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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Gemeine Vogelspinne.
halb der Baumspalte gelegene dem Verenden nahe. Nachdem Bates jene verjagt hatte, fand er
das bald in seinen Händen sterbende Vögelchen mit einer schmutzigen Flüssigkeit, wie mit Speichel
bedeckt, "den das Ungeheuer ausschwitzt". Nach dieser Mittheilung und einem unvollkommenen
Holzschnitte ist unsere Abbildung, "Gemeine Vogelspinne", angefertigt, die Spinne jedoch nach
einem natürlichen, in Weingeist aufbewahrten Exemplare der genannten Art (Mygale avicularia)
gezeichnet worden. Bates bemerkt ausdrücklich, daß seine Beobachtung für die Bewohner
Amazoniens, welche dergleichen dort gar nicht seltene Spinnen Aranhas caranguexeiras (Krebs-
spinnen) nennen, neu gewesen sei. Daß es nicht in der Natur vieler Vogelspinnen liegen könne,
sich von Vögeln zu ernähren, geht aus dem Aufenthalte derselben hervor, welcher sie schwerlich
mit jenen Luftbewohnern in engere Berührung kommen läßt; denn die wenigsten Arten leben auf
Bäumen und Buschwerk, sondern in Mauerlöchern, in den Dächern der Häuser, an deren Wänden
man sie bisweilen zu sehen bekommt, unter Steinen oder in unterirdischen Gängen. Jn letzterer
Beziehung zeichnet sich eine starke, braune Art, die Mygale Blondii, welche an den gelben Streifen
der Beine leicht kenntlich ist und in Südamerika lebt, ganz besonders aus, indem sie ihre schief
abwärts gehende, ungefähr zwei Fuß lange Gallerie mit seidenen Tapeten auswebt und sich gegen
Abend am Eingange derselben auf die Lauer legt. Erschreckt, weicht sie beim Herannahen schwerer
Fußtritte in das Jnnere ihres Ganges zurück. Auch in Südafrika scheinen die unter Steinen
wohnenden Würgspinnen die Buschbewohner an Menge zu übertreffen. Mit großer Behendigkeit
und springend suchen sie den Nachstellungen zu entgehen, wenn man sie einfangen will, und zeigen
sich immer bereit, ihre scharfen Kieferklauen in einen sich nähernden Finger einzuschlagen.

Der erste Berichterstatter über die von den Brasilianern Nhamdu Guacu genannten Busch-
spinnen war Georg Maregrave, ein geborner Sachse, welcher 1636 in Begleitung des Grafen
Johann Moritz von Nassan-Siegen nach Brasilien ging. Letzterer ward bekanntlich von den
Holländern mit bedeutender Heeresmacht dahin entsandt, um ihre Eroberungen gegen die Spanier
zu behaupten. Maregrave beschreibt in der 10 Jahre später und nach abermals 10 Jahren in
veränderter Form erschienenen medizinischen (vom Leibarzt Piso) und naturhistorischen Veröffent-
lichungen über Brasilien die Buschspinne sehr gut, erwähnt sodann, daß sie sich von Fliegen und
andern Jusekten ernähre, auch lauge lebe; denn er habe mehrere fast zwei Jahre in einer Schachtel
gehalten, wo sie sich zu bestimmten Zeiten häuteten; der Balg aber stelle eine Spinne dar, indem
er nur "unten" gespalten sei, wo sie herauskrieche. Hierbei befindet sich folgende Anmerkung des
Herausgebers (Johann de Laet): "Jch hatte einst diese Spinne lebend aus Brasilien bekommen
und versuchte sie mit Fliegen zu füttern, sah sie aber nie eine fressen, wohl aber, daß sie allmälig
abmagerte und nach einigen Monaten starb; in dem Behälter spann sie nie, sobald sie aber bei
einer Gelegenheit daraus entschlüpft und in das Fenster gelangt war, fing sie damit an". Langs-
dorf
, welcher das Vogelfressen der brasilianischen Krabbenspinnen, Caranguexeira's, leugnet,
meint, daß ihr Biß bei Menschen zwar heftige Entzündungen veranlasse, was neuerdings Fritsch
von den südafrikanischen bestätigt, aber weder gefährlich noch tödtlich sei. Es bleibt eine Narbe
zurück, ganz ähnlich der, welche eine Sectionswunde erzeugt. Wie wenig gefürchtet der Umgang
mit Buschspinnen sein müsse, bewiesen Herrn Bates die Kinder einer Jndianerfamilie, welche
Jnsekten für ihn sammelten. Er traf sie einst, wie sie eine große Buschspinne gleich einem
Hündchen an einem ihr um den Leib gebundenen Faden im Hause umherführten. Jhn nahm das
Wunder, denn er hatte sich nach dem Präpariren der ersten in Folge der zwischen die Hautfalten
seiner Finger gerathenen Borstenhaare derselben in einer "eigenthümlichen Aufregung befunden,
die Einen fast rasend machen kann".

Vor einigen Jahren ward in einem aus England angekommenen Kohlenschiffe zu Danzig ein
lebendes Exemplar der Mygale avicularia gefunden und am 10. September (1862) dem Oberlehrer
Herrn Menge übergeben, welcher die Spinne fast ein Jahr am Leben erhielt. Jch gebe seine
darüber angestellten Beobachtungen um so lieber, als sie von einem unserer tüchtigsten Spinnen-

Gemeine Vogelſpinne.
halb der Baumſpalte gelegene dem Verenden nahe. Nachdem Bates jene verjagt hatte, fand er
das bald in ſeinen Händen ſterbende Vögelchen mit einer ſchmutzigen Flüſſigkeit, wie mit Speichel
bedeckt, „den das Ungeheuer ausſchwitzt“. Nach dieſer Mittheilung und einem unvollkommenen
Holzſchnitte iſt unſere Abbildung, „Gemeine Vogelſpinne“, angefertigt, die Spinne jedoch nach
einem natürlichen, in Weingeiſt aufbewahrten Exemplare der genannten Art (Mygale avicularia)
gezeichnet worden. Bates bemerkt ausdrücklich, daß ſeine Beobachtung für die Bewohner
Amazoniens, welche dergleichen dort gar nicht ſeltene Spinnen Aranhas caranguexeiras (Krebs-
ſpinnen) nennen, neu geweſen ſei. Daß es nicht in der Natur vieler Vogelſpinnen liegen könne,
ſich von Vögeln zu ernähren, geht aus dem Aufenthalte derſelben hervor, welcher ſie ſchwerlich
mit jenen Luftbewohnern in engere Berührung kommen läßt; denn die wenigſten Arten leben auf
Bäumen und Buſchwerk, ſondern in Mauerlöchern, in den Dächern der Häuſer, an deren Wänden
man ſie bisweilen zu ſehen bekommt, unter Steinen oder in unterirdiſchen Gängen. Jn letzterer
Beziehung zeichnet ſich eine ſtarke, braune Art, die Mygale Blondii, welche an den gelben Streifen
der Beine leicht kenntlich iſt und in Südamerika lebt, ganz beſonders aus, indem ſie ihre ſchief
abwärts gehende, ungefähr zwei Fuß lange Gallerie mit ſeidenen Tapeten auswebt und ſich gegen
Abend am Eingange derſelben auf die Lauer legt. Erſchreckt, weicht ſie beim Herannahen ſchwerer
Fußtritte in das Jnnere ihres Ganges zurück. Auch in Südafrika ſcheinen die unter Steinen
wohnenden Würgſpinnen die Buſchbewohner an Menge zu übertreffen. Mit großer Behendigkeit
und ſpringend ſuchen ſie den Nachſtellungen zu entgehen, wenn man ſie einfangen will, und zeigen
ſich immer bereit, ihre ſcharfen Kieferklauen in einen ſich nähernden Finger einzuſchlagen.

Der erſte Berichterſtatter über die von den Braſilianern Nhamdu Guacu genannten Buſch-
ſpinnen war Georg Maregrave, ein geborner Sachſe, welcher 1636 in Begleitung des Grafen
Johann Moritz von Naſſan-Siegen nach Braſilien ging. Letzterer ward bekanntlich von den
Holländern mit bedeutender Heeresmacht dahin entſandt, um ihre Eroberungen gegen die Spanier
zu behaupten. Maregrave beſchreibt in der 10 Jahre ſpäter und nach abermals 10 Jahren in
veränderter Form erſchienenen mediziniſchen (vom Leibarzt Piſo) und naturhiſtoriſchen Veröffent-
lichungen über Braſilien die Buſchſpinne ſehr gut, erwähnt ſodann, daß ſie ſich von Fliegen und
andern Juſekten ernähre, auch lauge lebe; denn er habe mehrere faſt zwei Jahre in einer Schachtel
gehalten, wo ſie ſich zu beſtimmten Zeiten häuteten; der Balg aber ſtelle eine Spinne dar, indem
er nur „unten“ geſpalten ſei, wo ſie herauskrieche. Hierbei befindet ſich folgende Anmerkung des
Herausgebers (Johann de Laet): „Jch hatte einſt dieſe Spinne lebend aus Braſilien bekommen
und verſuchte ſie mit Fliegen zu füttern, ſah ſie aber nie eine freſſen, wohl aber, daß ſie allmälig
abmagerte und nach einigen Monaten ſtarb; in dem Behälter ſpann ſie nie, ſobald ſie aber bei
einer Gelegenheit daraus entſchlüpft und in das Fenſter gelangt war, fing ſie damit an“. Langs-
dorf
, welcher das Vogelfreſſen der braſilianiſchen Krabbenſpinnen, Caranguexeira’s, leugnet,
meint, daß ihr Biß bei Menſchen zwar heftige Entzündungen veranlaſſe, was neuerdings Fritſch
von den ſüdafrikaniſchen beſtätigt, aber weder gefährlich noch tödtlich ſei. Es bleibt eine Narbe
zurück, ganz ähnlich der, welche eine Sectionswunde erzeugt. Wie wenig gefürchtet der Umgang
mit Buſchſpinnen ſein müſſe, bewieſen Herrn Bates die Kinder einer Jndianerfamilie, welche
Jnſekten für ihn ſammelten. Er traf ſie einſt, wie ſie eine große Buſchſpinne gleich einem
Hündchen an einem ihr um den Leib gebundenen Faden im Hauſe umherführten. Jhn nahm das
Wunder, denn er hatte ſich nach dem Präpariren der erſten in Folge der zwiſchen die Hautfalten
ſeiner Finger gerathenen Borſtenhaare derſelben in einer „eigenthümlichen Aufregung befunden,
die Einen faſt raſend machen kann“.

Vor einigen Jahren ward in einem aus England angekommenen Kohlenſchiffe zu Danzig ein
lebendes Exemplar der Mygale avicularia gefunden und am 10. September (1862) dem Oberlehrer
Herrn Menge übergeben, welcher die Spinne faſt ein Jahr am Leben erhielt. Jch gebe ſeine
darüber angeſtellten Beobachtungen um ſo lieber, als ſie von einem unſerer tüchtigſten Spinnen-

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[573/0609] Gemeine Vogelſpinne. halb der Baumſpalte gelegene dem Verenden nahe. Nachdem Bates jene verjagt hatte, fand er das bald in ſeinen Händen ſterbende Vögelchen mit einer ſchmutzigen Flüſſigkeit, wie mit Speichel bedeckt, „den das Ungeheuer ausſchwitzt“. Nach dieſer Mittheilung und einem unvollkommenen Holzſchnitte iſt unſere Abbildung, „Gemeine Vogelſpinne“, angefertigt, die Spinne jedoch nach einem natürlichen, in Weingeiſt aufbewahrten Exemplare der genannten Art (Mygale avicularia) gezeichnet worden. Bates bemerkt ausdrücklich, daß ſeine Beobachtung für die Bewohner Amazoniens, welche dergleichen dort gar nicht ſeltene Spinnen Aranhas caranguexeiras (Krebs- ſpinnen) nennen, neu geweſen ſei. Daß es nicht in der Natur vieler Vogelſpinnen liegen könne, ſich von Vögeln zu ernähren, geht aus dem Aufenthalte derſelben hervor, welcher ſie ſchwerlich mit jenen Luftbewohnern in engere Berührung kommen läßt; denn die wenigſten Arten leben auf Bäumen und Buſchwerk, ſondern in Mauerlöchern, in den Dächern der Häuſer, an deren Wänden man ſie bisweilen zu ſehen bekommt, unter Steinen oder in unterirdiſchen Gängen. Jn letzterer Beziehung zeichnet ſich eine ſtarke, braune Art, die Mygale Blondii, welche an den gelben Streifen der Beine leicht kenntlich iſt und in Südamerika lebt, ganz beſonders aus, indem ſie ihre ſchief abwärts gehende, ungefähr zwei Fuß lange Gallerie mit ſeidenen Tapeten auswebt und ſich gegen Abend am Eingange derſelben auf die Lauer legt. Erſchreckt, weicht ſie beim Herannahen ſchwerer Fußtritte in das Jnnere ihres Ganges zurück. Auch in Südafrika ſcheinen die unter Steinen wohnenden Würgſpinnen die Buſchbewohner an Menge zu übertreffen. Mit großer Behendigkeit und ſpringend ſuchen ſie den Nachſtellungen zu entgehen, wenn man ſie einfangen will, und zeigen ſich immer bereit, ihre ſcharfen Kieferklauen in einen ſich nähernden Finger einzuſchlagen. Der erſte Berichterſtatter über die von den Braſilianern Nhamdu Guacu genannten Buſch- ſpinnen war Georg Maregrave, ein geborner Sachſe, welcher 1636 in Begleitung des Grafen Johann Moritz von Naſſan-Siegen nach Braſilien ging. Letzterer ward bekanntlich von den Holländern mit bedeutender Heeresmacht dahin entſandt, um ihre Eroberungen gegen die Spanier zu behaupten. Maregrave beſchreibt in der 10 Jahre ſpäter und nach abermals 10 Jahren in veränderter Form erſchienenen mediziniſchen (vom Leibarzt Piſo) und naturhiſtoriſchen Veröffent- lichungen über Braſilien die Buſchſpinne ſehr gut, erwähnt ſodann, daß ſie ſich von Fliegen und andern Juſekten ernähre, auch lauge lebe; denn er habe mehrere faſt zwei Jahre in einer Schachtel gehalten, wo ſie ſich zu beſtimmten Zeiten häuteten; der Balg aber ſtelle eine Spinne dar, indem er nur „unten“ geſpalten ſei, wo ſie herauskrieche. Hierbei befindet ſich folgende Anmerkung des Herausgebers (Johann de Laet): „Jch hatte einſt dieſe Spinne lebend aus Braſilien bekommen und verſuchte ſie mit Fliegen zu füttern, ſah ſie aber nie eine freſſen, wohl aber, daß ſie allmälig abmagerte und nach einigen Monaten ſtarb; in dem Behälter ſpann ſie nie, ſobald ſie aber bei einer Gelegenheit daraus entſchlüpft und in das Fenſter gelangt war, fing ſie damit an“. Langs- dorf, welcher das Vogelfreſſen der braſilianiſchen Krabbenſpinnen, Caranguexeira’s, leugnet, meint, daß ihr Biß bei Menſchen zwar heftige Entzündungen veranlaſſe, was neuerdings Fritſch von den ſüdafrikaniſchen beſtätigt, aber weder gefährlich noch tödtlich ſei. Es bleibt eine Narbe zurück, ganz ähnlich der, welche eine Sectionswunde erzeugt. Wie wenig gefürchtet der Umgang mit Buſchſpinnen ſein müſſe, bewieſen Herrn Bates die Kinder einer Jndianerfamilie, welche Jnſekten für ihn ſammelten. Er traf ſie einſt, wie ſie eine große Buſchſpinne gleich einem Hündchen an einem ihr um den Leib gebundenen Faden im Hauſe umherführten. Jhn nahm das Wunder, denn er hatte ſich nach dem Präpariren der erſten in Folge der zwiſchen die Hautfalten ſeiner Finger gerathenen Borſtenhaare derſelben in einer „eigenthümlichen Aufregung befunden, die Einen faſt raſend machen kann“. Vor einigen Jahren ward in einem aus England angekommenen Kohlenſchiffe zu Danzig ein lebendes Exemplar der Mygale avicularia gefunden und am 10. September (1862) dem Oberlehrer Herrn Menge übergeben, welcher die Spinne faſt ein Jahr am Leben erhielt. Jch gebe ſeine darüber angeſtellten Beobachtungen um ſo lieber, als ſie von einem unſerer tüchtigſten Spinnen-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 573. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/609>, abgerufen am 23.11.2024.