Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.Die Schmetterlinge. Schwärmer. Trägheit mit großer Gewandtheit auszubiegen verstand. Vor der Verpuppung kriechen sie in die Erde,kommen bisweilen nach fünf bis sechs Stunden wieder hervor, oder stecken blos den Kopf heraus und zehren an einem erreichbaren Blatte. Die Unruhe vieler Raupen zu dieser Zeit ist oft sehr merklich und kann durch gewisse Zufälligkeiten erhöht werden. So erzählte mir ein Freund, daß die schon zur Verwandlung in die Erde gegangene Raupe des Windigs (Sphinx convolvuli), an Größe der des Todtenkopfes nichts nachgebend, allemal wieder hervorgekommen und aufgeregt in ihrem Zwinger umhergekrochen sei, sobald man in ihrer Nähe Klavier gespielt habe. Die glänzend schwarzbraune Puppe des Todtenkopfes, welche vorn hinter dem Kopfe flach sattelartig eingedrückt erscheint, wird bei der Kartoffelernte in unseren Gegenden einzeln aufgefunden, doch erzieht man sehr häufig keinen Schmetterling daraus, weil sie weniger als die meisten anderen Puppen während der Entwickelung gestört sein will. Der Todtenkopf kommt in Meriko, ganz Afrika und auf Java vor. Jn Europa ist er mehr in den südlichen als in den nördlichen Gegenden heimisch. Alle die Schmetterlinge, welche bei uns im Herbst auskriechen, pflanzen die Art nicht fort, und im Frühjahre hat meines Wissens noch niemand einen Todtenkopf gefunden. Die Raupen, welche hier vorkommen, müssen mithin von zugeflogenen Weibchen herrühren, wofür auch ihr sporadisches Erscheinen spricht. Der Fichtenschwärmer, Tannenpfeil (Sphinx pinastri) ist der unscheinbarste aller [Abbildung]
Der Fichtenschwärmer (Sphinx pinastri) nebst Eiern, Raupen, Pappe. er fehlt wohl nirgends, wo dieserBaum wächst. Die Oberseite sei- ner schlanken Fühler und die Fran- sen sind fleckig weiß, die lichten Stellen am Hinterleibe hellgrau. Der Rüssel erreicht eine Länge von 11/2 Zoll. Wenn der Schmet- terling in der oben geschilderten Weise die kurze Lebenszeit ver- bracht, das befruchtete Weibchen seine bleichgrünen Eier an die Nadeln der Fichtenbäume ange- klebt hat, wie es unser Bild lehrt, danert es etwa noch zehn oder vierzehn Tage, bis die zwei Linien langen Räupchen daraus hervorbrechen; dieselben häuten sich durchschnittlich aller zehn Tage, fressen meist ihren Balg auf, was auch viele andere Raupen thun, und bekommen mit der Zeit ihre bunte Längsstreifung. Die nach der sechsten Häutung erwachsene Raupe hat schwache, theilweise schwarze Querrunzeln, eine grüne Grundfarbe, einen Streifen blaßlila über dem Rücken und verschiedene bunte Fleckchen am Körper. Bei der Berührung schlägt sie wild um sich, gibt einen braunen Speichel aus und versucht sogar zu beißen. Derartige Wahrnehmungen werden meist nur möglich, wenn sie zur Verpuppung von den Bäumen herabsteigt; denn in jungen Beständen hält sie sich nur selten auf, sondern meist oben in den Die Schmetterlinge. Schwärmer. Trägheit mit großer Gewandtheit auszubiegen verſtand. Vor der Verpuppung kriechen ſie in die Erde,kommen bisweilen nach fünf bis ſechs Stunden wieder hervor, oder ſtecken blos den Kopf heraus und zehren an einem erreichbaren Blatte. Die Unruhe vieler Raupen zu dieſer Zeit iſt oft ſehr merklich und kann durch gewiſſe Zufälligkeiten erhöht werden. So erzählte mir ein Freund, daß die ſchon zur Verwandlung in die Erde gegangene Raupe des Windigs (Sphinx convolvuli), an Größe der des Todtenkopfes nichts nachgebend, allemal wieder hervorgekommen und aufgeregt in ihrem Zwinger umhergekrochen ſei, ſobald man in ihrer Nähe Klavier geſpielt habe. Die glänzend ſchwarzbraune Puppe des Todtenkopfes, welche vorn hinter dem Kopfe flach ſattelartig eingedrückt erſcheint, wird bei der Kartoffelernte in unſeren Gegenden einzeln aufgefunden, doch erzieht man ſehr häufig keinen Schmetterling daraus, weil ſie weniger als die meiſten anderen Puppen während der Entwickelung geſtört ſein will. Der Todtenkopf kommt in Meriko, ganz Afrika und auf Java vor. Jn Europa iſt er mehr in den ſüdlichen als in den nördlichen Gegenden heimiſch. Alle die Schmetterlinge, welche bei uns im Herbſt auskriechen, pflanzen die Art nicht fort, und im Frühjahre hat meines Wiſſens noch niemand einen Todtenkopf gefunden. Die Raupen, welche hier vorkommen, müſſen mithin von zugeflogenen Weibchen herrühren, wofür auch ihr ſporadiſches Erſcheinen ſpricht. Der Fichtenſchwärmer, Tannenpfeil (Sphinx pinastri) iſt der unſcheinbarſte aller [Abbildung]
Der Fichtenſchwärmer (Sphinx pinastri) nebſt Eiern, Raupen, Pappe. er fehlt wohl nirgends, wo dieſerBaum wächſt. Die Oberſeite ſei- ner ſchlanken Fühler und die Fran- ſen ſind fleckig weiß, die lichten Stellen am Hinterleibe hellgrau. Der Rüſſel erreicht eine Länge von 1½ Zoll. Wenn der Schmet- terling in der oben geſchilderten Weiſe die kurze Lebenszeit ver- bracht, das befruchtete Weibchen ſeine bleichgrünen Eier an die Nadeln der Fichtenbäume ange- klebt hat, wie es unſer Bild lehrt, danert es etwa noch zehn oder vierzehn Tage, bis die zwei Linien langen Räupchen daraus hervorbrechen; dieſelben häuten ſich durchſchnittlich aller zehn Tage, freſſen meiſt ihren Balg auf, was auch viele andere Raupen thun, und bekommen mit der Zeit ihre bunte Längsſtreifung. Die nach der ſechſten Häutung erwachſene Raupe hat ſchwache, theilweiſe ſchwarze Querrunzeln, eine grüne Grundfarbe, einen Streifen blaßlila über dem Rücken und verſchiedene bunte Fleckchen am Körper. Bei der Berührung ſchlägt ſie wild um ſich, gibt einen braunen Speichel aus und verſucht ſogar zu beißen. Derartige Wahrnehmungen werden meiſt nur möglich, wenn ſie zur Verpuppung von den Bäumen herabſteigt; denn in jungen Beſtänden hält ſie ſich nur ſelten auf, ſondern meiſt oben in den <TEI> <text> <body> <floatingText> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0340" n="316"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Schmetterlinge. Schwärmer.</hi></fw><lb/> Trägheit mit großer Gewandtheit auszubiegen verſtand. Vor der Verpuppung kriechen ſie in die Erde,<lb/> kommen bisweilen nach fünf bis ſechs Stunden wieder hervor, oder ſtecken blos den Kopf heraus<lb/> und zehren an einem erreichbaren Blatte. Die Unruhe vieler Raupen zu dieſer Zeit iſt oft ſehr<lb/> merklich und kann durch gewiſſe Zufälligkeiten erhöht werden. So erzählte mir ein Freund, daß<lb/> die ſchon zur Verwandlung in die Erde gegangene Raupe des <hi rendition="#g">Windigs</hi> (<hi rendition="#aq">Sphinx convolvuli</hi>), an<lb/> Größe der des Todtenkopfes nichts nachgebend, allemal wieder hervorgekommen und aufgeregt in<lb/> ihrem Zwinger umhergekrochen ſei, ſobald man in ihrer Nähe Klavier geſpielt habe. Die glänzend<lb/> ſchwarzbraune Puppe des Todtenkopfes, welche vorn hinter dem Kopfe flach ſattelartig eingedrückt<lb/> erſcheint, wird bei der Kartoffelernte in unſeren Gegenden einzeln aufgefunden, doch erzieht man<lb/> ſehr häufig keinen Schmetterling daraus, weil ſie weniger als die meiſten anderen Puppen<lb/> während der Entwickelung geſtört ſein will. Der Todtenkopf kommt in Meriko, ganz Afrika und<lb/> auf Java vor. Jn Europa iſt er mehr in den ſüdlichen als in den nördlichen Gegenden heimiſch.<lb/> Alle die Schmetterlinge, welche bei uns im Herbſt auskriechen, pflanzen die Art nicht fort, und<lb/> im Frühjahre hat meines Wiſſens noch niemand einen Todtenkopf gefunden. Die Raupen, welche<lb/> hier vorkommen, müſſen mithin von zugeflogenen Weibchen herrühren, wofür auch ihr ſporadiſches<lb/> Erſcheinen ſpricht.</p><lb/> <p>Der <hi rendition="#g">Fichtenſchwärmer, Tannenpfeil</hi> (<hi rendition="#aq">Sphinx pinastri</hi>) iſt der unſcheinbarſte aller<lb/> Schwärmer; denn er unterſcheidet ſich kaum in der Farbe von dem Fichtenſtamme, an dem er ſitzt;<lb/><figure><head><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Der Fichtenſchwärmer</hi> (<hi rendition="#aq">Sphinx pinastri</hi>) nebſt Eiern, Raupen, Pappe.</hi></head></figure><lb/> er fehlt wohl nirgends, wo dieſer<lb/> Baum wächſt. Die Oberſeite ſei-<lb/> ner ſchlanken Fühler und die Fran-<lb/> ſen ſind fleckig weiß, die lichten<lb/> Stellen am Hinterleibe hellgrau.<lb/> Der Rüſſel erreicht eine Länge<lb/> von 1½ Zoll. Wenn der Schmet-<lb/> terling in der oben geſchilderten<lb/> Weiſe die kurze Lebenszeit ver-<lb/> bracht, das befruchtete Weibchen<lb/> ſeine bleichgrünen Eier an die<lb/> Nadeln der Fichtenbäume ange-<lb/> klebt hat, wie es unſer Bild<lb/> lehrt, danert es etwa noch zehn<lb/> oder vierzehn Tage, bis die zwei<lb/> Linien langen Räupchen daraus<lb/> hervorbrechen; dieſelben häuten<lb/> ſich durchſchnittlich aller zehn<lb/> Tage, freſſen meiſt ihren Balg<lb/> auf, was auch viele andere Raupen<lb/> thun, und bekommen mit der<lb/> Zeit ihre bunte Längsſtreifung.<lb/> Die nach der ſechſten Häutung<lb/> erwachſene Raupe hat ſchwache,<lb/> theilweiſe ſchwarze Querrunzeln,<lb/> eine grüne Grundfarbe, einen<lb/> Streifen blaßlila über dem Rücken und verſchiedene bunte Fleckchen am Körper. Bei der<lb/> Berührung ſchlägt ſie wild um ſich, gibt einen braunen Speichel aus und verſucht ſogar zu beißen.<lb/> Derartige Wahrnehmungen werden meiſt nur möglich, wenn ſie zur Verpuppung von den Bäumen<lb/> herabſteigt; denn in jungen Beſtänden hält ſie ſich nur ſelten auf, ſondern meiſt oben in den<lb/></p> </div> </div> </body> </floatingText> </body> </text> </TEI> [316/0340]
Die Schmetterlinge. Schwärmer.
Trägheit mit großer Gewandtheit auszubiegen verſtand. Vor der Verpuppung kriechen ſie in die Erde,
kommen bisweilen nach fünf bis ſechs Stunden wieder hervor, oder ſtecken blos den Kopf heraus
und zehren an einem erreichbaren Blatte. Die Unruhe vieler Raupen zu dieſer Zeit iſt oft ſehr
merklich und kann durch gewiſſe Zufälligkeiten erhöht werden. So erzählte mir ein Freund, daß
die ſchon zur Verwandlung in die Erde gegangene Raupe des Windigs (Sphinx convolvuli), an
Größe der des Todtenkopfes nichts nachgebend, allemal wieder hervorgekommen und aufgeregt in
ihrem Zwinger umhergekrochen ſei, ſobald man in ihrer Nähe Klavier geſpielt habe. Die glänzend
ſchwarzbraune Puppe des Todtenkopfes, welche vorn hinter dem Kopfe flach ſattelartig eingedrückt
erſcheint, wird bei der Kartoffelernte in unſeren Gegenden einzeln aufgefunden, doch erzieht man
ſehr häufig keinen Schmetterling daraus, weil ſie weniger als die meiſten anderen Puppen
während der Entwickelung geſtört ſein will. Der Todtenkopf kommt in Meriko, ganz Afrika und
auf Java vor. Jn Europa iſt er mehr in den ſüdlichen als in den nördlichen Gegenden heimiſch.
Alle die Schmetterlinge, welche bei uns im Herbſt auskriechen, pflanzen die Art nicht fort, und
im Frühjahre hat meines Wiſſens noch niemand einen Todtenkopf gefunden. Die Raupen, welche
hier vorkommen, müſſen mithin von zugeflogenen Weibchen herrühren, wofür auch ihr ſporadiſches
Erſcheinen ſpricht.
Der Fichtenſchwärmer, Tannenpfeil (Sphinx pinastri) iſt der unſcheinbarſte aller
Schwärmer; denn er unterſcheidet ſich kaum in der Farbe von dem Fichtenſtamme, an dem er ſitzt;
[Abbildung Der Fichtenſchwärmer (Sphinx pinastri) nebſt Eiern, Raupen, Pappe.]
er fehlt wohl nirgends, wo dieſer
Baum wächſt. Die Oberſeite ſei-
ner ſchlanken Fühler und die Fran-
ſen ſind fleckig weiß, die lichten
Stellen am Hinterleibe hellgrau.
Der Rüſſel erreicht eine Länge
von 1½ Zoll. Wenn der Schmet-
terling in der oben geſchilderten
Weiſe die kurze Lebenszeit ver-
bracht, das befruchtete Weibchen
ſeine bleichgrünen Eier an die
Nadeln der Fichtenbäume ange-
klebt hat, wie es unſer Bild
lehrt, danert es etwa noch zehn
oder vierzehn Tage, bis die zwei
Linien langen Räupchen daraus
hervorbrechen; dieſelben häuten
ſich durchſchnittlich aller zehn
Tage, freſſen meiſt ihren Balg
auf, was auch viele andere Raupen
thun, und bekommen mit der
Zeit ihre bunte Längsſtreifung.
Die nach der ſechſten Häutung
erwachſene Raupe hat ſchwache,
theilweiſe ſchwarze Querrunzeln,
eine grüne Grundfarbe, einen
Streifen blaßlila über dem Rücken und verſchiedene bunte Fleckchen am Körper. Bei der
Berührung ſchlägt ſie wild um ſich, gibt einen braunen Speichel aus und verſucht ſogar zu beißen.
Derartige Wahrnehmungen werden meiſt nur möglich, wenn ſie zur Verpuppung von den Bäumen
herabſteigt; denn in jungen Beſtänden hält ſie ſich nur ſelten auf, ſondern meiſt oben in den
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