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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Fichten-, Wolfmilchs-, Pappelschwärmer. Abendpfauenange.
Gipfeln der Bäume. Ungefähr in der ersten Hälfte des September bohrt sie sich in die Erde ein;
umgibt eine Moosdecke den Fuß des Baumes, so geht sie unter diese und nimmt Puppengestalt
an, in welcher die Ueberwinterung erfolgt. Eine kurze, nasenartig heraustretende Rüsselscheide
charakterisirt die schwarze Puppe. Daß im nächsten Frühlinge nicht immer der zu erwartende
Schmetterling daraus hervorkommen müsse, sondern große Schlupfwespen (Ichneumon pisorius
und fusorius) seine Stelle vertreten können, wurde bereits früher erwähnt. Bisweilen erscheinen
die Raupen in einer für die Bäume verderblichen Menge, wie z. B. der Umstand beweist, daß
1837 und 1838 in der Annaburger Haide seitens der Forstverwaltung auf das Quart derselben
eine Prämie von einem und einem viertel Groschen gesetzt ward und namhafte Summen dafür
verausgabt wurden. -- Wer sollte nicht schon die feiste, schön gelb getigerte Raupe im Sommer
auf der Cypressen-Wolfsmilch (Euphorbia Cyparissias), aber auch nur auf dieser haben sitzen
sehen, aus welcher der gemeinste aller Schwärmer wird, der nach der Futterpflanze benannte
Wolfmilchsschwärmer (S. enphorbiae)? Seine ledergelben, öfter rosa bestäubten Vorderflügel
haben an der Wurzel und hinter der Mitte vorn einen olivengrünen Fleck, wie eine keilförmige
Strieme von gleicher Farbe vor dem rothen Saume; die hinteren Flügel, heller und dunkler rosen-
roth, an der Wurzel und vor dem Saume bindenartig schwarz, sind am Jnnenwinkel weiß, wie
der Thorax und Hinterleib an den Seiten. Aehnliche Färbungen kommen noch bei manchem
anderen Schwärmer des Jn- und Auslandes vor.

Jm Mai und Juni sieht man nicht selten an den Pappelstämmen der Heerstraßen einen röthlich-
grauen Schmetterling hängen, welchen man aus der Entfernung für ein dürres Blatt halten könnte.
Die ausgezackten Flügel legen sich so über den Rücken, daß der Außenrand der hinteren über den
Vorderrand der vorderen hervorragt. Er hängt in der That; denn nur seine Vorderfüße halten
ihn fest. Manchmal hängen ihrer zwei an einander, die Köpfe diametral einander entgegengesetzt,
und verweilen in dieser Lage halbe Tage lang. Es ist dies eine von den Eigenthümlichkeiten dieser
Schwärmer, welche man ihrer abweichenden Flügel wegen auch Zackenschwärmer genannt hat,
daß sie, gegen die Weise der echten Schwärmer, über Tage im Akt der Begattung sich betreffen
lassen, daß sie nach der Weise gewisser Spinner, welchen sie auch in der Körpertracht nahe stehen,
diesen Akt sofort beginnen, wenn die beiden Geschlechter in einem Zwinger den Puppen entschlüpft
sind. Jhre zweite Eigenthümlichkeit besteht darin, daß sie nicht schwärmen, sondern wie die
Spinner in gewandtem Fluge sich Bewegung machen, ohne gerade den Blumen nachzugehen;
wenigstens fängt man sie nie an solchen Stellen, wo Liguster, Windig, Wolfmilchs-, Weinschwärmer,
Tannenpfeil und andere summend und brummend Honig naschen. Trotzdem haben den Zacken-
schwärmern ihre allgemeine Körpertracht, die Fühlerbildung, vor allem die gehörnte Raupe und
deren Verpuppungsweise ihren Platz im Systeme unter den echten Schwärmern gesichert. Der
Pappelschwärmer (Smerinthus populi), von welchem hier speziell die Rede ist, hat stumpf aus-
gezackte, ziemlich breite Flügel, auf deren vorderen zwei braunrothe, etwas gewellte, schmale Binden
die drei Felder abscheiden, ein weißes Mondchen, sowie ein braunrother sogenannter "Mittel-
schatten" das mittelste kennzeichnet; durch die am Vorderwinkel ausgeschweiften, am Jnnenrande
braunroth beschatteten Hinterflügel ziehen zwei Binden. Beim im Leibe schlankeren Männchen
zeichnet eine Doppelreihe von Kammzähnen die Fühler aus. Jm Spätsommer kriecht ein und die
andere rauhe, gelbgrüne Raupe, deren Seiten mit weißlichen Schrägstrichen gezeichnet sind und
deren hinterstes Segment ein schwarz bespitztes Horn ziert, auf der Landstraße umher, wälzt sich
auch in deren Staube. Sie kam vom Baume herab, um sich in der Erde ein Kämmerlein zur
Verpuppung zu suchen. Uebrigens frißt sie auch Weiden, wie die ähnliche Raupe des schönen
Abendpfauenauges (S. ocellatus), welches sich durch das blaue Pfauenauge auf den karmin-
rothen, in der Farbe nicht echten, d. h. leicht ausbleichenden Hinterflügeln vortheilhaft vor allen
heimischen Schwärmern auszeichnet. Der Lindenschwärmer (S. tiliae), ein in der Färbung

Fichten-, Wolfmilchs-, Pappelſchwärmer. Abendpfauenange.
Gipfeln der Bäume. Ungefähr in der erſten Hälfte des September bohrt ſie ſich in die Erde ein;
umgibt eine Moosdecke den Fuß des Baumes, ſo geht ſie unter dieſe und nimmt Puppengeſtalt
an, in welcher die Ueberwinterung erfolgt. Eine kurze, naſenartig heraustretende Rüſſelſcheide
charakteriſirt die ſchwarze Puppe. Daß im nächſten Frühlinge nicht immer der zu erwartende
Schmetterling daraus hervorkommen müſſe, ſondern große Schlupfwespen (Ichneumon pisorius
und fusorius) ſeine Stelle vertreten können, wurde bereits früher erwähnt. Bisweilen erſcheinen
die Raupen in einer für die Bäume verderblichen Menge, wie z. B. der Umſtand beweiſt, daß
1837 und 1838 in der Annaburger Haide ſeitens der Forſtverwaltung auf das Quart derſelben
eine Prämie von einem und einem viertel Groſchen geſetzt ward und namhafte Summen dafür
verausgabt wurden. — Wer ſollte nicht ſchon die feiſte, ſchön gelb getigerte Raupe im Sommer
auf der Cypreſſen-Wolfsmilch (Euphorbia Cyparissias), aber auch nur auf dieſer haben ſitzen
ſehen, aus welcher der gemeinſte aller Schwärmer wird, der nach der Futterpflanze benannte
Wolfmilchsſchwärmer (S. enphorbiae)? Seine ledergelben, öfter roſa beſtäubten Vorderflügel
haben an der Wurzel und hinter der Mitte vorn einen olivengrünen Fleck, wie eine keilförmige
Strieme von gleicher Farbe vor dem rothen Saume; die hinteren Flügel, heller und dunkler roſen-
roth, an der Wurzel und vor dem Saume bindenartig ſchwarz, ſind am Jnnenwinkel weiß, wie
der Thorax und Hinterleib an den Seiten. Aehnliche Färbungen kommen noch bei manchem
anderen Schwärmer des Jn- und Auslandes vor.

Jm Mai und Juni ſieht man nicht ſelten an den Pappelſtämmen der Heerſtraßen einen röthlich-
grauen Schmetterling hängen, welchen man aus der Entfernung für ein dürres Blatt halten könnte.
Die ausgezackten Flügel legen ſich ſo über den Rücken, daß der Außenrand der hinteren über den
Vorderrand der vorderen hervorragt. Er hängt in der That; denn nur ſeine Vorderfüße halten
ihn feſt. Manchmal hängen ihrer zwei an einander, die Köpfe diametral einander entgegengeſetzt,
und verweilen in dieſer Lage halbe Tage lang. Es iſt dies eine von den Eigenthümlichkeiten dieſer
Schwärmer, welche man ihrer abweichenden Flügel wegen auch Zackenſchwärmer genannt hat,
daß ſie, gegen die Weiſe der echten Schwärmer, über Tage im Akt der Begattung ſich betreffen
laſſen, daß ſie nach der Weiſe gewiſſer Spinner, welchen ſie auch in der Körpertracht nahe ſtehen,
dieſen Akt ſofort beginnen, wenn die beiden Geſchlechter in einem Zwinger den Puppen entſchlüpft
ſind. Jhre zweite Eigenthümlichkeit beſteht darin, daß ſie nicht ſchwärmen, ſondern wie die
Spinner in gewandtem Fluge ſich Bewegung machen, ohne gerade den Blumen nachzugehen;
wenigſtens fängt man ſie nie an ſolchen Stellen, wo Liguſter, Windig, Wolfmilchs-, Weinſchwärmer,
Tannenpfeil und andere ſummend und brummend Honig naſchen. Trotzdem haben den Zacken-
ſchwärmern ihre allgemeine Körpertracht, die Fühlerbildung, vor allem die gehörnte Raupe und
deren Verpuppungsweiſe ihren Platz im Syſteme unter den echten Schwärmern geſichert. Der
Pappelſchwärmer (Smerinthus populi), von welchem hier ſpeziell die Rede iſt, hat ſtumpf aus-
gezackte, ziemlich breite Flügel, auf deren vorderen zwei braunrothe, etwas gewellte, ſchmale Binden
die drei Felder abſcheiden, ein weißes Mondchen, ſowie ein braunrother ſogenannter „Mittel-
ſchatten“ das mittelſte kennzeichnet; durch die am Vorderwinkel ausgeſchweiften, am Jnnenrande
braunroth beſchatteten Hinterflügel ziehen zwei Binden. Beim im Leibe ſchlankeren Männchen
zeichnet eine Doppelreihe von Kammzähnen die Fühler aus. Jm Spätſommer kriecht ein und die
andere rauhe, gelbgrüne Raupe, deren Seiten mit weißlichen Schrägſtrichen gezeichnet ſind und
deren hinterſtes Segment ein ſchwarz beſpitztes Horn ziert, auf der Landſtraße umher, wälzt ſich
auch in deren Staube. Sie kam vom Baume herab, um ſich in der Erde ein Kämmerlein zur
Verpuppung zu ſuchen. Uebrigens frißt ſie auch Weiden, wie die ähnliche Raupe des ſchönen
Abendpfauenauges (S. ocellatus), welches ſich durch das blaue Pfauenauge auf den karmin-
rothen, in der Farbe nicht echten, d. h. leicht ausbleichenden Hinterflügeln vortheilhaft vor allen
heimiſchen Schwärmern auszeichnet. Der Lindenſchwärmer (S. tiliae), ein in der Färbung

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[317/0341] Fichten-, Wolfmilchs-, Pappelſchwärmer. Abendpfauenange. Gipfeln der Bäume. Ungefähr in der erſten Hälfte des September bohrt ſie ſich in die Erde ein; umgibt eine Moosdecke den Fuß des Baumes, ſo geht ſie unter dieſe und nimmt Puppengeſtalt an, in welcher die Ueberwinterung erfolgt. Eine kurze, naſenartig heraustretende Rüſſelſcheide charakteriſirt die ſchwarze Puppe. Daß im nächſten Frühlinge nicht immer der zu erwartende Schmetterling daraus hervorkommen müſſe, ſondern große Schlupfwespen (Ichneumon pisorius und fusorius) ſeine Stelle vertreten können, wurde bereits früher erwähnt. Bisweilen erſcheinen die Raupen in einer für die Bäume verderblichen Menge, wie z. B. der Umſtand beweiſt, daß 1837 und 1838 in der Annaburger Haide ſeitens der Forſtverwaltung auf das Quart derſelben eine Prämie von einem und einem viertel Groſchen geſetzt ward und namhafte Summen dafür verausgabt wurden. — Wer ſollte nicht ſchon die feiſte, ſchön gelb getigerte Raupe im Sommer auf der Cypreſſen-Wolfsmilch (Euphorbia Cyparissias), aber auch nur auf dieſer haben ſitzen ſehen, aus welcher der gemeinſte aller Schwärmer wird, der nach der Futterpflanze benannte Wolfmilchsſchwärmer (S. enphorbiae)? Seine ledergelben, öfter roſa beſtäubten Vorderflügel haben an der Wurzel und hinter der Mitte vorn einen olivengrünen Fleck, wie eine keilförmige Strieme von gleicher Farbe vor dem rothen Saume; die hinteren Flügel, heller und dunkler roſen- roth, an der Wurzel und vor dem Saume bindenartig ſchwarz, ſind am Jnnenwinkel weiß, wie der Thorax und Hinterleib an den Seiten. Aehnliche Färbungen kommen noch bei manchem anderen Schwärmer des Jn- und Auslandes vor. Jm Mai und Juni ſieht man nicht ſelten an den Pappelſtämmen der Heerſtraßen einen röthlich- grauen Schmetterling hängen, welchen man aus der Entfernung für ein dürres Blatt halten könnte. Die ausgezackten Flügel legen ſich ſo über den Rücken, daß der Außenrand der hinteren über den Vorderrand der vorderen hervorragt. Er hängt in der That; denn nur ſeine Vorderfüße halten ihn feſt. Manchmal hängen ihrer zwei an einander, die Köpfe diametral einander entgegengeſetzt, und verweilen in dieſer Lage halbe Tage lang. Es iſt dies eine von den Eigenthümlichkeiten dieſer Schwärmer, welche man ihrer abweichenden Flügel wegen auch Zackenſchwärmer genannt hat, daß ſie, gegen die Weiſe der echten Schwärmer, über Tage im Akt der Begattung ſich betreffen laſſen, daß ſie nach der Weiſe gewiſſer Spinner, welchen ſie auch in der Körpertracht nahe ſtehen, dieſen Akt ſofort beginnen, wenn die beiden Geſchlechter in einem Zwinger den Puppen entſchlüpft ſind. Jhre zweite Eigenthümlichkeit beſteht darin, daß ſie nicht ſchwärmen, ſondern wie die Spinner in gewandtem Fluge ſich Bewegung machen, ohne gerade den Blumen nachzugehen; wenigſtens fängt man ſie nie an ſolchen Stellen, wo Liguſter, Windig, Wolfmilchs-, Weinſchwärmer, Tannenpfeil und andere ſummend und brummend Honig naſchen. Trotzdem haben den Zacken- ſchwärmern ihre allgemeine Körpertracht, die Fühlerbildung, vor allem die gehörnte Raupe und deren Verpuppungsweiſe ihren Platz im Syſteme unter den echten Schwärmern geſichert. Der Pappelſchwärmer (Smerinthus populi), von welchem hier ſpeziell die Rede iſt, hat ſtumpf aus- gezackte, ziemlich breite Flügel, auf deren vorderen zwei braunrothe, etwas gewellte, ſchmale Binden die drei Felder abſcheiden, ein weißes Mondchen, ſowie ein braunrother ſogenannter „Mittel- ſchatten“ das mittelſte kennzeichnet; durch die am Vorderwinkel ausgeſchweiften, am Jnnenrande braunroth beſchatteten Hinterflügel ziehen zwei Binden. Beim im Leibe ſchlankeren Männchen zeichnet eine Doppelreihe von Kammzähnen die Fühler aus. Jm Spätſommer kriecht ein und die andere rauhe, gelbgrüne Raupe, deren Seiten mit weißlichen Schrägſtrichen gezeichnet ſind und deren hinterſtes Segment ein ſchwarz beſpitztes Horn ziert, auf der Landſtraße umher, wälzt ſich auch in deren Staube. Sie kam vom Baume herab, um ſich in der Erde ein Kämmerlein zur Verpuppung zu ſuchen. Uebrigens frißt ſie auch Weiden, wie die ähnliche Raupe des ſchönen Abendpfauenauges (S. ocellatus), welches ſich durch das blaue Pfauenauge auf den karmin- rothen, in der Farbe nicht echten, d. h. leicht ausbleichenden Hinterflügeln vortheilhaft vor allen heimiſchen Schwärmern auszeichnet. Der Lindenſchwärmer (S. tiliae), ein in der Färbung

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/341>, abgerufen am 23.11.2024.