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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Spinnenthiere. Echte Spinnen. Trichterspinnen.
entdeckt hatte? Als der König alt und schwach geworden war und nichts mehr als den Tod
wünschte, behandelte man ihn schonender. Ost erzählte er dann mit Thränen der Rührung von
der Freundschaft seiner Spinne, von dem Troste, welchen ihre Nähe ihm gebracht, von ihrer
Anhänglichkeit und Klugheit und von dem verzweiflungsvollen Schmerze, den der gefühllose Kerker-
meister durch ihre Tödtung über ihn gebracht habe.

Man hat die Gewebe und besonders die leicht zu habenden der Hausspinnen auch zu medici-
nischen Zwecken benutzt. Werden dieselben auf einem Rohrstuhle oder Drahtsiebe gründlich aus-
geklopft und vom Staube gereinigt, mit einem Wiegemesser fein zerschnitten, mit Butter vermengt
auf Brot gestrichen und in bestimmten Zwischenzeiten genossen, so leisten sie treffliche Dienste gegen
Wechselfieber. Bekannter ist die blutstillende Wirkung der auf Wunden gelegten, natürlich gleich-
falls erst vom Staube befreiten Spinnengewebe. Auch hat man versucht, sie gleich den Seiden-
fäden zu verarbeiten, jedoch wird dieses Rohmaterial, welches von einem Raubthiere stammt, nie
in solchen Mengen zu beschaffen sein, um Vortheil aus dem Jndustriezweige erzielen zu können.

Die gemeine Labyrinthspinne (Agelena labyrinthica) vertritt für offene Waldplätze,
Wiesen und sonnige Bergabhänge, die mit niedern Pflanzen und Gestrüpp bewachsen sind, in ihrer
Lebensweise die Hausspinne. Sie ist noch etwas kräftiger gebaut als diese, (6 bis 10 Linien
lang), von derselben Gestalt, am graugelben Vorderleibe mit zwei schwarzbraunen Längsstreifen
gezeichnet, die nach den Seitenaugen hin spitz auslaufen. Ueber den grau und schwarz gemischten
Hinterleib zieht ein Mittelstreifen grauröthlicher Haare, welcher in einen orangenen Fleck über
den heraustretenden Spinnwarzen endet und an welchen sich seitlich fünf bis sechs von Punkten
ausgehende, geschwungene, schräg nach vorn gerichtete Streifen von gleichfalls grauröthlicher
Behaarung auschließen. Die Hüften und Schenkel sind gelb, die übrigen Glieder der Beine roth-
gelb, an den Spitzen rothbraun, sonst ungefleckt. Die ziemlich gleich großen Augen ordnen sich
wie bei der vorigen Art, nur treten die Scheitelaugen weiter zurück und näher an einander, fast
so nahe wie die Stirnaugen. Weil das Englied der obern Spinnwarzen fast doppelt so lang als
das voraufgehende Glied und emporgerichtet ist, so erscheint das Schwänzchen sehr entwickelt. Das
Endglied der männlichen Taster ist kurz und dick, nicht länger als das dritte Glied, während es
bei Tegenaria beinahe anderthalb Mal länger ist. Die Spinne legt unter Kräutern und niedrigem
Buschwerk, an freien und sonnigen Stellen, wie bereits erwähnt, ein wagerechtes Gewebe als
Hangematte an und läßt es in eine cylindrische, beiderseits offene, mehrfach gekrümmte Röhre,
welche ihre Warte bildet, auslaufen. Dieselbe wird von oben her mit trocknen Blättern verwebt,
um einigen Schutz gegen Regen und die brennenden Sonnenstrahlen zu gewähren. Bei schönem
Wetter durchläuft die Labyrinthspinne öfter die Grenzen ihres Baues, dessen weiter Rand durch
oft fußlange Fäden mit der Umgebung verbunden ist. Sie zeigt sich in ihren Bewegungen ungemein
flink und gierig nach Beute. Jhr Nest verläßt sie so leicht nicht, sondern flickt es immer wieder
aus, sobald es an einer Stelle Schaden erlitten hat. Jm Juli und August erfolgt die Paarung
und zwar in derjenigen Röhre, in welcher sich das Weibchen aufhält. Dieses legt hierauf eine
verhältnißmäßig geringe Anzahl (60 bis 70) großer Eier in einen aus mehreren Schichten
bestehenden Schlauch, dessen Außenseite mit Erdklümpchen und Pflanzenüberresten aus der Umgebung
verwebt ist. Derselbe wird in der Nähe des Nestes aufgehängt und von der Mutter sorgsam
überwacht. -- Die Spinne hat eine weite Verbreitung; denn man findet sie in England, Schweden,
Deutschland, Frankreich, Ungarn und sicher auch in Rußland. Jn ersterem Lande soll nach
Lister's Beobachtungen die Begattung schon im Mai erfolgen und die junge Brut, durch dichte
Fäden geschützt, in Mauerlöchern und hinter Baumrinde überwintern, während nach den in
Frankreich und Deutschland angestellten Beobachtungen sich die Eier in dieser Lage befinden.

Die beiden genannten und noch einige verwandte Gattungen (Hahnia, Textrix u. a.) bilden
die Familie der Trichterspinnen (Tapitelae).



Die Spinnenthiere. Echte Spinnen. Trichterſpinnen.
entdeckt hatte? Als der König alt und ſchwach geworden war und nichts mehr als den Tod
wünſchte, behandelte man ihn ſchonender. Oſt erzählte er dann mit Thränen der Rührung von
der Freundſchaft ſeiner Spinne, von dem Troſte, welchen ihre Nähe ihm gebracht, von ihrer
Anhänglichkeit und Klugheit und von dem verzweiflungsvollen Schmerze, den der gefühlloſe Kerker-
meiſter durch ihre Tödtung über ihn gebracht habe.

Man hat die Gewebe und beſonders die leicht zu habenden der Hausſpinnen auch zu medici-
niſchen Zwecken benutzt. Werden dieſelben auf einem Rohrſtuhle oder Drahtſiebe gründlich aus-
geklopft und vom Staube gereinigt, mit einem Wiegemeſſer fein zerſchnitten, mit Butter vermengt
auf Brot geſtrichen und in beſtimmten Zwiſchenzeiten genoſſen, ſo leiſten ſie treffliche Dienſte gegen
Wechſelfieber. Bekannter iſt die blutſtillende Wirkung der auf Wunden gelegten, natürlich gleich-
falls erſt vom Staube befreiten Spinnengewebe. Auch hat man verſucht, ſie gleich den Seiden-
fäden zu verarbeiten, jedoch wird dieſes Rohmaterial, welches von einem Raubthiere ſtammt, nie
in ſolchen Mengen zu beſchaffen ſein, um Vortheil aus dem Jnduſtriezweige erzielen zu können.

Die gemeine Labyrinthſpinne (Agelena labyrinthica) vertritt für offene Waldplätze,
Wieſen und ſonnige Bergabhänge, die mit niedern Pflanzen und Geſtrüpp bewachſen ſind, in ihrer
Lebensweiſe die Hausſpinne. Sie iſt noch etwas kräftiger gebaut als dieſe, (6 bis 10 Linien
lang), von derſelben Geſtalt, am graugelben Vorderleibe mit zwei ſchwarzbraunen Längsſtreifen
gezeichnet, die nach den Seitenaugen hin ſpitz auslaufen. Ueber den grau und ſchwarz gemiſchten
Hinterleib zieht ein Mittelſtreifen grauröthlicher Haare, welcher in einen orangenen Fleck über
den heraustretenden Spinnwarzen endet und an welchen ſich ſeitlich fünf bis ſechs von Punkten
ausgehende, geſchwungene, ſchräg nach vorn gerichtete Streifen von gleichfalls grauröthlicher
Behaarung auſchließen. Die Hüften und Schenkel ſind gelb, die übrigen Glieder der Beine roth-
gelb, an den Spitzen rothbraun, ſonſt ungefleckt. Die ziemlich gleich großen Augen ordnen ſich
wie bei der vorigen Art, nur treten die Scheitelaugen weiter zurück und näher an einander, faſt
ſo nahe wie die Stirnaugen. Weil das Englied der obern Spinnwarzen faſt doppelt ſo lang als
das voraufgehende Glied und emporgerichtet iſt, ſo erſcheint das Schwänzchen ſehr entwickelt. Das
Endglied der männlichen Taſter iſt kurz und dick, nicht länger als das dritte Glied, während es
bei Tegenaria beinahe anderthalb Mal länger iſt. Die Spinne legt unter Kräutern und niedrigem
Buſchwerk, an freien und ſonnigen Stellen, wie bereits erwähnt, ein wagerechtes Gewebe als
Hangematte an und läßt es in eine cylindriſche, beiderſeits offene, mehrfach gekrümmte Röhre,
welche ihre Warte bildet, auslaufen. Dieſelbe wird von oben her mit trocknen Blättern verwebt,
um einigen Schutz gegen Regen und die brennenden Sonnenſtrahlen zu gewähren. Bei ſchönem
Wetter durchläuft die Labyrinthſpinne öfter die Grenzen ihres Baues, deſſen weiter Rand durch
oft fußlange Fäden mit der Umgebung verbunden iſt. Sie zeigt ſich in ihren Bewegungen ungemein
flink und gierig nach Beute. Jhr Neſt verläßt ſie ſo leicht nicht, ſondern flickt es immer wieder
aus, ſobald es an einer Stelle Schaden erlitten hat. Jm Juli und Auguſt erfolgt die Paarung
und zwar in derjenigen Röhre, in welcher ſich das Weibchen aufhält. Dieſes legt hierauf eine
verhältnißmäßig geringe Anzahl (60 bis 70) großer Eier in einen aus mehreren Schichten
beſtehenden Schlauch, deſſen Außenſeite mit Erdklümpchen und Pflanzenüberreſten aus der Umgebung
verwebt iſt. Derſelbe wird in der Nähe des Neſtes aufgehängt und von der Mutter ſorgſam
überwacht. — Die Spinne hat eine weite Verbreitung; denn man findet ſie in England, Schweden,
Deutſchland, Frankreich, Ungarn und ſicher auch in Rußland. Jn erſterem Lande ſoll nach
Liſter’s Beobachtungen die Begattung ſchon im Mai erfolgen und die junge Brut, durch dichte
Fäden geſchützt, in Mauerlöchern und hinter Baumrinde überwintern, während nach den in
Frankreich und Deutſchland angeſtellten Beobachtungen ſich die Eier in dieſer Lage befinden.

Die beiden genannten und noch einige verwandte Gattungen (Hahnia, Textrix u. a.) bilden
die Familie der Trichterſpinnen (Tapitelae).



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[586/0624] Die Spinnenthiere. Echte Spinnen. Trichterſpinnen. entdeckt hatte? Als der König alt und ſchwach geworden war und nichts mehr als den Tod wünſchte, behandelte man ihn ſchonender. Oſt erzählte er dann mit Thränen der Rührung von der Freundſchaft ſeiner Spinne, von dem Troſte, welchen ihre Nähe ihm gebracht, von ihrer Anhänglichkeit und Klugheit und von dem verzweiflungsvollen Schmerze, den der gefühlloſe Kerker- meiſter durch ihre Tödtung über ihn gebracht habe. Man hat die Gewebe und beſonders die leicht zu habenden der Hausſpinnen auch zu medici- niſchen Zwecken benutzt. Werden dieſelben auf einem Rohrſtuhle oder Drahtſiebe gründlich aus- geklopft und vom Staube gereinigt, mit einem Wiegemeſſer fein zerſchnitten, mit Butter vermengt auf Brot geſtrichen und in beſtimmten Zwiſchenzeiten genoſſen, ſo leiſten ſie treffliche Dienſte gegen Wechſelfieber. Bekannter iſt die blutſtillende Wirkung der auf Wunden gelegten, natürlich gleich- falls erſt vom Staube befreiten Spinnengewebe. Auch hat man verſucht, ſie gleich den Seiden- fäden zu verarbeiten, jedoch wird dieſes Rohmaterial, welches von einem Raubthiere ſtammt, nie in ſolchen Mengen zu beſchaffen ſein, um Vortheil aus dem Jnduſtriezweige erzielen zu können. Die gemeine Labyrinthſpinne (Agelena labyrinthica) vertritt für offene Waldplätze, Wieſen und ſonnige Bergabhänge, die mit niedern Pflanzen und Geſtrüpp bewachſen ſind, in ihrer Lebensweiſe die Hausſpinne. Sie iſt noch etwas kräftiger gebaut als dieſe, (6 bis 10 Linien lang), von derſelben Geſtalt, am graugelben Vorderleibe mit zwei ſchwarzbraunen Längsſtreifen gezeichnet, die nach den Seitenaugen hin ſpitz auslaufen. Ueber den grau und ſchwarz gemiſchten Hinterleib zieht ein Mittelſtreifen grauröthlicher Haare, welcher in einen orangenen Fleck über den heraustretenden Spinnwarzen endet und an welchen ſich ſeitlich fünf bis ſechs von Punkten ausgehende, geſchwungene, ſchräg nach vorn gerichtete Streifen von gleichfalls grauröthlicher Behaarung auſchließen. Die Hüften und Schenkel ſind gelb, die übrigen Glieder der Beine roth- gelb, an den Spitzen rothbraun, ſonſt ungefleckt. Die ziemlich gleich großen Augen ordnen ſich wie bei der vorigen Art, nur treten die Scheitelaugen weiter zurück und näher an einander, faſt ſo nahe wie die Stirnaugen. Weil das Englied der obern Spinnwarzen faſt doppelt ſo lang als das voraufgehende Glied und emporgerichtet iſt, ſo erſcheint das Schwänzchen ſehr entwickelt. Das Endglied der männlichen Taſter iſt kurz und dick, nicht länger als das dritte Glied, während es bei Tegenaria beinahe anderthalb Mal länger iſt. Die Spinne legt unter Kräutern und niedrigem Buſchwerk, an freien und ſonnigen Stellen, wie bereits erwähnt, ein wagerechtes Gewebe als Hangematte an und läßt es in eine cylindriſche, beiderſeits offene, mehrfach gekrümmte Röhre, welche ihre Warte bildet, auslaufen. Dieſelbe wird von oben her mit trocknen Blättern verwebt, um einigen Schutz gegen Regen und die brennenden Sonnenſtrahlen zu gewähren. Bei ſchönem Wetter durchläuft die Labyrinthſpinne öfter die Grenzen ihres Baues, deſſen weiter Rand durch oft fußlange Fäden mit der Umgebung verbunden iſt. Sie zeigt ſich in ihren Bewegungen ungemein flink und gierig nach Beute. Jhr Neſt verläßt ſie ſo leicht nicht, ſondern flickt es immer wieder aus, ſobald es an einer Stelle Schaden erlitten hat. Jm Juli und Auguſt erfolgt die Paarung und zwar in derjenigen Röhre, in welcher ſich das Weibchen aufhält. Dieſes legt hierauf eine verhältnißmäßig geringe Anzahl (60 bis 70) großer Eier in einen aus mehreren Schichten beſtehenden Schlauch, deſſen Außenſeite mit Erdklümpchen und Pflanzenüberreſten aus der Umgebung verwebt iſt. Derſelbe wird in der Nähe des Neſtes aufgehängt und von der Mutter ſorgſam überwacht. — Die Spinne hat eine weite Verbreitung; denn man findet ſie in England, Schweden, Deutſchland, Frankreich, Ungarn und ſicher auch in Rußland. Jn erſterem Lande ſoll nach Liſter’s Beobachtungen die Begattung ſchon im Mai erfolgen und die junge Brut, durch dichte Fäden geſchützt, in Mauerlöchern und hinter Baumrinde überwintern, während nach den in Frankreich und Deutſchland angeſtellten Beobachtungen ſich die Eier in dieſer Lage befinden. Die beiden genannten und noch einige verwandte Gattungen (Hahnia, Textrix u. a.) bilden die Familie der Trichterſpinnen (Tapitelae).

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 586. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/624>, abgerufen am 23.11.2024.