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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Spinnenthiere. Echte Spinnen. Wolfsspinnen.
dieses wird dadurch allnächtlich von Feuchtigkeit durchdrungen und will nicht trocknen. Hierdurch
werden die sonst im Dienste des Landwirths stehenden Spinnen, dessen Feldfrüchte sie von manchem
schädlichen Jnsekt befreien, stellenweise recht lästig und unangenehm. Jm Frühjahre, wenn die
Spinnen ihre Winterquartiere verlassen, wiederholt sich diese Erscheinung als "Mädchensommer"
von Neuem, aber in weit beschränkterem Maße und zwar nicht nur bei uns zu Lande, sondern
auch in Paraguay, wo es Rengger beobachtete, und gewiß auch anderwärts.



Mehr Luftschiffer als die Krabbenspinnen liefert die nun folgende Familie der Wolfs-
spinnen
(Lycosides), welche gleichzeitig durch die ansehnliche Größe einzelner ihrer robusten
Arten für unsere gemäßigten Gegenden die Buschspinnen der Tropen vertritt. Die Wolfsspinnen,
um die neuerdings vielfach aufgelöste Gattung Lycosa sich schaarend, sind auf der ganzen Erde
verbreitet und durch ihre äußere Erscheinung, ihre Größe, die Schnelligkeit ihres Laufes, welche
die langen Beine bedingen, die Wildheit ihrer Bewegungen, das plötzliche und unerwartete
Hervorstürzen unter einem aufgehobenen Steine oder aus einem andern Schlupfwinkel, in welchem
sie gestört wurden, mehr als die meisten andern Spinnen dazu angethan, ein Vorurtheil und
einen geheimen Abschen gegen das ganze Spinnenvolk zu erwecken. Dr. Fritsch erwähnt gelegentlich
eine nicht näher bezeichnete Art aus Südafrika, deren Hinterleib die Größe einer starken Haselnuß
und deren mittlere Beine eine Spannweite von etwa 6 Zoll erreichen. Die Gefahr, von ihr
gebissen zu werden, sei größer als bei den Buschspinnen, weil sie sich als wenig erfreulicher
Stubengenosse gern in Häusern einfinde. Es sei selbst für den Naturfreund kein eben angenehmes
Gefühl, wenn er des Abends ruhig im Zimmer sitze und, sich nach einem eigenthümlichen Rascheln
umwendend, ein solches Ungethüm an den steifen Vorhängen herabspaziren sehe. Viele Wolfs-
spinnen leben in Erdlöchern, deren Wände sie mit einem Gespinnst austapeziren. Als ich vor
einigen Jahren im Herbst unter einem verkommenen Eichenbüschchen das trockne Laub nach
Jnsekten durchsuchte, welche möglichenfalls daselbst ihr Winterquartier bezogen hatten, kam mir
das Ende einer Gespinnströhre zwischen die Finger. Jch zog daran und merkte dabei, daß sie in
ziemlich senkrechter Richtung in das lockere, zum Theil von Mäusen durchwühlte Erdreich hinabging.
Schließlich hatte ich eine darmartige, von außen durch die anhaftenden Erdklümpchen rauhe und
schmutzige Röhre von nicht gleichem Durchmesser und einer Länge in den Händen, welche mich

[Abbildung] Eiersäckchen einer
Wolfsspinne.
in Staunen setzte. Da ich am obersten Ende gezogen hatte, riß sie weiter
unten entzwei; daß mir aber der ganze Bau vorlag, dafür gab das hinten
durch eine Rundung geschlossene Ende Gewißheit. Dieses Rohr, oder bezeich-
nender dieser Darm, maß 13 Zoll und in der stärksten Erweiterung, welche
sich in der obern Hälfte befand, 10 Linien; wie schon erwähnt, richten sich
die Unregelmäßigkeiten im Querdurchmesser nach den Wänden des Erd-
kanals. Ein aufgeschlitztes Stück zeigte im Jnnern die feinste, dichteste
Seidenweberei. Von der Weberin erblickte ich aber nichts, vermag daher auch
nicht anzugeben, welcher Art sie angehört. Die Einen tragen ihr Eiersäckchen
am Bauche mit sich umher oder sitzen wie brütend über ihm, andere hängen
dasselbe, zierlichen Früchten vergleichbar, an Kiefernnadeln oder niedere
Pflanzen in der Weise, wie die beigegebene Abbildung vergegenwärtigt, noch andere thun dies in
ähnlicher Weise, aber das Nestchen erscheint weniger regelmäßig und durch anhaftenden Lehm
oder Sand nicht in so glänzend weißer Farbe.

Einige recht augenfällige Merkmale lassen die Wolfsspinne als solche erkennen. Der Vorder-
leib verschmälert sich stark nach vorn und erhebt sich längs seiner Mitte in Form eines stumpfen

Die Spinnenthiere. Echte Spinnen. Wolfsſpinnen.
dieſes wird dadurch allnächtlich von Feuchtigkeit durchdrungen und will nicht trocknen. Hierdurch
werden die ſonſt im Dienſte des Landwirths ſtehenden Spinnen, deſſen Feldfrüchte ſie von manchem
ſchädlichen Jnſekt befreien, ſtellenweiſe recht läſtig und unangenehm. Jm Frühjahre, wenn die
Spinnen ihre Winterquartiere verlaſſen, wiederholt ſich dieſe Erſcheinung als „Mädchenſommer“
von Neuem, aber in weit beſchränkterem Maße und zwar nicht nur bei uns zu Lande, ſondern
auch in Paraguay, wo es Rengger beobachtete, und gewiß auch anderwärts.



Mehr Luftſchiffer als die Krabbenſpinnen liefert die nun folgende Familie der Wolfs-
ſpinnen
(Lycosides), welche gleichzeitig durch die anſehnliche Größe einzelner ihrer robuſten
Arten für unſere gemäßigten Gegenden die Buſchſpinnen der Tropen vertritt. Die Wolfsſpinnen,
um die neuerdings vielfach aufgelöſte Gattung Lycosa ſich ſchaarend, ſind auf der ganzen Erde
verbreitet und durch ihre äußere Erſcheinung, ihre Größe, die Schnelligkeit ihres Laufes, welche
die langen Beine bedingen, die Wildheit ihrer Bewegungen, das plötzliche und unerwartete
Hervorſtürzen unter einem aufgehobenen Steine oder aus einem andern Schlupfwinkel, in welchem
ſie geſtört wurden, mehr als die meiſten andern Spinnen dazu angethan, ein Vorurtheil und
einen geheimen Abſchen gegen das ganze Spinnenvolk zu erwecken. Dr. Fritſch erwähnt gelegentlich
eine nicht näher bezeichnete Art aus Südafrika, deren Hinterleib die Größe einer ſtarken Haſelnuß
und deren mittlere Beine eine Spannweite von etwa 6 Zoll erreichen. Die Gefahr, von ihr
gebiſſen zu werden, ſei größer als bei den Buſchſpinnen, weil ſie ſich als wenig erfreulicher
Stubengenoſſe gern in Häuſern einfinde. Es ſei ſelbſt für den Naturfreund kein eben angenehmes
Gefühl, wenn er des Abends ruhig im Zimmer ſitze und, ſich nach einem eigenthümlichen Raſcheln
umwendend, ein ſolches Ungethüm an den ſteifen Vorhängen herabſpaziren ſehe. Viele Wolfs-
ſpinnen leben in Erdlöchern, deren Wände ſie mit einem Geſpinnſt austapeziren. Als ich vor
einigen Jahren im Herbſt unter einem verkommenen Eichenbüſchchen das trockne Laub nach
Jnſekten durchſuchte, welche möglichenfalls daſelbſt ihr Winterquartier bezogen hatten, kam mir
das Ende einer Geſpinnſtröhre zwiſchen die Finger. Jch zog daran und merkte dabei, daß ſie in
ziemlich ſenkrechter Richtung in das lockere, zum Theil von Mäuſen durchwühlte Erdreich hinabging.
Schließlich hatte ich eine darmartige, von außen durch die anhaftenden Erdklümpchen rauhe und
ſchmutzige Röhre von nicht gleichem Durchmeſſer und einer Länge in den Händen, welche mich

[Abbildung] Eierſäckchen einer
Wolfsſpinne.
in Staunen ſetzte. Da ich am oberſten Ende gezogen hatte, riß ſie weiter
unten entzwei; daß mir aber der ganze Bau vorlag, dafür gab das hinten
durch eine Rundung geſchloſſene Ende Gewißheit. Dieſes Rohr, oder bezeich-
nender dieſer Darm, maß 13 Zoll und in der ſtärkſten Erweiterung, welche
ſich in der obern Hälfte befand, 10 Linien; wie ſchon erwähnt, richten ſich
die Unregelmäßigkeiten im Querdurchmeſſer nach den Wänden des Erd-
kanals. Ein aufgeſchlitztes Stück zeigte im Jnnern die feinſte, dichteſte
Seidenweberei. Von der Weberin erblickte ich aber nichts, vermag daher auch
nicht anzugeben, welcher Art ſie angehört. Die Einen tragen ihr Eierſäckchen
am Bauche mit ſich umher oder ſitzen wie brütend über ihm, andere hängen
daſſelbe, zierlichen Früchten vergleichbar, an Kiefernnadeln oder niedere
Pflanzen in der Weiſe, wie die beigegebene Abbildung vergegenwärtigt, noch andere thun dies in
ähnlicher Weiſe, aber das Neſtchen erſcheint weniger regelmäßig und durch anhaftenden Lehm
oder Sand nicht in ſo glänzend weißer Farbe.

Einige recht augenfällige Merkmale laſſen die Wolfsſpinne als ſolche erkennen. Der Vorder-
leib verſchmälert ſich ſtark nach vorn und erhebt ſich längs ſeiner Mitte in Form eines ſtumpfen

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[594/0632] Die Spinnenthiere. Echte Spinnen. Wolfsſpinnen. dieſes wird dadurch allnächtlich von Feuchtigkeit durchdrungen und will nicht trocknen. Hierdurch werden die ſonſt im Dienſte des Landwirths ſtehenden Spinnen, deſſen Feldfrüchte ſie von manchem ſchädlichen Jnſekt befreien, ſtellenweiſe recht läſtig und unangenehm. Jm Frühjahre, wenn die Spinnen ihre Winterquartiere verlaſſen, wiederholt ſich dieſe Erſcheinung als „Mädchenſommer“ von Neuem, aber in weit beſchränkterem Maße und zwar nicht nur bei uns zu Lande, ſondern auch in Paraguay, wo es Rengger beobachtete, und gewiß auch anderwärts. Mehr Luftſchiffer als die Krabbenſpinnen liefert die nun folgende Familie der Wolfs- ſpinnen (Lycosides), welche gleichzeitig durch die anſehnliche Größe einzelner ihrer robuſten Arten für unſere gemäßigten Gegenden die Buſchſpinnen der Tropen vertritt. Die Wolfsſpinnen, um die neuerdings vielfach aufgelöſte Gattung Lycosa ſich ſchaarend, ſind auf der ganzen Erde verbreitet und durch ihre äußere Erſcheinung, ihre Größe, die Schnelligkeit ihres Laufes, welche die langen Beine bedingen, die Wildheit ihrer Bewegungen, das plötzliche und unerwartete Hervorſtürzen unter einem aufgehobenen Steine oder aus einem andern Schlupfwinkel, in welchem ſie geſtört wurden, mehr als die meiſten andern Spinnen dazu angethan, ein Vorurtheil und einen geheimen Abſchen gegen das ganze Spinnenvolk zu erwecken. Dr. Fritſch erwähnt gelegentlich eine nicht näher bezeichnete Art aus Südafrika, deren Hinterleib die Größe einer ſtarken Haſelnuß und deren mittlere Beine eine Spannweite von etwa 6 Zoll erreichen. Die Gefahr, von ihr gebiſſen zu werden, ſei größer als bei den Buſchſpinnen, weil ſie ſich als wenig erfreulicher Stubengenoſſe gern in Häuſern einfinde. Es ſei ſelbſt für den Naturfreund kein eben angenehmes Gefühl, wenn er des Abends ruhig im Zimmer ſitze und, ſich nach einem eigenthümlichen Raſcheln umwendend, ein ſolches Ungethüm an den ſteifen Vorhängen herabſpaziren ſehe. Viele Wolfs- ſpinnen leben in Erdlöchern, deren Wände ſie mit einem Geſpinnſt austapeziren. Als ich vor einigen Jahren im Herbſt unter einem verkommenen Eichenbüſchchen das trockne Laub nach Jnſekten durchſuchte, welche möglichenfalls daſelbſt ihr Winterquartier bezogen hatten, kam mir das Ende einer Geſpinnſtröhre zwiſchen die Finger. Jch zog daran und merkte dabei, daß ſie in ziemlich ſenkrechter Richtung in das lockere, zum Theil von Mäuſen durchwühlte Erdreich hinabging. Schließlich hatte ich eine darmartige, von außen durch die anhaftenden Erdklümpchen rauhe und ſchmutzige Röhre von nicht gleichem Durchmeſſer und einer Länge in den Händen, welche mich [Abbildung Eierſäckchen einer Wolfsſpinne.] in Staunen ſetzte. Da ich am oberſten Ende gezogen hatte, riß ſie weiter unten entzwei; daß mir aber der ganze Bau vorlag, dafür gab das hinten durch eine Rundung geſchloſſene Ende Gewißheit. Dieſes Rohr, oder bezeich- nender dieſer Darm, maß 13 Zoll und in der ſtärkſten Erweiterung, welche ſich in der obern Hälfte befand, 10 Linien; wie ſchon erwähnt, richten ſich die Unregelmäßigkeiten im Querdurchmeſſer nach den Wänden des Erd- kanals. Ein aufgeſchlitztes Stück zeigte im Jnnern die feinſte, dichteſte Seidenweberei. Von der Weberin erblickte ich aber nichts, vermag daher auch nicht anzugeben, welcher Art ſie angehört. Die Einen tragen ihr Eierſäckchen am Bauche mit ſich umher oder ſitzen wie brütend über ihm, andere hängen daſſelbe, zierlichen Früchten vergleichbar, an Kiefernnadeln oder niedere Pflanzen in der Weiſe, wie die beigegebene Abbildung vergegenwärtigt, noch andere thun dies in ähnlicher Weiſe, aber das Neſtchen erſcheint weniger regelmäßig und durch anhaftenden Lehm oder Sand nicht in ſo glänzend weißer Farbe. Einige recht augenfällige Merkmale laſſen die Wolfsſpinne als ſolche erkennen. Der Vorder- leib verſchmälert ſich ſtark nach vorn und erhebt ſich längs ſeiner Mitte in Form eines ſtumpfen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 594. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/632>, abgerufen am 23.11.2024.