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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Apulische Tarantel.
Augen. Die Stellung aller gleicht sehr der der vorigen Gattung, nur mit dem Unterschiede,
daß die hintersten einander und den vorderen beiden großen Augen etwas näher stehen als dort.
Die Füße tragen eine ungezähnte Vorkralle. Meist drei helle Längsbänder auf dem Vorderleibe,
dunkle, oft verwischte, einander folgende Mondfleckchen oder ein kegel- oder spindelförmiger,
dunkler Längsfleck statt ihrer zwischen den staubig verdunkelten Seiten des Hinterleibes, so wie oft
ein schwarzer Bauch und meist unten am Schienbeine dunkle Halbringe bilden die charakteristischen
Zeichnungen. Das Weibchen befestigt sein kleines, kugelrundes Eicocon an den Spinnwarzen.
Die Taranteln lieben trockne, sonnige Stellen. Die hier abgebildete Art: die apulische Tarantel
(Tarantula Apuliae, höchstwahr-
[Abbildung] Männchen der apulischen Tarantel (Tarantula Apuliae).
scheinlich Aranea tarantula Lin-
ne's), lebt nicht nur in Apulien,
häufig um Neapel und Tarent,
sondern auch in andern Theilen
Jtaliens, in Spanien und Por-
tugal, mißt im weiblichen Ge-
schlecht bis 17 Linien, ist rehfarben,
auf dem Hinterleibe mit einigen
schwarzen, röthlichweiß eingefaß-
ten Querstrichen und am Bauche
mit einer schwarzen Mittel-
binde
gezeichnet. Die lichten
Stellen des schwarzen Vorder-
leibes haben gleichfalls eine röth-
liche Färbung. Diese Spinne
gräbt sich an sonnigen, unbebaue-
ten Hängen ein Loch in die Erde,
befestigt den Zugang durch ver-
webte, trockne Pflanzen, so daß
er als kleiner Wall sich etwas über den Boden erhebt und kittet das Jnnere durch ein Binde-
mittel aus, welches durch die Sonnenwärme steinhart wird. Die abschüssige Lage und der
umgebende Wall schützt die Wohnung vor Nässe und vor dem Hineinfallen fremdartiger Gegen-
stände. Am Tage verläßt sie die Spinne so leicht nicht, sondern nur nach Sonnenuntergang
legt sie sich am Eingange auf die Lauer und mit anbrechender Nacht schweift sie in der nächsten
Umgebung nach Beute umher; hat sie ein Jnsekt erhascht, so schleppt sie es heim, verzehrt es in
Ruhe und wirft die ungenießbaren Theile heraus, welche manchmal den Eingang umsäumen.
Mehrere Schriftsteller erzählen, daß sich die Spinnen auch am Tage hervorlocken lassen, wenn
man mit einem Rohrhalme in das Loch hinein blase in einer das Summen der Biene nach-
ahmenden Weise, was die apulischen Landleute sehr gut verstehen. Vom Oktober bis zum Früh-
jahre findet man die Wohnungen der Taranteln zum Schutz gegen die rauhe Jahreszeit mit
einem Ballen von allerlei trocknen und durch Gespinnstfäden verbundenen Pflanzentheilen verstopft.
Zu Ende ihrer winterlichen Erstarrung kann es geschehen, daß der Landmann bei Bearbeitung
eines länger brachgelegenen Stück Landes manche Tarantelwohnung umstürzt und zerstört. Dann
aber zeigt sich die Spinne, weit davon entfernt zu beißen, wie erstarrt oder schlafend und unglück-
lich darüber, das Licht erblicken zu müssen; ihr Schritt ist unsicher und schwankend; sie scheint
nicht mehr zu wissen, wohin sie sich zurückziehen und fliehen soll und man hat nach Valetta's
Behauptung kein Beispiel, daß im Herbst, Winter oder Frühjahr die Tarantel je einen Menschen
gebissen habe. Rossi giebt den Eiersack, den sie, wie bereits erwähnt, an der Hinterleibsspitze
mit sich herumträgt, als weiß und zweimal so groß wie eine Haselnuß an; er enthält zwischen

Apuliſche Tarantel.
Augen. Die Stellung aller gleicht ſehr der der vorigen Gattung, nur mit dem Unterſchiede,
daß die hinterſten einander und den vorderen beiden großen Augen etwas näher ſtehen als dort.
Die Füße tragen eine ungezähnte Vorkralle. Meiſt drei helle Längsbänder auf dem Vorderleibe,
dunkle, oft verwiſchte, einander folgende Mondfleckchen oder ein kegel- oder ſpindelförmiger,
dunkler Längsfleck ſtatt ihrer zwiſchen den ſtaubig verdunkelten Seiten des Hinterleibes, ſo wie oft
ein ſchwarzer Bauch und meiſt unten am Schienbeine dunkle Halbringe bilden die charakteriſtiſchen
Zeichnungen. Das Weibchen befeſtigt ſein kleines, kugelrundes Eicocon an den Spinnwarzen.
Die Taranteln lieben trockne, ſonnige Stellen. Die hier abgebildete Art: die apuliſche Tarantel
(Tarantula Apuliae, höchſtwahr-
[Abbildung] Männchen der apuliſchen Tarantel (Tarantula Apuliae).
ſcheinlich Aranea tarantula Lin-
né’s), lebt nicht nur in Apulien,
häufig um Neapel und Tarent,
ſondern auch in andern Theilen
Jtaliens, in Spanien und Por-
tugal, mißt im weiblichen Ge-
ſchlecht bis 17 Linien, iſt rehfarben,
auf dem Hinterleibe mit einigen
ſchwarzen, röthlichweiß eingefaß-
ten Querſtrichen und am Bauche
mit einer ſchwarzen Mittel-
binde
gezeichnet. Die lichten
Stellen des ſchwarzen Vorder-
leibes haben gleichfalls eine röth-
liche Färbung. Dieſe Spinne
gräbt ſich an ſonnigen, unbebaue-
ten Hängen ein Loch in die Erde,
befeſtigt den Zugang durch ver-
webte, trockne Pflanzen, ſo daß
er als kleiner Wall ſich etwas über den Boden erhebt und kittet das Jnnere durch ein Binde-
mittel aus, welches durch die Sonnenwärme ſteinhart wird. Die abſchüſſige Lage und der
umgebende Wall ſchützt die Wohnung vor Näſſe und vor dem Hineinfallen fremdartiger Gegen-
ſtände. Am Tage verläßt ſie die Spinne ſo leicht nicht, ſondern nur nach Sonnenuntergang
legt ſie ſich am Eingange auf die Lauer und mit anbrechender Nacht ſchweift ſie in der nächſten
Umgebung nach Beute umher; hat ſie ein Jnſekt erhaſcht, ſo ſchleppt ſie es heim, verzehrt es in
Ruhe und wirft die ungenießbaren Theile heraus, welche manchmal den Eingang umſäumen.
Mehrere Schriftſteller erzählen, daß ſich die Spinnen auch am Tage hervorlocken laſſen, wenn
man mit einem Rohrhalme in das Loch hinein blaſe in einer das Summen der Biene nach-
ahmenden Weiſe, was die apuliſchen Landleute ſehr gut verſtehen. Vom Oktober bis zum Früh-
jahre findet man die Wohnungen der Taranteln zum Schutz gegen die rauhe Jahreszeit mit
einem Ballen von allerlei trocknen und durch Geſpinnſtfäden verbundenen Pflanzentheilen verſtopft.
Zu Ende ihrer winterlichen Erſtarrung kann es geſchehen, daß der Landmann bei Bearbeitung
eines länger brachgelegenen Stück Landes manche Tarantelwohnung umſtürzt und zerſtört. Dann
aber zeigt ſich die Spinne, weit davon entfernt zu beißen, wie erſtarrt oder ſchlafend und unglück-
lich darüber, das Licht erblicken zu müſſen; ihr Schritt iſt unſicher und ſchwankend; ſie ſcheint
nicht mehr zu wiſſen, wohin ſie ſich zurückziehen und fliehen ſoll und man hat nach Valetta’s
Behauptung kein Beiſpiel, daß im Herbſt, Winter oder Frühjahr die Tarantel je einen Menſchen
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[597/0635] Apuliſche Tarantel. Augen. Die Stellung aller gleicht ſehr der der vorigen Gattung, nur mit dem Unterſchiede, daß die hinterſten einander und den vorderen beiden großen Augen etwas näher ſtehen als dort. Die Füße tragen eine ungezähnte Vorkralle. Meiſt drei helle Längsbänder auf dem Vorderleibe, dunkle, oft verwiſchte, einander folgende Mondfleckchen oder ein kegel- oder ſpindelförmiger, dunkler Längsfleck ſtatt ihrer zwiſchen den ſtaubig verdunkelten Seiten des Hinterleibes, ſo wie oft ein ſchwarzer Bauch und meiſt unten am Schienbeine dunkle Halbringe bilden die charakteriſtiſchen Zeichnungen. Das Weibchen befeſtigt ſein kleines, kugelrundes Eicocon an den Spinnwarzen. Die Taranteln lieben trockne, ſonnige Stellen. Die hier abgebildete Art: die apuliſche Tarantel (Tarantula Apuliae, höchſtwahr- [Abbildung Männchen der apuliſchen Tarantel (Tarantula Apuliae).] ſcheinlich Aranea tarantula Lin- né’s), lebt nicht nur in Apulien, häufig um Neapel und Tarent, ſondern auch in andern Theilen Jtaliens, in Spanien und Por- tugal, mißt im weiblichen Ge- ſchlecht bis 17 Linien, iſt rehfarben, auf dem Hinterleibe mit einigen ſchwarzen, röthlichweiß eingefaß- ten Querſtrichen und am Bauche mit einer ſchwarzen Mittel- binde gezeichnet. Die lichten Stellen des ſchwarzen Vorder- leibes haben gleichfalls eine röth- liche Färbung. Dieſe Spinne gräbt ſich an ſonnigen, unbebaue- ten Hängen ein Loch in die Erde, befeſtigt den Zugang durch ver- webte, trockne Pflanzen, ſo daß er als kleiner Wall ſich etwas über den Boden erhebt und kittet das Jnnere durch ein Binde- mittel aus, welches durch die Sonnenwärme ſteinhart wird. Die abſchüſſige Lage und der umgebende Wall ſchützt die Wohnung vor Näſſe und vor dem Hineinfallen fremdartiger Gegen- ſtände. Am Tage verläßt ſie die Spinne ſo leicht nicht, ſondern nur nach Sonnenuntergang legt ſie ſich am Eingange auf die Lauer und mit anbrechender Nacht ſchweift ſie in der nächſten Umgebung nach Beute umher; hat ſie ein Jnſekt erhaſcht, ſo ſchleppt ſie es heim, verzehrt es in Ruhe und wirft die ungenießbaren Theile heraus, welche manchmal den Eingang umſäumen. Mehrere Schriftſteller erzählen, daß ſich die Spinnen auch am Tage hervorlocken laſſen, wenn man mit einem Rohrhalme in das Loch hinein blaſe in einer das Summen der Biene nach- ahmenden Weiſe, was die apuliſchen Landleute ſehr gut verſtehen. Vom Oktober bis zum Früh- jahre findet man die Wohnungen der Taranteln zum Schutz gegen die rauhe Jahreszeit mit einem Ballen von allerlei trocknen und durch Geſpinnſtfäden verbundenen Pflanzentheilen verſtopft. Zu Ende ihrer winterlichen Erſtarrung kann es geſchehen, daß der Landmann bei Bearbeitung eines länger brachgelegenen Stück Landes manche Tarantelwohnung umſtürzt und zerſtört. Dann aber zeigt ſich die Spinne, weit davon entfernt zu beißen, wie erſtarrt oder ſchlafend und unglück- lich darüber, das Licht erblicken zu müſſen; ihr Schritt iſt unſicher und ſchwankend; ſie ſcheint nicht mehr zu wiſſen, wohin ſie ſich zurückziehen und fliehen ſoll und man hat nach Valetta’s Behauptung kein Beiſpiel, daß im Herbſt, Winter oder Frühjahr die Tarantel je einen Menſchen gebiſſen habe. Roſſi giebt den Eierſack, den ſie, wie bereits erwähnt, an der Hinterleibsſpitze mit ſich herumträgt, als weiß und zweimal ſo groß wie eine Haſelnuß an; er enthält zwiſchen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 597. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/635>, abgerufen am 23.11.2024.