Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.Eierlegen der verlobten Seejungfer. ein größeres Mal bei beiden Geschlechtern haben. Die schlanken, dünnen Larven athmen nachder letzten Häntung, also im Nymphenzustande nur durch lange und breite Schwanzkiemen, haben keine Nebenangen, dünne, siebengliedrige Fühler zwischen den Netzaugen und eine sehr lange, schmale Maske, welche in der Ruhelage bis zu den Hinterhüften reicht. Von den gleich langen Leibesringeln tragen die fünf vorletzten kurze, gerade Seitenstacheln, sowie das Ende zwischen den drei Flossen fünf kurze Schwanzspitzen. Jm Mai und Juni fliegt in Deutschland nicht selten die verlobte Seejungfer (L. sponsa, Agrion foreipula Charpentier's). Der smaragdgrüne Körper mißt 15 bis 16 Linien und wird beim ausgefärbten Männchen auf dem Thoraxrücken nebst Brust, und auf den beiden Wurzel- und Endgliedern des Hinterleibes von lichtgrauem Reif überzogen, eine fast weiße Randader am braunen oder schwarzen Flügelmale und zwei gleich große und spitze Zähne am Jnnenrande der Haftzangen gehören noch weiter zu den Erkennungszeichen des Männchens. Das Eierlegen dieser Art beobachtete von Siebold an einem mit Binsen (Scirpus lacustris) bewachsenen Teiche, und ich konnte mir nicht versagen, dasselbe durch eine Abbildung: "Eierlegende Schlankjungfer" zu veranschaulichen. Jst die Begattung, wie oben berichtet, erfolgt, so läßt das Männchen sein Weibchen nicht los, wie es andere thun, sondern hält es am Nacken mit seinen zangenförmigen Raifen fest und führt es mit sich umher. Beide fliegen in dieser Ver- bindung mit ausgestreckten Leibern umher, setzen sich auf diese und jene Wasserpflanze und scheinen in ihren Handlungen von einem Willen beseelt zu sein. Am häufigsten läßt sich das Männchen an jenen Binsen und zwar meist an der Spitze nieder und die Beobachtungen bezogen sich zunächst auf die näher stehenden, außerhalb des Wassers befindlichen Pflanzen. Hatte sich ein Männchen auf einer niedergelassen, so krümmte alsbald das Weibchen, welches hinter ihm in der Entfernung Platz griff, welche ihm der männliche, gerade ausgestreckte Hinterleib vorschrieb, den seinigen bogenförmig, die Spitze desselben hinter seinen Füßen einsetzend, schob den säbelförmigen Legbohrer aus den beiden seitlichen Hornscheiden hervor und drückte ihn in die Oberhaut der Binse ein. Kaum war dieses geschehen, so kroch es einige Schritte an der Binse herab, arbeitete von Neuem mit seinem Legapparate und fuhr in dieser Weise fort, bis es, das Männchen natürlich mit sich ziehend, am Grunde der Binse angelangt war. Dann flogen beide davon, um an einer andern dasselbe Geschäft von oben bis unten aufs Neue zu beginnen. Die in dieser Weise bearbeiteten Stengel ließen Reihen weißgelber Fleckchen erkennen; von oben nach unten war durch die Ver- wundung ein Streifchen Oberhaut abgetrennt, aber mit dem konveren Theile des Legapparats, nachdem derselbe herausgezogen war, wieder angedrückt worden. Fast hinter jeder dieser Wunden lag in der hinter ihr befindlichen, geräumigen Luftzelle der Binse ein Ei und zwar mit seinem spitzeren, dunkelbraunen Ende in den innern Theil der Hautspalte eingeklemmt; das etwas dickere, abgerundete Ende des fast cylindrischen, sonst blaßgelb gefärbten Eies, ragte in die Zelle hinein. Diese hatte, wenn die Eier schon längere Zeit darin staken, eine krankhafte, braune Farbe ange- nommen. Manchmal fand sich hinter einer solchen Verwundung kein Ei; es war in diesem Falle wahrscheinlich dem Weibchen keine Zeit zum Ablegen desselben gelassen worden; denn das Männchen zeigt nicht immer gleiche Ausdauer, um ihm bis unten zu folgen, sondern fliegt manchmal auf, noch ehe der ganze Weg zurückgelegt ist. Als die Blicke des aufmerksamen Beobachters weiter schweiften, gewahrten sie auch Pärchen auf Binsen, die aus dem Wasser hervorragten. Sie ließen sich durch dieses nicht abhalten, ihren gewohnten Weg bis zum Grunde der Pflanze fortzusetzen, sondern verschwanden beide unter der Wasserfläche, legten aber vorher ihre vier Flügel dicht zu- sammen. Hatte sich das Weibchen unter das Wasser begeben, so rückte das Männchen schnell nach und jenes begann sein Geschäft nicht eher wieder, als bis auch dieses ganz von Wasser umgeben war; hier bog es seinen Hinterleib aber gerade so sprenkelartig vom Stengel der Binse ab, wie das Weibchen, so daß alle unter Wasser befindlichen Pärchen, deren von Siebold eine große Anzahl beobachtete, mit ihren Leibern einen doppelten Bogen bildeten. Außerdem gewährten sie einen überraschenden Anblick durch ihren Silberglanz, indem an ihren Leibern, den Beinen und Flügeln Taschenberg, wirbellose Thiere. (Brehm, Thierleben. VI.) 29
Eierlegen der verlobten Seejungfer. ein größeres Mal bei beiden Geſchlechtern haben. Die ſchlanken, dünnen Larven athmen nachder letzten Häntung, alſo im Nymphenzuſtande nur durch lange und breite Schwanzkiemen, haben keine Nebenangen, dünne, ſiebengliedrige Fühler zwiſchen den Netzaugen und eine ſehr lange, ſchmale Maske, welche in der Ruhelage bis zu den Hinterhüften reicht. Von den gleich langen Leibesringeln tragen die fünf vorletzten kurze, gerade Seitenſtacheln, ſowie das Ende zwiſchen den drei Floſſen fünf kurze Schwanzſpitzen. Jm Mai und Juni fliegt in Deutſchland nicht ſelten die verlobte Seejungfer (L. sponsa, Agrion foreipula Charpentier’s). Der ſmaragdgrüne Körper mißt 15 bis 16 Linien und wird beim ausgefärbten Männchen auf dem Thoraxrücken nebſt Bruſt, und auf den beiden Wurzel- und Endgliedern des Hinterleibes von lichtgrauem Reif überzogen, eine faſt weiße Randader am braunen oder ſchwarzen Flügelmale und zwei gleich große und ſpitze Zähne am Jnnenrande der Haftzangen gehören noch weiter zu den Erkennungszeichen des Männchens. Das Eierlegen dieſer Art beobachtete von Siebold an einem mit Binſen (Scirpus lacustris) bewachſenen Teiche, und ich konnte mir nicht verſagen, daſſelbe durch eine Abbildung: „Eierlegende Schlankjungfer“ zu veranſchaulichen. Jſt die Begattung, wie oben berichtet, erfolgt, ſo läßt das Männchen ſein Weibchen nicht los, wie es andere thun, ſondern hält es am Nacken mit ſeinen zangenförmigen Raifen feſt und führt es mit ſich umher. Beide fliegen in dieſer Ver- bindung mit ausgeſtreckten Leibern umher, ſetzen ſich auf dieſe und jene Waſſerpflanze und ſcheinen in ihren Handlungen von einem Willen beſeelt zu ſein. Am häufigſten läßt ſich das Männchen an jenen Binſen und zwar meiſt an der Spitze nieder und die Beobachtungen bezogen ſich zunächſt auf die näher ſtehenden, außerhalb des Waſſers befindlichen Pflanzen. Hatte ſich ein Männchen auf einer niedergelaſſen, ſo krümmte alsbald das Weibchen, welches hinter ihm in der Entfernung Platz griff, welche ihm der männliche, gerade ausgeſtreckte Hinterleib vorſchrieb, den ſeinigen bogenförmig, die Spitze deſſelben hinter ſeinen Füßen einſetzend, ſchob den ſäbelförmigen Legbohrer aus den beiden ſeitlichen Hornſcheiden hervor und drückte ihn in die Oberhaut der Binſe ein. Kaum war dieſes geſchehen, ſo kroch es einige Schritte an der Binſe herab, arbeitete von Neuem mit ſeinem Legapparate und fuhr in dieſer Weiſe fort, bis es, das Männchen natürlich mit ſich ziehend, am Grunde der Binſe angelangt war. Dann flogen beide davon, um an einer andern daſſelbe Geſchäft von oben bis unten aufs Neue zu beginnen. Die in dieſer Weiſe bearbeiteten Stengel ließen Reihen weißgelber Fleckchen erkennen; von oben nach unten war durch die Ver- wundung ein Streifchen Oberhaut abgetrennt, aber mit dem konveren Theile des Legapparats, nachdem derſelbe herausgezogen war, wieder angedrückt worden. Faſt hinter jeder dieſer Wunden lag in der hinter ihr befindlichen, geräumigen Luftzelle der Binſe ein Ei und zwar mit ſeinem ſpitzeren, dunkelbraunen Ende in den innern Theil der Hautſpalte eingeklemmt; das etwas dickere, abgerundete Ende des faſt cylindriſchen, ſonſt blaßgelb gefärbten Eies, ragte in die Zelle hinein. Dieſe hatte, wenn die Eier ſchon längere Zeit darin ſtaken, eine krankhafte, braune Farbe ange- nommen. Manchmal fand ſich hinter einer ſolchen Verwundung kein Ei; es war in dieſem Falle wahrſcheinlich dem Weibchen keine Zeit zum Ablegen deſſelben gelaſſen worden; denn das Männchen zeigt nicht immer gleiche Ausdauer, um ihm bis unten zu folgen, ſondern fliegt manchmal auf, noch ehe der ganze Weg zurückgelegt iſt. Als die Blicke des aufmerkſamen Beobachters weiter ſchweiften, gewahrten ſie auch Pärchen auf Binſen, die aus dem Waſſer hervorragten. Sie ließen ſich durch dieſes nicht abhalten, ihren gewohnten Weg bis zum Grunde der Pflanze fortzuſetzen, ſondern verſchwanden beide unter der Waſſerfläche, legten aber vorher ihre vier Flügel dicht zu- ſammen. Hatte ſich das Weibchen unter das Waſſer begeben, ſo rückte das Männchen ſchnell nach und jenes begann ſein Geſchäft nicht eher wieder, als bis auch dieſes ganz von Waſſer umgeben war; hier bog es ſeinen Hinterleib aber gerade ſo ſprenkelartig vom Stengel der Binſe ab, wie das Weibchen, ſo daß alle unter Waſſer befindlichen Pärchen, deren von Siebold eine große Anzahl beobachtete, mit ihren Leibern einen doppelten Bogen bildeten. Außerdem gewährten ſie einen überraſchenden Anblick durch ihren Silberglanz, indem an ihren Leibern, den Beinen und Flügeln Taſchenberg, wirbelloſe Thiere. (Brehm, Thierleben. VI.) 29
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Eierlegen der verlobten Seejungfer.
ein größeres Mal bei beiden Geſchlechtern haben. Die ſchlanken, dünnen Larven athmen nach
der letzten Häntung, alſo im Nymphenzuſtande nur durch lange und breite Schwanzkiemen,
haben keine Nebenangen, dünne, ſiebengliedrige Fühler zwiſchen den Netzaugen und eine ſehr lange,
ſchmale Maske, welche in der Ruhelage bis zu den Hinterhüften reicht. Von den gleich langen
Leibesringeln tragen die fünf vorletzten kurze, gerade Seitenſtacheln, ſowie das Ende zwiſchen den
drei Floſſen fünf kurze Schwanzſpitzen. Jm Mai und Juni fliegt in Deutſchland nicht ſelten die
verlobte Seejungfer (L. sponsa, Agrion foreipula Charpentier’s). Der ſmaragdgrüne
Körper mißt 15 bis 16 Linien und wird beim ausgefärbten Männchen auf dem Thoraxrücken
nebſt Bruſt, und auf den beiden Wurzel- und Endgliedern des Hinterleibes von lichtgrauem Reif
überzogen, eine faſt weiße Randader am braunen oder ſchwarzen Flügelmale und zwei gleich große
und ſpitze Zähne am Jnnenrande der Haftzangen gehören noch weiter zu den Erkennungszeichen
des Männchens. Das Eierlegen dieſer Art beobachtete von Siebold an einem mit Binſen (Scirpus
lacustris) bewachſenen Teiche, und ich konnte mir nicht verſagen, daſſelbe durch eine Abbildung:
„Eierlegende Schlankjungfer“ zu veranſchaulichen. Jſt die Begattung, wie oben berichtet, erfolgt,
ſo läßt das Männchen ſein Weibchen nicht los, wie es andere thun, ſondern hält es am Nacken
mit ſeinen zangenförmigen Raifen feſt und führt es mit ſich umher. Beide fliegen in dieſer Ver-
bindung mit ausgeſtreckten Leibern umher, ſetzen ſich auf dieſe und jene Waſſerpflanze und ſcheinen
in ihren Handlungen von einem Willen beſeelt zu ſein. Am häufigſten läßt ſich das Männchen
an jenen Binſen und zwar meiſt an der Spitze nieder und die Beobachtungen bezogen ſich zunächſt
auf die näher ſtehenden, außerhalb des Waſſers befindlichen Pflanzen. Hatte ſich ein Männchen
auf einer niedergelaſſen, ſo krümmte alsbald das Weibchen, welches hinter ihm in der Entfernung
Platz griff, welche ihm der männliche, gerade ausgeſtreckte Hinterleib vorſchrieb, den ſeinigen
bogenförmig, die Spitze deſſelben hinter ſeinen Füßen einſetzend, ſchob den ſäbelförmigen Legbohrer
aus den beiden ſeitlichen Hornſcheiden hervor und drückte ihn in die Oberhaut der Binſe ein.
Kaum war dieſes geſchehen, ſo kroch es einige Schritte an der Binſe herab, arbeitete von Neuem
mit ſeinem Legapparate und fuhr in dieſer Weiſe fort, bis es, das Männchen natürlich mit ſich
ziehend, am Grunde der Binſe angelangt war. Dann flogen beide davon, um an einer andern
daſſelbe Geſchäft von oben bis unten aufs Neue zu beginnen. Die in dieſer Weiſe bearbeiteten
Stengel ließen Reihen weißgelber Fleckchen erkennen; von oben nach unten war durch die Ver-
wundung ein Streifchen Oberhaut abgetrennt, aber mit dem konveren Theile des Legapparats,
nachdem derſelbe herausgezogen war, wieder angedrückt worden. Faſt hinter jeder dieſer Wunden
lag in der hinter ihr befindlichen, geräumigen Luftzelle der Binſe ein Ei und zwar mit ſeinem
ſpitzeren, dunkelbraunen Ende in den innern Theil der Hautſpalte eingeklemmt; das etwas dickere,
abgerundete Ende des faſt cylindriſchen, ſonſt blaßgelb gefärbten Eies, ragte in die Zelle hinein.
Dieſe hatte, wenn die Eier ſchon längere Zeit darin ſtaken, eine krankhafte, braune Farbe ange-
nommen. Manchmal fand ſich hinter einer ſolchen Verwundung kein Ei; es war in dieſem Falle
wahrſcheinlich dem Weibchen keine Zeit zum Ablegen deſſelben gelaſſen worden; denn das Männchen
zeigt nicht immer gleiche Ausdauer, um ihm bis unten zu folgen, ſondern fliegt manchmal auf,
noch ehe der ganze Weg zurückgelegt iſt. Als die Blicke des aufmerkſamen Beobachters weiter
ſchweiften, gewahrten ſie auch Pärchen auf Binſen, die aus dem Waſſer hervorragten. Sie ließen
ſich durch dieſes nicht abhalten, ihren gewohnten Weg bis zum Grunde der Pflanze fortzuſetzen,
ſondern verſchwanden beide unter der Waſſerfläche, legten aber vorher ihre vier Flügel dicht zu-
ſammen. Hatte ſich das Weibchen unter das Waſſer begeben, ſo rückte das Männchen ſchnell nach
und jenes begann ſein Geſchäft nicht eher wieder, als bis auch dieſes ganz von Waſſer umgeben
war; hier bog es ſeinen Hinterleib aber gerade ſo ſprenkelartig vom Stengel der Binſe ab, wie
das Weibchen, ſo daß alle unter Waſſer befindlichen Pärchen, deren von Siebold eine große Anzahl
beobachtete, mit ihren Leibern einen doppelten Bogen bildeten. Außerdem gewährten ſie einen
überraſchenden Anblick durch ihren Silberglanz, indem an ihren Leibern, den Beinen und Flügeln
Taſchenberg, wirbelloſe Thiere. (Brehm, Thierleben. VI.) 29
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