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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Gemeine Skorpionspinne.
Leichtigkeit in Stücke; nachdem sie eine Eidechse in der bereits angegebenen Weise bewältigt
und aufgefressen hatte, lag sie 14 Tage regungslos da, gleich einer Schlange, welche ihr reich-
liches Mahl verdaut. Eine andere Eidechse erhielt von dem Galeodes einen Biß in die
Seite, blieb aber trotz der Verwundung am Leben, woraus Hutton auf die Giftlosigkeit jenes
einen Schluß zieht. Ein junger Sperling ward getödtet, aber nicht aufgefressen, immer aber der
Angriff auf dergleichen Thiere hinter dem Kopfe bewirkt. Die gewöhnliche Nahrung besteht aus
Jnsekten aller Art, welche nicht nur ausgesogen, sondern vollständig zerkaut werden. Auch einander
verschonen die Skorpionspinnen nicht, kämpfen auf Leben und Tod, wobei der Sieger die Besiegte
auffrißt. Dagegen hütet nach Spinnengewohnheit die Mutter ihre Jungen mit der größten
Sorgfalt. Hutton hielt ein Weibchen gefangen, welches sich sofort einen Gang in die Erde grub
und über 50 weiße Eier legte, die es regungslos bewachte. Nach 14 Tagen kamen die Jungen
daraus hervor, welche drei Wochen hindurch bis zur ersten Häutung ohne Bewegung blieben,
dann umherliefen, zusehends wuchsen, ohne daß bemerkt werden konnte, wovon sie sich ernährten.

Während die etwa dreißig bekannten Arten der Skorpionspinnen, welche wie die Skorpione
nur wärmeren Ländern angehören, von einigen Schriftstellern unter dem älteren Namen Solpuga
zusammengefaßt werden, vertheilt Koch dieselben auf vier Gattungen, welche er nach der Zahl
der Fußglieder unterscheidet. Nach ihm bilden die Arten mit viergliedrigen Tarsen am zweiten
und dritten, mit siebengliedrigen am vierten Beinpaare die fast ausschließlich im Kaplande lebende
Gattung Solpuga, die in entsprechender Weise zwei- und dreigliedrigen die Gattung Galeodes. Bei
Rhax dagegen tragen die in kurze Glieder getheilten Füße keine Krallen und bei Gluvia bestehen
dieselben aus einem ungetheilten, aber laugen und dünnen Gliede. Die Arten dieser letzten Gattung
leben vorzugsweise in Mexiko, eine (G. striolata) in Portugal, neben Galeodes graecus die einzigen
Vertreter der Familie für Europa.



Zweite Ordnung.
Echte Spinnen, Webespinnen
(Araneina).

Das tückische Lauern auf Beute in einem verborgenen Hinterhalte und das gegenseitige
Beseinden, besonders der Weibchen und Männchen, welches sprichwörtlich geworden ist, so daß
"spinnefeind" den höchsten Grad der Leidenschaft unter zwei Menschen andeutet, charakterisiren jene
kleinen Finsterlinge, welche man Spinnen nennt. Diese beiden Charakterzüge so wenig, wie
ihre äußere Erscheinung können sie dem Menschen lieb und werth machen. Man flieht und ver-
abscheut sie vielmehr, aber mit Unrecht und aus Vorurtheil. Wenn ich jetzt versuche als ihr Lob-
redner aufzutreten, so werde ich zum Theil nur dem Grundsatze gerecht, welchen mich meine unver-
geßliche Großmutter lehrte, als ich noch ein Knabe war. Dieselbe ging von der Ansicht aus, daß
man dem Menschen und vor allem dem Kinde jede unbegründete und darum alberne Furcht vor
Ammenmährchen und besonders auch vor dem kleinen Geziefer nicht nur durch Belehrung, sondern
auch durch das Beispiel benehmen müsse. Als sie einst mein Entsetzen und die Außerungen desselben
nach Kinderart bemerkte, welches eine am äußersten Zipfel meines langen Hausrockes sitzende,
feiste Kreuzspinne hervorgerufen hatte, schalt sie mich nicht nur tüchtig aus, sondern suchte mir
zugleich das Thörigte meines Benehmens begreiflich zu machen. Sie nahm eines dieser Thiere,
die sich an der einen weinumrankten Wand des alten, schon einmal erwähnten Pfarrhauses zahl-
reich angesiedelt hatten, in ihre Hand, um mir seine Unschädlichkeit darzuthun, wies mich auf das

Gemeine Skorpionſpinne.
Leichtigkeit in Stücke; nachdem ſie eine Eidechſe in der bereits angegebenen Weiſe bewältigt
und aufgefreſſen hatte, lag ſie 14 Tage regungslos da, gleich einer Schlange, welche ihr reich-
liches Mahl verdaut. Eine andere Eidechſe erhielt von dem Galeodes einen Biß in die
Seite, blieb aber trotz der Verwundung am Leben, woraus Hutton auf die Giftloſigkeit jenes
einen Schluß zieht. Ein junger Sperling ward getödtet, aber nicht aufgefreſſen, immer aber der
Angriff auf dergleichen Thiere hinter dem Kopfe bewirkt. Die gewöhnliche Nahrung beſteht aus
Jnſekten aller Art, welche nicht nur ausgeſogen, ſondern vollſtändig zerkaut werden. Auch einander
verſchonen die Skorpionſpinnen nicht, kämpfen auf Leben und Tod, wobei der Sieger die Beſiegte
auffrißt. Dagegen hütet nach Spinnengewohnheit die Mutter ihre Jungen mit der größten
Sorgfalt. Hutton hielt ein Weibchen gefangen, welches ſich ſofort einen Gang in die Erde grub
und über 50 weiße Eier legte, die es regungslos bewachte. Nach 14 Tagen kamen die Jungen
daraus hervor, welche drei Wochen hindurch bis zur erſten Häutung ohne Bewegung blieben,
dann umherliefen, zuſehends wuchſen, ohne daß bemerkt werden konnte, wovon ſie ſich ernährten.

Während die etwa dreißig bekannten Arten der Skorpionſpinnen, welche wie die Skorpione
nur wärmeren Ländern angehören, von einigen Schriftſtellern unter dem älteren Namen Solpuga
zuſammengefaßt werden, vertheilt Koch dieſelben auf vier Gattungen, welche er nach der Zahl
der Fußglieder unterſcheidet. Nach ihm bilden die Arten mit viergliedrigen Tarſen am zweiten
und dritten, mit ſiebengliedrigen am vierten Beinpaare die faſt ausſchließlich im Kaplande lebende
Gattung Solpuga, die in entſprechender Weiſe zwei- und dreigliedrigen die Gattung Galeodes. Bei
Rhax dagegen tragen die in kurze Glieder getheilten Füße keine Krallen und bei Gluvia beſtehen
dieſelben aus einem ungetheilten, aber laugen und dünnen Gliede. Die Arten dieſer letzten Gattung
leben vorzugsweiſe in Mexiko, eine (G. striolata) in Portugal, neben Galeodes graecus die einzigen
Vertreter der Familie für Europa.



Zweite Ordnung.
Echte Spinnen, Webeſpinnen
(Araneïna).

Das tückiſche Lauern auf Beute in einem verborgenen Hinterhalte und das gegenſeitige
Beſeinden, beſonders der Weibchen und Männchen, welches ſprichwörtlich geworden iſt, ſo daß
„ſpinnefeind“ den höchſten Grad der Leidenſchaft unter zwei Menſchen andeutet, charakteriſiren jene
kleinen Finſterlinge, welche man Spinnen nennt. Dieſe beiden Charakterzüge ſo wenig, wie
ihre äußere Erſcheinung können ſie dem Menſchen lieb und werth machen. Man flieht und ver-
abſcheut ſie vielmehr, aber mit Unrecht und aus Vorurtheil. Wenn ich jetzt verſuche als ihr Lob-
redner aufzutreten, ſo werde ich zum Theil nur dem Grundſatze gerecht, welchen mich meine unver-
geßliche Großmutter lehrte, als ich noch ein Knabe war. Dieſelbe ging von der Anſicht aus, daß
man dem Menſchen und vor allem dem Kinde jede unbegründete und darum alberne Furcht vor
Ammenmährchen und beſonders auch vor dem kleinen Geziefer nicht nur durch Belehrung, ſondern
auch durch das Beiſpiel benehmen müſſe. Als ſie einſt mein Entſetzen und die Außerungen deſſelben
nach Kinderart bemerkte, welches eine am äußerſten Zipfel meines langen Hausrockes ſitzende,
feiſte Kreuzſpinne hervorgerufen hatte, ſchalt ſie mich nicht nur tüchtig aus, ſondern ſuchte mir
zugleich das Thörigte meines Benehmens begreiflich zu machen. Sie nahm eines dieſer Thiere,
die ſich an der einen weinumrankten Wand des alten, ſchon einmal erwähnten Pfarrhauſes zahl-
reich angeſiedelt hatten, in ihre Hand, um mir ſeine Unſchädlichkeit darzuthun, wies mich auf das

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[567/0603] Gemeine Skorpionſpinne. Leichtigkeit in Stücke; nachdem ſie eine Eidechſe in der bereits angegebenen Weiſe bewältigt und aufgefreſſen hatte, lag ſie 14 Tage regungslos da, gleich einer Schlange, welche ihr reich- liches Mahl verdaut. Eine andere Eidechſe erhielt von dem Galeodes einen Biß in die Seite, blieb aber trotz der Verwundung am Leben, woraus Hutton auf die Giftloſigkeit jenes einen Schluß zieht. Ein junger Sperling ward getödtet, aber nicht aufgefreſſen, immer aber der Angriff auf dergleichen Thiere hinter dem Kopfe bewirkt. Die gewöhnliche Nahrung beſteht aus Jnſekten aller Art, welche nicht nur ausgeſogen, ſondern vollſtändig zerkaut werden. Auch einander verſchonen die Skorpionſpinnen nicht, kämpfen auf Leben und Tod, wobei der Sieger die Beſiegte auffrißt. Dagegen hütet nach Spinnengewohnheit die Mutter ihre Jungen mit der größten Sorgfalt. Hutton hielt ein Weibchen gefangen, welches ſich ſofort einen Gang in die Erde grub und über 50 weiße Eier legte, die es regungslos bewachte. Nach 14 Tagen kamen die Jungen daraus hervor, welche drei Wochen hindurch bis zur erſten Häutung ohne Bewegung blieben, dann umherliefen, zuſehends wuchſen, ohne daß bemerkt werden konnte, wovon ſie ſich ernährten. Während die etwa dreißig bekannten Arten der Skorpionſpinnen, welche wie die Skorpione nur wärmeren Ländern angehören, von einigen Schriftſtellern unter dem älteren Namen Solpuga zuſammengefaßt werden, vertheilt Koch dieſelben auf vier Gattungen, welche er nach der Zahl der Fußglieder unterſcheidet. Nach ihm bilden die Arten mit viergliedrigen Tarſen am zweiten und dritten, mit ſiebengliedrigen am vierten Beinpaare die faſt ausſchließlich im Kaplande lebende Gattung Solpuga, die in entſprechender Weiſe zwei- und dreigliedrigen die Gattung Galeodes. Bei Rhax dagegen tragen die in kurze Glieder getheilten Füße keine Krallen und bei Gluvia beſtehen dieſelben aus einem ungetheilten, aber laugen und dünnen Gliede. Die Arten dieſer letzten Gattung leben vorzugsweiſe in Mexiko, eine (G. striolata) in Portugal, neben Galeodes graecus die einzigen Vertreter der Familie für Europa. Zweite Ordnung. Echte Spinnen, Webeſpinnen (Araneïna). Das tückiſche Lauern auf Beute in einem verborgenen Hinterhalte und das gegenſeitige Beſeinden, beſonders der Weibchen und Männchen, welches ſprichwörtlich geworden iſt, ſo daß „ſpinnefeind“ den höchſten Grad der Leidenſchaft unter zwei Menſchen andeutet, charakteriſiren jene kleinen Finſterlinge, welche man Spinnen nennt. Dieſe beiden Charakterzüge ſo wenig, wie ihre äußere Erſcheinung können ſie dem Menſchen lieb und werth machen. Man flieht und ver- abſcheut ſie vielmehr, aber mit Unrecht und aus Vorurtheil. Wenn ich jetzt verſuche als ihr Lob- redner aufzutreten, ſo werde ich zum Theil nur dem Grundſatze gerecht, welchen mich meine unver- geßliche Großmutter lehrte, als ich noch ein Knabe war. Dieſelbe ging von der Anſicht aus, daß man dem Menſchen und vor allem dem Kinde jede unbegründete und darum alberne Furcht vor Ammenmährchen und beſonders auch vor dem kleinen Geziefer nicht nur durch Belehrung, ſondern auch durch das Beiſpiel benehmen müſſe. Als ſie einſt mein Entſetzen und die Außerungen deſſelben nach Kinderart bemerkte, welches eine am äußerſten Zipfel meines langen Hausrockes ſitzende, feiſte Kreuzſpinne hervorgerufen hatte, ſchalt ſie mich nicht nur tüchtig aus, ſondern ſuchte mir zugleich das Thörigte meines Benehmens begreiflich zu machen. Sie nahm eines dieſer Thiere, die ſich an der einen weinumrankten Wand des alten, ſchon einmal erwähnten Pfarrhauſes zahl- reich angeſiedelt hatten, in ihre Hand, um mir ſeine Unſchädlichkeit darzuthun, wies mich auf das

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 567. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/603>, abgerufen am 23.11.2024.