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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Zehnfüßige Krebse. Krabben. Vogen- und Dreieckkrabben.

Zwar durch ihre mehr wunderliche Gestalt abweichend, aber in einigen wesentlichen Ein-
richtungen der Mundwerkzeuge und Kiemenhöhle mit den übrigen Viereckkrabben übereinstimmend,
sind die Muschelwächter (Pinnotheres), zwischen den Schalen verschiedener Seemuscheln
lebend. Jhre Hautbedeckung bleibt ziemlich weich und gewährt ihnen nicht hinreichenden Schutz,
den sie im Schooße ihrer Freundinnen finden. So nämlich, als ein Freundschaftsbündniß, faßten
die Alten das Verhältniß von Krebs und Muschel auf. (Pinnotheres veterum in den großen
Steckmuscheln, Pinna. Pinnotheres pisum in den Mießmuscheln, Mytilus). Die Muschel sollte
dem weichhäutigen Krebs Schutz gewähren, wogegen der mit guten Augen begabte Krebs sie recht-
zeitig auf nahende Gefahren aufmerksam machte.

Jn die Familie der Bogenkrabben zählt man die Gattungen mit breitem, vorn abgerun-
deten Kopfbruststück. Die meisten sind gute Schwimmer und als ein Beispiel dieses Typus haben

[Abbildung] Bogenkrabbe (Thalamita natator).
wir eine Art von Thalamita
abgebildet. Wir sehen die
Vorderfüße, nämlich die
Scheeren, sehr verlängert; ihr
Armglied, dasjenige, welches
die Scheere oder Hand trägt,
ist weit über die Seitenwand
des Kopfbruststückes hinaus
verlängert und am Vorder-
rande mit scharfen Stacheln
besetzt. Auch das auf dem
vorhergehenden sitzende Hand-
glied ist ziemlich lang und
nach Außen mit Stacheln be-
wehrt. Die folgenden Fuß-
paare sind bedeutend kürzer,
und das letzte Glied am 2.,
3. und 4. Paare stielförmig und spitz. Beim letzten Fußpaare ist dagegen das letzte Glied in
eine breite, ovale Platte umgewandelt.

Ganz ähnliche Schwimmfüße besitzt Portunus, von welchem das Mittelmeer 9 Arten birgt.
Eine derselben, Portunus marmoreus, findet sich in Venedig z. B. häufig auf den großen Lidodämmen,
den Murazzi, wo er auf die Mauer heraussteigt, auch am Fuße der Gebäude von Venedig und
im Hafen von Triest. "Er ist", sagt von Martens (d. ältere, in seiner "Reise nach Venedig"),
"außerordentlich flüchtig und stürzt sich, wenn man sich ihm nähert, gleich ins Meer, so daß ich
ganze Stunden zubrachte, ohne von Hundert einen fangen zu können. Schnitt ich ihm den Weg
zum Meere ab, so verkroch er sich in den Fugen der Quadersteine, wozu ihn sein ganz flacher
Körper vorzüglich geschickt macht; dann drohte er mit seiner scharfen Scheere und ließ sich lieber
solche abreißen, als sich aus seinem Schlupfwinkel herausziehen."

Auch bei Carcinus, dessen dreilappige über die Augenhöhlen vorspringende Stirn mit den
dünnen fünfzähnigen vordern Seitenrändern eine Bogenlinie bildet, ist am letzten Fußpaare das
letzte Glied stark zusammengedrückt, aber schmal. Eine Art, Carcinus maenas, dürfte die aller-
gemeinste Krabbe der europäischen Meere sein. Nach ältern Angaben wurden von dieser Krabbe
vom Venetianischen aus jährlich allein nach Jstrien, wo sie als Köder für die Sardellen benutzt
wird, jährlich 139,000 Fäßchen, jedes zu 80 Pfund, ausgeführt; 38,000 Fäßchen Weibchen mit
Eiern, jedes zu 70 Pfund, und 86,000 Pfund weichschalige -- die in Oel gebacknen Moleche
sind ein Lieblingsgericht der Venetianer -- wurden jährlich in Venedig und auf dem festen Lande
als Nahrungsmittel verkauft, und der Gesammterlös soll sich auf eine halbe Million venetianischer

Zehnfüßige Krebſe. Krabben. Vogen- und Dreieckkrabben.

Zwar durch ihre mehr wunderliche Geſtalt abweichend, aber in einigen weſentlichen Ein-
richtungen der Mundwerkzeuge und Kiemenhöhle mit den übrigen Viereckkrabben übereinſtimmend,
ſind die Muſchelwächter (Pinnotheres), zwiſchen den Schalen verſchiedener Seemuſcheln
lebend. Jhre Hautbedeckung bleibt ziemlich weich und gewährt ihnen nicht hinreichenden Schutz,
den ſie im Schooße ihrer Freundinnen finden. So nämlich, als ein Freundſchaftsbündniß, faßten
die Alten das Verhältniß von Krebs und Muſchel auf. (Pinnotheres veterum in den großen
Steckmuſcheln, Pinna. Pinnotheres pisum in den Mießmuſcheln, Mytilus). Die Muſchel ſollte
dem weichhäutigen Krebs Schutz gewähren, wogegen der mit guten Augen begabte Krebs ſie recht-
zeitig auf nahende Gefahren aufmerkſam machte.

Jn die Familie der Bogenkrabben zählt man die Gattungen mit breitem, vorn abgerun-
deten Kopfbruſtſtück. Die meiſten ſind gute Schwimmer und als ein Beiſpiel dieſes Typus haben

[Abbildung] Bogenkrabbe (Thalamita natator).
wir eine Art von Thalamita
abgebildet. Wir ſehen die
Vorderfüße, nämlich die
Scheeren, ſehr verlängert; ihr
Armglied, dasjenige, welches
die Scheere oder Hand trägt,
iſt weit über die Seitenwand
des Kopfbruſtſtückes hinaus
verlängert und am Vorder-
rande mit ſcharfen Stacheln
beſetzt. Auch das auf dem
vorhergehenden ſitzende Hand-
glied iſt ziemlich lang und
nach Außen mit Stacheln be-
wehrt. Die folgenden Fuß-
paare ſind bedeutend kürzer,
und das letzte Glied am 2.,
3. und 4. Paare ſtielförmig und ſpitz. Beim letzten Fußpaare iſt dagegen das letzte Glied in
eine breite, ovale Platte umgewandelt.

Ganz ähnliche Schwimmfüße beſitzt Portunus, von welchem das Mittelmeer 9 Arten birgt.
Eine derſelben, Portunus marmoreus, findet ſich in Venedig z. B. häufig auf den großen Lidodämmen,
den Murazzi, wo er auf die Mauer herausſteigt, auch am Fuße der Gebäude von Venedig und
im Hafen von Trieſt. „Er iſt“, ſagt von Martens (d. ältere, in ſeiner „Reiſe nach Venedig“),
„außerordentlich flüchtig und ſtürzt ſich, wenn man ſich ihm nähert, gleich ins Meer, ſo daß ich
ganze Stunden zubrachte, ohne von Hundert einen fangen zu können. Schnitt ich ihm den Weg
zum Meere ab, ſo verkroch er ſich in den Fugen der Quaderſteine, wozu ihn ſein ganz flacher
Körper vorzüglich geſchickt macht; dann drohte er mit ſeiner ſcharfen Scheere und ließ ſich lieber
ſolche abreißen, als ſich aus ſeinem Schlupfwinkel herausziehen.“

Auch bei Carcinus, deſſen dreilappige über die Augenhöhlen vorſpringende Stirn mit den
dünnen fünfzähnigen vordern Seitenrändern eine Bogenlinie bildet, iſt am letzten Fußpaare das
letzte Glied ſtark zuſammengedrückt, aber ſchmal. Eine Art, Carcinus maenas, dürfte die aller-
gemeinſte Krabbe der europäiſchen Meere ſein. Nach ältern Angaben wurden von dieſer Krabbe
vom Venetianiſchen aus jährlich allein nach Jſtrien, wo ſie als Köder für die Sardellen benutzt
wird, jährlich 139,000 Fäßchen, jedes zu 80 Pfund, ausgeführt; 38,000 Fäßchen Weibchen mit
Eiern, jedes zu 70 Pfund, und 86,000 Pfund weichſchalige — die in Oel gebacknen Moleche
ſind ein Lieblingsgericht der Venetianer — wurden jährlich in Venedig und auf dem feſten Lande
als Nahrungsmittel verkauft, und der Geſammterlös ſoll ſich auf eine halbe Million venetianiſcher

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[632/0672] Zehnfüßige Krebſe. Krabben. Vogen- und Dreieckkrabben. Zwar durch ihre mehr wunderliche Geſtalt abweichend, aber in einigen weſentlichen Ein- richtungen der Mundwerkzeuge und Kiemenhöhle mit den übrigen Viereckkrabben übereinſtimmend, ſind die Muſchelwächter (Pinnotheres), zwiſchen den Schalen verſchiedener Seemuſcheln lebend. Jhre Hautbedeckung bleibt ziemlich weich und gewährt ihnen nicht hinreichenden Schutz, den ſie im Schooße ihrer Freundinnen finden. So nämlich, als ein Freundſchaftsbündniß, faßten die Alten das Verhältniß von Krebs und Muſchel auf. (Pinnotheres veterum in den großen Steckmuſcheln, Pinna. Pinnotheres pisum in den Mießmuſcheln, Mytilus). Die Muſchel ſollte dem weichhäutigen Krebs Schutz gewähren, wogegen der mit guten Augen begabte Krebs ſie recht- zeitig auf nahende Gefahren aufmerkſam machte. Jn die Familie der Bogenkrabben zählt man die Gattungen mit breitem, vorn abgerun- deten Kopfbruſtſtück. Die meiſten ſind gute Schwimmer und als ein Beiſpiel dieſes Typus haben [Abbildung Bogenkrabbe (Thalamita natator).] wir eine Art von Thalamita abgebildet. Wir ſehen die Vorderfüße, nämlich die Scheeren, ſehr verlängert; ihr Armglied, dasjenige, welches die Scheere oder Hand trägt, iſt weit über die Seitenwand des Kopfbruſtſtückes hinaus verlängert und am Vorder- rande mit ſcharfen Stacheln beſetzt. Auch das auf dem vorhergehenden ſitzende Hand- glied iſt ziemlich lang und nach Außen mit Stacheln be- wehrt. Die folgenden Fuß- paare ſind bedeutend kürzer, und das letzte Glied am 2., 3. und 4. Paare ſtielförmig und ſpitz. Beim letzten Fußpaare iſt dagegen das letzte Glied in eine breite, ovale Platte umgewandelt. Ganz ähnliche Schwimmfüße beſitzt Portunus, von welchem das Mittelmeer 9 Arten birgt. Eine derſelben, Portunus marmoreus, findet ſich in Venedig z. B. häufig auf den großen Lidodämmen, den Murazzi, wo er auf die Mauer herausſteigt, auch am Fuße der Gebäude von Venedig und im Hafen von Trieſt. „Er iſt“, ſagt von Martens (d. ältere, in ſeiner „Reiſe nach Venedig“), „außerordentlich flüchtig und ſtürzt ſich, wenn man ſich ihm nähert, gleich ins Meer, ſo daß ich ganze Stunden zubrachte, ohne von Hundert einen fangen zu können. Schnitt ich ihm den Weg zum Meere ab, ſo verkroch er ſich in den Fugen der Quaderſteine, wozu ihn ſein ganz flacher Körper vorzüglich geſchickt macht; dann drohte er mit ſeiner ſcharfen Scheere und ließ ſich lieber ſolche abreißen, als ſich aus ſeinem Schlupfwinkel herausziehen.“ Auch bei Carcinus, deſſen dreilappige über die Augenhöhlen vorſpringende Stirn mit den dünnen fünfzähnigen vordern Seitenrändern eine Bogenlinie bildet, iſt am letzten Fußpaare das letzte Glied ſtark zuſammengedrückt, aber ſchmal. Eine Art, Carcinus maenas, dürfte die aller- gemeinſte Krabbe der europäiſchen Meere ſein. Nach ältern Angaben wurden von dieſer Krabbe vom Venetianiſchen aus jährlich allein nach Jſtrien, wo ſie als Köder für die Sardellen benutzt wird, jährlich 139,000 Fäßchen, jedes zu 80 Pfund, ausgeführt; 38,000 Fäßchen Weibchen mit Eiern, jedes zu 70 Pfund, und 86,000 Pfund weichſchalige — die in Oel gebacknen Moleche ſind ein Lieblingsgericht der Venetianer — wurden jährlich in Venedig und auf dem feſten Lande als Nahrungsmittel verkauft, und der Geſammterlös ſoll ſich auf eine halbe Million venetianiſcher

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 632. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/672>, abgerufen am 23.11.2024.