Körperabschnitte hat sich der Wurm nicht aufgeschwungen, oder noch richtiger müssen wir wohl sagen, indem er sich dazu aufgeschwungen hat, ist er allmälig zum ächten Gliederthier geworden.
Das Nervensystem der höheren Würmer ist von demjenigen der Gliederthiere nicht zu unterscheiden, sobald man nur von jenen äußersten Zusammenziehungen der Bauchganglienkette absieht, welche mit der Concentration des Körpers bei Krabben, Spinnen etc. Hand in Hand geht. Zahlreiche niedere Würmer besitzen nur einen oder zwei Nervenknoten in der Nackengegend mit zwei davon abgehenden, längs des Bauches verlaufenden Nerven. Die Sinneswerkzeuge, namentlich die Augen, sind in dem Maße entwickelt, wie die Lebensweise der betreffenden Würmer eine mehr oder weniger freie und umherschweifende ist. Wie bei den Höhlen bewoh- nenden Käfern und Krebsen eine Verkümmerung des Gesichtes Platz griff, haben auch die in das Jnnere anderer thierischer Organismen sich zurückziehenden Würmer mit dem Bedürfniß den Bestand der Sinneswerkzeuge verloren.
Ueber den Verdauungsapparat aller Würmer zusammen ist kaum etwas zu sagen. Manche parasitische Würmer sind gänzlich ohne Darm. Sie haben die Bequemlichkeit, nicht zu fressen zu brauchen und sich doch durch die unwillkürlich vor sich gehende Hautaufsaugung trefflich auf Kosten ihrer Wirthe zu nähren. Andere niedere Würmer haben einen Darm gleich einem Beutel, andere wie ein Netz; bei denen, welche rasch verdauen und umsetzen, ist er schlank und kurz, die langsam verdauenden, welche auf einmal Massen von Nahrung aufnehmen, wie die Blutegel, haben entsprechende Magenerweiterungen, gleich Vorrathskammern. Gleichen Schritt mit der Entwicklung des Darmkanales hält das Blutgefäßsystem. An vielen höheren Würmern kann man es im Leben bis in die feineren Details beobachten. Man findet dann das meist röthlich gefärbte Blut in einige gröbere und viele feinere Adern eingeschlossen und diese, entweder voll- kommene oder wenigstens relative Abgeschlossenheit des Gefäßsystems, in welchem die größeren Stämme an Stelle besonderer Herzen pulsiren, ist wiederum eine charakteristische Eigenthümlichkeit wenigstens dieser Gliederwürmer. Als Athmungsorgan dient bald die gesammte Hautober- fläche, bald finden sich an derselben kiemenartige Anhänge, bald sind gefäßartige, innere Organe vorhanden, welche eine Vergleichung mit den Luftgefäßen der Jnsekten zulassen, indem sie das zur Athmung dienende Wasser tief in den Körper hinein leiten. Die komplicirtesten Fortpflanzungs- organe, gerade bei den niedrigeren Würmern verbreitet, wechseln mit sehr einfachen, und alle möglichen Formen der Fortpflanzung, Knospenbildung, Verwandlung, Entwicklung mit wechselnden Formen (Generationswechsel), Parasitismus vom Ei an bis zum Tode, Parasitismus im Alter bei freien Jugendzuständen, Parasitismus in der Jugend bei freier Lebensweise im Alter, Freiheit in allen Alterszuständen -- alle diese Formen der Lebensweise und Entwicklung werden in buntester Manchfaltigkeit an uns vorüberziehen.
Nach diesen Andeutungen kann es nicht Wunder nehmen, wenn man den Kreis der Würmer in fast eben so viele Klassen zerspalten hat, als in den vorhergehenden Bänden des "illustrirten Thierlebens" zusammen abgehandelt worden sind, und wenn wir innerhalb dieser Klassen weit größere Ertreme antreffen als in dem Kreise der Wirbelthiere und Gliederthiere. Welche Abweichungen und Umbildungen schon derjenige Parasitismus hervorbringt, welcher sich auf das Leben und Ansiedeln auf anderen Thieren beschränkt, haben die Schmarotzerkrebse genugsam gezeigt. Viel tiefere, den Bau und die Entwicklung treffende Veränderungen muß man also bei denjenigen Würmern erwarten, welche im Jnnern ihrer Wirthe in den verschiedensten Organen ihren Aufenthalt und ihre Nahrung finden. Man ist daher wohl geneigt, und auch die Thierkunde hat diesen Weg eingeschlagen, anzunehmen, daß alle sogenannten Eingeweidewürmer eine zusammen- gehörige, abgeschlossene Klasse bildeten. Von dieser auf einseitiger Berücksichtigung des Aufenthaltes beruhenden Ansicht, bei welcher man sich schon großer Jnkonsequenzen schuldig macht, ist die neuere Wissenschaft gänzlich zurückgekommen. Die Eingeweidewürmer sind unter einander so verschieden, wie die zeitlebens frei lebenden Würmer, und es bestehen noch viel zahlreichere Uebergangsformen
Würmer. Allgemeines.
Körperabſchnitte hat ſich der Wurm nicht aufgeſchwungen, oder noch richtiger müſſen wir wohl ſagen, indem er ſich dazu aufgeſchwungen hat, iſt er allmälig zum ächten Gliederthier geworden.
Das Nervenſyſtem der höheren Würmer iſt von demjenigen der Gliederthiere nicht zu unterſcheiden, ſobald man nur von jenen äußerſten Zuſammenziehungen der Bauchganglienkette abſieht, welche mit der Concentration des Körpers bei Krabben, Spinnen ꝛc. Hand in Hand geht. Zahlreiche niedere Würmer beſitzen nur einen oder zwei Nervenknoten in der Nackengegend mit zwei davon abgehenden, längs des Bauches verlaufenden Nerven. Die Sinneswerkzeuge, namentlich die Augen, ſind in dem Maße entwickelt, wie die Lebensweiſe der betreffenden Würmer eine mehr oder weniger freie und umherſchweifende iſt. Wie bei den Höhlen bewoh- nenden Käfern und Krebſen eine Verkümmerung des Geſichtes Platz griff, haben auch die in das Jnnere anderer thieriſcher Organismen ſich zurückziehenden Würmer mit dem Bedürfniß den Beſtand der Sinneswerkzeuge verloren.
Ueber den Verdauungsapparat aller Würmer zuſammen iſt kaum etwas zu ſagen. Manche paraſitiſche Würmer ſind gänzlich ohne Darm. Sie haben die Bequemlichkeit, nicht zu freſſen zu brauchen und ſich doch durch die unwillkürlich vor ſich gehende Hautaufſaugung trefflich auf Koſten ihrer Wirthe zu nähren. Andere niedere Würmer haben einen Darm gleich einem Beutel, andere wie ein Netz; bei denen, welche raſch verdauen und umſetzen, iſt er ſchlank und kurz, die langſam verdauenden, welche auf einmal Maſſen von Nahrung aufnehmen, wie die Blutegel, haben entſprechende Magenerweiterungen, gleich Vorrathskammern. Gleichen Schritt mit der Entwicklung des Darmkanales hält das Blutgefäßſyſtem. An vielen höheren Würmern kann man es im Leben bis in die feineren Details beobachten. Man findet dann das meiſt röthlich gefärbte Blut in einige gröbere und viele feinere Adern eingeſchloſſen und dieſe, entweder voll- kommene oder wenigſtens relative Abgeſchloſſenheit des Gefäßſyſtems, in welchem die größeren Stämme an Stelle beſonderer Herzen pulſiren, iſt wiederum eine charakteriſtiſche Eigenthümlichkeit wenigſtens dieſer Gliederwürmer. Als Athmungsorgan dient bald die geſammte Hautober- fläche, bald finden ſich an derſelben kiemenartige Anhänge, bald ſind gefäßartige, innere Organe vorhanden, welche eine Vergleichung mit den Luftgefäßen der Jnſekten zulaſſen, indem ſie das zur Athmung dienende Waſſer tief in den Körper hinein leiten. Die komplicirteſten Fortpflanzungs- organe, gerade bei den niedrigeren Würmern verbreitet, wechſeln mit ſehr einfachen, und alle möglichen Formen der Fortpflanzung, Knospenbildung, Verwandlung, Entwicklung mit wechſelnden Formen (Generationswechſel), Paraſitismus vom Ei an bis zum Tode, Paraſitismus im Alter bei freien Jugendzuſtänden, Paraſitismus in der Jugend bei freier Lebensweiſe im Alter, Freiheit in allen Alterszuſtänden — alle dieſe Formen der Lebensweiſe und Entwicklung werden in bunteſter Manchfaltigkeit an uns vorüberziehen.
Nach dieſen Andeutungen kann es nicht Wunder nehmen, wenn man den Kreis der Würmer in faſt eben ſo viele Klaſſen zerſpalten hat, als in den vorhergehenden Bänden des „illuſtrirten Thierlebens“ zuſammen abgehandelt worden ſind, und wenn wir innerhalb dieſer Klaſſen weit größere Ertreme antreffen als in dem Kreiſe der Wirbelthiere und Gliederthiere. Welche Abweichungen und Umbildungen ſchon derjenige Paraſitismus hervorbringt, welcher ſich auf das Leben und Anſiedeln auf anderen Thieren beſchränkt, haben die Schmarotzerkrebſe genugſam gezeigt. Viel tiefere, den Bau und die Entwicklung treffende Veränderungen muß man alſo bei denjenigen Würmern erwarten, welche im Jnnern ihrer Wirthe in den verſchiedenſten Organen ihren Aufenthalt und ihre Nahrung finden. Man iſt daher wohl geneigt, und auch die Thierkunde hat dieſen Weg eingeſchlagen, anzunehmen, daß alle ſogenannten Eingeweidewürmer eine zuſammen- gehörige, abgeſchloſſene Klaſſe bildeten. Von dieſer auf einſeitiger Berückſichtigung des Aufenthaltes beruhenden Anſicht, bei welcher man ſich ſchon großer Jnkonſequenzen ſchuldig macht, iſt die neuere Wiſſenſchaft gänzlich zurückgekommen. Die Eingeweidewürmer ſind unter einander ſo verſchieden, wie die zeitlebens frei lebenden Würmer, und es beſtehen noch viel zahlreichere Uebergangsformen
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Würmer. Allgemeines.
Körperabſchnitte hat ſich der Wurm nicht aufgeſchwungen, oder noch richtiger müſſen wir wohl
ſagen, indem er ſich dazu aufgeſchwungen hat, iſt er allmälig zum ächten Gliederthier geworden.
Das Nervenſyſtem der höheren Würmer iſt von demjenigen der Gliederthiere nicht zu
unterſcheiden, ſobald man nur von jenen äußerſten Zuſammenziehungen der Bauchganglienkette
abſieht, welche mit der Concentration des Körpers bei Krabben, Spinnen ꝛc. Hand in Hand
geht. Zahlreiche niedere Würmer beſitzen nur einen oder zwei Nervenknoten in der Nackengegend
mit zwei davon abgehenden, längs des Bauches verlaufenden Nerven. Die Sinneswerkzeuge,
namentlich die Augen, ſind in dem Maße entwickelt, wie die Lebensweiſe der betreffenden
Würmer eine mehr oder weniger freie und umherſchweifende iſt. Wie bei den Höhlen bewoh-
nenden Käfern und Krebſen eine Verkümmerung des Geſichtes Platz griff, haben auch die in das
Jnnere anderer thieriſcher Organismen ſich zurückziehenden Würmer mit dem Bedürfniß den
Beſtand der Sinneswerkzeuge verloren.
Ueber den Verdauungsapparat aller Würmer zuſammen iſt kaum etwas zu ſagen.
Manche paraſitiſche Würmer ſind gänzlich ohne Darm. Sie haben die Bequemlichkeit, nicht zu
freſſen zu brauchen und ſich doch durch die unwillkürlich vor ſich gehende Hautaufſaugung trefflich
auf Koſten ihrer Wirthe zu nähren. Andere niedere Würmer haben einen Darm gleich einem
Beutel, andere wie ein Netz; bei denen, welche raſch verdauen und umſetzen, iſt er ſchlank und kurz,
die langſam verdauenden, welche auf einmal Maſſen von Nahrung aufnehmen, wie die Blutegel,
haben entſprechende Magenerweiterungen, gleich Vorrathskammern. Gleichen Schritt mit der
Entwicklung des Darmkanales hält das Blutgefäßſyſtem. An vielen höheren Würmern kann
man es im Leben bis in die feineren Details beobachten. Man findet dann das meiſt röthlich
gefärbte Blut in einige gröbere und viele feinere Adern eingeſchloſſen und dieſe, entweder voll-
kommene oder wenigſtens relative Abgeſchloſſenheit des Gefäßſyſtems, in welchem die größeren
Stämme an Stelle beſonderer Herzen pulſiren, iſt wiederum eine charakteriſtiſche Eigenthümlichkeit
wenigſtens dieſer Gliederwürmer. Als Athmungsorgan dient bald die geſammte Hautober-
fläche, bald finden ſich an derſelben kiemenartige Anhänge, bald ſind gefäßartige, innere Organe
vorhanden, welche eine Vergleichung mit den Luftgefäßen der Jnſekten zulaſſen, indem ſie das zur
Athmung dienende Waſſer tief in den Körper hinein leiten. Die komplicirteſten Fortpflanzungs-
organe, gerade bei den niedrigeren Würmern verbreitet, wechſeln mit ſehr einfachen, und alle
möglichen Formen der Fortpflanzung, Knospenbildung, Verwandlung, Entwicklung mit wechſelnden
Formen (Generationswechſel), Paraſitismus vom Ei an bis zum Tode, Paraſitismus im Alter
bei freien Jugendzuſtänden, Paraſitismus in der Jugend bei freier Lebensweiſe im Alter, Freiheit
in allen Alterszuſtänden — alle dieſe Formen der Lebensweiſe und Entwicklung werden in
bunteſter Manchfaltigkeit an uns vorüberziehen.
Nach dieſen Andeutungen kann es nicht Wunder nehmen, wenn man den Kreis der Würmer
in faſt eben ſo viele Klaſſen zerſpalten hat, als in den vorhergehenden Bänden des „illuſtrirten
Thierlebens“ zuſammen abgehandelt worden ſind, und wenn wir innerhalb dieſer Klaſſen weit
größere Ertreme antreffen als in dem Kreiſe der Wirbelthiere und Gliederthiere. Welche
Abweichungen und Umbildungen ſchon derjenige Paraſitismus hervorbringt, welcher ſich auf das
Leben und Anſiedeln auf anderen Thieren beſchränkt, haben die Schmarotzerkrebſe genugſam
gezeigt. Viel tiefere, den Bau und die Entwicklung treffende Veränderungen muß man alſo bei
denjenigen Würmern erwarten, welche im Jnnern ihrer Wirthe in den verſchiedenſten Organen
ihren Aufenthalt und ihre Nahrung finden. Man iſt daher wohl geneigt, und auch die Thierkunde
hat dieſen Weg eingeſchlagen, anzunehmen, daß alle ſogenannten Eingeweidewürmer eine zuſammen-
gehörige, abgeſchloſſene Klaſſe bildeten. Von dieſer auf einſeitiger Berückſichtigung des Aufenthaltes
beruhenden Anſicht, bei welcher man ſich ſchon großer Jnkonſequenzen ſchuldig macht, iſt die neuere
Wiſſenſchaft gänzlich zurückgekommen. Die Eingeweidewürmer ſind unter einander ſo verſchieden,
wie die zeitlebens frei lebenden Würmer, und es beſtehen noch viel zahlreichere Uebergangsformen
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 680. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/724>, abgerufen am 23.11.2024.
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