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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Zweiflügler. Fliegen.
schwärzliche Längsstriche und Pünktchen auf ihrer Oberfläche wie chagrinirt. Die äußerste Schwanz-
spitze führt eine Oeffnung, nicht als Abzugskanal der Exeremente, dessen Mündung etwas weiter
nach vorn liegt, sondern zum Athmen, und ist mit einem Kranze zierlich gewimperter Härchen
umgeben. Diese breiten sich sternartig aus oder klappen sich, nach oben mit ihren Spitzen zusammen-
stoßend, in der Weise zusammen, daß sie einen hohlen, kugelähnlichen Raum einschließen, weil
sie Bogenlinien darstellen. Jn ihren Bewegungen haben diese Thiere viel Aehnlichkeit mit den
oben erwähnten Larven der Stechmücken. Jn S- und C-förmigen Windungen, das Schwanzende
nach oben, den Kopf nach unten, schlängeln sie sich auf und nieder und hängen oft auch senkrecht
mit ausgebreitetem Schwanzsterne an der Oberfläche. Sobald sie untertauchen, nimmt letzterer
die erwähnte Kugelgestalt an und schließt ein silberglänzendes Luftbläschen ein, einen Vorrath zum
Athmen und dazu geeignet, diesen Larven einen längern Aufenthalt unter dem Wasser zu gestatten.
Am schwarzen, hornigen Kopfe stehen zwei einfache Augen, vorn eine Art Schnabel und daneben
ein Paar bewegliche Kiefern, Fühler oder wie man sonst die gezahnten und bewimperten Werkzeuge
nennen mag, welche sich in fortwährender Bewegung befinden. Beim Fortkriechen im Schlamme
werden sie zum Einhaken gebraucht, so daß die Larve dabei an die Gewohnheit eines Papageien
erinnert, der sich seines Schnabels als dritten Fußes zu bedienen pflegt. Sie häutet sich mehrere
Male. Zur Verpuppung reif verläßt sie das Wasser und sucht Schutz unter einem Steine. Unter
einem solchen fand ich am 12. April einige Larven mindestens dreißig Fuß entfernt vom Wasser-
spiegel eines Teiches und an einer Anhöhe, die wenigstens sechs Fuß über demselben lag; ich muß
noch dabei bemerken, daß der Teich im vorangegangenen Sommer einen sehr niedrigen Wasserstand
gehabt hatte und auch beim höchsten jenen Stein nimmer hätte erreichen können. Jch brachte sie
im geheizten Zimmer auf ziemlich trockne Erde, unter welche sie sich etwas eingrub, und am
14. Mai erschien die erste Fliege, ein Männchen der St. longioornis. Das Herauskriechen der
Larve aus dem Wasser gehört jedoch nicht zur Regel, denn man findet die Puppe auch an dessen
Oberfläche zwischen Meerlinsen und anderen schwimmenden Wasserpflanzen. Dieselben gleichen einer
zusammengeschrumpften, verkürzten Larve, deren Vordertheil sich vorzugsweise zurückzieht, so daß
er etwas eckig wird und die Hornhaken des Kopfes wie ein Zäpfchen vorstehen. Was nun die
Fliege selbst anlangt, so sehen wir hier in der gemeinen Waffenfliege (Stratiomys chamaeleon)
[Abbildung] Weibchen der gemeinen
Waffenfliege
(Stratio-
mys chamaeleon
).
eine der verbreitetsten Arten. Der Kopf ist an den dicken Backen, welche
etwas leistenartig hervortreten, lebhaft gelb gefärbt und ebenso das Gesicht
mit Ausschluß einer schmalen, schwarzglänzenden Längsstrieme. Die Netz-
augen berühren sich beim Männchen auf dem Scheitel. Das Endglied der
vorgestreckten Fühler erscheint fünfringelig und etwas breitgedrückt. Der
gekniete, fleischige Rüssel wird in der Ruhe eingezogen getragen und birgt
in seinem Jnnern zwei kurze Borsten, welche nie stechen; seine kleinen Taster
sind zweigliederig. Die Fliegen erhielten ihren dentschen Namen von dem
mehr oder weniger gelb gefärbten Schildchen, welches an seinen abgerundeten
Hinterecken mit je einem spießartigen, schräg aufsteigenden Dorn bewehrt
ist. Auch die Zeichnungen am breiten Hinterleibe und die Beine sind, bis auf einen schwarzen
Ring um die Schenkel, gelb. Die Flügel liegen in der Ruhe platt auf dem Körper, welchen sie
seiner Breite wegen an den Seiten nicht decken, ihre Randader reicht nur bis zur Spitze und die
vorderen Längsadern drängen sich an einander, so daß die Mittelzelle weit vorrückt; sie ent-
sendet vier blasse, stark gebogene, den Flügelrand nicht vollkommen erreichende Längsadern. Die
dritte Längsader gabelt sich. So geräuschlos die Wassenfliegen von Blume zu Blume, besonders
der Dolden, fliegen, so starkes Gebrumm erheben sie, in die hohle Hand eingeschlossen. -- Zahl-
reiche andere Gattungen, deren Larven meist nicht im Wasser leben, reihen sich noch der über
alle Erdtheile verbreiteten Familie an.



Die Zweiflügler. Fliegen.
ſchwärzliche Längsſtriche und Pünktchen auf ihrer Oberfläche wie chagrinirt. Die äußerſte Schwanz-
ſpitze führt eine Oeffnung, nicht als Abzugskanal der Exeremente, deſſen Mündung etwas weiter
nach vorn liegt, ſondern zum Athmen, und iſt mit einem Kranze zierlich gewimperter Härchen
umgeben. Dieſe breiten ſich ſternartig aus oder klappen ſich, nach oben mit ihren Spitzen zuſammen-
ſtoßend, in der Weiſe zuſammen, daß ſie einen hohlen, kugelähnlichen Raum einſchließen, weil
ſie Bogenlinien darſtellen. Jn ihren Bewegungen haben dieſe Thiere viel Aehnlichkeit mit den
oben erwähnten Larven der Stechmücken. Jn S- und C-förmigen Windungen, das Schwanzende
nach oben, den Kopf nach unten, ſchlängeln ſie ſich auf und nieder und hängen oft auch ſenkrecht
mit ausgebreitetem Schwanzſterne an der Oberfläche. Sobald ſie untertauchen, nimmt letzterer
die erwähnte Kugelgeſtalt an und ſchließt ein ſilberglänzendes Luftbläschen ein, einen Vorrath zum
Athmen und dazu geeignet, dieſen Larven einen längern Aufenthalt unter dem Waſſer zu geſtatten.
Am ſchwarzen, hornigen Kopfe ſtehen zwei einfache Augen, vorn eine Art Schnabel und daneben
ein Paar bewegliche Kiefern, Fühler oder wie man ſonſt die gezahnten und bewimperten Werkzeuge
nennen mag, welche ſich in fortwährender Bewegung befinden. Beim Fortkriechen im Schlamme
werden ſie zum Einhaken gebraucht, ſo daß die Larve dabei an die Gewohnheit eines Papageien
erinnert, der ſich ſeines Schnabels als dritten Fußes zu bedienen pflegt. Sie häutet ſich mehrere
Male. Zur Verpuppung reif verläßt ſie das Waſſer und ſucht Schutz unter einem Steine. Unter
einem ſolchen fand ich am 12. April einige Larven mindeſtens dreißig Fuß entfernt vom Waſſer-
ſpiegel eines Teiches und an einer Anhöhe, die wenigſtens ſechs Fuß über demſelben lag; ich muß
noch dabei bemerken, daß der Teich im vorangegangenen Sommer einen ſehr niedrigen Waſſerſtand
gehabt hatte und auch beim höchſten jenen Stein nimmer hätte erreichen können. Jch brachte ſie
im geheizten Zimmer auf ziemlich trockne Erde, unter welche ſie ſich etwas eingrub, und am
14. Mai erſchien die erſte Fliege, ein Männchen der St. longioornis. Das Herauskriechen der
Larve aus dem Waſſer gehört jedoch nicht zur Regel, denn man findet die Puppe auch an deſſen
Oberfläche zwiſchen Meerlinſen und anderen ſchwimmenden Waſſerpflanzen. Dieſelben gleichen einer
zuſammengeſchrumpften, verkürzten Larve, deren Vordertheil ſich vorzugsweiſe zurückzieht, ſo daß
er etwas eckig wird und die Hornhaken des Kopfes wie ein Zäpfchen vorſtehen. Was nun die
Fliege ſelbſt anlangt, ſo ſehen wir hier in der gemeinen Waffenfliege (Stratiomys chamaeleon)
[Abbildung] Weibchen der gemeinen
Waffenfliege
(Stratio-
mys chamaeleon
).
eine der verbreitetſten Arten. Der Kopf iſt an den dicken Backen, welche
etwas leiſtenartig hervortreten, lebhaft gelb gefärbt und ebenſo das Geſicht
mit Ausſchluß einer ſchmalen, ſchwarzglänzenden Längsſtrieme. Die Netz-
augen berühren ſich beim Männchen auf dem Scheitel. Das Endglied der
vorgeſtreckten Fühler erſcheint fünfringelig und etwas breitgedrückt. Der
gekniete, fleiſchige Rüſſel wird in der Ruhe eingezogen getragen und birgt
in ſeinem Jnnern zwei kurze Borſten, welche nie ſtechen; ſeine kleinen Taſter
ſind zweigliederig. Die Fliegen erhielten ihren dentſchen Namen von dem
mehr oder weniger gelb gefärbten Schildchen, welches an ſeinen abgerundeten
Hinterecken mit je einem ſpießartigen, ſchräg aufſteigenden Dorn bewehrt
iſt. Auch die Zeichnungen am breiten Hinterleibe und die Beine ſind, bis auf einen ſchwarzen
Ring um die Schenkel, gelb. Die Flügel liegen in der Ruhe platt auf dem Körper, welchen ſie
ſeiner Breite wegen an den Seiten nicht decken, ihre Randader reicht nur bis zur Spitze und die
vorderen Längsadern drängen ſich an einander, ſo daß die Mittelzelle weit vorrückt; ſie ent-
ſendet vier blaſſe, ſtark gebogene, den Flügelrand nicht vollkommen erreichende Längsadern. Die
dritte Längsader gabelt ſich. So geräuſchlos die Waſſenfliegen von Blume zu Blume, beſonders
der Dolden, fliegen, ſo ſtarkes Gebrumm erheben ſie, in die hohle Hand eingeſchloſſen. — Zahl-
reiche andere Gattungen, deren Larven meiſt nicht im Waſſer leben, reihen ſich noch der über
alle Erdtheile verbreiteten Familie an.



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[398/0424] Die Zweiflügler. Fliegen. ſchwärzliche Längsſtriche und Pünktchen auf ihrer Oberfläche wie chagrinirt. Die äußerſte Schwanz- ſpitze führt eine Oeffnung, nicht als Abzugskanal der Exeremente, deſſen Mündung etwas weiter nach vorn liegt, ſondern zum Athmen, und iſt mit einem Kranze zierlich gewimperter Härchen umgeben. Dieſe breiten ſich ſternartig aus oder klappen ſich, nach oben mit ihren Spitzen zuſammen- ſtoßend, in der Weiſe zuſammen, daß ſie einen hohlen, kugelähnlichen Raum einſchließen, weil ſie Bogenlinien darſtellen. Jn ihren Bewegungen haben dieſe Thiere viel Aehnlichkeit mit den oben erwähnten Larven der Stechmücken. Jn S- und C-förmigen Windungen, das Schwanzende nach oben, den Kopf nach unten, ſchlängeln ſie ſich auf und nieder und hängen oft auch ſenkrecht mit ausgebreitetem Schwanzſterne an der Oberfläche. Sobald ſie untertauchen, nimmt letzterer die erwähnte Kugelgeſtalt an und ſchließt ein ſilberglänzendes Luftbläschen ein, einen Vorrath zum Athmen und dazu geeignet, dieſen Larven einen längern Aufenthalt unter dem Waſſer zu geſtatten. Am ſchwarzen, hornigen Kopfe ſtehen zwei einfache Augen, vorn eine Art Schnabel und daneben ein Paar bewegliche Kiefern, Fühler oder wie man ſonſt die gezahnten und bewimperten Werkzeuge nennen mag, welche ſich in fortwährender Bewegung befinden. Beim Fortkriechen im Schlamme werden ſie zum Einhaken gebraucht, ſo daß die Larve dabei an die Gewohnheit eines Papageien erinnert, der ſich ſeines Schnabels als dritten Fußes zu bedienen pflegt. Sie häutet ſich mehrere Male. Zur Verpuppung reif verläßt ſie das Waſſer und ſucht Schutz unter einem Steine. Unter einem ſolchen fand ich am 12. April einige Larven mindeſtens dreißig Fuß entfernt vom Waſſer- ſpiegel eines Teiches und an einer Anhöhe, die wenigſtens ſechs Fuß über demſelben lag; ich muß noch dabei bemerken, daß der Teich im vorangegangenen Sommer einen ſehr niedrigen Waſſerſtand gehabt hatte und auch beim höchſten jenen Stein nimmer hätte erreichen können. Jch brachte ſie im geheizten Zimmer auf ziemlich trockne Erde, unter welche ſie ſich etwas eingrub, und am 14. Mai erſchien die erſte Fliege, ein Männchen der St. longioornis. Das Herauskriechen der Larve aus dem Waſſer gehört jedoch nicht zur Regel, denn man findet die Puppe auch an deſſen Oberfläche zwiſchen Meerlinſen und anderen ſchwimmenden Waſſerpflanzen. Dieſelben gleichen einer zuſammengeſchrumpften, verkürzten Larve, deren Vordertheil ſich vorzugsweiſe zurückzieht, ſo daß er etwas eckig wird und die Hornhaken des Kopfes wie ein Zäpfchen vorſtehen. Was nun die Fliege ſelbſt anlangt, ſo ſehen wir hier in der gemeinen Waffenfliege (Stratiomys chamaeleon) [Abbildung Weibchen der gemeinen Waffenfliege (Stratio- mys chamaeleon).] eine der verbreitetſten Arten. Der Kopf iſt an den dicken Backen, welche etwas leiſtenartig hervortreten, lebhaft gelb gefärbt und ebenſo das Geſicht mit Ausſchluß einer ſchmalen, ſchwarzglänzenden Längsſtrieme. Die Netz- augen berühren ſich beim Männchen auf dem Scheitel. Das Endglied der vorgeſtreckten Fühler erſcheint fünfringelig und etwas breitgedrückt. Der gekniete, fleiſchige Rüſſel wird in der Ruhe eingezogen getragen und birgt in ſeinem Jnnern zwei kurze Borſten, welche nie ſtechen; ſeine kleinen Taſter ſind zweigliederig. Die Fliegen erhielten ihren dentſchen Namen von dem mehr oder weniger gelb gefärbten Schildchen, welches an ſeinen abgerundeten Hinterecken mit je einem ſpießartigen, ſchräg aufſteigenden Dorn bewehrt iſt. Auch die Zeichnungen am breiten Hinterleibe und die Beine ſind, bis auf einen ſchwarzen Ring um die Schenkel, gelb. Die Flügel liegen in der Ruhe platt auf dem Körper, welchen ſie ſeiner Breite wegen an den Seiten nicht decken, ihre Randader reicht nur bis zur Spitze und die vorderen Längsadern drängen ſich an einander, ſo daß die Mittelzelle weit vorrückt; ſie ent- ſendet vier blaſſe, ſtark gebogene, den Flügelrand nicht vollkommen erreichende Längsadern. Die dritte Längsader gabelt ſich. So geräuſchlos die Waſſenfliegen von Blume zu Blume, beſonders der Dolden, fliegen, ſo ſtarkes Gebrumm erheben ſie, in die hohle Hand eingeſchloſſen. — Zahl- reiche andere Gattungen, deren Larven meiſt nicht im Waſſer leben, reihen ſich noch der über alle Erdtheile verbreiteten Familie an.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/424>, abgerufen am 23.11.2024.