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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Schmetterlinge. Spanner.
paarweise herum. Wir erblicken hier das Männchen von beiden Seiten. Es sei nur bemerkt,
daß die dunklen Partieen schwarzbraun, die lichten strohgelb, auf der Kehrseite reiner weiß sind.
Beim Weibchen vertheilt sich düsteres Rothgelb und Rothbraun in etwas anderer und bei ver-
schiedenen Jndividuen wieder auf verschiedene Weise. Eine Anhangszelle in den Vorderflügeln, eine
flach anliegend beschuppte Stirn, kurze Beine, besonders Hinterschienen und ein Flügelschnitt, wie
wir ihn vor uns sehen, charakterisiren die Gattung. Hoch oben in die Krone der Kiefern legt das
[Abbildung] Der Kiefernspanner (Fidonia piniaria).
Ein Männchen von der Rück- und Bauchseite nebst Raupe.
Weibchen die Eier an die Nadeln, und
im Juli kriechen die Räupchen daraus
hervor, ihr Fraß wird, wenn sie in Menge
da sind, aber erst im August bemerkbar.
Jm September hängen sie sich gleich
Spinnen an Fäden auf und kommen bis
zur halben Höhe herab, wie es scheint,
nur zum Vergnügen, denn sie arbeiten
sich wieder empor, bis sie im Oktober
nach erlangter Reife in derselben Weise
ganz herab kommen, um sich im Bereiche
des Baumes unter Moos oder Streu
zu verpuppen. Die sehr schlauke, grüne Raupe hat drei weiße Rücken- und zwei gelbe Seiten-
linien, welche sich über den Kopf fortsetzen. Die anfangs grüne, später mit Ausschluß der Flügel-
scheiden braunwerdende Puppe endigt in eine zweitheilige Spitze und überwintert.

Bei den bisher betrachteten Spannern entspringt die Vorderrandsrippe der Hinterflügel aus
der Wurzel selbst, bei den nachfolgenden aus der vordern Mittelrippe und zwar kurz vor der
Ecke der Mittelzelle, oder läuft wenigstens dicht an ihr hin, in den zwölfrippigen Vorderflügeln
kommt immer eine Anhangszelle vor, welche oft durch eine aus der vordern Mittelrippe kommende
Schrägrippe getheilt wird.

An verschiedenen Stellen begegneten wir Schmetterlingen, deren Weibchen von der Natur
stiefmütterlich ausgestattet sind, indem ihre Flügel verkümmerten, es fehlt aber auch nicht an Fällen,
in denen sie reichlicher gab, aber immer nur den Männchen; so wurden einigen lappige Anhänge
an den Hinterflügeln zu Theil, so daß sie gewissermaßen sechsflügelig erscheinen. Jrgend einen
Vortheil, einen Nutzen aus dieser Zugabe zu erkennen, dürfte schwer halten; diese kleine Manschette
an der Wurzel der Hinterflügel wird für sie ein Schmuck, wie bei anderen das Schwänzchen.
Man hat die wenigen Arten als "Lappenträger" (Lobophora) zusammengefaßt und würde couse-
quenter Weise zwei Gattungen daraus haben machen müssen, weil die einen nur Endsporen, die
anderen auch Mittelsporen an den Hinterschienen tragen. Zu letzteren gehört die ziemlich ver-
breitete, jedoch nirgends zu häufige L. sexalata, ein 3/4 Zoll messender Spanner, welcher im
Frühjahre bei Tage an Pappelstämmen und Weidengebüsch ruhig sitzt und des Abends seine Aus-
flüge in die nächste Umgebung unternimmt. Die röthlichgraubraunen Vorderflügel werden von weißen
Querzäckchen durchzogen und die dagegen sehr kleinen weißen Hinterflügel von einem dunklen Rändchen
umsäumt. An den genannten Laubhölzern lebt die Raupe, hat einen herzförmigen Kopf und zwei
gelblichgrüne Spitzchen auf dem letzten Gliede; drei weißliche Rückenlinien und eine unterbrochene
in den Seiten durchziehen den grünlich blauweißen Untergrund. Die grünlichbraune Puppe ruht
in einem braunen, ziemlich festen Gespinnst an der Futterpflanze.

Das Hauptheer der in Rede stehenden Gruppe wird von der Gattung Larentia gebildet,
und an der vollkommen geschlossenen Mittelzelle, der getheilten Anhangszelle der Vorderflügel,
sowie an den weder durch Ecken, noch Anhängsel, noch besondere Kleinheit auffallenden Hinter-
flügeln erkannt. Jn dieser viel Spielraum lassenden Fassung kommen alle Unterschiede vor, welche

Die Schmetterlinge. Spanner.
paarweiſe herum. Wir erblicken hier das Männchen von beiden Seiten. Es ſei nur bemerkt,
daß die dunklen Partieen ſchwarzbraun, die lichten ſtrohgelb, auf der Kehrſeite reiner weiß ſind.
Beim Weibchen vertheilt ſich düſteres Rothgelb und Rothbraun in etwas anderer und bei ver-
ſchiedenen Jndividuen wieder auf verſchiedene Weiſe. Eine Anhangszelle in den Vorderflügeln, eine
flach anliegend beſchuppte Stirn, kurze Beine, beſonders Hinterſchienen und ein Flügelſchnitt, wie
wir ihn vor uns ſehen, charakteriſiren die Gattung. Hoch oben in die Krone der Kiefern legt das
[Abbildung] Der Kiefernſpanner (Fidonia piniaria).
Ein Männchen von der Rück- und Bauchſeite nebſt Raupe.
Weibchen die Eier an die Nadeln, und
im Juli kriechen die Räupchen daraus
hervor, ihr Fraß wird, wenn ſie in Menge
da ſind, aber erſt im Auguſt bemerkbar.
Jm September hängen ſie ſich gleich
Spinnen an Fäden auf und kommen bis
zur halben Höhe herab, wie es ſcheint,
nur zum Vergnügen, denn ſie arbeiten
ſich wieder empor, bis ſie im Oktober
nach erlangter Reife in derſelben Weiſe
ganz herab kommen, um ſich im Bereiche
des Baumes unter Moos oder Streu
zu verpuppen. Die ſehr ſchlauke, grüne Raupe hat drei weiße Rücken- und zwei gelbe Seiten-
linien, welche ſich über den Kopf fortſetzen. Die anfangs grüne, ſpäter mit Ausſchluß der Flügel-
ſcheiden braunwerdende Puppe endigt in eine zweitheilige Spitze und überwintert.

Bei den bisher betrachteten Spannern entſpringt die Vorderrandsrippe der Hinterflügel aus
der Wurzel ſelbſt, bei den nachfolgenden aus der vordern Mittelrippe und zwar kurz vor der
Ecke der Mittelzelle, oder läuft wenigſtens dicht an ihr hin, in den zwölfrippigen Vorderflügeln
kommt immer eine Anhangszelle vor, welche oft durch eine aus der vordern Mittelrippe kommende
Schrägrippe getheilt wird.

An verſchiedenen Stellen begegneten wir Schmetterlingen, deren Weibchen von der Natur
ſtiefmütterlich ausgeſtattet ſind, indem ihre Flügel verkümmerten, es fehlt aber auch nicht an Fällen,
in denen ſie reichlicher gab, aber immer nur den Männchen; ſo wurden einigen lappige Anhänge
an den Hinterflügeln zu Theil, ſo daß ſie gewiſſermaßen ſechsflügelig erſcheinen. Jrgend einen
Vortheil, einen Nutzen aus dieſer Zugabe zu erkennen, dürfte ſchwer halten; dieſe kleine Manſchette
an der Wurzel der Hinterflügel wird für ſie ein Schmuck, wie bei anderen das Schwänzchen.
Man hat die wenigen Arten als „Lappenträger“ (Lobophora) zuſammengefaßt und würde couſe-
quenter Weiſe zwei Gattungen daraus haben machen müſſen, weil die einen nur Endſporen, die
anderen auch Mittelſporen an den Hinterſchienen tragen. Zu letzteren gehört die ziemlich ver-
breitete, jedoch nirgends zu häufige L. sexalata, ein ¾ Zoll meſſender Spanner, welcher im
Frühjahre bei Tage an Pappelſtämmen und Weidengebüſch ruhig ſitzt und des Abends ſeine Aus-
flüge in die nächſte Umgebung unternimmt. Die röthlichgraubraunen Vorderflügel werden von weißen
Querzäckchen durchzogen und die dagegen ſehr kleinen weißen Hinterflügel von einem dunklen Rändchen
umſäumt. An den genannten Laubhölzern lebt die Raupe, hat einen herzförmigen Kopf und zwei
gelblichgrüne Spitzchen auf dem letzten Gliede; drei weißliche Rückenlinien und eine unterbrochene
in den Seiten durchziehen den grünlich blauweißen Untergrund. Die grünlichbraune Puppe ruht
in einem braunen, ziemlich feſten Geſpinnſt an der Futterpflanze.

Das Hauptheer der in Rede ſtehenden Gruppe wird von der Gattung Larentia gebildet,
und an der vollkommen geſchloſſenen Mittelzelle, der getheilten Anhangszelle der Vorderflügel,
ſowie an den weder durch Ecken, noch Anhängſel, noch beſondere Kleinheit auffallenden Hinter-
flügeln erkannt. Jn dieſer viel Spielraum laſſenden Faſſung kommen alle Unterſchiede vor, welche

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[360/0384] Die Schmetterlinge. Spanner. paarweiſe herum. Wir erblicken hier das Männchen von beiden Seiten. Es ſei nur bemerkt, daß die dunklen Partieen ſchwarzbraun, die lichten ſtrohgelb, auf der Kehrſeite reiner weiß ſind. Beim Weibchen vertheilt ſich düſteres Rothgelb und Rothbraun in etwas anderer und bei ver- ſchiedenen Jndividuen wieder auf verſchiedene Weiſe. Eine Anhangszelle in den Vorderflügeln, eine flach anliegend beſchuppte Stirn, kurze Beine, beſonders Hinterſchienen und ein Flügelſchnitt, wie wir ihn vor uns ſehen, charakteriſiren die Gattung. Hoch oben in die Krone der Kiefern legt das [Abbildung Der Kiefernſpanner (Fidonia piniaria). Ein Männchen von der Rück- und Bauchſeite nebſt Raupe.] Weibchen die Eier an die Nadeln, und im Juli kriechen die Räupchen daraus hervor, ihr Fraß wird, wenn ſie in Menge da ſind, aber erſt im Auguſt bemerkbar. Jm September hängen ſie ſich gleich Spinnen an Fäden auf und kommen bis zur halben Höhe herab, wie es ſcheint, nur zum Vergnügen, denn ſie arbeiten ſich wieder empor, bis ſie im Oktober nach erlangter Reife in derſelben Weiſe ganz herab kommen, um ſich im Bereiche des Baumes unter Moos oder Streu zu verpuppen. Die ſehr ſchlauke, grüne Raupe hat drei weiße Rücken- und zwei gelbe Seiten- linien, welche ſich über den Kopf fortſetzen. Die anfangs grüne, ſpäter mit Ausſchluß der Flügel- ſcheiden braunwerdende Puppe endigt in eine zweitheilige Spitze und überwintert. Bei den bisher betrachteten Spannern entſpringt die Vorderrandsrippe der Hinterflügel aus der Wurzel ſelbſt, bei den nachfolgenden aus der vordern Mittelrippe und zwar kurz vor der Ecke der Mittelzelle, oder läuft wenigſtens dicht an ihr hin, in den zwölfrippigen Vorderflügeln kommt immer eine Anhangszelle vor, welche oft durch eine aus der vordern Mittelrippe kommende Schrägrippe getheilt wird. An verſchiedenen Stellen begegneten wir Schmetterlingen, deren Weibchen von der Natur ſtiefmütterlich ausgeſtattet ſind, indem ihre Flügel verkümmerten, es fehlt aber auch nicht an Fällen, in denen ſie reichlicher gab, aber immer nur den Männchen; ſo wurden einigen lappige Anhänge an den Hinterflügeln zu Theil, ſo daß ſie gewiſſermaßen ſechsflügelig erſcheinen. Jrgend einen Vortheil, einen Nutzen aus dieſer Zugabe zu erkennen, dürfte ſchwer halten; dieſe kleine Manſchette an der Wurzel der Hinterflügel wird für ſie ein Schmuck, wie bei anderen das Schwänzchen. Man hat die wenigen Arten als „Lappenträger“ (Lobophora) zuſammengefaßt und würde couſe- quenter Weiſe zwei Gattungen daraus haben machen müſſen, weil die einen nur Endſporen, die anderen auch Mittelſporen an den Hinterſchienen tragen. Zu letzteren gehört die ziemlich ver- breitete, jedoch nirgends zu häufige L. sexalata, ein ¾ Zoll meſſender Spanner, welcher im Frühjahre bei Tage an Pappelſtämmen und Weidengebüſch ruhig ſitzt und des Abends ſeine Aus- flüge in die nächſte Umgebung unternimmt. Die röthlichgraubraunen Vorderflügel werden von weißen Querzäckchen durchzogen und die dagegen ſehr kleinen weißen Hinterflügel von einem dunklen Rändchen umſäumt. An den genannten Laubhölzern lebt die Raupe, hat einen herzförmigen Kopf und zwei gelblichgrüne Spitzchen auf dem letzten Gliede; drei weißliche Rückenlinien und eine unterbrochene in den Seiten durchziehen den grünlich blauweißen Untergrund. Die grünlichbraune Puppe ruht in einem braunen, ziemlich feſten Geſpinnſt an der Futterpflanze. Das Hauptheer der in Rede ſtehenden Gruppe wird von der Gattung Larentia gebildet, und an der vollkommen geſchloſſenen Mittelzelle, der getheilten Anhangszelle der Vorderflügel, ſowie an den weder durch Ecken, noch Anhängſel, noch beſondere Kleinheit auffallenden Hinter- flügeln erkannt. Jn dieſer viel Spielraum laſſenden Faſſung kommen alle Unterſchiede vor, welche

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/384>, abgerufen am 23.11.2024.