Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Geringelte und gemeine Stechmücke.
begonnene Werk ungehindert zu Ende führen läßt. Die genannte Art wird leicht erkannt an den
weißen Ringen an Hinterleib und Füßen bei sonst braunem Grunde, an den zwei dunklen
Striemen auf dem Rücken und fünf dunklen Fleckchen der Flügel. Jndem sie vier Linien und
darüber mißt, stellt sie die größte der heimischen Arten dar. Die vielleicht noch gemeinere
C. pipiens pflegt in ihrer Gesellschaft zu sein; sie ist kleiner, am Hinterleibe auch heller und
dunkler geringelt, aber den Füßen und braungeaderten Flügeln sehlen die dunklen Zeichnungen.
Die Larven beider leben zu Millionen in stehenden Gewässern. Es ist interessant, diese zarten
Wesen mit dem am vorletzten Leibesgliede seitwärts abgehenden Athemrohre an der Wasserfläche
hängen zu sehen, den Kopf nach unten gerichtet. An diesem sind die beiden inneren, am meisten
zugespitzten und stark bewimperten Hervorragungen in unserem Bilde die Kinnbacken, welche sich
in fortwährender Bewegung befinden, dadurch einen Strudel erzeugen und der Mundöffnung die
kleinen Schmuztheilchen zuführen, welche den Darm alsbald schwarz färben. Jn dieser Weise,
oder mit dem Vorderkörper sich erhebend und mit dem andern Paare der Anhängsel, den Fühlern,
umhertastend, hängen die Thiere die längste Weile da, und nur wenn das eine dem andern zu
nahe kommt, zausen sie sich wohl auch an den Köpfen, ohne sich in längeren und ernstlichen
Streit einzulassen. Die leiseste Erschütterung des Wassers aber läßt sie von der Oberfläche ver-
schwinden, in schlangenartigen Windungen des Körpers steigt Alles auf den Boden hinab.
Daselbst halten sie jedoch nicht lange aus. Jn derselben Weise, wie sie untertauchten, kommt bald
eins nach dem andern wieder herauf und hängt mit dem Athemrohre an der Oberfläche. Auch
ohne erschreckt zu sein, tauchen sie einzeln unter, krabbeln am Boden umher, legen sich auf den
Rücken und -- entleeren sich. So treibt diese Gesellschaft ihr Spiel ununterbrochen fort, bedeutend
lebhafter an sonnigen Tagen, und wem es Vergnügen macht, dergleichen selbst und besser zu
beobachten, als ich es schildern kann, der schöpfe ein Glas Wasser aus einem von ihnen bevölkerten
Troge, aus einem Löschkübel etc. Jst ihre Zeit gekommen, so hängen sie in fragzeichenförmiger
Krümmung ihres Leibes an der Oberfläche, der Körper bekommt hinter dem Kopfe einen Längs-
riß und daraus kriecht dasselbe Thier, der Körper nur in etwas größeren Umrissen, hervor. Die
Häutung ist erfolgt. Die älten Bälge schwimmen im Wasser umher, lösen sich allmälig auf und werden
von den Mückenlarven selbst und von anderen Mitbewohnern des eben nicht saubern Aufenthalts-
ortes wieder verspeist. Jede hat drei solcher Häutungen zu bestehen, bis sie ihre volle Größe
von durchschnittlich vier Linien erlangt. Platzt die Haut im Nacken zum vierten Male, so ist es
um das bisherige Leben geschehen, die schlanke Form ist verschwunden und hat einer gedrungeneren,
von den Seiten etwas zusammengedrückten Platz gemacht. Die Puppe hängt mit zwei Luströhren,
welche hinter dem Kopfe stehen, an der Wasserfläche und bewegt sich gleich der Larve zum Zeit-
vertreib auf und nieder, indem sie mit dem Schwanze gegen den Vordertheil ihres Körpers schnellt.
Jetzt wirbeln und tummeln sich Larven und Puppen in unserem kleinen Aquarium durch einander,
die Zahl jener nimmt ab, diese würde sich in demselben Maße mehren, wenn nicht eine nach der
andern einem vollkommneren Zustande entgegenreifte und nach acht Tagen dem Mummenschanz
ein Ende machte. Auch ihr Stündlein hat geschlagen: ein Riß der Haut befreit das Mücklein
von seiner Maske. Es arbeiten sich sechs lange Beine hervor, ein schmächtiger, zweiflügeliger
Leib folgt nach. Das Thierchen faßt zunächst Fuß auf der schwimmenden Hülle, welche es so
eben noch barg, mit welcher es, wenn ein unerwarteter Windstoß kommt, wohl auch Schiffbruch
leidet und ertrinkt -- dann auf dem Wasser selbst oder darauf schwimmenden Körperchen, ruht
hier noch etwas von seiner Arbeit aus, während daß die Flügelchen sich vollkommen entfalten und
trocken werden, und schwingt sich dann als Mücke in sein Element, die Luft, um, lebendig wenig-
stens, in die ihm nun feindliche Heimat, das Wasser, nie wieder zurückzukehren. Nur das Weibchen,
welches sich einen Mann ertanzt hatte, kehrt kurz vor seinem Tode noch einmal dahin zurück, um
seine Eier abzulegen. Zu diesem Zwecke setzt es sich an einen Pflanzentheil, von welchem aus
es mit der Hinterleibsspitze das Wasser erreicht, oder auf einen schwimmenden Gegenstand, kreuzt

Geringelte und gemeine Stechmücke.
begonnene Werk ungehindert zu Ende führen läßt. Die genannte Art wird leicht erkannt an den
weißen Ringen an Hinterleib und Füßen bei ſonſt braunem Grunde, an den zwei dunklen
Striemen auf dem Rücken und fünf dunklen Fleckchen der Flügel. Jndem ſie vier Linien und
darüber mißt, ſtellt ſie die größte der heimiſchen Arten dar. Die vielleicht noch gemeinere
C. pipiens pflegt in ihrer Geſellſchaft zu ſein; ſie iſt kleiner, am Hinterleibe auch heller und
dunkler geringelt, aber den Füßen und braungeaderten Flügeln ſehlen die dunklen Zeichnungen.
Die Larven beider leben zu Millionen in ſtehenden Gewäſſern. Es iſt intereſſant, dieſe zarten
Weſen mit dem am vorletzten Leibesgliede ſeitwärts abgehenden Athemrohre an der Waſſerfläche
hängen zu ſehen, den Kopf nach unten gerichtet. An dieſem ſind die beiden inneren, am meiſten
zugeſpitzten und ſtark bewimperten Hervorragungen in unſerem Bilde die Kinnbacken, welche ſich
in fortwährender Bewegung befinden, dadurch einen Strudel erzeugen und der Mundöffnung die
kleinen Schmuztheilchen zuführen, welche den Darm alsbald ſchwarz färben. Jn dieſer Weiſe,
oder mit dem Vorderkörper ſich erhebend und mit dem andern Paare der Anhängſel, den Fühlern,
umhertaſtend, hängen die Thiere die längſte Weile da, und nur wenn das eine dem andern zu
nahe kommt, zauſen ſie ſich wohl auch an den Köpfen, ohne ſich in längeren und ernſtlichen
Streit einzulaſſen. Die leiſeſte Erſchütterung des Waſſers aber läßt ſie von der Oberfläche ver-
ſchwinden, in ſchlangenartigen Windungen des Körpers ſteigt Alles auf den Boden hinab.
Daſelbſt halten ſie jedoch nicht lange aus. Jn derſelben Weiſe, wie ſie untertauchten, kommt bald
eins nach dem andern wieder herauf und hängt mit dem Athemrohre an der Oberfläche. Auch
ohne erſchreckt zu ſein, tauchen ſie einzeln unter, krabbeln am Boden umher, legen ſich auf den
Rücken und — entleeren ſich. So treibt dieſe Geſellſchaft ihr Spiel ununterbrochen fort, bedeutend
lebhafter an ſonnigen Tagen, und wem es Vergnügen macht, dergleichen ſelbſt und beſſer zu
beobachten, als ich es ſchildern kann, der ſchöpfe ein Glas Waſſer aus einem von ihnen bevölkerten
Troge, aus einem Löſchkübel ꝛc. Jſt ihre Zeit gekommen, ſo hängen ſie in fragzeichenförmiger
Krümmung ihres Leibes an der Oberfläche, der Körper bekommt hinter dem Kopfe einen Längs-
riß und daraus kriecht daſſelbe Thier, der Körper nur in etwas größeren Umriſſen, hervor. Die
Häutung iſt erfolgt. Die älten Bälge ſchwimmen im Waſſer umher, löſen ſich allmälig auf und werden
von den Mückenlarven ſelbſt und von anderen Mitbewohnern des eben nicht ſaubern Aufenthalts-
ortes wieder verſpeiſt. Jede hat drei ſolcher Häutungen zu beſtehen, bis ſie ihre volle Größe
von durchſchnittlich vier Linien erlangt. Platzt die Haut im Nacken zum vierten Male, ſo iſt es
um das bisherige Leben geſchehen, die ſchlanke Form iſt verſchwunden und hat einer gedrungeneren,
von den Seiten etwas zuſammengedrückten Platz gemacht. Die Puppe hängt mit zwei Luſtröhren,
welche hinter dem Kopfe ſtehen, an der Waſſerfläche und bewegt ſich gleich der Larve zum Zeit-
vertreib auf und nieder, indem ſie mit dem Schwanze gegen den Vordertheil ihres Körpers ſchnellt.
Jetzt wirbeln und tummeln ſich Larven und Puppen in unſerem kleinen Aquarium durch einander,
die Zahl jener nimmt ab, dieſe würde ſich in demſelben Maße mehren, wenn nicht eine nach der
andern einem vollkommneren Zuſtande entgegenreifte und nach acht Tagen dem Mummenſchanz
ein Ende machte. Auch ihr Stündlein hat geſchlagen: ein Riß der Haut befreit das Mücklein
von ſeiner Maske. Es arbeiten ſich ſechs lange Beine hervor, ein ſchmächtiger, zweiflügeliger
Leib folgt nach. Das Thierchen faßt zunächſt Fuß auf der ſchwimmenden Hülle, welche es ſo
eben noch barg, mit welcher es, wenn ein unerwarteter Windſtoß kommt, wohl auch Schiffbruch
leidet und ertrinkt — dann auf dem Waſſer ſelbſt oder darauf ſchwimmenden Körperchen, ruht
hier noch etwas von ſeiner Arbeit aus, während daß die Flügelchen ſich vollkommen entfalten und
trocken werden, und ſchwingt ſich dann als Mücke in ſein Element, die Luft, um, lebendig wenig-
ſtens, in die ihm nun feindliche Heimat, das Waſſer, nie wieder zurückzukehren. Nur das Weibchen,
welches ſich einen Mann ertanzt hatte, kehrt kurz vor ſeinem Tode noch einmal dahin zurück, um
ſeine Eier abzulegen. Zu dieſem Zwecke ſetzt es ſich an einen Pflanzentheil, von welchem aus
es mit der Hinterleibsſpitze das Waſſer erreicht, oder auf einen ſchwimmenden Gegenſtand, kreuzt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <floatingText>
        <body>
          <div n="1">
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f0405" n="381"/><fw place="top" type="header">Geringelte und gemeine Stechmücke.</fw><lb/>
begonnene Werk ungehindert zu Ende führen läßt. Die genannte Art wird leicht erkannt an den<lb/>
weißen Ringen an Hinterleib und Füßen bei &#x017F;on&#x017F;t braunem Grunde, an den zwei dunklen<lb/>
Striemen auf dem Rücken und fünf dunklen Fleckchen der Flügel. Jndem &#x017F;ie vier Linien und<lb/>
darüber mißt, &#x017F;tellt &#x017F;ie die größte der heimi&#x017F;chen Arten dar. Die vielleicht noch gemeinere<lb/><hi rendition="#aq">C. pipiens</hi> pflegt in ihrer Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft zu &#x017F;ein; &#x017F;ie i&#x017F;t kleiner, am Hinterleibe auch heller und<lb/>
dunkler geringelt, aber den Füßen und braungeaderten Flügeln &#x017F;ehlen die dunklen Zeichnungen.<lb/>
Die Larven beider leben zu Millionen in &#x017F;tehenden Gewä&#x017F;&#x017F;ern. Es i&#x017F;t intere&#x017F;&#x017F;ant, die&#x017F;e zarten<lb/>
We&#x017F;en mit dem am vorletzten Leibesgliede &#x017F;eitwärts abgehenden Athemrohre an der Wa&#x017F;&#x017F;erfläche<lb/>
hängen zu &#x017F;ehen, den Kopf nach unten gerichtet. An die&#x017F;em &#x017F;ind die beiden inneren, am mei&#x017F;ten<lb/>
zuge&#x017F;pitzten und &#x017F;tark bewimperten Hervorragungen in un&#x017F;erem Bilde die Kinnbacken, welche &#x017F;ich<lb/>
in fortwährender Bewegung befinden, dadurch einen Strudel erzeugen und der Mundöffnung die<lb/>
kleinen Schmuztheilchen zuführen, welche den Darm alsbald &#x017F;chwarz färben. Jn die&#x017F;er Wei&#x017F;e,<lb/>
oder mit dem Vorderkörper &#x017F;ich erhebend und mit dem andern Paare der Anhäng&#x017F;el, den Fühlern,<lb/>
umherta&#x017F;tend, hängen die Thiere die läng&#x017F;te Weile da, und nur wenn das eine dem andern zu<lb/>
nahe kommt, zau&#x017F;en &#x017F;ie &#x017F;ich wohl auch an den Köpfen, ohne &#x017F;ich in längeren und ern&#x017F;tlichen<lb/>
Streit einzula&#x017F;&#x017F;en. Die lei&#x017F;e&#x017F;te Er&#x017F;chütterung des Wa&#x017F;&#x017F;ers aber läßt &#x017F;ie von der Oberfläche ver-<lb/>
&#x017F;chwinden, in &#x017F;chlangenartigen Windungen des Körpers &#x017F;teigt Alles auf den Boden hinab.<lb/>
Da&#x017F;elb&#x017F;t halten &#x017F;ie jedoch nicht lange aus. Jn der&#x017F;elben Wei&#x017F;e, wie &#x017F;ie untertauchten, kommt bald<lb/>
eins nach dem andern wieder herauf und hängt mit dem Athemrohre an der Oberfläche. Auch<lb/>
ohne er&#x017F;chreckt zu &#x017F;ein, tauchen &#x017F;ie einzeln unter, krabbeln am Boden umher, legen &#x017F;ich auf den<lb/>
Rücken und &#x2014; entleeren &#x017F;ich. So treibt die&#x017F;e Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft ihr Spiel ununterbrochen fort, bedeutend<lb/>
lebhafter an &#x017F;onnigen Tagen, und wem es Vergnügen macht, dergleichen &#x017F;elb&#x017F;t und be&#x017F;&#x017F;er zu<lb/>
beobachten, als ich es &#x017F;childern kann, der &#x017F;chöpfe ein Glas Wa&#x017F;&#x017F;er aus einem von ihnen bevölkerten<lb/>
Troge, aus einem Lö&#x017F;chkübel &#xA75B;c. J&#x017F;t ihre Zeit gekommen, &#x017F;o hängen &#x017F;ie in fragzeichenförmiger<lb/>
Krümmung ihres Leibes an der Oberfläche, der Körper bekommt hinter dem Kopfe einen Längs-<lb/>
riß und daraus kriecht da&#x017F;&#x017F;elbe Thier, der Körper nur in etwas größeren Umri&#x017F;&#x017F;en, hervor. Die<lb/>
Häutung i&#x017F;t erfolgt. Die älten Bälge &#x017F;chwimmen im Wa&#x017F;&#x017F;er umher, lö&#x017F;en &#x017F;ich allmälig auf und werden<lb/>
von den Mückenlarven &#x017F;elb&#x017F;t und von anderen Mitbewohnern des eben nicht &#x017F;aubern Aufenthalts-<lb/>
ortes wieder ver&#x017F;pei&#x017F;t. Jede hat drei &#x017F;olcher Häutungen zu be&#x017F;tehen, bis &#x017F;ie ihre volle Größe<lb/>
von durch&#x017F;chnittlich vier Linien erlangt. Platzt die Haut im Nacken zum vierten Male, &#x017F;o i&#x017F;t es<lb/>
um das bisherige Leben ge&#x017F;chehen, die &#x017F;chlanke Form i&#x017F;t ver&#x017F;chwunden und hat einer gedrungeneren,<lb/>
von den Seiten etwas zu&#x017F;ammengedrückten Platz gemacht. Die Puppe hängt mit zwei Lu&#x017F;tröhren,<lb/>
welche hinter dem Kopfe &#x017F;tehen, an der Wa&#x017F;&#x017F;erfläche und bewegt &#x017F;ich gleich der Larve zum Zeit-<lb/>
vertreib auf und nieder, indem &#x017F;ie mit dem Schwanze gegen den Vordertheil ihres Körpers &#x017F;chnellt.<lb/>
Jetzt wirbeln und tummeln &#x017F;ich Larven und Puppen in un&#x017F;erem kleinen Aquarium durch einander,<lb/>
die Zahl jener nimmt ab, die&#x017F;e würde &#x017F;ich in dem&#x017F;elben Maße mehren, wenn nicht eine nach der<lb/>
andern einem vollkommneren Zu&#x017F;tande entgegenreifte und nach acht Tagen dem Mummen&#x017F;chanz<lb/>
ein Ende machte. Auch ihr Stündlein hat ge&#x017F;chlagen: ein Riß der Haut befreit das Mücklein<lb/>
von &#x017F;einer Maske. Es arbeiten &#x017F;ich &#x017F;echs lange Beine hervor, ein &#x017F;chmächtiger, zweiflügeliger<lb/>
Leib folgt nach. Das Thierchen faßt zunäch&#x017F;t Fuß auf der &#x017F;chwimmenden Hülle, welche es &#x017F;o<lb/>
eben noch barg, mit welcher es, wenn ein unerwarteter Wind&#x017F;toß kommt, wohl auch Schiffbruch<lb/>
leidet und ertrinkt &#x2014; dann auf dem Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;elb&#x017F;t oder darauf &#x017F;chwimmenden Körperchen, ruht<lb/>
hier noch etwas von &#x017F;einer Arbeit aus, während daß die Flügelchen &#x017F;ich vollkommen entfalten und<lb/>
trocken werden, und &#x017F;chwingt &#x017F;ich dann als Mücke in &#x017F;ein Element, die Luft, um, lebendig wenig-<lb/>
&#x017F;tens, in die ihm nun feindliche Heimat, das Wa&#x017F;&#x017F;er, nie wieder zurückzukehren. Nur das Weibchen,<lb/>
welches &#x017F;ich einen Mann ertanzt hatte, kehrt kurz vor &#x017F;einem Tode noch einmal dahin zurück, um<lb/>
&#x017F;eine Eier abzulegen. Zu die&#x017F;em Zwecke &#x017F;etzt es &#x017F;ich an einen Pflanzentheil, von welchem aus<lb/>
es mit der Hinterleibs&#x017F;pitze das Wa&#x017F;&#x017F;er erreicht, oder auf einen &#x017F;chwimmenden Gegen&#x017F;tand, kreuzt<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </body>
      </floatingText>
    </body>
  </text>
</TEI>
[381/0405] Geringelte und gemeine Stechmücke. begonnene Werk ungehindert zu Ende führen läßt. Die genannte Art wird leicht erkannt an den weißen Ringen an Hinterleib und Füßen bei ſonſt braunem Grunde, an den zwei dunklen Striemen auf dem Rücken und fünf dunklen Fleckchen der Flügel. Jndem ſie vier Linien und darüber mißt, ſtellt ſie die größte der heimiſchen Arten dar. Die vielleicht noch gemeinere C. pipiens pflegt in ihrer Geſellſchaft zu ſein; ſie iſt kleiner, am Hinterleibe auch heller und dunkler geringelt, aber den Füßen und braungeaderten Flügeln ſehlen die dunklen Zeichnungen. Die Larven beider leben zu Millionen in ſtehenden Gewäſſern. Es iſt intereſſant, dieſe zarten Weſen mit dem am vorletzten Leibesgliede ſeitwärts abgehenden Athemrohre an der Waſſerfläche hängen zu ſehen, den Kopf nach unten gerichtet. An dieſem ſind die beiden inneren, am meiſten zugeſpitzten und ſtark bewimperten Hervorragungen in unſerem Bilde die Kinnbacken, welche ſich in fortwährender Bewegung befinden, dadurch einen Strudel erzeugen und der Mundöffnung die kleinen Schmuztheilchen zuführen, welche den Darm alsbald ſchwarz färben. Jn dieſer Weiſe, oder mit dem Vorderkörper ſich erhebend und mit dem andern Paare der Anhängſel, den Fühlern, umhertaſtend, hängen die Thiere die längſte Weile da, und nur wenn das eine dem andern zu nahe kommt, zauſen ſie ſich wohl auch an den Köpfen, ohne ſich in längeren und ernſtlichen Streit einzulaſſen. Die leiſeſte Erſchütterung des Waſſers aber läßt ſie von der Oberfläche ver- ſchwinden, in ſchlangenartigen Windungen des Körpers ſteigt Alles auf den Boden hinab. Daſelbſt halten ſie jedoch nicht lange aus. Jn derſelben Weiſe, wie ſie untertauchten, kommt bald eins nach dem andern wieder herauf und hängt mit dem Athemrohre an der Oberfläche. Auch ohne erſchreckt zu ſein, tauchen ſie einzeln unter, krabbeln am Boden umher, legen ſich auf den Rücken und — entleeren ſich. So treibt dieſe Geſellſchaft ihr Spiel ununterbrochen fort, bedeutend lebhafter an ſonnigen Tagen, und wem es Vergnügen macht, dergleichen ſelbſt und beſſer zu beobachten, als ich es ſchildern kann, der ſchöpfe ein Glas Waſſer aus einem von ihnen bevölkerten Troge, aus einem Löſchkübel ꝛc. Jſt ihre Zeit gekommen, ſo hängen ſie in fragzeichenförmiger Krümmung ihres Leibes an der Oberfläche, der Körper bekommt hinter dem Kopfe einen Längs- riß und daraus kriecht daſſelbe Thier, der Körper nur in etwas größeren Umriſſen, hervor. Die Häutung iſt erfolgt. Die älten Bälge ſchwimmen im Waſſer umher, löſen ſich allmälig auf und werden von den Mückenlarven ſelbſt und von anderen Mitbewohnern des eben nicht ſaubern Aufenthalts- ortes wieder verſpeiſt. Jede hat drei ſolcher Häutungen zu beſtehen, bis ſie ihre volle Größe von durchſchnittlich vier Linien erlangt. Platzt die Haut im Nacken zum vierten Male, ſo iſt es um das bisherige Leben geſchehen, die ſchlanke Form iſt verſchwunden und hat einer gedrungeneren, von den Seiten etwas zuſammengedrückten Platz gemacht. Die Puppe hängt mit zwei Luſtröhren, welche hinter dem Kopfe ſtehen, an der Waſſerfläche und bewegt ſich gleich der Larve zum Zeit- vertreib auf und nieder, indem ſie mit dem Schwanze gegen den Vordertheil ihres Körpers ſchnellt. Jetzt wirbeln und tummeln ſich Larven und Puppen in unſerem kleinen Aquarium durch einander, die Zahl jener nimmt ab, dieſe würde ſich in demſelben Maße mehren, wenn nicht eine nach der andern einem vollkommneren Zuſtande entgegenreifte und nach acht Tagen dem Mummenſchanz ein Ende machte. Auch ihr Stündlein hat geſchlagen: ein Riß der Haut befreit das Mücklein von ſeiner Maske. Es arbeiten ſich ſechs lange Beine hervor, ein ſchmächtiger, zweiflügeliger Leib folgt nach. Das Thierchen faßt zunächſt Fuß auf der ſchwimmenden Hülle, welche es ſo eben noch barg, mit welcher es, wenn ein unerwarteter Windſtoß kommt, wohl auch Schiffbruch leidet und ertrinkt — dann auf dem Waſſer ſelbſt oder darauf ſchwimmenden Körperchen, ruht hier noch etwas von ſeiner Arbeit aus, während daß die Flügelchen ſich vollkommen entfalten und trocken werden, und ſchwingt ſich dann als Mücke in ſein Element, die Luft, um, lebendig wenig- ſtens, in die ihm nun feindliche Heimat, das Waſſer, nie wieder zurückzukehren. Nur das Weibchen, welches ſich einen Mann ertanzt hatte, kehrt kurz vor ſeinem Tode noch einmal dahin zurück, um ſeine Eier abzulegen. Zu dieſem Zwecke ſetzt es ſich an einen Pflanzentheil, von welchem aus es mit der Hinterleibsſpitze das Waſſer erreicht, oder auf einen ſchwimmenden Gegenſtand, kreuzt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/405
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/405>, abgerufen am 23.11.2024.