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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Dreifüßige, geöhrte, Rosst's Gespenstheuschrecke.
Stellung, welche die Thiere beim Ruhen sehr lieben, weshalb sie um so mehr bei der bräunlichen
Farbe einem dürren Aste zum Verwechseln gleichen. Hierin ist eines jener Schutzmittel zu
erkennen, welche die Natur nicht selten und zwar vorzugsweise bei den wehrlosesten Kerfen anwendet,
um sie an ihren Aufenthalsorten den Augen der Feinde zu verbergen. Die Phasmen bewohnen
nämlich das Unterholz der Gesträuche, deren Blätter sie in der Nacht verzehren; den Tag ver-
bringen sie in träger Ruhe. Die Weibchen lassen die Eier, aus denen nach 70 bis 100 Tagen
die Jungen auskriechen und sehr schnell heranwachsen, einzeln fallen. Von den zahlreichen Arten
gehören nur zwei dem südlichen Europa an, fast alle übrigen dem heißen Erdgürtel. R. Gray
beschreibt in einer Arbeit über diese Familie (1833) 120 Arten. -- Westwood in seinem Kataloge
des britischen Museums hat diese Zahl (1859) nicht unbedeutend vermehrt. -- Der dritte Theil
jener kommt auf die westliche, die übrigen Zweidrittel auf die östliche Halbkugel, beiderseits über-
schreiten sie den heißen Gürtel nur in wenigen ungeflügelten Arten und nehmen um so mehr an
Körpergröße und Ausbildung der Flügel zu, je näher sie dem Gleicher kommen. Es erscheinen
darunter stabartige Formen, welche von keinem andern Kerf an Länge des Leibes auch nur
annähernd erreicht werden. So wird das mit stummelhaften Flügeln ausgerüstete Weibchen der
in Java einheimischen dornfüßigen Gespenstschrecke (Cyphocrania acanthopus) bei 1/4 Zoll
Leibesdurchmesser 81/4 Zoll lang, das ebenfalls ungeflügelte Weibchen der geöhrten Gespenst-
schrecke
(Bactria aurita) im Jnnern Brasiliens bei 1/8 Zoll Breite gar 9 Zoll 5 Linien, ja einen
Fuß, wenn man die vorgestreckten Beine mit mißt; am Kopfe hat es ein Paar große und breite,
ohrartige Anhänge und auf dem Rücken, mitten zwischen den hinteren Beinen einen gewaltigen
aufrechten Dorn. Keins von beiden würde mithin in gerader Richtung als Bild natürlicher
Größe hier Platz finden, wohl aber Rossi's Gespenstheuschrecke (Bacillus Rossii), welche in
Jtalien und dem südlichen Frankreich lebt. Dem dürren Körper fehlen die Flügel, jegliche Stacheln
und Lappenanhänge, dem Kopfe die Nebenaugen. Diese Merkmale, so wie kurze schnurförmige
Fühler, ein beim Weibchen zugespitztes, beim Männchen kolbiges Hinterleibsende charakterisiren die
[Abbildung] Rossi's Gespenstheuschrecke (Bacillus Rossii), erwachsen und im Larvenzustande.
Gattung, ein glatter und glänzender Körper von grüner oder bräunlicher Farbe, ein schwach erhabener
Mittelkiel auf den kaum gekörnelten beiden hinteren Brustringen, neunzehngliedrige Fühler, drei
bis vier Zähne an der Unterseite der mittleren und sechs eben da an den hintern Schenkeln die
in Rede stehende Art. Das Männchen wird zweiundzwanzig, das Weibchen dreißig Linien lang.

Die sehr artenreiche Gattung Bactria unterscheidet sich von der vorigen Gattung durch
borsten- oder fadenförmige Fühler, welche mindestens Thorarlänge erreichen und dadurch, daß
das erste Fußglied länger als die drei folgenden zusammen ist, von den übrigen ungeflügelten (Acan-
thoderus, Anisomorpha)
. Bei Cladoxerus hat nur das Männchen Flügel, bei allen noch übrigen
Gattungen auch das Weibchen, manchmal allerdings in verkümmerter Form. Je nachdem die
Fühler die Leibeslänge nicht erreichen oder, wenigstens beim männlichen Geschlechte, dieselbe über-
treffen, im ersteren Falle die Flügel bei Männchen und Weibchen ungleich groß sind, oder bis zum
Leibesende reichen, unterscheidet man eine Anzahl von Gattungen, von welchen Phasma der ganzen
Familie den Namen verliehen hat. Jhre in der Regel bunt gefärbten Arten leben vorzugsweise

Dreifüßige, geöhrte, Roſſt’s Geſpenſtheuſchrecke.
Stellung, welche die Thiere beim Ruhen ſehr lieben, weshalb ſie um ſo mehr bei der bräunlichen
Farbe einem dürren Aſte zum Verwechſeln gleichen. Hierin iſt eines jener Schutzmittel zu
erkennen, welche die Natur nicht ſelten und zwar vorzugsweiſe bei den wehrloſeſten Kerfen anwendet,
um ſie an ihren Aufenthalsorten den Augen der Feinde zu verbergen. Die Phasmen bewohnen
nämlich das Unterholz der Geſträuche, deren Blätter ſie in der Nacht verzehren; den Tag ver-
bringen ſie in träger Ruhe. Die Weibchen laſſen die Eier, aus denen nach 70 bis 100 Tagen
die Jungen auskriechen und ſehr ſchnell heranwachſen, einzeln fallen. Von den zahlreichen Arten
gehören nur zwei dem ſüdlichen Europa an, faſt alle übrigen dem heißen Erdgürtel. R. Gray
beſchreibt in einer Arbeit über dieſe Familie (1833) 120 Arten. — Weſtwood in ſeinem Kataloge
des britiſchen Muſeums hat dieſe Zahl (1859) nicht unbedeutend vermehrt. — Der dritte Theil
jener kommt auf die weſtliche, die übrigen Zweidrittel auf die öſtliche Halbkugel, beiderſeits über-
ſchreiten ſie den heißen Gürtel nur in wenigen ungeflügelten Arten und nehmen um ſo mehr an
Körpergröße und Ausbildung der Flügel zu, je näher ſie dem Gleicher kommen. Es erſcheinen
darunter ſtabartige Formen, welche von keinem andern Kerf an Länge des Leibes auch nur
annähernd erreicht werden. So wird das mit ſtummelhaften Flügeln ausgerüſtete Weibchen der
in Java einheimiſchen dornfüßigen Geſpenſtſchrecke (Cyphocrania acanthopus) bei ¼ Zoll
Leibesdurchmeſſer 8¼ Zoll lang, das ebenfalls ungeflügelte Weibchen der geöhrten Geſpenſt-
ſchrecke
(Bactria aurita) im Jnnern Braſiliens bei ⅛ Zoll Breite gar 9 Zoll 5 Linien, ja einen
Fuß, wenn man die vorgeſtreckten Beine mit mißt; am Kopfe hat es ein Paar große und breite,
ohrartige Anhänge und auf dem Rücken, mitten zwiſchen den hinteren Beinen einen gewaltigen
aufrechten Dorn. Keins von beiden würde mithin in gerader Richtung als Bild natürlicher
Größe hier Platz finden, wohl aber Roſſi’s Geſpenſtheuſchrecke (Bacillus Rossii), welche in
Jtalien und dem ſüdlichen Frankreich lebt. Dem dürren Körper fehlen die Flügel, jegliche Stacheln
und Lappenanhänge, dem Kopfe die Nebenaugen. Dieſe Merkmale, ſo wie kurze ſchnurförmige
Fühler, ein beim Weibchen zugeſpitztes, beim Männchen kolbiges Hinterleibsende charakteriſiren die
[Abbildung] Roſſi’s Geſpenſtheuſchrecke (Bacillus Rossii), erwachſen und im Larvenzuſtande.
Gattung, ein glatter und glänzender Körper von grüner oder bräunlicher Farbe, ein ſchwach erhabener
Mittelkiel auf den kaum gekörnelten beiden hinteren Bruſtringen, neunzehngliedrige Fühler, drei
bis vier Zähne an der Unterſeite der mittleren und ſechs eben da an den hintern Schenkeln die
in Rede ſtehende Art. Das Männchen wird zweiundzwanzig, das Weibchen dreißig Linien lang.

Die ſehr artenreiche Gattung Bactria unterſcheidet ſich von der vorigen Gattung durch
borſten- oder fadenförmige Fühler, welche mindeſtens Thorarlänge erreichen und dadurch, daß
das erſte Fußglied länger als die drei folgenden zuſammen iſt, von den übrigen ungeflügelten (Acan-
thoderus, Anisomorpha)
. Bei Cladoxerus hat nur das Männchen Flügel, bei allen noch übrigen
Gattungen auch das Weibchen, manchmal allerdings in verkümmerter Form. Je nachdem die
Fühler die Leibeslänge nicht erreichen oder, wenigſtens beim männlichen Geſchlechte, dieſelbe über-
treffen, im erſteren Falle die Flügel bei Männchen und Weibchen ungleich groß ſind, oder bis zum
Leibesende reichen, unterſcheidet man eine Anzahl von Gattungen, von welchen Phasma der ganzen
Familie den Namen verliehen hat. Jhre in der Regel bunt gefärbten Arten leben vorzugsweiſe

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[477/0507] Dreifüßige, geöhrte, Roſſt’s Geſpenſtheuſchrecke. Stellung, welche die Thiere beim Ruhen ſehr lieben, weshalb ſie um ſo mehr bei der bräunlichen Farbe einem dürren Aſte zum Verwechſeln gleichen. Hierin iſt eines jener Schutzmittel zu erkennen, welche die Natur nicht ſelten und zwar vorzugsweiſe bei den wehrloſeſten Kerfen anwendet, um ſie an ihren Aufenthalsorten den Augen der Feinde zu verbergen. Die Phasmen bewohnen nämlich das Unterholz der Geſträuche, deren Blätter ſie in der Nacht verzehren; den Tag ver- bringen ſie in träger Ruhe. Die Weibchen laſſen die Eier, aus denen nach 70 bis 100 Tagen die Jungen auskriechen und ſehr ſchnell heranwachſen, einzeln fallen. Von den zahlreichen Arten gehören nur zwei dem ſüdlichen Europa an, faſt alle übrigen dem heißen Erdgürtel. R. Gray beſchreibt in einer Arbeit über dieſe Familie (1833) 120 Arten. — Weſtwood in ſeinem Kataloge des britiſchen Muſeums hat dieſe Zahl (1859) nicht unbedeutend vermehrt. — Der dritte Theil jener kommt auf die weſtliche, die übrigen Zweidrittel auf die öſtliche Halbkugel, beiderſeits über- ſchreiten ſie den heißen Gürtel nur in wenigen ungeflügelten Arten und nehmen um ſo mehr an Körpergröße und Ausbildung der Flügel zu, je näher ſie dem Gleicher kommen. Es erſcheinen darunter ſtabartige Formen, welche von keinem andern Kerf an Länge des Leibes auch nur annähernd erreicht werden. So wird das mit ſtummelhaften Flügeln ausgerüſtete Weibchen der in Java einheimiſchen dornfüßigen Geſpenſtſchrecke (Cyphocrania acanthopus) bei ¼ Zoll Leibesdurchmeſſer 8¼ Zoll lang, das ebenfalls ungeflügelte Weibchen der geöhrten Geſpenſt- ſchrecke (Bactria aurita) im Jnnern Braſiliens bei ⅛ Zoll Breite gar 9 Zoll 5 Linien, ja einen Fuß, wenn man die vorgeſtreckten Beine mit mißt; am Kopfe hat es ein Paar große und breite, ohrartige Anhänge und auf dem Rücken, mitten zwiſchen den hinteren Beinen einen gewaltigen aufrechten Dorn. Keins von beiden würde mithin in gerader Richtung als Bild natürlicher Größe hier Platz finden, wohl aber Roſſi’s Geſpenſtheuſchrecke (Bacillus Rossii), welche in Jtalien und dem ſüdlichen Frankreich lebt. Dem dürren Körper fehlen die Flügel, jegliche Stacheln und Lappenanhänge, dem Kopfe die Nebenaugen. Dieſe Merkmale, ſo wie kurze ſchnurförmige Fühler, ein beim Weibchen zugeſpitztes, beim Männchen kolbiges Hinterleibsende charakteriſiren die [Abbildung Roſſi’s Geſpenſtheuſchrecke (Bacillus Rossii), erwachſen und im Larvenzuſtande.] Gattung, ein glatter und glänzender Körper von grüner oder bräunlicher Farbe, ein ſchwach erhabener Mittelkiel auf den kaum gekörnelten beiden hinteren Bruſtringen, neunzehngliedrige Fühler, drei bis vier Zähne an der Unterſeite der mittleren und ſechs eben da an den hintern Schenkeln die in Rede ſtehende Art. Das Männchen wird zweiundzwanzig, das Weibchen dreißig Linien lang. Die ſehr artenreiche Gattung Bactria unterſcheidet ſich von der vorigen Gattung durch borſten- oder fadenförmige Fühler, welche mindeſtens Thorarlänge erreichen und dadurch, daß das erſte Fußglied länger als die drei folgenden zuſammen iſt, von den übrigen ungeflügelten (Acan- thoderus, Anisomorpha). Bei Cladoxerus hat nur das Männchen Flügel, bei allen noch übrigen Gattungen auch das Weibchen, manchmal allerdings in verkümmerter Form. Je nachdem die Fühler die Leibeslänge nicht erreichen oder, wenigſtens beim männlichen Geſchlechte, dieſelbe über- treffen, im erſteren Falle die Flügel bei Männchen und Weibchen ungleich groß ſind, oder bis zum Leibesende reichen, unterſcheidet man eine Anzahl von Gattungen, von welchen Phasma der ganzen Familie den Namen verliehen hat. Jhre in der Regel bunt gefärbten Arten leben vorzugsweiſe

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/507>, abgerufen am 23.11.2024.