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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Flockblumenspannerchen. Wegtrittspanner. Kleiner Frostspanner.
aus. Lange Haare an den Schenkeln, lange Kammzähne, welche fast bis zur Spitze reichen an
den männlichen Fühlern, vollenden das Bild dieses die Trockniß liebenden Spanners. Seine in
den Gelenken etwas eingeschnürte Raupe hat auf dem braungelben Rücken einen lichten Längs-
streifen; Seiten und Bauch sind dagegen grün; sie lebt an verschiedenen niedrigen Pflanzen, vor-
zugsweise aber auf dem kleinen Sauerampfer.

Um die Zeit des kürzesten Tages (bruma), wo alles Jnsektenleben in der Natur erstorben
zu sein scheint, beginnt dasselbe erst trotz Frost und Nachtreife, trotz Mangel an Sonnenschein
und lieblichen Blumen für den kleinen Frostspanner, Winterspanner (Spätling, Cheima-
tobia brumata
). An einem für diese Zeit leidlichen Abende in der letzten Hälfte des November
bis zum Weihnachtsfeste hin kann man das Männchen in unsicherem

[Abbildung] Der kleine Frostspanner
(Cheimatobia brumala),
Weibchen und Männchen.
Fluge mit seinen zarten Flügeln die feuchte Luft durchschneiden sehen und
würde bis in die Nacht hinein seine Thätigkeit verfolgen können, wenn
anders die Dunkelheit es gestattete. Jene besteht aber wesentlich darin,
das kurz geflügelte, nur auf seine langen Beine als Bewegungswerkzeuge
angewiesene Weibchen an den Baumstämmen aufzusuchen. Dieses kriecht
nach der Paarung auf die Spitzen der Zweige und legt seine Eier an
die Knospen. Um dies an den Obstbäumen zu verhindern, umgibt man
den Stamm mit einem Theerringe, welchen man frisch erhalten muß,
damit die aufbäumenden Thiere daran kleben bleiben und umkommen.
Jm nächsten Frühjahre erscheinen, wie beim großen Frostspanner, die
Raupen und zerstören wegen ihrer größeren Häufigkeit in noch erhöhetem
Maße alle Tragknospen. Viele Jahre hinter einander kann die Obsternte
fehlschlagen, wenn die "Spanne" in der Blüthe haust und nichts zu ihrer Vertilgung geschieht.
Die heller oder dunkler grüne Raupe, über deren Rücken eine lichtere Längslinie läuft, mit
schwarzen Luftlöchern an den Seiten, gehört keineswegs zu den Kostverächtern; denn man kann sie
außer an allen Obstbäumen bis nach Schweden hinauf auch fast an allen Laubhölzern des Waldes
finden. Zur Verwandlung sucht sie etwa im Juni die Erde unten am Baume auf, fertigt ein
ovales Gehäuse und verwandelt sich darin zu einer gedrungenen gelbbraunen Puppe, deren zwei
Afterspitzchen sich nach auswärts krümmen. Um diese den Vögeln preis zu geben, empfiehlt man
das Aufhacken der Erde um den Baumstamm herum. Ueber das äußere Ansehen des Schmetter-
lings ist nichts weiter hinzuzufügen, als daß sein röthlichgrauer Grund auf den Vorderflügeln
nicht immer so deutlich dunkler bandirt erscheint, wie in der Abbildung. Was die Gattungs-
merkmale anlangt, so gehören dahin eine nicht getheilte Anhangszelle, eine getrennt entspringende
siebente und achte Rippe im Vorderflügel; im Hinterflügel übertrifft die Mittelzelle die halbe
Flügellänge, und die einzige Junenrandsrippe mündet in dem Afterwinkel. -- Eine sehr ähnliche,
aber etwas größere und bleichere Art, welche mehr im Norden lebt, ist die Ch. boreata, deren
Raupe Birkenblätter frißt.



Mit der achten Familie, den Zünslern (Pyralidae), beginnt die Reihe der kleinen und
kleinsten Schmetterlinge, der Kleinfalter (Microlepidoptera), deren die europäischen Verzeichnisse
2667 Nummern aufzählen, gegen 2583 Großschmetterlinge, welche bisher besprochen wurden.
Jhre Kenntniß ist mit besonderen Schwierigkeiten verbunden, nicht weil dieselben in ihrer äußern
Erscheinung so wesentlich von den anderen abweichen, sondern weil ihre Unterscheidung, ihre Behand-
lung, ihre Fangmethode und Zucht wegen der Kleinheit und Zartheit dessen, was man unter den
Händen hat, ein bewaffnetes Auge und überhaupt andere Vorkehrungen erheischen. Es gibt ja in

Flockblumenſpannerchen. Wegtrittſpanner. Kleiner Froſtſpanner.
aus. Lange Haare an den Schenkeln, lange Kammzähne, welche faſt bis zur Spitze reichen an
den männlichen Fühlern, vollenden das Bild dieſes die Trockniß liebenden Spanners. Seine in
den Gelenken etwas eingeſchnürte Raupe hat auf dem braungelben Rücken einen lichten Längs-
ſtreifen; Seiten und Bauch ſind dagegen grün; ſie lebt an verſchiedenen niedrigen Pflanzen, vor-
zugsweiſe aber auf dem kleinen Sauerampfer.

Um die Zeit des kürzeſten Tages (bruma), wo alles Jnſektenleben in der Natur erſtorben
zu ſein ſcheint, beginnt daſſelbe erſt trotz Froſt und Nachtreife, trotz Mangel an Sonnenſchein
und lieblichen Blumen für den kleinen Froſtſpanner, Winterſpanner (Spätling, Cheima-
tobia brumata
). An einem für dieſe Zeit leidlichen Abende in der letzten Hälfte des November
bis zum Weihnachtsfeſte hin kann man das Männchen in unſicherem

[Abbildung] Der kleine Froſtſpanner
(Cheimatobia brumala),
Weibchen und Männchen.
Fluge mit ſeinen zarten Flügeln die feuchte Luft durchſchneiden ſehen und
würde bis in die Nacht hinein ſeine Thätigkeit verfolgen können, wenn
anders die Dunkelheit es geſtattete. Jene beſteht aber weſentlich darin,
das kurz geflügelte, nur auf ſeine langen Beine als Bewegungswerkzeuge
angewieſene Weibchen an den Baumſtämmen aufzuſuchen. Dieſes kriecht
nach der Paarung auf die Spitzen der Zweige und legt ſeine Eier an
die Knospen. Um dies an den Obſtbäumen zu verhindern, umgibt man
den Stamm mit einem Theerringe, welchen man friſch erhalten muß,
damit die aufbäumenden Thiere daran kleben bleiben und umkommen.
Jm nächſten Frühjahre erſcheinen, wie beim großen Froſtſpanner, die
Raupen und zerſtören wegen ihrer größeren Häufigkeit in noch erhöhetem
Maße alle Tragknospen. Viele Jahre hinter einander kann die Obſternte
fehlſchlagen, wenn die „Spanne“ in der Blüthe hauſt und nichts zu ihrer Vertilgung geſchieht.
Die heller oder dunkler grüne Raupe, über deren Rücken eine lichtere Längslinie läuft, mit
ſchwarzen Luftlöchern an den Seiten, gehört keineswegs zu den Koſtverächtern; denn man kann ſie
außer an allen Obſtbäumen bis nach Schweden hinauf auch faſt an allen Laubhölzern des Waldes
finden. Zur Verwandlung ſucht ſie etwa im Juni die Erde unten am Baume auf, fertigt ein
ovales Gehäuſe und verwandelt ſich darin zu einer gedrungenen gelbbraunen Puppe, deren zwei
Afterſpitzchen ſich nach auswärts krümmen. Um dieſe den Vögeln preis zu geben, empfiehlt man
das Aufhacken der Erde um den Baumſtamm herum. Ueber das äußere Anſehen des Schmetter-
lings iſt nichts weiter hinzuzufügen, als daß ſein röthlichgrauer Grund auf den Vorderflügeln
nicht immer ſo deutlich dunkler bandirt erſcheint, wie in der Abbildung. Was die Gattungs-
merkmale anlangt, ſo gehören dahin eine nicht getheilte Anhangszelle, eine getrennt entſpringende
ſiebente und achte Rippe im Vorderflügel; im Hinterflügel übertrifft die Mittelzelle die halbe
Flügellänge, und die einzige Junenrandsrippe mündet in dem Afterwinkel. — Eine ſehr ähnliche,
aber etwas größere und bleichere Art, welche mehr im Norden lebt, iſt die Ch. boreata, deren
Raupe Birkenblätter frißt.



Mit der achten Familie, den Zünslern (Pyralidae), beginnt die Reihe der kleinen und
kleinſten Schmetterlinge, der Kleinfalter (Microlepidoptera), deren die europäiſchen Verzeichniſſe
2667 Nummern aufzählen, gegen 2583 Großſchmetterlinge, welche bisher beſprochen wurden.
Jhre Kenntniß iſt mit beſonderen Schwierigkeiten verbunden, nicht weil dieſelben in ihrer äußern
Erſcheinung ſo weſentlich von den anderen abweichen, ſondern weil ihre Unterſcheidung, ihre Behand-
lung, ihre Fangmethode und Zucht wegen der Kleinheit und Zartheit deſſen, was man unter den
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[363/0387] Flockblumenſpannerchen. Wegtrittſpanner. Kleiner Froſtſpanner. aus. Lange Haare an den Schenkeln, lange Kammzähne, welche faſt bis zur Spitze reichen an den männlichen Fühlern, vollenden das Bild dieſes die Trockniß liebenden Spanners. Seine in den Gelenken etwas eingeſchnürte Raupe hat auf dem braungelben Rücken einen lichten Längs- ſtreifen; Seiten und Bauch ſind dagegen grün; ſie lebt an verſchiedenen niedrigen Pflanzen, vor- zugsweiſe aber auf dem kleinen Sauerampfer. Um die Zeit des kürzeſten Tages (bruma), wo alles Jnſektenleben in der Natur erſtorben zu ſein ſcheint, beginnt daſſelbe erſt trotz Froſt und Nachtreife, trotz Mangel an Sonnenſchein und lieblichen Blumen für den kleinen Froſtſpanner, Winterſpanner (Spätling, Cheima- tobia brumata). An einem für dieſe Zeit leidlichen Abende in der letzten Hälfte des November bis zum Weihnachtsfeſte hin kann man das Männchen in unſicherem [Abbildung Der kleine Froſtſpanner (Cheimatobia brumala), Weibchen und Männchen.] Fluge mit ſeinen zarten Flügeln die feuchte Luft durchſchneiden ſehen und würde bis in die Nacht hinein ſeine Thätigkeit verfolgen können, wenn anders die Dunkelheit es geſtattete. Jene beſteht aber weſentlich darin, das kurz geflügelte, nur auf ſeine langen Beine als Bewegungswerkzeuge angewieſene Weibchen an den Baumſtämmen aufzuſuchen. Dieſes kriecht nach der Paarung auf die Spitzen der Zweige und legt ſeine Eier an die Knospen. Um dies an den Obſtbäumen zu verhindern, umgibt man den Stamm mit einem Theerringe, welchen man friſch erhalten muß, damit die aufbäumenden Thiere daran kleben bleiben und umkommen. Jm nächſten Frühjahre erſcheinen, wie beim großen Froſtſpanner, die Raupen und zerſtören wegen ihrer größeren Häufigkeit in noch erhöhetem Maße alle Tragknospen. Viele Jahre hinter einander kann die Obſternte fehlſchlagen, wenn die „Spanne“ in der Blüthe hauſt und nichts zu ihrer Vertilgung geſchieht. Die heller oder dunkler grüne Raupe, über deren Rücken eine lichtere Längslinie läuft, mit ſchwarzen Luftlöchern an den Seiten, gehört keineswegs zu den Koſtverächtern; denn man kann ſie außer an allen Obſtbäumen bis nach Schweden hinauf auch faſt an allen Laubhölzern des Waldes finden. Zur Verwandlung ſucht ſie etwa im Juni die Erde unten am Baume auf, fertigt ein ovales Gehäuſe und verwandelt ſich darin zu einer gedrungenen gelbbraunen Puppe, deren zwei Afterſpitzchen ſich nach auswärts krümmen. Um dieſe den Vögeln preis zu geben, empfiehlt man das Aufhacken der Erde um den Baumſtamm herum. Ueber das äußere Anſehen des Schmetter- lings iſt nichts weiter hinzuzufügen, als daß ſein röthlichgrauer Grund auf den Vorderflügeln nicht immer ſo deutlich dunkler bandirt erſcheint, wie in der Abbildung. Was die Gattungs- merkmale anlangt, ſo gehören dahin eine nicht getheilte Anhangszelle, eine getrennt entſpringende ſiebente und achte Rippe im Vorderflügel; im Hinterflügel übertrifft die Mittelzelle die halbe Flügellänge, und die einzige Junenrandsrippe mündet in dem Afterwinkel. — Eine ſehr ähnliche, aber etwas größere und bleichere Art, welche mehr im Norden lebt, iſt die Ch. boreata, deren Raupe Birkenblätter frißt. Mit der achten Familie, den Zünslern (Pyralidae), beginnt die Reihe der kleinen und kleinſten Schmetterlinge, der Kleinfalter (Microlepidoptera), deren die europäiſchen Verzeichniſſe 2667 Nummern aufzählen, gegen 2583 Großſchmetterlinge, welche bisher beſprochen wurden. Jhre Kenntniß iſt mit beſonderen Schwierigkeiten verbunden, nicht weil dieſelben in ihrer äußern Erſcheinung ſo weſentlich von den anderen abweichen, ſondern weil ihre Unterſcheidung, ihre Behand- lung, ihre Fangmethode und Zucht wegen der Kleinheit und Zartheit deſſen, was man unter den Händen hat, ein bewaffnetes Auge und überhaupt andere Vorkehrungen erheiſchen. Es gibt ja in

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/387>, abgerufen am 23.11.2024.