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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Zweiflügler. Mücken.
Arten ist sehr beträchtlich, in Europa allein mag sie sich auf tausend belaufen, unerhört aber die
Menge, in welcher ein und dieselbe Art bisweilen sichtbar und -- fühlbar wird. So berichten
beispielsweise die Jahrbücher von Mücken, welche sich (1736) in England in so unermeßlichen
Schwärmen säulenartig in der Nähe eines Kirchthurms bewegten, daß sie von vielen Leuten für
eine Rauchsäule gehalten wurden. Ganz dieselbe Erscheinung beobachtete man im Juli (1812) in
der schlesischen Stadt Sagan und am 20. August (1859) in Neubrandenburg, wo ein
Mückenschwarm dicht unter dem Kreuze des Marienkirchthurms in einer Höhe von fast 300 Fuß
spielte, so daß er, von unten gesehen, einer dünnen, in steter Wallung begriffenen Rauchwolke
glich. Aehnliche Beispiele werden aus vielen Gegenden Europas erzählt, wenn auch in den meisten
Fällen nicht festgestellt ist, welcher Art die Schwärmer angehört haben. Man hat mit den Leichen
der kleinsten, eine bis zwei Linien messenden Arten mehrere Fuß hoch die Ufer von Gewässern
bedeckt gesehen. Wie fühlbar sich andere solche Schaaren machen können, weiß jedermann,
welcher sich während eines warmen, seuchten Sommers in wasserreicher Gegend aufhielt, vielleicht
weniger, daß jene blutsaugenden Quälgeister nur dem zarten, weiblichen Geschlechte angehören,
da die harmlosen Männchen nur Vergnügen am Tanzen finden. Jm heißen Südamerika nennt
man die Stechmücken Mosquitos, ein portugiesisches Wort, welches so viel bedeutet wie Mücke,
Fliege (musca), auch mit provinzieller Färbung: "Teufelstrompeter" in Surinam. Manche Gegenden,
namentlich an den Strömen, sind ihretwegen völlig unbewohnbar. Am Orinoko ist es die erste
Frage, mit welcher man des Morgens einen Freund begrüßt: "Wie haben sich die Jankndos
und Mosquitos diese Nacht aufgeführt?" Fast zu jeder Tageszeit wird man dort abwechselnd
von anderen Arten gemartert. Heut zu Tage, sagt A. v. Humboldt, sind es nicht die Gefahren
der Schifffahrt auf kleinen Kähnen, nicht die wilden Jndianer und Schlangen, Krokodile und
Jaguare, welche die Reise auf dem Orinoko furchtbar machen, sondern die Mosquitos.

Viele Mücken leben als Larven und Puppen im Wasser. Je nachdem diese stets unter dem-
selben zubringen, oder sich durch schnellende Bewegungen ihres Körpers an die Oberfläche erheben
können, athmen sie durch äußere Kiemen oder Athemröhren. Jene können haarartig und
bewimpert, oder blattförmig sein und pflegen, wie diese, am ersten und letzten Körperringe zu sitzen.

Die geringelte Stechmücke (Culex annulatus) mag die Sippe der Culiciden vergegen-
wärtigen, derjenigen Mücken, welche durch einen langen Stechrüssel, mäßig breite, in der Ruhe

[Abbildung] Die geringelte Stechmücke (Culex annulatus). a Weibchen.
b Puppe. c Larve. (Alles vergrößert.)
dem Leibe flach aufliegende, an der Spitze
gerundete Flügel mit mindestens sechs gleich
dicken, dicht behaarten Längsadern, von denen
die des Randes fast ringsum in gleicher
Stärke läuft, durch den Mangel der Punkt-
augen und einer Querfurche auf dem Rücken
des Brustkastens charakterisirt sind. Nur
beim Männchen verlängern sich die rauh-
haarigen, fünfgliederigen Taster sogar über
den Rüssel hinaus und bilden sammt den
vierzehngliederigen Federbüschen der Fühler
einen üppigen Haarwuchs um den Kopf
herum. Nie wird man dergleichen an einer
Mücke bemerken, welche sich uns auf die
Hand setzt, ihre hornige Borste innerhalb der sich einknickenden Scheide in die Haut und bis zu
einem Blutgefäße einbohrt -- denn es sind, wie wir bereits wissen, die solches Schmuckes ent-
behrenden Weibchen -- wohl aber sehen, wie ihr Bauch röther und dicker wird, wenn sie in vollen
Zügen schwelgt; jeder weiß auch, daß die juckende Wunde mehr schmerzt, wenn man die Mücke
todtschlägt und die Spitze ihres Rüssels dabei in jener zurückbleibt, als wenn man sie das einmal

Die Zweiflügler. Mücken.
Arten iſt ſehr beträchtlich, in Europa allein mag ſie ſich auf tauſend belaufen, unerhört aber die
Menge, in welcher ein und dieſelbe Art bisweilen ſichtbar und — fühlbar wird. So berichten
beiſpielsweiſe die Jahrbücher von Mücken, welche ſich (1736) in England in ſo unermeßlichen
Schwärmen ſäulenartig in der Nähe eines Kirchthurms bewegten, daß ſie von vielen Leuten für
eine Rauchſäule gehalten wurden. Ganz dieſelbe Erſcheinung beobachtete man im Juli (1812) in
der ſchleſiſchen Stadt Sagan und am 20. Auguſt (1859) in Neubrandenburg, wo ein
Mückenſchwarm dicht unter dem Kreuze des Marienkirchthurms in einer Höhe von faſt 300 Fuß
ſpielte, ſo daß er, von unten geſehen, einer dünnen, in ſteter Wallung begriffenen Rauchwolke
glich. Aehnliche Beiſpiele werden aus vielen Gegenden Europas erzählt, wenn auch in den meiſten
Fällen nicht feſtgeſtellt iſt, welcher Art die Schwärmer angehört haben. Man hat mit den Leichen
der kleinſten, eine bis zwei Linien meſſenden Arten mehrere Fuß hoch die Ufer von Gewäſſern
bedeckt geſehen. Wie fühlbar ſich andere ſolche Schaaren machen können, weiß jedermann,
welcher ſich während eines warmen, ſeuchten Sommers in waſſerreicher Gegend aufhielt, vielleicht
weniger, daß jene blutſaugenden Quälgeiſter nur dem zarten, weiblichen Geſchlechte angehören,
da die harmloſen Männchen nur Vergnügen am Tanzen finden. Jm heißen Südamerika nennt
man die Stechmücken Mosquitos, ein portugieſiſches Wort, welches ſo viel bedeutet wie Mücke,
Fliege (musca), auch mit provinzieller Färbung: „Teufelstrompeter“ in Surinam. Manche Gegenden,
namentlich an den Strömen, ſind ihretwegen völlig unbewohnbar. Am Orinoko iſt es die erſte
Frage, mit welcher man des Morgens einen Freund begrüßt: „Wie haben ſich die Jankndos
und Mosquitos dieſe Nacht aufgeführt?“ Faſt zu jeder Tageszeit wird man dort abwechſelnd
von anderen Arten gemartert. Heut zu Tage, ſagt A. v. Humboldt, ſind es nicht die Gefahren
der Schifffahrt auf kleinen Kähnen, nicht die wilden Jndianer und Schlangen, Krokodile und
Jaguare, welche die Reiſe auf dem Orinoko furchtbar machen, ſondern die Mosquitos.

Viele Mücken leben als Larven und Puppen im Waſſer. Je nachdem dieſe ſtets unter dem-
ſelben zubringen, oder ſich durch ſchnellende Bewegungen ihres Körpers an die Oberfläche erheben
können, athmen ſie durch äußere Kiemen oder Athemröhren. Jene können haarartig und
bewimpert, oder blattförmig ſein und pflegen, wie dieſe, am erſten und letzten Körperringe zu ſitzen.

Die geringelte Stechmücke (Culex annulatus) mag die Sippe der Culiciden vergegen-
wärtigen, derjenigen Mücken, welche durch einen langen Stechrüſſel, mäßig breite, in der Ruhe

[Abbildung] Die geringelte Stechmücke (Culex annulatus). a Weibchen.
b Puppe. c Larve. (Alles vergrößert.)
dem Leibe flach aufliegende, an der Spitze
gerundete Flügel mit mindeſtens ſechs gleich
dicken, dicht behaarten Längsadern, von denen
die des Randes faſt ringsum in gleicher
Stärke läuft, durch den Mangel der Punkt-
augen und einer Querfurche auf dem Rücken
des Bruſtkaſtens charakteriſirt ſind. Nur
beim Männchen verlängern ſich die rauh-
haarigen, fünfgliederigen Taſter ſogar über
den Rüſſel hinaus und bilden ſammt den
vierzehngliederigen Federbüſchen der Fühler
einen üppigen Haarwuchs um den Kopf
herum. Nie wird man dergleichen an einer
Mücke bemerken, welche ſich uns auf die
Hand ſetzt, ihre hornige Borſte innerhalb der ſich einknickenden Scheide in die Haut und bis zu
einem Blutgefäße einbohrt — denn es ſind, wie wir bereits wiſſen, die ſolches Schmuckes ent-
behrenden Weibchen — wohl aber ſehen, wie ihr Bauch röther und dicker wird, wenn ſie in vollen
Zügen ſchwelgt; jeder weiß auch, daß die juckende Wunde mehr ſchmerzt, wenn man die Mücke
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[380/0404] Die Zweiflügler. Mücken. Arten iſt ſehr beträchtlich, in Europa allein mag ſie ſich auf tauſend belaufen, unerhört aber die Menge, in welcher ein und dieſelbe Art bisweilen ſichtbar und — fühlbar wird. So berichten beiſpielsweiſe die Jahrbücher von Mücken, welche ſich (1736) in England in ſo unermeßlichen Schwärmen ſäulenartig in der Nähe eines Kirchthurms bewegten, daß ſie von vielen Leuten für eine Rauchſäule gehalten wurden. Ganz dieſelbe Erſcheinung beobachtete man im Juli (1812) in der ſchleſiſchen Stadt Sagan und am 20. Auguſt (1859) in Neubrandenburg, wo ein Mückenſchwarm dicht unter dem Kreuze des Marienkirchthurms in einer Höhe von faſt 300 Fuß ſpielte, ſo daß er, von unten geſehen, einer dünnen, in ſteter Wallung begriffenen Rauchwolke glich. Aehnliche Beiſpiele werden aus vielen Gegenden Europas erzählt, wenn auch in den meiſten Fällen nicht feſtgeſtellt iſt, welcher Art die Schwärmer angehört haben. Man hat mit den Leichen der kleinſten, eine bis zwei Linien meſſenden Arten mehrere Fuß hoch die Ufer von Gewäſſern bedeckt geſehen. Wie fühlbar ſich andere ſolche Schaaren machen können, weiß jedermann, welcher ſich während eines warmen, ſeuchten Sommers in waſſerreicher Gegend aufhielt, vielleicht weniger, daß jene blutſaugenden Quälgeiſter nur dem zarten, weiblichen Geſchlechte angehören, da die harmloſen Männchen nur Vergnügen am Tanzen finden. Jm heißen Südamerika nennt man die Stechmücken Mosquitos, ein portugieſiſches Wort, welches ſo viel bedeutet wie Mücke, Fliege (musca), auch mit provinzieller Färbung: „Teufelstrompeter“ in Surinam. Manche Gegenden, namentlich an den Strömen, ſind ihretwegen völlig unbewohnbar. Am Orinoko iſt es die erſte Frage, mit welcher man des Morgens einen Freund begrüßt: „Wie haben ſich die Jankndos und Mosquitos dieſe Nacht aufgeführt?“ Faſt zu jeder Tageszeit wird man dort abwechſelnd von anderen Arten gemartert. Heut zu Tage, ſagt A. v. Humboldt, ſind es nicht die Gefahren der Schifffahrt auf kleinen Kähnen, nicht die wilden Jndianer und Schlangen, Krokodile und Jaguare, welche die Reiſe auf dem Orinoko furchtbar machen, ſondern die Mosquitos. Viele Mücken leben als Larven und Puppen im Waſſer. Je nachdem dieſe ſtets unter dem- ſelben zubringen, oder ſich durch ſchnellende Bewegungen ihres Körpers an die Oberfläche erheben können, athmen ſie durch äußere Kiemen oder Athemröhren. Jene können haarartig und bewimpert, oder blattförmig ſein und pflegen, wie dieſe, am erſten und letzten Körperringe zu ſitzen. Die geringelte Stechmücke (Culex annulatus) mag die Sippe der Culiciden vergegen- wärtigen, derjenigen Mücken, welche durch einen langen Stechrüſſel, mäßig breite, in der Ruhe [Abbildung Die geringelte Stechmücke (Culex annulatus). a Weibchen. b Puppe. c Larve. (Alles vergrößert.)] dem Leibe flach aufliegende, an der Spitze gerundete Flügel mit mindeſtens ſechs gleich dicken, dicht behaarten Längsadern, von denen die des Randes faſt ringsum in gleicher Stärke läuft, durch den Mangel der Punkt- augen und einer Querfurche auf dem Rücken des Bruſtkaſtens charakteriſirt ſind. Nur beim Männchen verlängern ſich die rauh- haarigen, fünfgliederigen Taſter ſogar über den Rüſſel hinaus und bilden ſammt den vierzehngliederigen Federbüſchen der Fühler einen üppigen Haarwuchs um den Kopf herum. Nie wird man dergleichen an einer Mücke bemerken, welche ſich uns auf die Hand ſetzt, ihre hornige Borſte innerhalb der ſich einknickenden Scheide in die Haut und bis zu einem Blutgefäße einbohrt — denn es ſind, wie wir bereits wiſſen, die ſolches Schmuckes ent- behrenden Weibchen — wohl aber ſehen, wie ihr Bauch röther und dicker wird, wenn ſie in vollen Zügen ſchwelgt; jeder weiß auch, daß die juckende Wunde mehr ſchmerzt, wenn man die Mücke todtſchlägt und die Spitze ihres Rüſſels dabei in jener zurückbleibt, als wenn man ſie das einmal

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/404>, abgerufen am 23.11.2024.