kunstvolle Nest desselben und auf seine Jagd nach lästigen, den reisen Trauben später nachtheiligen Fliegen hin und setzte es dann wieder an seinen Platz. Möchten doch alle Erzieher und Erzieherinnen in diesem Sinne wirken, und die aus Albernheit und Unkenntniß nervengereizten Naturen, welche beim Anblick einer Raupe, eines Maikäfers etc. in Krämpfe fallen möchten, würden seltner sein, als sie heutigen Tages leider noch sind!
Trotz ihrer rauhen und abstoßenden Außenseite, trotz einiger unangenehmer Eigenschaften, mit denen sie jedoch "dem Herrn der Schöpfung" keineswegs zu nahe treten, bieten die Spinnen nicht weniger im Körperbau, als in ihren Lebenseinrichtungen des Jnteressanten genug, um sie der Beobachtung werth und den übrigen Gliederthieren ebenbürtig erscheinen zu lassen, was selbst schon von den Alten anerkannt worden ist. Nach einer griechischen Sage hatte Arachne, die Tochter des Purpurfärbers Jdmon von Pallas-Athene die Kunst des Webens erlernt und sich erkühnt, ihrer göttlichen Lehrmeisterin einen Wettstreit anzubieten. Umsonst mahnte die Göttin in Gestalt einer alten Frau davon ab. Der Wettstreit begann, und Arachne fertigte ein kunstreiches Gewebe, welches die Liebesgeschichten der Götter darstellte. Athene, hierüber erzürnt, zerriß das Gewebe und Arachne in ihrer Verzweiflung erhing sich. Die Göttin gab ihr zwar das Leben zurück, aber in der Gestalt der -- Spinne, damit sie nach Belieben hängen könne. König Salomo empfahl seinen Hofleuten die Spinne als ein Vorbild des Fleißes, des Kunstsinnes, der Klugheit, Enthalt- samkeit und Tugend. Auch Aristoteles, der älteste Naturforscher, schenkte den Spinnen seine Aufmerksamkeit und erzählt von ihrer Entstehung, Ernährung, Paarung, ihren Geweben und Feinden. Es sei ein Zeichen von Trübsinn, Weichlichkeit und Schwäche, schrieb Thomas Moufet im Jahre 1634, die Spinne zu verabscheuen und eine nicht geringe Geisteskrankheit, ihre schönen Werke zu verachten und vor dem Anblicke einer so geschickten Weberin zu schaudern.
Der äußere Bau ist so weit bekannt, daß jedermann beim Anblicke der acht Beine, des in einen Vorder- und Hinterleib zerlegten, nicht weiter gegliederten Körpers, eine Spinne vor sich zu haben gewiß ist. Auf der Oberseite des Kopfbruststücks stehen, gleich gefaßten Perlen die ein- fachen Augen. Man hat auf ihre Anzahl, gegenseitige Stellung, Entfernung, Größe und Richtung genau zu achten, wenn man die vielen Gattungen unterscheiden will. Die Zahl der Augen beträgt bei den meisten Spinnen acht, es kommen jedoch auch sechs, in seltenen Fällen zwei und bei einigen Höhlenbewohnern (Anthrobia mammuthica, Stelita taenaria, Hadites tege- narioides) gar keine vor. Die Kieferfühler bestehen aus einem kräftigen, an der Jnnenseite gefurchten Grundgliede und einem klauenförmigen, einschlagbaren Endgliede, welches gleich dem Giftzahne der Schlangen durchbohrt ist. Zwei Giftdrüsen in Form länglicher Blindschläuche (s. folgende Fig. a) ergießen beim Bisse mit jenen Klauen eine scharse Flüssigkeit in die Wunde. Die Kiefertaster bestehen aus sechs Gliedern und bilden in ihrem Grundtheile, wie bei den Skorpionen, den Unterkiefer selbst. An diesen Tastern kommt die eine Eigenthümlichkeit der ganzen Ordnung zur Entwickelung. Beim Weibchen enden sie stets in eine gezähnte oder unge- zähnte Kralle, nur sehr selten beim Männchen, wo sich das Endglied vielmehr allmälig kolben- artig verdickt und mit einer halb durchsichtigen Flüssigkeit im Jnnern erfüllt. Nach der vorletzten Häutung entstehen hier die verschiedengestaltigen Uebertragungswerkzeuge des Samens und treten nach der letzten durch Spaltung der äußern Haut zu Tage. An dieser Umwandelung nimmt das vorhergehende Glied durch Ansatz von Borsten, Stacheln, Zähnchen und andern hornigen Gebilden mehr oder weniger Theil. Welche Bewandtniß es mit dem eben genannten Werkzeuge hat, wird gleich gezeigt werden. Das nächste Kieferpaar endigt wie die eigentlichen Beine in zwei kammartig gezähnte Klauen, nimmt auch im Uebrigen vollkommen die Gestalt jener und Theilung in sieben Glieder an, so daß man es als Beine bezeichnet und den Spinnen ohne Weiteres acht Bewegungs- werkzeuge zuspricht. Wie sich aus Fig. b ergibt, steht am Grunde der beiden großen noch eine ebenso gebildete kleinere, die sogenannte Vor- oder Afterklaue, welche nur gewissen Spinnen fehlt. Am Grunde des durch ein kurzes Stielchen mit der vordern Körperhälfte zusammenhängenden
Die Spinnenthiere. Echte Spinnen.
kunſtvolle Neſt deſſelben und auf ſeine Jagd nach läſtigen, den reiſen Trauben ſpäter nachtheiligen Fliegen hin und ſetzte es dann wieder an ſeinen Platz. Möchten doch alle Erzieher und Erzieherinnen in dieſem Sinne wirken, und die aus Albernheit und Unkenntniß nervengereizten Naturen, welche beim Anblick einer Raupe, eines Maikäfers ꝛc. in Krämpfe fallen möchten, würden ſeltner ſein, als ſie heutigen Tages leider noch ſind!
Trotz ihrer rauhen und abſtoßenden Außenſeite, trotz einiger unangenehmer Eigenſchaften, mit denen ſie jedoch „dem Herrn der Schöpfung“ keineswegs zu nahe treten, bieten die Spinnen nicht weniger im Körperbau, als in ihren Lebenseinrichtungen des Jntereſſanten genug, um ſie der Beobachtung werth und den übrigen Gliederthieren ebenbürtig erſcheinen zu laſſen, was ſelbſt ſchon von den Alten anerkannt worden iſt. Nach einer griechiſchen Sage hatte Arachne, die Tochter des Purpurfärbers Jdmon von Pallas-Athene die Kunſt des Webens erlernt und ſich erkühnt, ihrer göttlichen Lehrmeiſterin einen Wettſtreit anzubieten. Umſonſt mahnte die Göttin in Geſtalt einer alten Frau davon ab. Der Wettſtreit begann, und Arachne fertigte ein kunſtreiches Gewebe, welches die Liebesgeſchichten der Götter darſtellte. Athene, hierüber erzürnt, zerriß das Gewebe und Arachne in ihrer Verzweiflung erhing ſich. Die Göttin gab ihr zwar das Leben zurück, aber in der Geſtalt der — Spinne, damit ſie nach Belieben hängen könne. König Salomo empfahl ſeinen Hofleuten die Spinne als ein Vorbild des Fleißes, des Kunſtſinnes, der Klugheit, Enthalt- ſamkeit und Tugend. Auch Ariſtoteles, der älteſte Naturforſcher, ſchenkte den Spinnen ſeine Aufmerkſamkeit und erzählt von ihrer Entſtehung, Ernährung, Paarung, ihren Geweben und Feinden. Es ſei ein Zeichen von Trübſinn, Weichlichkeit und Schwäche, ſchrieb Thomas Moufet im Jahre 1634, die Spinne zu verabſcheuen und eine nicht geringe Geiſteskrankheit, ihre ſchönen Werke zu verachten und vor dem Anblicke einer ſo geſchickten Weberin zu ſchaudern.
Der äußere Bau iſt ſo weit bekannt, daß jedermann beim Anblicke der acht Beine, des in einen Vorder- und Hinterleib zerlegten, nicht weiter gegliederten Körpers, eine Spinne vor ſich zu haben gewiß iſt. Auf der Oberſeite des Kopfbruſtſtücks ſtehen, gleich gefaßten Perlen die ein- fachen Augen. Man hat auf ihre Anzahl, gegenſeitige Stellung, Entfernung, Größe und Richtung genau zu achten, wenn man die vielen Gattungen unterſcheiden will. Die Zahl der Augen beträgt bei den meiſten Spinnen acht, es kommen jedoch auch ſechs, in ſeltenen Fällen zwei und bei einigen Höhlenbewohnern (Anthrobia mammuthica, Stelita taenaria, Hadites tege- narioides) gar keine vor. Die Kieferfühler beſtehen aus einem kräftigen, an der Jnnenſeite gefurchten Grundgliede und einem klauenförmigen, einſchlagbaren Endgliede, welches gleich dem Giftzahne der Schlangen durchbohrt iſt. Zwei Giftdrüſen in Form länglicher Blindſchläuche (ſ. folgende Fig. a) ergießen beim Biſſe mit jenen Klauen eine ſcharſe Flüſſigkeit in die Wunde. Die Kiefertaſter beſtehen aus ſechs Gliedern und bilden in ihrem Grundtheile, wie bei den Skorpionen, den Unterkiefer ſelbſt. An dieſen Taſtern kommt die eine Eigenthümlichkeit der ganzen Ordnung zur Entwickelung. Beim Weibchen enden ſie ſtets in eine gezähnte oder unge- zähnte Kralle, nur ſehr ſelten beim Männchen, wo ſich das Endglied vielmehr allmälig kolben- artig verdickt und mit einer halb durchſichtigen Flüſſigkeit im Jnnern erfüllt. Nach der vorletzten Häutung entſtehen hier die verſchiedengeſtaltigen Uebertragungswerkzeuge des Samens und treten nach der letzten durch Spaltung der äußern Haut zu Tage. An dieſer Umwandelung nimmt das vorhergehende Glied durch Anſatz von Borſten, Stacheln, Zähnchen und andern hornigen Gebilden mehr oder weniger Theil. Welche Bewandtniß es mit dem eben genannten Werkzeuge hat, wird gleich gezeigt werden. Das nächſte Kieferpaar endigt wie die eigentlichen Beine in zwei kammartig gezähnte Klauen, nimmt auch im Uebrigen vollkommen die Geſtalt jener und Theilung in ſieben Glieder an, ſo daß man es als Beine bezeichnet und den Spinnen ohne Weiteres acht Bewegungs- werkzeuge zuſpricht. Wie ſich aus Fig. b ergibt, ſteht am Grunde der beiden großen noch eine ebenſo gebildete kleinere, die ſogenannte Vor- oder Afterklaue, welche nur gewiſſen Spinnen fehlt. Am Grunde des durch ein kurzes Stielchen mit der vordern Körperhälfte zuſammenhängenden
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[568/0604]
Die Spinnenthiere. Echte Spinnen.
kunſtvolle Neſt deſſelben und auf ſeine Jagd nach läſtigen, den reiſen Trauben ſpäter nachtheiligen
Fliegen hin und ſetzte es dann wieder an ſeinen Platz. Möchten doch alle Erzieher und Erzieherinnen
in dieſem Sinne wirken, und die aus Albernheit und Unkenntniß nervengereizten Naturen, welche
beim Anblick einer Raupe, eines Maikäfers ꝛc. in Krämpfe fallen möchten, würden ſeltner ſein, als
ſie heutigen Tages leider noch ſind!
Trotz ihrer rauhen und abſtoßenden Außenſeite, trotz einiger unangenehmer Eigenſchaften, mit
denen ſie jedoch „dem Herrn der Schöpfung“ keineswegs zu nahe treten, bieten die Spinnen nicht
weniger im Körperbau, als in ihren Lebenseinrichtungen des Jntereſſanten genug, um ſie der
Beobachtung werth und den übrigen Gliederthieren ebenbürtig erſcheinen zu laſſen, was ſelbſt ſchon
von den Alten anerkannt worden iſt. Nach einer griechiſchen Sage hatte Arachne, die Tochter des
Purpurfärbers Jdmon von Pallas-Athene die Kunſt des Webens erlernt und ſich erkühnt, ihrer
göttlichen Lehrmeiſterin einen Wettſtreit anzubieten. Umſonſt mahnte die Göttin in Geſtalt einer
alten Frau davon ab. Der Wettſtreit begann, und Arachne fertigte ein kunſtreiches Gewebe,
welches die Liebesgeſchichten der Götter darſtellte. Athene, hierüber erzürnt, zerriß das Gewebe
und Arachne in ihrer Verzweiflung erhing ſich. Die Göttin gab ihr zwar das Leben zurück, aber
in der Geſtalt der — Spinne, damit ſie nach Belieben hängen könne. König Salomo empfahl
ſeinen Hofleuten die Spinne als ein Vorbild des Fleißes, des Kunſtſinnes, der Klugheit, Enthalt-
ſamkeit und Tugend. Auch Ariſtoteles, der älteſte Naturforſcher, ſchenkte den Spinnen ſeine
Aufmerkſamkeit und erzählt von ihrer Entſtehung, Ernährung, Paarung, ihren Geweben und
Feinden. Es ſei ein Zeichen von Trübſinn, Weichlichkeit und Schwäche, ſchrieb Thomas Moufet
im Jahre 1634, die Spinne zu verabſcheuen und eine nicht geringe Geiſteskrankheit, ihre ſchönen
Werke zu verachten und vor dem Anblicke einer ſo geſchickten Weberin zu ſchaudern.
Der äußere Bau iſt ſo weit bekannt, daß jedermann beim Anblicke der acht Beine, des in
einen Vorder- und Hinterleib zerlegten, nicht weiter gegliederten Körpers, eine Spinne vor ſich
zu haben gewiß iſt. Auf der Oberſeite des Kopfbruſtſtücks ſtehen, gleich gefaßten Perlen die ein-
fachen Augen. Man hat auf ihre Anzahl, gegenſeitige Stellung, Entfernung, Größe und
Richtung genau zu achten, wenn man die vielen Gattungen unterſcheiden will. Die Zahl der
Augen beträgt bei den meiſten Spinnen acht, es kommen jedoch auch ſechs, in ſeltenen Fällen
zwei und bei einigen Höhlenbewohnern (Anthrobia mammuthica, Stelita taenaria, Hadites tege-
narioides) gar keine vor. Die Kieferfühler beſtehen aus einem kräftigen, an der Jnnenſeite
gefurchten Grundgliede und einem klauenförmigen, einſchlagbaren Endgliede, welches gleich dem
Giftzahne der Schlangen durchbohrt iſt. Zwei Giftdrüſen in Form länglicher Blindſchläuche
(ſ. folgende Fig. a) ergießen beim Biſſe mit jenen Klauen eine ſcharſe Flüſſigkeit in die Wunde.
Die Kiefertaſter beſtehen aus ſechs Gliedern und bilden in ihrem Grundtheile, wie bei den
Skorpionen, den Unterkiefer ſelbſt. An dieſen Taſtern kommt die eine Eigenthümlichkeit der
ganzen Ordnung zur Entwickelung. Beim Weibchen enden ſie ſtets in eine gezähnte oder unge-
zähnte Kralle, nur ſehr ſelten beim Männchen, wo ſich das Endglied vielmehr allmälig kolben-
artig verdickt und mit einer halb durchſichtigen Flüſſigkeit im Jnnern erfüllt. Nach der vorletzten
Häutung entſtehen hier die verſchiedengeſtaltigen Uebertragungswerkzeuge des Samens und treten
nach der letzten durch Spaltung der äußern Haut zu Tage. An dieſer Umwandelung nimmt das
vorhergehende Glied durch Anſatz von Borſten, Stacheln, Zähnchen und andern hornigen Gebilden
mehr oder weniger Theil. Welche Bewandtniß es mit dem eben genannten Werkzeuge hat, wird
gleich gezeigt werden. Das nächſte Kieferpaar endigt wie die eigentlichen Beine in zwei kammartig
gezähnte Klauen, nimmt auch im Uebrigen vollkommen die Geſtalt jener und Theilung in ſieben
Glieder an, ſo daß man es als Beine bezeichnet und den Spinnen ohne Weiteres acht Bewegungs-
werkzeuge zuſpricht. Wie ſich aus Fig. b ergibt, ſteht am Grunde der beiden großen noch eine
ebenſo gebildete kleinere, die ſogenannte Vor- oder Afterklaue, welche nur gewiſſen Spinnen
fehlt. Am Grunde des durch ein kurzes Stielchen mit der vordern Körperhälfte zuſammenhängenden
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 568. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/604>, abgerufen am 23.11.2024.
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