres Gras-<lb/>
haines ihr Weſen trieben, ſuchen jetzt in gedrängten Schaaren an den äußerſten Gipfeln der<lb/>
Stengel und Blätter das Trockene. Fürwahr, ein Strohhalm, an den ſich der Geängſtete anklam-<lb/>
mert. Die bewegende Waſſerkraft von unten, die zu große Laſt der enger und enger ſich<lb/>
Zuſammendrängenden und Zappelnden von oben und es iſt um die Hilfe Suchenden geſchehen.<lb/>
Der Rettungsanker iſt zu ſchwach, dahin geht es mit der Schaar, die des Schwimmens nicht<lb/>
kundig; ein zweites Hälmchen wird von dieſem und jenem erfaßt, ihm fehlte aber eben nur noch<lb/>
die geringſte Belaſtung, um unterzutauchen, ein drittes und viertes gewährt keine größere<lb/>
Sicherheit. So geht es fort, bis die Kräfte endlich ſchwinden und der unfreiwillige Schwimmer<lb/>
willenlos ſich den Fluthen übergibt. Endlich treibt er doch an ſicheren Strand, eine Erhöhung<lb/>
inmitten der Fluth, der Rand der Gewäſſer ſpült die Leidensgefährten wieder zuſammen und da<lb/>
ja jene bald wieder zurückzugehen pflegen, werden ſie, die halb Erſtarrten, trocken gelegt, und<lb/>ſchwerlich iſt Einer von ihnen zu Grunde gegangen, ſo gefährlich für ſie vom menſchlichen Stand-<lb/>
punkte aus die Situation auch erſcheinen mochte. (S. „Die Käfer in Waſſersnoth“.)</p><lb/><p>Es ließen ſich noch mancherlei Züge aus dem Jnſektenleben erzählen, die in eine allgemeine<lb/>
Schilderung gehören, wir wollen ſie aber bis zuletzt auf einen Rückblick auf dieſes luſtige und<lb/>
luftige Völkchen verſchieben, wenn ſie ſich nicht bei dem einen und anderen derſelben einflechten<lb/>
laſſen, weil wir meinen, daß dieſe Dinge und Namen, die wir etwa dabei zu nennen haben,<lb/></p></div></body></floatingText></body></text></TEI>
[22/0034]
Ein Blick auf das Leben der Geſammtheit. Geſichtspunkte der Eintheilung.
Drahtſieb aus, breitet dieſem einen Bogen hellen Papieres unter und fängt an zu rütteln und zu
ſchütteln, ſo wird man zu ſeiner nicht geringen Verwunderung auf dem Papiere ein reges Leben
wahrnehmen und eine Menge derſelben Thierchen wieder erkennen, die man im Herbſte draußen
im Freien antraf, vorausgeſetzt, daß man ein treues Gedächtniß für dergleichen Dinge hat. Bei-
läufig geſagt, iſt dieſes Verfahren eine zwar ſchon bekannte, aber ganz vortreffliche Methode für
den Sammler, ſich mit einer Menge, beſonders kleinerer Thiere, zu bereichern, die er auf den
ſommerlichen Excurſionen überſieht, oder abſichtlich unberückſichtigt läßt, weil er gerade andere
Zwecke verfolgt.
Den Bewohnern eines Flußthales bieten die mit dem Eisgange meiſt verbundenen Ueber-
ſchwemmungen im erſten Frühjahre Gelegenheit dar, ſich auf andere Weiſe davon zu überzeugen,
wie viele Jnſekten im vollkommenen Zuſtande den Winter durchleben. Die kleinen Holzſtückchen,
Schilfſtengel, Pflanzenſamen und das ſonſtige Gekrümel, welches die Fluthen und Eisſchollen mit
ſich fortführen und an den Rändern des Waſſerſpiegels zur Ruhe kommen laſſen, ſind vermengt
mit Hunderten von Jnſekten, vornehmlich Käfern, die vermöge ihrer härteren Körperbedeckung die
unfreiwillige, gewiß ſehr unangenehme Reiſe unbeſchädigt eher zurücklegen konnten, als die weicheren
unter den Kerfen; ſie ſind es übrigens auch hauptſächlich, die als Jmago überwintern und von
den austretenden Gewäſſern aus ihren Verſtecken herausgeſpült und auf ſo klägliche Weiſe aus
dem Winterſchlafe erweckt werden. Wenn ſich das Röhricht allmälig aufſtauet und von dem
wieder zurücktretenden Waſſer trocken gelegt wird, erwachen viele der armen Schiffbrüchigen, ein
Paar Stunden durchwärmender Sonnenſchein thuen ihnen ſo wohl, daß ſie ſichtlich an Lebenskraft
gewinnen und — wenn das Wetter mild bleibt — ſich bald ſo weit gekräftigt haben, daß man
ihnen keine Noth anmerkt. Jn ſolcher Weiſe ſpielt das Geſchick dieſen kleinen Weſen mit, aber
ihre Lebenszähigkeit, die ſich auch bei anderen Gelegenheiten zeigt, iſt größer als die Naturkräfte,
welche andere Dinge zerſtören, die weit widerſtandsfähiger erſcheinen. Nicht als Beweis für das
Ueberwintern vieler vollkommener Jnſekten, wohl aber als noch viel ergiebigere Fanggelegenheit
für den Käferſammler dient dieſelbe Erſcheinung, wenn ſie ſich im Sommer nach anhaltenden
Regengüſſen in etwas anderer Form wiederholt. Die jetzt von Geziefer aller Art reich bewohnten
Wieſen bieten, ſo lange die Grasſpitzen noch aus dem Waſſer hervorragen, ein Schauſpiel ganz
eigenthümlicher Art. Taufende und abermals Tauſende von Käferchen, die man gar nicht dort
vermuthete, weil ſie geborgen und für das menſchliche Auge verborgen im Schatten ihres Gras-
haines ihr Weſen trieben, ſuchen jetzt in gedrängten Schaaren an den äußerſten Gipfeln der
Stengel und Blätter das Trockene. Fürwahr, ein Strohhalm, an den ſich der Geängſtete anklam-
mert. Die bewegende Waſſerkraft von unten, die zu große Laſt der enger und enger ſich
Zuſammendrängenden und Zappelnden von oben und es iſt um die Hilfe Suchenden geſchehen.
Der Rettungsanker iſt zu ſchwach, dahin geht es mit der Schaar, die des Schwimmens nicht
kundig; ein zweites Hälmchen wird von dieſem und jenem erfaßt, ihm fehlte aber eben nur noch
die geringſte Belaſtung, um unterzutauchen, ein drittes und viertes gewährt keine größere
Sicherheit. So geht es fort, bis die Kräfte endlich ſchwinden und der unfreiwillige Schwimmer
willenlos ſich den Fluthen übergibt. Endlich treibt er doch an ſicheren Strand, eine Erhöhung
inmitten der Fluth, der Rand der Gewäſſer ſpült die Leidensgefährten wieder zuſammen und da
ja jene bald wieder zurückzugehen pflegen, werden ſie, die halb Erſtarrten, trocken gelegt, und
ſchwerlich iſt Einer von ihnen zu Grunde gegangen, ſo gefährlich für ſie vom menſchlichen Stand-
punkte aus die Situation auch erſcheinen mochte. (S. „Die Käfer in Waſſersnoth“.)
Es ließen ſich noch mancherlei Züge aus dem Jnſektenleben erzählen, die in eine allgemeine
Schilderung gehören, wir wollen ſie aber bis zuletzt auf einen Rückblick auf dieſes luſtige und
luftige Völkchen verſchieben, wenn ſie ſich nicht bei dem einen und anderen derſelben einflechten
laſſen, weil wir meinen, daß dieſe Dinge und Namen, die wir etwa dabei zu nennen haben,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/34>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.