Streifen der Hinterflügel über den Vorderraud der vorderen heraustreten lassen, so daß sich die Flügel etwas ausbreiten, wie die einer Gluckheune, welche ihre Küchlein darunter verbirgt. Bei dem etwas abweichenden Aderverlaufe, welchen die Flügel mancher zeigen, stimmen sie doch in folgenden Merkmalen überein: die kräftigen, verhältnißmäßig kurzen Vorderflügel haben zwölf Nippen, keine Anhangszelle und eine nicht gegabelte Jnnenrandsrippe, die kurz gefransten breiten Hinterflügel keine Haftborste, zwei Jnnenrandsrippen, deren hintere in den Afterwinkel mündet. Bei beiden Geschlechtern sind die Fühler, welche zwischen ein Viertel bis ein Halb der Vorder- flügellänge schwanken, zweireihig gekämmt, die Zähne des Weibchens manchmal sehr kurz. Die Taster treten wie ein kürzerer oder läugerer Schnabel hervor, Punktaugen fehlen, ebenso an den hintersten Schienen der kurzen, starken Beine ein oberes Sporenpaar.
Eine in mehr als einer Hinsicht höchst interessante Sippe bilden die Sackträger (Psychina), darum so genannt, weil die Raupen in einem Futterale stecken, welches sie sich aus den ver- schiedensten Pflanzentheilen und in der manchfachsten Anordnung derselben anfertigen, jede Art jedoch so bestimmt und für sie so charakteristisch, daß man den Sack kennen muß, um mit Sicher- heit den Schmetterling von einem andern, ungemein ähnlichen unterscheiden zu können. Eine zweite Eigenthümlichkeit besteht in der Flügellosigkeit der Weibchen, von welchen viele den Sack, in welchem sich die Raupe stets verpuppt, nicht verlassen und viel eher einer Made, als einem vollkommenen Jnsekt ähnlich sehen, am allerwenigsten einem Schmetterlinge. Andere haben Beine und Fühler und setzen sich wenigstens auf die Außenseite ihrer Wiege. Die in der Regel zottig behaarten, düster gefärbten und zeichnungslosen Mäunchen erweisen sich als muntere Gesellen, welche aus weiter Ferne das andere Geschlecht wittern, in hastigem Fluge herbei kommen und womöglich in die Schachtel eindringen, in welche der Sammler ein ihrer Art zugehöriges Weibchen einsperrte. Die Fühler sind buschig gekämmt und zwar in der gewöhnlichen Weise doppelt, Taster und Zunge fehlen oder verkümmern mindestens sehr stark. Die Vorderflügel haben eine, meist nach dem Saum zu gegabelte Jnnenrandsrippe, die Hinterflügel deren drei und eine Haftborste. Jm Uebrigen unterliegt der Rippenverlauf je nach der Art verschiedenen Abänderungen. Sie fliegen bei Tage und in der Dämmerung und legen ruhend die Flügel dachförmig auf den Hinter- leib. Zu den zwei erwähnten kommt noch eine dritte Eigenheit, welche zwar nicht zur Regel wird, aber doch einzelne Arten betrifft. Man hat nämlich Parthenogenesis bei einigen beobachtet, Fortpflanzung ohne vorangegaugene Befruchtung, ja bei einer, der Psyche helix, welche aus Sandkörnchen einen Sack verfertigt, der einem Schneckenhause der Gattung Helix nicht unähnlich, kannte man das Mänuchen jahrelang gar nicht. Erst am 22. Mai 1866 erhielt Prof. Claus in Marburg Raupen aus Tyrol, welche sich mit Teucrium Chamacdris und Alyssum montanum leicht füttern ließen, und fand bei der Untersuchung der Geschlechtstheile auch männliche Raupen darunter. Der Sack dieser unterschied sich von dem der Weibchen außerdem durch seine geringere Größe und dadurch, daß die obere seitliche Oessnung nicht viel über eine einzige Spiralwindung von der untern Eingangsmündung entfernt liegt, während diese Entfernung beim weiblichen Sacke fast deren zwei beträgt. -- Mitte Juni waren sämmtliche Räupchen verpuppt. Die männlichen Puppen unterscheiden sich wesentlich von den weiblichen. Vor dem Ausschlüpfen kommen sie fast ganz aus dem Sacke heraus. Am 1. Juli erschien der erste, am 10. der zweite Mann. Durch die großen dunkel chocoladenbraunen Vorderflügel, die dichte Behaarung des 3 Millim. langen Körpers und die große Hinfälligkeit zeichneten sich die einfarbig dunllen Thierchen aus; denn sie starben schon am ersten Tage ab. Beobachtung von jungfräulicher Fortpflanzung wurden gemacht an Psyche unicolor, viciella und apiformis, einige andere an ein paar kleinen Schmetterlingen, welche bisher zu den Kleinfaltern gerechnet wurden, als Raupen aber auch in Säcken leben, nämlich an der Talaeporia nitidella, Solenobia lichenella und triquetrella. -- Die Psychenraupen bedürfen bei dieser Lebens- weise zwar der sechs hornigen Brustfüße, welche sie mit den dazu gehörigen Körpertheilen heraus-
Sackträger.
Streifen der Hinterflügel über den Vorderraud der vorderen heraustreten laſſen, ſo daß ſich die Flügel etwas ausbreiten, wie die einer Gluckheune, welche ihre Küchlein darunter verbirgt. Bei dem etwas abweichenden Aderverlaufe, welchen die Flügel mancher zeigen, ſtimmen ſie doch in folgenden Merkmalen überein: die kräftigen, verhältnißmäßig kurzen Vorderflügel haben zwölf Nippen, keine Anhangszelle und eine nicht gegabelte Jnnenrandsrippe, die kurz gefranſten breiten Hinterflügel keine Haftborſte, zwei Jnnenrandsrippen, deren hintere in den Afterwinkel mündet. Bei beiden Geſchlechtern ſind die Fühler, welche zwiſchen ein Viertel bis ein Halb der Vorder- flügellänge ſchwanken, zweireihig gekämmt, die Zähne des Weibchens manchmal ſehr kurz. Die Taſter treten wie ein kürzerer oder läugerer Schnabel hervor, Punktaugen fehlen, ebenſo an den hinterſten Schienen der kurzen, ſtarken Beine ein oberes Sporenpaar.
Eine in mehr als einer Hinſicht höchſt intereſſante Sippe bilden die Sackträger (Psychina), darum ſo genannt, weil die Raupen in einem Futterale ſtecken, welches ſie ſich aus den ver- ſchiedenſten Pflanzentheilen und in der manchfachſten Anordnung derſelben anfertigen, jede Art jedoch ſo beſtimmt und für ſie ſo charakteriſtiſch, daß man den Sack kennen muß, um mit Sicher- heit den Schmetterling von einem andern, ungemein ähnlichen unterſcheiden zu können. Eine zweite Eigenthümlichkeit beſteht in der Flügelloſigkeit der Weibchen, von welchen viele den Sack, in welchem ſich die Raupe ſtets verpuppt, nicht verlaſſen und viel eher einer Made, als einem vollkommenen Jnſekt ähnlich ſehen, am allerwenigſten einem Schmetterlinge. Andere haben Beine und Fühler und ſetzen ſich wenigſtens auf die Außenſeite ihrer Wiege. Die in der Regel zottig behaarten, düſter gefärbten und zeichnungsloſen Mäunchen erweiſen ſich als muntere Geſellen, welche aus weiter Ferne das andere Geſchlecht wittern, in haſtigem Fluge herbei kommen und womöglich in die Schachtel eindringen, in welche der Sammler ein ihrer Art zugehöriges Weibchen einſperrte. Die Fühler ſind buſchig gekämmt und zwar in der gewöhnlichen Weiſe doppelt, Taſter und Zunge fehlen oder verkümmern mindeſtens ſehr ſtark. Die Vorderflügel haben eine, meiſt nach dem Saum zu gegabelte Jnnenrandsrippe, die Hinterflügel deren drei und eine Haftborſte. Jm Uebrigen unterliegt der Rippenverlauf je nach der Art verſchiedenen Abänderungen. Sie fliegen bei Tage und in der Dämmerung und legen ruhend die Flügel dachförmig auf den Hinter- leib. Zu den zwei erwähnten kommt noch eine dritte Eigenheit, welche zwar nicht zur Regel wird, aber doch einzelne Arten betrifft. Man hat nämlich Parthenogeneſis bei einigen beobachtet, Fortpflanzung ohne vorangegaugene Befruchtung, ja bei einer, der Psyche helix, welche aus Sandkörnchen einen Sack verfertigt, der einem Schneckenhauſe der Gattung Helix nicht unähnlich, kannte man das Mänuchen jahrelang gar nicht. Erſt am 22. Mai 1866 erhielt Prof. Claus in Marburg Raupen aus Tyrol, welche ſich mit Teucrium Chamacdris und Alyssum montanum leicht füttern ließen, und fand bei der Unterſuchung der Geſchlechtstheile auch männliche Raupen darunter. Der Sack dieſer unterſchied ſich von dem der Weibchen außerdem durch ſeine geringere Größe und dadurch, daß die obere ſeitliche Oeſſnung nicht viel über eine einzige Spiralwindung von der untern Eingangsmündung entfernt liegt, während dieſe Entfernung beim weiblichen Sacke faſt deren zwei beträgt. — Mitte Juni waren ſämmtliche Räupchen verpuppt. Die männlichen Puppen unterſcheiden ſich weſentlich von den weiblichen. Vor dem Ausſchlüpfen kommen ſie faſt ganz aus dem Sacke heraus. Am 1. Juli erſchien der erſte, am 10. der zweite Mann. Durch die großen dunkel chocoladenbraunen Vorderflügel, die dichte Behaarung des 3 Millim. langen Körpers und die große Hinfälligkeit zeichneten ſich die einfarbig dunllen Thierchen aus; denn ſie ſtarben ſchon am erſten Tage ab. Beobachtung von jungfräulicher Fortpflanzung wurden gemacht an Psyche unicolor, viciella und apiformis, einige andere an ein paar kleinen Schmetterlingen, welche bisher zu den Kleinfaltern gerechnet wurden, als Raupen aber auch in Säcken leben, nämlich an der Talaeporia nitidella, Solenobia lichenella und triquetrella. — Die Pſychenraupen bedürfen bei dieſer Lebens- weiſe zwar der ſechs hornigen Bruſtfüße, welche ſie mit den dazu gehörigen Körpertheilen heraus-
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[331/0355]
Sackträger.
Streifen der Hinterflügel über den Vorderraud der vorderen heraustreten laſſen, ſo daß ſich die
Flügel etwas ausbreiten, wie die einer Gluckheune, welche ihre Küchlein darunter verbirgt. Bei
dem etwas abweichenden Aderverlaufe, welchen die Flügel mancher zeigen, ſtimmen ſie doch in
folgenden Merkmalen überein: die kräftigen, verhältnißmäßig kurzen Vorderflügel haben zwölf
Nippen, keine Anhangszelle und eine nicht gegabelte Jnnenrandsrippe, die kurz gefranſten breiten
Hinterflügel keine Haftborſte, zwei Jnnenrandsrippen, deren hintere in den Afterwinkel mündet.
Bei beiden Geſchlechtern ſind die Fühler, welche zwiſchen ein Viertel bis ein Halb der Vorder-
flügellänge ſchwanken, zweireihig gekämmt, die Zähne des Weibchens manchmal ſehr kurz. Die
Taſter treten wie ein kürzerer oder läugerer Schnabel hervor, Punktaugen fehlen, ebenſo an den
hinterſten Schienen der kurzen, ſtarken Beine ein oberes Sporenpaar.
Eine in mehr als einer Hinſicht höchſt intereſſante Sippe bilden die Sackträger (Psychina),
darum ſo genannt, weil die Raupen in einem Futterale ſtecken, welches ſie ſich aus den ver-
ſchiedenſten Pflanzentheilen und in der manchfachſten Anordnung derſelben anfertigen, jede Art
jedoch ſo beſtimmt und für ſie ſo charakteriſtiſch, daß man den Sack kennen muß, um mit Sicher-
heit den Schmetterling von einem andern, ungemein ähnlichen unterſcheiden zu können. Eine
zweite Eigenthümlichkeit beſteht in der Flügelloſigkeit der Weibchen, von welchen viele den Sack,
in welchem ſich die Raupe ſtets verpuppt, nicht verlaſſen und viel eher einer Made, als einem
vollkommenen Jnſekt ähnlich ſehen, am allerwenigſten einem Schmetterlinge. Andere haben Beine
und Fühler und ſetzen ſich wenigſtens auf die Außenſeite ihrer Wiege. Die in der Regel zottig
behaarten, düſter gefärbten und zeichnungsloſen Mäunchen erweiſen ſich als muntere Geſellen,
welche aus weiter Ferne das andere Geſchlecht wittern, in haſtigem Fluge herbei kommen und
womöglich in die Schachtel eindringen, in welche der Sammler ein ihrer Art zugehöriges Weibchen
einſperrte. Die Fühler ſind buſchig gekämmt und zwar in der gewöhnlichen Weiſe doppelt, Taſter
und Zunge fehlen oder verkümmern mindeſtens ſehr ſtark. Die Vorderflügel haben eine, meiſt
nach dem Saum zu gegabelte Jnnenrandsrippe, die Hinterflügel deren drei und eine Haftborſte.
Jm Uebrigen unterliegt der Rippenverlauf je nach der Art verſchiedenen Abänderungen. Sie
fliegen bei Tage und in der Dämmerung und legen ruhend die Flügel dachförmig auf den Hinter-
leib. Zu den zwei erwähnten kommt noch eine dritte Eigenheit, welche zwar nicht zur Regel wird,
aber doch einzelne Arten betrifft. Man hat nämlich Parthenogeneſis bei einigen beobachtet,
Fortpflanzung ohne vorangegaugene Befruchtung, ja bei einer, der Psyche helix, welche aus
Sandkörnchen einen Sack verfertigt, der einem Schneckenhauſe der Gattung Helix nicht unähnlich,
kannte man das Mänuchen jahrelang gar nicht. Erſt am 22. Mai 1866 erhielt Prof. Claus in
Marburg Raupen aus Tyrol, welche ſich mit Teucrium Chamacdris und Alyssum montanum
leicht füttern ließen, und fand bei der Unterſuchung der Geſchlechtstheile auch männliche Raupen
darunter. Der Sack dieſer unterſchied ſich von dem der Weibchen außerdem durch ſeine geringere
Größe und dadurch, daß die obere ſeitliche Oeſſnung nicht viel über eine einzige Spiralwindung
von der untern Eingangsmündung entfernt liegt, während dieſe Entfernung beim weiblichen Sacke
faſt deren zwei beträgt. — Mitte Juni waren ſämmtliche Räupchen verpuppt. Die männlichen
Puppen unterſcheiden ſich weſentlich von den weiblichen. Vor dem Ausſchlüpfen kommen ſie faſt
ganz aus dem Sacke heraus. Am 1. Juli erſchien der erſte, am 10. der zweite Mann. Durch
die großen dunkel chocoladenbraunen Vorderflügel, die dichte Behaarung des 3 Millim. langen Körpers
und die große Hinfälligkeit zeichneten ſich die einfarbig dunllen Thierchen aus; denn ſie ſtarben ſchon
am erſten Tage ab. Beobachtung von jungfräulicher Fortpflanzung wurden gemacht an Psyche unicolor,
viciella und apiformis, einige andere an ein paar kleinen Schmetterlingen, welche bisher zu den
Kleinfaltern gerechnet wurden, als Raupen aber auch in Säcken leben, nämlich an der Talaeporia
nitidella, Solenobia lichenella und triquetrella. — Die Pſychenraupen bedürfen bei dieſer Lebens-
weiſe zwar der ſechs hornigen Bruſtfüße, welche ſie mit den dazu gehörigen Körpertheilen heraus-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/355>, abgerufen am 23.11.2024.
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