Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Spinnenthiere. Echte Spinnen.
forscher herrühren. Die Spinne wurde in ein großes Cylinderglas einquartirt, dessen Boden
vorher mit Baumwolle und Moos und darüber mit Stücken von Fichtenrinde belegt worden war.
Sie hielt sich bei Tage meist verborgen und ging des Abends langsam schleichend und leise tastend
umher. Mit dem Finger oder mit einer Feder berührt, fuhr sie schnell zurück. Sie versuchte an
den Glaswänden in die Höhe zu klettern, was ihr aber nicht gelang und deshalb konnte man
ihr Gefängniß offen lassen, ohne ihr Entweichen befürchten zu müssen. Moos und Rinde über-
spann sie allmälig mit einer Decke seiner, weißer Fäden, fertigte für sich aber keine Wohnung.
Eine ihr am ersten Tage vorgeworfene Winkelspinne (Tegenaria civilis) zerdrückte sie sofort mit
den Kiefern und zehrte sie mit Stumpf und Stiel auf. Einer zweiten erging es nicht besser, von
einer Kreuzspinne wurden die Beine und ein Theil des Hinterleibes übrig gelassen, eine Schmeiß-
fliege und ein Weberknecht wurden von der Mygale nicht gewürdigt, dagegen zehrte sie eine Assel
(Porcellio scaber) auf. Ueber ein kleines ihr mit Wasser hingesetztes Porzellanschälchen legte sie
sich mit Brust und Maul und sog dessen Jnhalt ein. Am 18. September ward ihr ein Garten-
frosch von 11/2 Zoll Länge zugesellt, an welchem sie sich des Abends, so lange die Beobachtung
dauerte, nicht vergriffen hatte, am andern Morgen ward sie aber noch beim Auffressen desselben
betroffen, was bereits bis zur Hälfte geschehen war. Sie zerkaute den Frosch zu einem Brei und
verschluckte ihn mit Haut und Knochen, letztere gab sie aber in Stücken bis zu drei Linien Länge
in ihren Excrementen wieder von sich. Bald nachher wurden zwei junge Wasserfrösche, eine junge
Kröte und zwei kleine Tritonen zu ihr in das Glas gesetzt, die jedoch alle unangefochten blieben.
Schlimmer erging es einem kleinen, am 5. Oktober der Spinne vorgeworfenen Gartenfrosche.
Nach wenigen Augenblicken hatte sie ihn zwischen den Kiefern und deren Klauen gleich am Anfange
des Rückens eingeschlagen, so daß der Kopf des armen Wichts recht trübselig vorn unter dem
Bauche der Spinne hervorsah. Sie kaute und sog daran von Morgens 9 Uhr bis Abends um
dieselbe Zeit und ließ diesmal Knochen, Hinterschenkel und Eingeweide zurück. Eine kleine, graue
Kröte, welche anfangs munter im Glase umherkroch und sich vergnügt in das mit Wasser gefüllte
Schälchen gesetzt hatte, wurde nach einigen Tagen mit angezogenen Beinen und platt einem Rinden-
stückchen aufgedrücktem Leibe wie todt angetroffen. Beim Herausnehmen erwies sie sich dort festge-
sponnen und in Folge einiger Bisse dem Tode nahe. Wenn sich die Spinne satt gefressen hatte,
streckte sie alle Beine von sich, drückte den Bauch platt auf den Boden und blieb tagelang in dieser
Stellung liegen, als wäre sie in tiefen Schlaf versunken. Sie verzehrte noch einen Frosch, mehrere
Küchenschaben, von denen sie die Hautstücke wieder entleerte, und als keine Frösche mehr zu erlangen
waren, einige Taubenherzen. Wurde ihr mit der Pincette eine Schabe oder Fleischfliege vor-
gehalten, so wich sie nicht mehr zurück, wie anfangs, sondern richtete sich auf, so daß sie fast auf
den Rücken zu liegen kam, sperrte die Kieferklauen aus einander und biß auch einige Male nach
der Pincette, während sie das Thier dazwischen nicht anrührte. Sie hatte sich im Januar (1863)
die Beugmuskeln der rechten Kieferklaue zerrissen, wenigstens stand diese seitdem geradeaus und
konnte nicht weiter gebraucht werden. Von dieser Zeit an fraß sie auch nicht mehr. Die ihr
vorgeworfenen Hausspinnen, welche anfangs vor der Buschspinne erschreckt flohen, liefen jetzt ohne
Scheu um und über sie hin, ja ein Männchen erkühnte sich sogar, einige Male in eines ihrer
ausgestreckten Beine zu beißen, sprang jedoch jedesmal schnell zurück, was es nicht nöthig gehabt
hätte; denn die Buschspinne nahm gar keine Notiz davon. Am 13. Juni ward eins von den
fünf Jungen eines Grauammernestes zu dieser gesetzt, sie ließ es aber trotz des sechsmonatlichen
Fastens unberührt. Alsbald biß ein Weibchen der Hausspinne das Vögelchen in den Nacken und
sog sich so voll, daß das Blut durch den angeschwollenen Hinterleib durchschimmerte. Als es
davon ging, ließ sich in der Vogelhaut eine etwa eine Linie breite Wunde erkennen. Der junge
Vogel starb bald nachher, wie Menge meint, wohl weniger in Folge des Bisses, als des Mangels
an Wärme und Nahrung. Am 28. Juli lag die Buschspinne wie todt auf dem Rücken, am
andern Morgen aber zeigte sich eine wesentliche Veränderung; der vordere Körpertheil hatte sich

Die Spinnenthiere. Echte Spinnen.
forſcher herrühren. Die Spinne wurde in ein großes Cylinderglas einquartirt, deſſen Boden
vorher mit Baumwolle und Moos und darüber mit Stücken von Fichtenrinde belegt worden war.
Sie hielt ſich bei Tage meiſt verborgen und ging des Abends langſam ſchleichend und leiſe taſtend
umher. Mit dem Finger oder mit einer Feder berührt, fuhr ſie ſchnell zurück. Sie verſuchte an
den Glaswänden in die Höhe zu klettern, was ihr aber nicht gelang und deshalb konnte man
ihr Gefängniß offen laſſen, ohne ihr Entweichen befürchten zu müſſen. Moos und Rinde über-
ſpann ſie allmälig mit einer Decke ſeiner, weißer Fäden, fertigte für ſich aber keine Wohnung.
Eine ihr am erſten Tage vorgeworfene Winkelſpinne (Tegenaria civilis) zerdrückte ſie ſofort mit
den Kiefern und zehrte ſie mit Stumpf und Stiel auf. Einer zweiten erging es nicht beſſer, von
einer Kreuzſpinne wurden die Beine und ein Theil des Hinterleibes übrig gelaſſen, eine Schmeiß-
fliege und ein Weberknecht wurden von der Mygale nicht gewürdigt, dagegen zehrte ſie eine Aſſel
(Porcellio scaber) auf. Ueber ein kleines ihr mit Waſſer hingeſetztes Porzellanſchälchen legte ſie
ſich mit Bruſt und Maul und ſog deſſen Jnhalt ein. Am 18. September ward ihr ein Garten-
froſch von 1½ Zoll Länge zugeſellt, an welchem ſie ſich des Abends, ſo lange die Beobachtung
dauerte, nicht vergriffen hatte, am andern Morgen ward ſie aber noch beim Auffreſſen deſſelben
betroffen, was bereits bis zur Hälfte geſchehen war. Sie zerkaute den Froſch zu einem Brei und
verſchluckte ihn mit Haut und Knochen, letztere gab ſie aber in Stücken bis zu drei Linien Länge
in ihren Excrementen wieder von ſich. Bald nachher wurden zwei junge Waſſerfröſche, eine junge
Kröte und zwei kleine Tritonen zu ihr in das Glas geſetzt, die jedoch alle unangefochten blieben.
Schlimmer erging es einem kleinen, am 5. Oktober der Spinne vorgeworfenen Gartenfroſche.
Nach wenigen Augenblicken hatte ſie ihn zwiſchen den Kiefern und deren Klauen gleich am Anfange
des Rückens eingeſchlagen, ſo daß der Kopf des armen Wichts recht trübſelig vorn unter dem
Bauche der Spinne hervorſah. Sie kaute und ſog daran von Morgens 9 Uhr bis Abends um
dieſelbe Zeit und ließ diesmal Knochen, Hinterſchenkel und Eingeweide zurück. Eine kleine, graue
Kröte, welche anfangs munter im Glaſe umherkroch und ſich vergnügt in das mit Waſſer gefüllte
Schälchen geſetzt hatte, wurde nach einigen Tagen mit angezogenen Beinen und platt einem Rinden-
ſtückchen aufgedrücktem Leibe wie todt angetroffen. Beim Herausnehmen erwies ſie ſich dort feſtge-
ſponnen und in Folge einiger Biſſe dem Tode nahe. Wenn ſich die Spinne ſatt gefreſſen hatte,
ſtreckte ſie alle Beine von ſich, drückte den Bauch platt auf den Boden und blieb tagelang in dieſer
Stellung liegen, als wäre ſie in tiefen Schlaf verſunken. Sie verzehrte noch einen Froſch, mehrere
Küchenſchaben, von denen ſie die Hautſtücke wieder entleerte, und als keine Fröſche mehr zu erlangen
waren, einige Taubenherzen. Wurde ihr mit der Pincette eine Schabe oder Fleiſchfliege vor-
gehalten, ſo wich ſie nicht mehr zurück, wie anfangs, ſondern richtete ſich auf, ſo daß ſie faſt auf
den Rücken zu liegen kam, ſperrte die Kieferklauen aus einander und biß auch einige Male nach
der Pincette, während ſie das Thier dazwiſchen nicht anrührte. Sie hatte ſich im Januar (1863)
die Beugmuskeln der rechten Kieferklaue zerriſſen, wenigſtens ſtand dieſe ſeitdem geradeaus und
konnte nicht weiter gebraucht werden. Von dieſer Zeit an fraß ſie auch nicht mehr. Die ihr
vorgeworfenen Hausſpinnen, welche anfangs vor der Buſchſpinne erſchreckt flohen, liefen jetzt ohne
Scheu um und über ſie hin, ja ein Männchen erkühnte ſich ſogar, einige Male in eines ihrer
ausgeſtreckten Beine zu beißen, ſprang jedoch jedesmal ſchnell zurück, was es nicht nöthig gehabt
hätte; denn die Buſchſpinne nahm gar keine Notiz davon. Am 13. Juni ward eins von den
fünf Jungen eines Grauammerneſtes zu dieſer geſetzt, ſie ließ es aber trotz des ſechsmonatlichen
Faſtens unberührt. Alsbald biß ein Weibchen der Hausſpinne das Vögelchen in den Nacken und
ſog ſich ſo voll, daß das Blut durch den angeſchwollenen Hinterleib durchſchimmerte. Als es
davon ging, ließ ſich in der Vogelhaut eine etwa eine Linie breite Wunde erkennen. Der junge
Vogel ſtarb bald nachher, wie Menge meint, wohl weniger in Folge des Biſſes, als des Mangels
an Wärme und Nahrung. Am 28. Juli lag die Buſchſpinne wie todt auf dem Rücken, am
andern Morgen aber zeigte ſich eine weſentliche Veränderung; der vordere Körpertheil hatte ſich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <floatingText>
        <body>
          <div n="1">
            <div n="2">
              <div n="3">
                <p><pb facs="#f0610" n="574"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Spinnenthiere. Echte Spinnen</hi>.</fw><lb/>
for&#x017F;cher herrühren. Die Spinne wurde in ein großes Cylinderglas einquartirt, de&#x017F;&#x017F;en Boden<lb/>
vorher mit Baumwolle und Moos und darüber mit Stücken von Fichtenrinde belegt worden war.<lb/>
Sie hielt &#x017F;ich bei Tage mei&#x017F;t verborgen und ging des Abends lang&#x017F;am &#x017F;chleichend und lei&#x017F;e ta&#x017F;tend<lb/>
umher. Mit dem Finger oder mit einer Feder berührt, fuhr &#x017F;ie &#x017F;chnell zurück. Sie ver&#x017F;uchte an<lb/>
den Glaswänden in die Höhe zu klettern, was ihr aber nicht gelang und deshalb konnte man<lb/>
ihr Gefängniß offen la&#x017F;&#x017F;en, ohne ihr Entweichen befürchten zu mü&#x017F;&#x017F;en. Moos und Rinde über-<lb/>
&#x017F;pann &#x017F;ie allmälig mit einer Decke &#x017F;einer, weißer Fäden, fertigte für &#x017F;ich aber keine Wohnung.<lb/>
Eine ihr am er&#x017F;ten Tage vorgeworfene Winkel&#x017F;pinne (<hi rendition="#aq">Tegenaria civilis</hi>) zerdrückte &#x017F;ie &#x017F;ofort mit<lb/>
den Kiefern und zehrte &#x017F;ie mit Stumpf und Stiel auf. Einer zweiten erging es nicht be&#x017F;&#x017F;er, von<lb/>
einer Kreuz&#x017F;pinne wurden die Beine und ein Theil des Hinterleibes übrig gela&#x017F;&#x017F;en, eine Schmeiß-<lb/>
fliege und ein Weberknecht wurden von der Mygale nicht gewürdigt, dagegen zehrte &#x017F;ie eine A&#x017F;&#x017F;el<lb/>
(<hi rendition="#aq">Porcellio scaber</hi>) auf. Ueber ein kleines ihr mit Wa&#x017F;&#x017F;er hinge&#x017F;etztes Porzellan&#x017F;chälchen legte &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich mit Bru&#x017F;t und Maul und &#x017F;og de&#x017F;&#x017F;en Jnhalt ein. Am 18. September ward ihr ein Garten-<lb/>
fro&#x017F;ch von 1½ Zoll Länge zuge&#x017F;ellt, an welchem &#x017F;ie &#x017F;ich des Abends, &#x017F;o lange die Beobachtung<lb/>
dauerte, nicht vergriffen hatte, am andern Morgen ward &#x017F;ie aber noch beim Auffre&#x017F;&#x017F;en de&#x017F;&#x017F;elben<lb/>
betroffen, was bereits bis zur Hälfte ge&#x017F;chehen war. Sie zerkaute den Fro&#x017F;ch zu einem Brei und<lb/>
ver&#x017F;chluckte ihn mit Haut und Knochen, letztere gab &#x017F;ie aber in Stücken bis zu drei Linien Länge<lb/>
in ihren Excrementen wieder von &#x017F;ich. Bald nachher wurden zwei junge Wa&#x017F;&#x017F;erfrö&#x017F;che, eine junge<lb/>
Kröte und zwei kleine Tritonen zu ihr in das Glas ge&#x017F;etzt, die jedoch alle unangefochten blieben.<lb/>
Schlimmer erging es einem kleinen, am 5. Oktober der Spinne vorgeworfenen Gartenfro&#x017F;che.<lb/>
Nach wenigen Augenblicken hatte &#x017F;ie ihn zwi&#x017F;chen den Kiefern und deren Klauen gleich am Anfange<lb/>
des Rückens einge&#x017F;chlagen, &#x017F;o daß der Kopf des armen Wichts recht trüb&#x017F;elig vorn unter dem<lb/>
Bauche der Spinne hervor&#x017F;ah. Sie kaute und &#x017F;og daran von Morgens 9 Uhr bis Abends um<lb/>
die&#x017F;elbe Zeit und ließ diesmal Knochen, Hinter&#x017F;chenkel und Eingeweide zurück. Eine kleine, graue<lb/>
Kröte, welche anfangs munter im Gla&#x017F;e umherkroch und &#x017F;ich vergnügt in das mit Wa&#x017F;&#x017F;er gefüllte<lb/>
Schälchen ge&#x017F;etzt hatte, wurde nach einigen Tagen mit angezogenen Beinen und platt einem Rinden-<lb/>
&#x017F;tückchen aufgedrücktem Leibe wie todt angetroffen. Beim Herausnehmen erwies &#x017F;ie &#x017F;ich dort fe&#x017F;tge-<lb/>
&#x017F;ponnen und in Folge einiger Bi&#x017F;&#x017F;e dem Tode nahe. Wenn &#x017F;ich die Spinne &#x017F;att gefre&#x017F;&#x017F;en hatte,<lb/>
&#x017F;treckte &#x017F;ie alle Beine von &#x017F;ich, drückte den Bauch platt auf den Boden und blieb tagelang in die&#x017F;er<lb/>
Stellung liegen, als wäre &#x017F;ie in tiefen Schlaf ver&#x017F;unken. Sie verzehrte noch einen Fro&#x017F;ch, mehrere<lb/>
Küchen&#x017F;chaben, von denen &#x017F;ie die Haut&#x017F;tücke wieder entleerte, und als keine Frö&#x017F;che mehr zu erlangen<lb/>
waren, einige Taubenherzen. Wurde ihr mit der Pincette eine Schabe oder Flei&#x017F;chfliege vor-<lb/>
gehalten, &#x017F;o wich &#x017F;ie nicht mehr zurück, wie anfangs, &#x017F;ondern richtete &#x017F;ich auf, &#x017F;o daß &#x017F;ie fa&#x017F;t auf<lb/>
den Rücken zu liegen kam, &#x017F;perrte die Kieferklauen aus einander und biß auch einige Male nach<lb/>
der Pincette, während &#x017F;ie das Thier dazwi&#x017F;chen nicht anrührte. Sie hatte &#x017F;ich im Januar (1863)<lb/>
die Beugmuskeln der rechten Kieferklaue zerri&#x017F;&#x017F;en, wenig&#x017F;tens &#x017F;tand die&#x017F;e &#x017F;eitdem geradeaus und<lb/>
konnte nicht weiter gebraucht werden. Von die&#x017F;er Zeit an fraß &#x017F;ie auch nicht mehr. Die ihr<lb/>
vorgeworfenen Haus&#x017F;pinnen, welche anfangs vor der Bu&#x017F;ch&#x017F;pinne er&#x017F;chreckt flohen, liefen jetzt ohne<lb/>
Scheu um und über &#x017F;ie hin, ja ein Männchen erkühnte &#x017F;ich &#x017F;ogar, einige Male in eines ihrer<lb/>
ausge&#x017F;treckten Beine zu beißen, &#x017F;prang jedoch jedesmal &#x017F;chnell zurück, was es nicht nöthig gehabt<lb/>
hätte; denn die Bu&#x017F;ch&#x017F;pinne nahm gar keine Notiz davon. Am 13. Juni ward eins von den<lb/>
fünf Jungen eines Grauammerne&#x017F;tes zu die&#x017F;er ge&#x017F;etzt, &#x017F;ie ließ es aber trotz des &#x017F;echsmonatlichen<lb/>
Fa&#x017F;tens unberührt. Alsbald biß ein Weibchen der Haus&#x017F;pinne das Vögelchen in den Nacken und<lb/>
&#x017F;og &#x017F;ich &#x017F;o voll, daß das Blut durch den ange&#x017F;chwollenen Hinterleib durch&#x017F;chimmerte. Als es<lb/>
davon ging, ließ &#x017F;ich in der Vogelhaut eine etwa eine Linie breite Wunde erkennen. Der junge<lb/>
Vogel &#x017F;tarb bald nachher, wie <hi rendition="#g">Menge</hi> meint, wohl weniger in Folge des Bi&#x017F;&#x017F;es, als des Mangels<lb/>
an Wärme und Nahrung. Am 28. Juli lag die Bu&#x017F;ch&#x017F;pinne wie todt auf dem Rücken, am<lb/>
andern Morgen aber zeigte &#x017F;ich eine we&#x017F;entliche Veränderung; der vordere Körpertheil hatte &#x017F;ich<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </body>
      </floatingText>
    </body>
  </text>
</TEI>
[574/0610] Die Spinnenthiere. Echte Spinnen. forſcher herrühren. Die Spinne wurde in ein großes Cylinderglas einquartirt, deſſen Boden vorher mit Baumwolle und Moos und darüber mit Stücken von Fichtenrinde belegt worden war. Sie hielt ſich bei Tage meiſt verborgen und ging des Abends langſam ſchleichend und leiſe taſtend umher. Mit dem Finger oder mit einer Feder berührt, fuhr ſie ſchnell zurück. Sie verſuchte an den Glaswänden in die Höhe zu klettern, was ihr aber nicht gelang und deshalb konnte man ihr Gefängniß offen laſſen, ohne ihr Entweichen befürchten zu müſſen. Moos und Rinde über- ſpann ſie allmälig mit einer Decke ſeiner, weißer Fäden, fertigte für ſich aber keine Wohnung. Eine ihr am erſten Tage vorgeworfene Winkelſpinne (Tegenaria civilis) zerdrückte ſie ſofort mit den Kiefern und zehrte ſie mit Stumpf und Stiel auf. Einer zweiten erging es nicht beſſer, von einer Kreuzſpinne wurden die Beine und ein Theil des Hinterleibes übrig gelaſſen, eine Schmeiß- fliege und ein Weberknecht wurden von der Mygale nicht gewürdigt, dagegen zehrte ſie eine Aſſel (Porcellio scaber) auf. Ueber ein kleines ihr mit Waſſer hingeſetztes Porzellanſchälchen legte ſie ſich mit Bruſt und Maul und ſog deſſen Jnhalt ein. Am 18. September ward ihr ein Garten- froſch von 1½ Zoll Länge zugeſellt, an welchem ſie ſich des Abends, ſo lange die Beobachtung dauerte, nicht vergriffen hatte, am andern Morgen ward ſie aber noch beim Auffreſſen deſſelben betroffen, was bereits bis zur Hälfte geſchehen war. Sie zerkaute den Froſch zu einem Brei und verſchluckte ihn mit Haut und Knochen, letztere gab ſie aber in Stücken bis zu drei Linien Länge in ihren Excrementen wieder von ſich. Bald nachher wurden zwei junge Waſſerfröſche, eine junge Kröte und zwei kleine Tritonen zu ihr in das Glas geſetzt, die jedoch alle unangefochten blieben. Schlimmer erging es einem kleinen, am 5. Oktober der Spinne vorgeworfenen Gartenfroſche. Nach wenigen Augenblicken hatte ſie ihn zwiſchen den Kiefern und deren Klauen gleich am Anfange des Rückens eingeſchlagen, ſo daß der Kopf des armen Wichts recht trübſelig vorn unter dem Bauche der Spinne hervorſah. Sie kaute und ſog daran von Morgens 9 Uhr bis Abends um dieſelbe Zeit und ließ diesmal Knochen, Hinterſchenkel und Eingeweide zurück. Eine kleine, graue Kröte, welche anfangs munter im Glaſe umherkroch und ſich vergnügt in das mit Waſſer gefüllte Schälchen geſetzt hatte, wurde nach einigen Tagen mit angezogenen Beinen und platt einem Rinden- ſtückchen aufgedrücktem Leibe wie todt angetroffen. Beim Herausnehmen erwies ſie ſich dort feſtge- ſponnen und in Folge einiger Biſſe dem Tode nahe. Wenn ſich die Spinne ſatt gefreſſen hatte, ſtreckte ſie alle Beine von ſich, drückte den Bauch platt auf den Boden und blieb tagelang in dieſer Stellung liegen, als wäre ſie in tiefen Schlaf verſunken. Sie verzehrte noch einen Froſch, mehrere Küchenſchaben, von denen ſie die Hautſtücke wieder entleerte, und als keine Fröſche mehr zu erlangen waren, einige Taubenherzen. Wurde ihr mit der Pincette eine Schabe oder Fleiſchfliege vor- gehalten, ſo wich ſie nicht mehr zurück, wie anfangs, ſondern richtete ſich auf, ſo daß ſie faſt auf den Rücken zu liegen kam, ſperrte die Kieferklauen aus einander und biß auch einige Male nach der Pincette, während ſie das Thier dazwiſchen nicht anrührte. Sie hatte ſich im Januar (1863) die Beugmuskeln der rechten Kieferklaue zerriſſen, wenigſtens ſtand dieſe ſeitdem geradeaus und konnte nicht weiter gebraucht werden. Von dieſer Zeit an fraß ſie auch nicht mehr. Die ihr vorgeworfenen Hausſpinnen, welche anfangs vor der Buſchſpinne erſchreckt flohen, liefen jetzt ohne Scheu um und über ſie hin, ja ein Männchen erkühnte ſich ſogar, einige Male in eines ihrer ausgeſtreckten Beine zu beißen, ſprang jedoch jedesmal ſchnell zurück, was es nicht nöthig gehabt hätte; denn die Buſchſpinne nahm gar keine Notiz davon. Am 13. Juni ward eins von den fünf Jungen eines Grauammerneſtes zu dieſer geſetzt, ſie ließ es aber trotz des ſechsmonatlichen Faſtens unberührt. Alsbald biß ein Weibchen der Hausſpinne das Vögelchen in den Nacken und ſog ſich ſo voll, daß das Blut durch den angeſchwollenen Hinterleib durchſchimmerte. Als es davon ging, ließ ſich in der Vogelhaut eine etwa eine Linie breite Wunde erkennen. Der junge Vogel ſtarb bald nachher, wie Menge meint, wohl weniger in Folge des Biſſes, als des Mangels an Wärme und Nahrung. Am 28. Juli lag die Buſchſpinne wie todt auf dem Rücken, am andern Morgen aber zeigte ſich eine weſentliche Veränderung; der vordere Körpertheil hatte ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/610
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 574. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/610>, abgerufen am 23.11.2024.