Die Röhrenspinnen (Tubitelae) weben unter Steinen, in Ritzen, Rohrstengeln etc. Röhren von dichter Seide und zeichnen sich durch nur sechs Augen, einen walzigen, auf kurzen, aber starken Beinen ruhenden Körper und eine ein zähnige Vorklaue aus, die weiblichen Taster überdies durch eine ungezähnte Kralle.
Die wenigen hierher gehörigen Arten erkennt man leicht an den angeführten Merkmalen, besonders an den sechs Augen, welche bei der Gattung Segestria von fast gleicher Größe zu vier in einer kaum nach hinten gebogenen Reihe vorn stehen, während die beiden obern die weiter nach außen gerückten Seitenaugen bilden, welche von ihren andern Nachbarn nicht weiter wegrücken als diese von den Stirnaugen; bei Dysdera dagegen ordnen sie sich so, daß man zwei größere Stirnaugen, zwei etwas näher gerückte, bedeutend kleinere Scheitelaugen und jederseits mitten zwischen ihnen ein Seitenauge unterscheiden kann, welches natürlich weiter nach der Seite rückt und die Größe eines Stirnauges hat. Eine der verbreitetsten und gemeinsten Arten ist die Kellerspinne (Segestria senoculata), die unter Steinen, Baumrinde, Moos, in Mauerlöchern und Stroh- dächern lebt und zwar in einer mäßig langen, weißen, beiderseits offenen Röhre, an deren Mündung sie mehrere Fäden nach allen Richtungen zieht als Stein des Anstoßes für herannahende Jnsekten. Am Eingange dieser Röhre hält sie Wacht, die sechs vorderen Beine nach vorn gerichtet und dem Körper angedrückt. Das in den Fangfäden erscheinende Schlachtopfer wird sogleich erfaßt und nach hinten in die Röhre mitgenommen. Die Spinne zeigt sich bei ihren Angriffen kühn und gewandt; denn sie wagt sich an Jnsekten, die ihr an Größe und Kraft überlegen sind und nimmt
[Abbildung]
Die Kellerspinne (Segestria senoculata). Weibchen und Männchen, in der Mitte die Augenansicht von vorn. (Alles vergrößert.)
es selbst mit einer Wespe auf, die von den meisten andern Spinnen nichts zu befürchten hat, vielmehr von ihnen gefürchtet wird. Jn der Mitte des Sommers kriechen die Jungen aus dem ziemlich kugeligen Eiersäckchen aus und halten sich anfangs im Neste der Mutter auf. Die 41/2 bis 5 Linien messende Kellerspinne zeichnet sich durch einen gestreckten Körper aus. Der lang- eiförmige, pechbraun glänzende Vorderleib ist fast doppelt so lang als breit, vorn und hinten abgestutzt, den walzigen, bräunlichgelben Hinterleib ziert ein Haarkleid und auf dem Rücken eine dunkelbraune Zeichnung, bestehend aus einer Längsreihe von sechs oder sieben nach hinten kleiner werdenden Flecken, welche ein Mittelstreifen mit einander verbindet. Die Seiten, der Bauch und die Brust erscheinen durch dunkelbraune Fleckchen gesprenkelt, die Schienen und Fersen mit zwei, die Spitzen der Schenkel mit einem schwarzen Ringe umgürtet. Diese Art fand Herr Baron Walkenaer sehr unempfindlich gegen die Kälte; denn er traf im Januar (1830) ein Jndividuum bereits sehr lebhaft hinter Baumrinde an, obgleich das Thermometer seit acht Tagen 14 Grad unter Null zeigte. Derselbe behauptet übrigens auch, daß hier, wie bei der Wasserspinne das Männchen größer sei als das Weibchen, was von andern Seiten nicht bestätigt wird. -- Zur nächsten Verwandtschaft gehört eine auf Cuba unter Steinen lebende, von Mac Leay als Nops
Die Spinnenthiere. Echte Spinnen. Röhrenſpinnen.
Die Röhrenſpinnen (Tubitelae) weben unter Steinen, in Ritzen, Rohrſtengeln ꝛc. Röhren von dichter Seide und zeichnen ſich durch nur ſechs Augen, einen walzigen, auf kurzen, aber ſtarken Beinen ruhenden Körper und eine ein zähnige Vorklaue aus, die weiblichen Taſter überdies durch eine ungezähnte Kralle.
Die wenigen hierher gehörigen Arten erkennt man leicht an den angeführten Merkmalen, beſonders an den ſechs Augen, welche bei der Gattung Segestria von faſt gleicher Größe zu vier in einer kaum nach hinten gebogenen Reihe vorn ſtehen, während die beiden obern die weiter nach außen gerückten Seitenaugen bilden, welche von ihren andern Nachbarn nicht weiter wegrücken als dieſe von den Stirnaugen; bei Dysdera dagegen ordnen ſie ſich ſo, daß man zwei größere Stirnaugen, zwei etwas näher gerückte, bedeutend kleinere Scheitelaugen und jederſeits mitten zwiſchen ihnen ein Seitenauge unterſcheiden kann, welches natürlich weiter nach der Seite rückt und die Größe eines Stirnauges hat. Eine der verbreitetſten und gemeinſten Arten iſt die Kellerſpinne (Segestria senoculata), die unter Steinen, Baumrinde, Moos, in Mauerlöchern und Stroh- dächern lebt und zwar in einer mäßig langen, weißen, beiderſeits offenen Röhre, an deren Mündung ſie mehrere Fäden nach allen Richtungen zieht als Stein des Anſtoßes für herannahende Jnſekten. Am Eingange dieſer Röhre hält ſie Wacht, die ſechs vorderen Beine nach vorn gerichtet und dem Körper angedrückt. Das in den Fangfäden erſcheinende Schlachtopfer wird ſogleich erfaßt und nach hinten in die Röhre mitgenommen. Die Spinne zeigt ſich bei ihren Angriffen kühn und gewandt; denn ſie wagt ſich an Jnſekten, die ihr an Größe und Kraft überlegen ſind und nimmt
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Die Kellerſpinne (Segestria senoculata). Weibchen und Männchen, in der Mitte die Augenanſicht von vorn. (Alles vergrößert.)
es ſelbſt mit einer Wespe auf, die von den meiſten andern Spinnen nichts zu befürchten hat, vielmehr von ihnen gefürchtet wird. Jn der Mitte des Sommers kriechen die Jungen aus dem ziemlich kugeligen Eierſäckchen aus und halten ſich anfangs im Neſte der Mutter auf. Die 4½ bis 5 Linien meſſende Kellerſpinne zeichnet ſich durch einen geſtreckten Körper aus. Der lang- eiförmige, pechbraun glänzende Vorderleib iſt faſt doppelt ſo lang als breit, vorn und hinten abgeſtutzt, den walzigen, bräunlichgelben Hinterleib ziert ein Haarkleid und auf dem Rücken eine dunkelbraune Zeichnung, beſtehend aus einer Längsreihe von ſechs oder ſieben nach hinten kleiner werdenden Flecken, welche ein Mittelſtreifen mit einander verbindet. Die Seiten, der Bauch und die Bruſt erſcheinen durch dunkelbraune Fleckchen geſprenkelt, die Schienen und Ferſen mit zwei, die Spitzen der Schenkel mit einem ſchwarzen Ringe umgürtet. Dieſe Art fand Herr Baron Walkenaer ſehr unempfindlich gegen die Kälte; denn er traf im Januar (1830) ein Jndividuum bereits ſehr lebhaft hinter Baumrinde an, obgleich das Thermometer ſeit acht Tagen 14 Grad unter Null zeigte. Derſelbe behauptet übrigens auch, daß hier, wie bei der Waſſerſpinne das Männchen größer ſei als das Weibchen, was von andern Seiten nicht beſtätigt wird. — Zur nächſten Verwandtſchaft gehört eine auf Cuba unter Steinen lebende, von Mac Leay als Nops
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Die Spinnenthiere. Echte Spinnen. Röhrenſpinnen.
Die Röhrenſpinnen (Tubitelae) weben unter Steinen, in Ritzen, Rohrſtengeln ꝛc.
Röhren von dichter Seide und zeichnen ſich durch nur ſechs Augen, einen walzigen, auf kurzen,
aber ſtarken Beinen ruhenden Körper und eine ein zähnige Vorklaue aus, die weiblichen Taſter
überdies durch eine ungezähnte Kralle.
Die wenigen hierher gehörigen Arten erkennt man leicht an den angeführten Merkmalen, beſonders
an den ſechs Augen, welche bei der Gattung Segestria von faſt gleicher Größe zu vier in einer
kaum nach hinten gebogenen Reihe vorn ſtehen, während die beiden obern die weiter nach außen
gerückten Seitenaugen bilden, welche von ihren andern Nachbarn nicht weiter wegrücken als dieſe
von den Stirnaugen; bei Dysdera dagegen ordnen ſie ſich ſo, daß man zwei größere Stirnaugen,
zwei etwas näher gerückte, bedeutend kleinere Scheitelaugen und jederſeits mitten zwiſchen ihnen
ein Seitenauge unterſcheiden kann, welches natürlich weiter nach der Seite rückt und die Größe
eines Stirnauges hat. Eine der verbreitetſten und gemeinſten Arten iſt die Kellerſpinne
(Segestria senoculata), die unter Steinen, Baumrinde, Moos, in Mauerlöchern und Stroh-
dächern lebt und zwar in einer mäßig langen, weißen, beiderſeits offenen Röhre, an deren
Mündung ſie mehrere Fäden nach allen Richtungen zieht als Stein des Anſtoßes für herannahende
Jnſekten. Am Eingange dieſer Röhre hält ſie Wacht, die ſechs vorderen Beine nach vorn gerichtet
und dem Körper angedrückt. Das in den Fangfäden erſcheinende Schlachtopfer wird ſogleich erfaßt
und nach hinten in die Röhre mitgenommen. Die Spinne zeigt ſich bei ihren Angriffen kühn und
gewandt; denn ſie wagt ſich an Jnſekten, die ihr an Größe und Kraft überlegen ſind und nimmt
[Abbildung Die Kellerſpinne (Segestria senoculata). Weibchen und Männchen, in der Mitte die Augenanſicht von vorn. (Alles vergrößert.)]
es ſelbſt mit einer Wespe auf, die von den meiſten andern Spinnen nichts zu befürchten hat,
vielmehr von ihnen gefürchtet wird. Jn der Mitte des Sommers kriechen die Jungen aus dem
ziemlich kugeligen Eierſäckchen aus und halten ſich anfangs im Neſte der Mutter auf. Die 4½
bis 5 Linien meſſende Kellerſpinne zeichnet ſich durch einen geſtreckten Körper aus. Der lang-
eiförmige, pechbraun glänzende Vorderleib iſt faſt doppelt ſo lang als breit, vorn und hinten
abgeſtutzt, den walzigen, bräunlichgelben Hinterleib ziert ein Haarkleid und auf dem Rücken eine
dunkelbraune Zeichnung, beſtehend aus einer Längsreihe von ſechs oder ſieben nach hinten kleiner
werdenden Flecken, welche ein Mittelſtreifen mit einander verbindet. Die Seiten, der Bauch und
die Bruſt erſcheinen durch dunkelbraune Fleckchen geſprenkelt, die Schienen und Ferſen mit zwei,
die Spitzen der Schenkel mit einem ſchwarzen Ringe umgürtet. Dieſe Art fand Herr Baron
Walkenaer ſehr unempfindlich gegen die Kälte; denn er traf im Januar (1830) ein Jndividuum
bereits ſehr lebhaft hinter Baumrinde an, obgleich das Thermometer ſeit acht Tagen 14 Grad
unter Null zeigte. Derſelbe behauptet übrigens auch, daß hier, wie bei der Waſſerſpinne das
Männchen größer ſei als das Weibchen, was von andern Seiten nicht beſtätigt wird. — Zur
nächſten Verwandtſchaft gehört eine auf Cuba unter Steinen lebende, von Mac Leay als Nops
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 590. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/628>, abgerufen am 23.11.2024.
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