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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Spinnenthiere. Echte Spinnen. Springspinnen.
sechs- und siebenhundert weiße Eier von der Größe eines Hirsekorns. Diese schlüpfen im August
und September aus; die Jungen besteigen abwechselnd den Rücken der Mutter und krabbeln
daselbst umher, bis sie selbstständiger werden und sich zerstreuen. Jn dieser, wie in vielen andern
Beziehungen zeigt mithin die gefürchtete Tarantel dieselben Erscheinungen, wie die vielen Gat-
tungsgenossen in jenen Gegenden, im mittlern und nördlichen Europa, und ist dem Menschen so
wenig gefährlich, wie diese.

Derselben Familie, wenn auch andern Gattungen, gehört sicher ein Theil der abenteuerlichen
Spinnen an, von denen uns Reisende in heißen Ländern erzählen, und die durch hornartige
Höcker, blasige Austreibungen, Auswüchse, Erweiterungen der Beine so unkenntlich geworden
sind, daß ein scharfes Auge dazu gehört, sie als Spinnen zu erkennen. Die Thiere suchen auch
aus ihrem maskirten Wesen die möglichsten Vortheile zu ziehen: als unförmliche Klumpen zusammen-
gekauert, liegen sie in einem Astwinkel, in einer Spalte der Rinde oder an einem ähnlichen Orte
auf der Lauer bis die Beute arglos in ihr Bereich kommt. Dann aber überrascht ihre Beweg-
lichkeit und Gewandtheit um so mehr, als der formlose Klumpen nichts weniger als ein lebendiges
Wesen vermuthen ließ.



Der Mangel der Kralle an den weiblichen Tastern und der Vorklaue an den Füßen, deren
wahre Klauen schlank und kurz gekämmt, die äußern bisweilen sogar zahnlos und mit Büscheln
federartiger Haare versehen sind, das Springvermögen und die eigenthümlichen Größenverhältnisse
der Augen charakterisiren die letzte Familie, welche man unter dem Namen der Spring- oder
Tigerspinnen (Attides) zusammengefaßt hat. Die vier Augen der vordern Reihe, besonders
die beiden mittelsten, sind sehr groß, die äußern Vorderaugen und die hintersten Scheitelaugen in
Größe und mit wenig Ausnahmen (Salticus) auch in den gegenseitigen Abständen einander gleich,
während sich die fast geradlinig zwischen den eben besprochenen stehenden Seitenaugen durch
besondere Kleinheit auszeichnen. Die Beine sind stark und erreichen ihre bedeutendste Länge im
hintersten Paare. Die mehr kleinen, nicht selten zierlich bunt gezeichneten Spinnen bauen an Pflanzen
oder Steinen ein seidenes Nest in Gestalt eines eiförmigen oder runden Sackes, in welchem die
Weibchen ihre Eier aufbewahren.

Schon in den ersten Frühlingstagen erscheint an sonnigen Mauern, Bretterwänden, Fenstern etc.
die Harlekins-Hüpfspinne (Salticus [Calliethera] scenicus). Suchend spaziert sie hin und

[Abbildung] Harlekins-Hüpfspinne (Salticns scenicus). a Weibchen. b Männchen. Die Augen
von der hintern Ansicht.
her, nach einer Fliege, einem
Mücklein ausschauend. Hat
sie ein Opfer erspähet, so
schleicht sie unter Umständen
noch etwas näher heran
und sitzt mit einem Sprunge,
dabei einen ihr Herabfallen
sichernden Faden hinter sich
ziehend, auf dem Rücken.
Ein, zwei Bisse machen
die überraschte Fliege schnell
widerstandsunfähig; nun
steigt die Spinne herunter, hält jene vor sich und saugt sie aus, wobei sie, vorsichtig jeder ihr
nahenden Störung ausweichend, sich bald rechts, bald links wendet, ein Stück fortläuft, je nachdem
es die Verhältnisse ihr gebieten. Die Bewegungen dieser Spinnen haben theilweise etwas höchst
Komisches und wer ihnen einige Aufmerksamkeit schenkt, wird Schlauheit und einen förmlichen

Die Spinnenthiere. Echte Spinnen. Springſpinnen.
ſechs- und ſiebenhundert weiße Eier von der Größe eines Hirſekorns. Dieſe ſchlüpfen im Auguſt
und September aus; die Jungen beſteigen abwechſelnd den Rücken der Mutter und krabbeln
daſelbſt umher, bis ſie ſelbſtſtändiger werden und ſich zerſtreuen. Jn dieſer, wie in vielen andern
Beziehungen zeigt mithin die gefürchtete Tarantel dieſelben Erſcheinungen, wie die vielen Gat-
tungsgenoſſen in jenen Gegenden, im mittlern und nördlichen Europa, und iſt dem Menſchen ſo
wenig gefährlich, wie dieſe.

Derſelben Familie, wenn auch andern Gattungen, gehört ſicher ein Theil der abenteuerlichen
Spinnen an, von denen uns Reiſende in heißen Ländern erzählen, und die durch hornartige
Höcker, blaſige Auſtreibungen, Auswüchſe, Erweiterungen der Beine ſo unkenntlich geworden
ſind, daß ein ſcharfes Auge dazu gehört, ſie als Spinnen zu erkennen. Die Thiere ſuchen auch
aus ihrem maskirten Weſen die möglichſten Vortheile zu ziehen: als unförmliche Klumpen zuſammen-
gekauert, liegen ſie in einem Aſtwinkel, in einer Spalte der Rinde oder an einem ähnlichen Orte
auf der Lauer bis die Beute arglos in ihr Bereich kommt. Dann aber überraſcht ihre Beweg-
lichkeit und Gewandtheit um ſo mehr, als der formloſe Klumpen nichts weniger als ein lebendiges
Weſen vermuthen ließ.



Der Mangel der Kralle an den weiblichen Taſtern und der Vorklaue an den Füßen, deren
wahre Klauen ſchlank und kurz gekämmt, die äußern bisweilen ſogar zahnlos und mit Büſcheln
federartiger Haare verſehen ſind, das Springvermögen und die eigenthümlichen Größenverhältniſſe
der Augen charakteriſiren die letzte Familie, welche man unter dem Namen der Spring- oder
Tigerſpinnen (Attides) zuſammengefaßt hat. Die vier Augen der vordern Reihe, beſonders
die beiden mittelſten, ſind ſehr groß, die äußern Vorderaugen und die hinterſten Scheitelaugen in
Größe und mit wenig Ausnahmen (Salticus) auch in den gegenſeitigen Abſtänden einander gleich,
während ſich die faſt geradlinig zwiſchen den eben beſprochenen ſtehenden Seitenaugen durch
beſondere Kleinheit auszeichnen. Die Beine ſind ſtark und erreichen ihre bedeutendſte Länge im
hinterſten Paare. Die mehr kleinen, nicht ſelten zierlich bunt gezeichneten Spinnen bauen an Pflanzen
oder Steinen ein ſeidenes Neſt in Geſtalt eines eiförmigen oder runden Sackes, in welchem die
Weibchen ihre Eier aufbewahren.

Schon in den erſten Frühlingstagen erſcheint an ſonnigen Mauern, Bretterwänden, Fenſtern ꝛc.
die Harlekins-Hüpfſpinne (Salticus [Calliethera] scenicus). Suchend ſpaziert ſie hin und

[Abbildung] Harlekins-Hüpfſpinne (Salticns scenicus). a Weibchen. b Männchen. Die Augen
von der hintern Anſicht.
her, nach einer Fliege, einem
Mücklein ausſchauend. Hat
ſie ein Opfer erſpähet, ſo
ſchleicht ſie unter Umſtänden
noch etwas näher heran
und ſitzt mit einem Sprunge,
dabei einen ihr Herabfallen
ſichernden Faden hinter ſich
ziehend, auf dem Rücken.
Ein, zwei Biſſe machen
die überraſchte Fliege ſchnell
widerſtandsunfähig; nun
ſteigt die Spinne herunter, hält jene vor ſich und ſaugt ſie aus, wobei ſie, vorſichtig jeder ihr
nahenden Störung ausweichend, ſich bald rechts, bald links wendet, ein Stück fortläuft, je nachdem
es die Verhältniſſe ihr gebieten. Die Bewegungen dieſer Spinnen haben theilweiſe etwas höchſt
Komiſches und wer ihnen einige Aufmerkſamkeit ſchenkt, wird Schlauheit und einen förmlichen

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[598/0636] Die Spinnenthiere. Echte Spinnen. Springſpinnen. ſechs- und ſiebenhundert weiße Eier von der Größe eines Hirſekorns. Dieſe ſchlüpfen im Auguſt und September aus; die Jungen beſteigen abwechſelnd den Rücken der Mutter und krabbeln daſelbſt umher, bis ſie ſelbſtſtändiger werden und ſich zerſtreuen. Jn dieſer, wie in vielen andern Beziehungen zeigt mithin die gefürchtete Tarantel dieſelben Erſcheinungen, wie die vielen Gat- tungsgenoſſen in jenen Gegenden, im mittlern und nördlichen Europa, und iſt dem Menſchen ſo wenig gefährlich, wie dieſe. Derſelben Familie, wenn auch andern Gattungen, gehört ſicher ein Theil der abenteuerlichen Spinnen an, von denen uns Reiſende in heißen Ländern erzählen, und die durch hornartige Höcker, blaſige Auſtreibungen, Auswüchſe, Erweiterungen der Beine ſo unkenntlich geworden ſind, daß ein ſcharfes Auge dazu gehört, ſie als Spinnen zu erkennen. Die Thiere ſuchen auch aus ihrem maskirten Weſen die möglichſten Vortheile zu ziehen: als unförmliche Klumpen zuſammen- gekauert, liegen ſie in einem Aſtwinkel, in einer Spalte der Rinde oder an einem ähnlichen Orte auf der Lauer bis die Beute arglos in ihr Bereich kommt. Dann aber überraſcht ihre Beweg- lichkeit und Gewandtheit um ſo mehr, als der formloſe Klumpen nichts weniger als ein lebendiges Weſen vermuthen ließ. Der Mangel der Kralle an den weiblichen Taſtern und der Vorklaue an den Füßen, deren wahre Klauen ſchlank und kurz gekämmt, die äußern bisweilen ſogar zahnlos und mit Büſcheln federartiger Haare verſehen ſind, das Springvermögen und die eigenthümlichen Größenverhältniſſe der Augen charakteriſiren die letzte Familie, welche man unter dem Namen der Spring- oder Tigerſpinnen (Attides) zuſammengefaßt hat. Die vier Augen der vordern Reihe, beſonders die beiden mittelſten, ſind ſehr groß, die äußern Vorderaugen und die hinterſten Scheitelaugen in Größe und mit wenig Ausnahmen (Salticus) auch in den gegenſeitigen Abſtänden einander gleich, während ſich die faſt geradlinig zwiſchen den eben beſprochenen ſtehenden Seitenaugen durch beſondere Kleinheit auszeichnen. Die Beine ſind ſtark und erreichen ihre bedeutendſte Länge im hinterſten Paare. Die mehr kleinen, nicht ſelten zierlich bunt gezeichneten Spinnen bauen an Pflanzen oder Steinen ein ſeidenes Neſt in Geſtalt eines eiförmigen oder runden Sackes, in welchem die Weibchen ihre Eier aufbewahren. Schon in den erſten Frühlingstagen erſcheint an ſonnigen Mauern, Bretterwänden, Fenſtern ꝛc. die Harlekins-Hüpfſpinne (Salticus [Calliethera] scenicus). Suchend ſpaziert ſie hin und [Abbildung Harlekins-Hüpfſpinne (Salticns scenicus). a Weibchen. b Männchen. Die Augen von der hintern Anſicht.] her, nach einer Fliege, einem Mücklein ausſchauend. Hat ſie ein Opfer erſpähet, ſo ſchleicht ſie unter Umſtänden noch etwas näher heran und ſitzt mit einem Sprunge, dabei einen ihr Herabfallen ſichernden Faden hinter ſich ziehend, auf dem Rücken. Ein, zwei Biſſe machen die überraſchte Fliege ſchnell widerſtandsunfähig; nun ſteigt die Spinne herunter, hält jene vor ſich und ſaugt ſie aus, wobei ſie, vorſichtig jeder ihr nahenden Störung ausweichend, ſich bald rechts, bald links wendet, ein Stück fortläuft, je nachdem es die Verhältniſſe ihr gebieten. Die Bewegungen dieſer Spinnen haben theilweiſe etwas höchſt Komiſches und wer ihnen einige Aufmerkſamkeit ſchenkt, wird Schlauheit und einen förmlichen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 598. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/636>, abgerufen am 23.11.2024.