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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Gemeine Landkrabbe. Gelasimus. Sandkrabbe.
feine Speise von Vielen betrachtet. Von Neuem mit festem Panzer bekleidet, wagt sie sich hervor,
indessen mehr bei Nacht, als am Tage, und wird gradweis fetter bis Januar, wo die schon be-
schriebenen Veränderungen wieder eintreten. Brown versichert in seiner Naturgeschichte von
Jamaica, daß die Gutschmecker jener Jnsel diese zur rechten Zeit gefangene und zweckmäßig be-
reitete Landkrabbe als die leckerste aller Verwandten betrachtet haben, und daß sie diese Anerkennung
in Wahrheit verdiene."

Die Weibchen der Gelasimus haben ganz schwache Scheeren, bei den Männchen ist aber eine
Scheere enorm entwickelt, und bedient sich der Krebs derselben, um den Eingang zu seinem Erd-
loche damit zuzuhalten. Während die einen bloß das flache Ufer zu ihren Spaziergängen und
Jagden benutzen, bekunden andre ihre Geschicklichkeit im
Klettern. So erzählt Fr. Müller, ein an der brasiliani-
schen Küste lebender hoch verdienter Naturforscher, von einer
allerliebsten lebhaften Krabbe dieser Familie, die auf die
Manglebüsche steigt und deren Blätter benagt. Mit ihren
kurzen, ungemein spitzen Klauen, die wie Stecknadeln prickeln,
wenn sie einem über die Hand läuft, klettert sie mit großer
Behendigkeit die dünnsten Zweiglein hinauf. Derselbe
Forscher hat sehr genau die eigenthümlichen Vorrichtungen
studirt, durch welche es diesen ihrem eigentlichen Elemente
entrückten Thieren möglich wird, in der Luft auszuharren.

[Abbildung] Winkerkrabbe (Gelasimus).
Manche können eine Portion Wasser in ihrer Kiemenhöhle mit aufs Land nehmen. Statt daß es
aus der Kiemenhöhle austretend abfließt, verbreitet sich die austretende Wasserwelle in einem feinen
Haarnetze des Panzers und wird durch angestrengte Bewegungen des in der Eingangsspalte spielenden
Anhanges der äußeren Kieferfüße der Kiemenhöhle wieder zugeführt. Es hat sich, während es in
dünner Schicht über den Panzer hingleitet, wieder mit Sauerstoff sättigen können, um dann aufs Neue
zur Athmung zu dienen. "Jn recht feuchter Luft", sagt unser Gewährsmann, "kann der in der
Kiemenhöhle enthaltene Wasservorrath stundenlang vorhalten und erst, wenn er zu Ende geht, hebt
das Thier seinen Panzer, um von hinten her Luft zu den Kiemen treten zu lassen." Dann athmen
[Abbildung] Reiterkrabbe (Ocypoda).
sie also wirklich Luft, gleich den schnellfüßigen Sandkrabben (Ocypoda), ausschließlichen Land-
thieren, die im Wasser kaum einen Tag sich lebend erhalten, während weit früher schon ein Zu-
stand gänzlicher Erschlaffung eintritt und alle willkürlichen Bewegungen aufhören. Auch sie lassen
durch eine sehr verborgen liegende, verschließbare Oeffnung die Luft von hinten her in die Athem-
höhle treten.

Gemeine Landkrabbe. Gelaſimus. Sandkrabbe.
feine Speiſe von Vielen betrachtet. Von Neuem mit feſtem Panzer bekleidet, wagt ſie ſich hervor,
indeſſen mehr bei Nacht, als am Tage, und wird gradweis fetter bis Januar, wo die ſchon be-
ſchriebenen Veränderungen wieder eintreten. Brown verſichert in ſeiner Naturgeſchichte von
Jamaica, daß die Gutſchmecker jener Jnſel dieſe zur rechten Zeit gefangene und zweckmäßig be-
reitete Landkrabbe als die leckerſte aller Verwandten betrachtet haben, und daß ſie dieſe Anerkennung
in Wahrheit verdiene.“

Die Weibchen der Gelasimus haben ganz ſchwache Scheeren, bei den Männchen iſt aber eine
Scheere enorm entwickelt, und bedient ſich der Krebs derſelben, um den Eingang zu ſeinem Erd-
loche damit zuzuhalten. Während die einen bloß das flache Ufer zu ihren Spaziergängen und
Jagden benutzen, bekunden andre ihre Geſchicklichkeit im
Klettern. So erzählt Fr. Müller, ein an der braſiliani-
ſchen Küſte lebender hoch verdienter Naturforſcher, von einer
allerliebſten lebhaften Krabbe dieſer Familie, die auf die
Manglebüſche ſteigt und deren Blätter benagt. Mit ihren
kurzen, ungemein ſpitzen Klauen, die wie Stecknadeln prickeln,
wenn ſie einem über die Hand läuft, klettert ſie mit großer
Behendigkeit die dünnſten Zweiglein hinauf. Derſelbe
Forſcher hat ſehr genau die eigenthümlichen Vorrichtungen
ſtudirt, durch welche es dieſen ihrem eigentlichen Elemente
entrückten Thieren möglich wird, in der Luft auszuharren.

[Abbildung] Winkerkrabbe (Gelasimus).
Manche können eine Portion Waſſer in ihrer Kiemenhöhle mit aufs Land nehmen. Statt daß es
aus der Kiemenhöhle austretend abfließt, verbreitet ſich die austretende Waſſerwelle in einem feinen
Haarnetze des Panzers und wird durch angeſtrengte Bewegungen des in der Eingangsſpalte ſpielenden
Anhanges der äußeren Kieferfüße der Kiemenhöhle wieder zugeführt. Es hat ſich, während es in
dünner Schicht über den Panzer hingleitet, wieder mit Sauerſtoff ſättigen können, um dann aufs Neue
zur Athmung zu dienen. „Jn recht feuchter Luft“, ſagt unſer Gewährsmann, „kann der in der
Kiemenhöhle enthaltene Waſſervorrath ſtundenlang vorhalten und erſt, wenn er zu Ende geht, hebt
das Thier ſeinen Panzer, um von hinten her Luft zu den Kiemen treten zu laſſen.“ Dann athmen
[Abbildung] Reiterkrabbe (Ocypoda).
ſie alſo wirklich Luft, gleich den ſchnellfüßigen Sandkrabben (Ocypoda), ausſchließlichen Land-
thieren, die im Waſſer kaum einen Tag ſich lebend erhalten, während weit früher ſchon ein Zu-
ſtand gänzlicher Erſchlaffung eintritt und alle willkürlichen Bewegungen aufhören. Auch ſie laſſen
durch eine ſehr verborgen liegende, verſchließbare Oeffnung die Luft von hinten her in die Athem-
höhle treten.

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[631/0671] Gemeine Landkrabbe. Gelaſimus. Sandkrabbe. feine Speiſe von Vielen betrachtet. Von Neuem mit feſtem Panzer bekleidet, wagt ſie ſich hervor, indeſſen mehr bei Nacht, als am Tage, und wird gradweis fetter bis Januar, wo die ſchon be- ſchriebenen Veränderungen wieder eintreten. Brown verſichert in ſeiner Naturgeſchichte von Jamaica, daß die Gutſchmecker jener Jnſel dieſe zur rechten Zeit gefangene und zweckmäßig be- reitete Landkrabbe als die leckerſte aller Verwandten betrachtet haben, und daß ſie dieſe Anerkennung in Wahrheit verdiene.“ Die Weibchen der Gelasimus haben ganz ſchwache Scheeren, bei den Männchen iſt aber eine Scheere enorm entwickelt, und bedient ſich der Krebs derſelben, um den Eingang zu ſeinem Erd- loche damit zuzuhalten. Während die einen bloß das flache Ufer zu ihren Spaziergängen und Jagden benutzen, bekunden andre ihre Geſchicklichkeit im Klettern. So erzählt Fr. Müller, ein an der braſiliani- ſchen Küſte lebender hoch verdienter Naturforſcher, von einer allerliebſten lebhaften Krabbe dieſer Familie, die auf die Manglebüſche ſteigt und deren Blätter benagt. Mit ihren kurzen, ungemein ſpitzen Klauen, die wie Stecknadeln prickeln, wenn ſie einem über die Hand läuft, klettert ſie mit großer Behendigkeit die dünnſten Zweiglein hinauf. Derſelbe Forſcher hat ſehr genau die eigenthümlichen Vorrichtungen ſtudirt, durch welche es dieſen ihrem eigentlichen Elemente entrückten Thieren möglich wird, in der Luft auszuharren. [Abbildung Winkerkrabbe (Gelasimus).] Manche können eine Portion Waſſer in ihrer Kiemenhöhle mit aufs Land nehmen. Statt daß es aus der Kiemenhöhle austretend abfließt, verbreitet ſich die austretende Waſſerwelle in einem feinen Haarnetze des Panzers und wird durch angeſtrengte Bewegungen des in der Eingangsſpalte ſpielenden Anhanges der äußeren Kieferfüße der Kiemenhöhle wieder zugeführt. Es hat ſich, während es in dünner Schicht über den Panzer hingleitet, wieder mit Sauerſtoff ſättigen können, um dann aufs Neue zur Athmung zu dienen. „Jn recht feuchter Luft“, ſagt unſer Gewährsmann, „kann der in der Kiemenhöhle enthaltene Waſſervorrath ſtundenlang vorhalten und erſt, wenn er zu Ende geht, hebt das Thier ſeinen Panzer, um von hinten her Luft zu den Kiemen treten zu laſſen.“ Dann athmen [Abbildung Reiterkrabbe (Ocypoda).] ſie alſo wirklich Luft, gleich den ſchnellfüßigen Sandkrabben (Ocypoda), ausſchließlichen Land- thieren, die im Waſſer kaum einen Tag ſich lebend erhalten, während weit früher ſchon ein Zu- ſtand gänzlicher Erſchlaffung eintritt und alle willkürlichen Bewegungen aufhören. Auch ſie laſſen durch eine ſehr verborgen liegende, verſchließbare Oeffnung die Luft von hinten her in die Athem- höhle treten.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 631. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/671>, abgerufen am 28.09.2024.