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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Ringelwürmer. Borstenwürmer.
von den einen zu den anderen, als wir oben bei den Schmarotzerkrebsen und den übrigen freien
Copepoden antrafen. Einer der neuesten und kenntnißreichsten Bearbeiter der Würmer, Dr. Ehlers,
stellt nicht weniger als acht Klassen derselben auf. Wir werden von allen diesen Gruppen und
von einigen recht ausführlich zu sprechen haben, ohne sie -- in Uebereinstimmung mit anderen
Zoologen -- sämmtlich als Klassen zu behandeln. Soll uns ja hier die Systematik überhaupt
mehr ein ordnender Führer durch die Windungen des Lebens, und nicht selbst in ihren Einzel-
heiten Zweck sein.



Die Ringelwürmer.


Der Name besagt, daß der Körper der in diese oberste Klasse gehörigen Würmer aus einer
Reihe äußerlich sichtbarer Ringe oder Segmente zerfällt, von deren Zwischenfurchen häutige
Scheidewände sich mehr oder weniger tief in die Leibeshöhle erstrecken. Die Zahl dieser einander
gleichgebildeten Ringe ist völlig unbestimmt. Der Mund liegt immer hinter dem ersten Segment
am Bauche, und bei den meisten kann der Anfangstheil des Darmes in Gestalt eines zum Graben
oder zum Fangen der Beute geschickten Rüssels vorgestreckt und ausgestülpt werden. Die höhere
Stellung der Ringelwürmer zeigt sich vor Allem in der Form und Entfaltung ihres Nerven-
systems, worin sie sich den ächten Gliederthieren vollständig anschließen. Man hat daher auch in
der Energie und Manchfaltigkeit ihrer Lebensäußerungen den entsprechenden Anschluß an die
höher organisirten Gliederthiere zu erwarten. Es ist kaum gerathen, noch mehr in allgemeinen
Redensarten von ihnen zu sprechen, ehe wir uns nicht mit einer mäßigen Anzahl von Formen
und Gruppen soweit bekannt gemacht haben, daß wir an ein genügendes Material von An-
schauungen und Vorstellungen unsere weiteren Mittheilungen knüpfen können. Zwei nach
ihren Bewegungsorganen zu unterscheidende Hauptabtheilungen finden wir im Regenwurm und
in dem Blutegel repräsentirt. Der erstere freilich ist dieser Würde insofern nur unvollkommen
gewachsen, als man ihn sehr genau befühlen und von rückwärts nach vorn durch die Finger gleiten
lassen muß, um sich von dem Vorhandensein der für seine Abtheilung charakteristischen Borsten zu
überzeugen. Er gehört zu den Borstenwürmern, deren Eigenthümlichkeit darin besteht, daß
sie entweder unmittelbar in die Haut oder in hervorstehende, fußartige Stummeln eingepflanzte
Borsten besitzen, welche bei den Bewegungen als Stütz-, Stemm- oder Ruderorgane dienen.
Jhnen gegenüber gruppiren sich um den Blutegel die Glattwürmer.



Erste Ordnung.
Borstenwürmer (Chaetopoda).

Wie eben gesagt, sind die Borstenwürmer gekennzeichnet durch seitliche Bündel oder Kämme
von Borsten, in denen uns das Mikroskop eine Reihe der zierlichsten Bildungen offenbart. Haken,
Spieße, Sägen, Pfeile, Messer, Kämme, glatte und geriefte Ruder und andere stechende und
schneidende Jnstrumente sind in diesen Miniatur-Borsten zu finden. Die einfacheren Formen,

Ringelwürmer. Borſtenwürmer.
von den einen zu den anderen, als wir oben bei den Schmarotzerkrebſen und den übrigen freien
Copepoden antrafen. Einer der neueſten und kenntnißreichſten Bearbeiter der Würmer, Dr. Ehlers,
ſtellt nicht weniger als acht Klaſſen derſelben auf. Wir werden von allen dieſen Gruppen und
von einigen recht ausführlich zu ſprechen haben, ohne ſie — in Uebereinſtimmung mit anderen
Zoologen — ſämmtlich als Klaſſen zu behandeln. Soll uns ja hier die Syſtematik überhaupt
mehr ein ordnender Führer durch die Windungen des Lebens, und nicht ſelbſt in ihren Einzel-
heiten Zweck ſein.



Die Ringelwürmer.


Der Name beſagt, daß der Körper der in dieſe oberſte Klaſſe gehörigen Würmer aus einer
Reihe äußerlich ſichtbarer Ringe oder Segmente zerfällt, von deren Zwiſchenfurchen häutige
Scheidewände ſich mehr oder weniger tief in die Leibeshöhle erſtrecken. Die Zahl dieſer einander
gleichgebildeten Ringe iſt völlig unbeſtimmt. Der Mund liegt immer hinter dem erſten Segment
am Bauche, und bei den meiſten kann der Anfangstheil des Darmes in Geſtalt eines zum Graben
oder zum Fangen der Beute geſchickten Rüſſels vorgeſtreckt und ausgeſtülpt werden. Die höhere
Stellung der Ringelwürmer zeigt ſich vor Allem in der Form und Entfaltung ihres Nerven-
ſyſtems, worin ſie ſich den ächten Gliederthieren vollſtändig anſchließen. Man hat daher auch in
der Energie und Manchfaltigkeit ihrer Lebensäußerungen den entſprechenden Anſchluß an die
höher organiſirten Gliederthiere zu erwarten. Es iſt kaum gerathen, noch mehr in allgemeinen
Redensarten von ihnen zu ſprechen, ehe wir uns nicht mit einer mäßigen Anzahl von Formen
und Gruppen ſoweit bekannt gemacht haben, daß wir an ein genügendes Material von An-
ſchauungen und Vorſtellungen unſere weiteren Mittheilungen knüpfen können. Zwei nach
ihren Bewegungsorganen zu unterſcheidende Hauptabtheilungen finden wir im Regenwurm und
in dem Blutegel repräſentirt. Der erſtere freilich iſt dieſer Würde inſofern nur unvollkommen
gewachſen, als man ihn ſehr genau befühlen und von rückwärts nach vorn durch die Finger gleiten
laſſen muß, um ſich von dem Vorhandenſein der für ſeine Abtheilung charakteriſtiſchen Borſten zu
überzeugen. Er gehört zu den Borſtenwürmern, deren Eigenthümlichkeit darin beſteht, daß
ſie entweder unmittelbar in die Haut oder in hervorſtehende, fußartige Stummeln eingepflanzte
Borſten beſitzen, welche bei den Bewegungen als Stütz-, Stemm- oder Ruderorgane dienen.
Jhnen gegenüber gruppiren ſich um den Blutegel die Glattwürmer.



Erſte Ordnung.
Borſtenwürmer (Chaetopoda).

Wie eben geſagt, ſind die Borſtenwürmer gekennzeichnet durch ſeitliche Bündel oder Kämme
von Borſten, in denen uns das Mikroſkop eine Reihe der zierlichſten Bildungen offenbart. Haken,
Spieße, Sägen, Pfeile, Meſſer, Kämme, glatte und geriefte Ruder und andere ſtechende und
ſchneidende Jnſtrumente ſind in dieſen Miniatur-Borſten zu finden. Die einfacheren Formen,

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[681/0725] Ringelwürmer. Borſtenwürmer. von den einen zu den anderen, als wir oben bei den Schmarotzerkrebſen und den übrigen freien Copepoden antrafen. Einer der neueſten und kenntnißreichſten Bearbeiter der Würmer, Dr. Ehlers, ſtellt nicht weniger als acht Klaſſen derſelben auf. Wir werden von allen dieſen Gruppen und von einigen recht ausführlich zu ſprechen haben, ohne ſie — in Uebereinſtimmung mit anderen Zoologen — ſämmtlich als Klaſſen zu behandeln. Soll uns ja hier die Syſtematik überhaupt mehr ein ordnender Führer durch die Windungen des Lebens, und nicht ſelbſt in ihren Einzel- heiten Zweck ſein. Die Ringelwürmer. Der Name beſagt, daß der Körper der in dieſe oberſte Klaſſe gehörigen Würmer aus einer Reihe äußerlich ſichtbarer Ringe oder Segmente zerfällt, von deren Zwiſchenfurchen häutige Scheidewände ſich mehr oder weniger tief in die Leibeshöhle erſtrecken. Die Zahl dieſer einander gleichgebildeten Ringe iſt völlig unbeſtimmt. Der Mund liegt immer hinter dem erſten Segment am Bauche, und bei den meiſten kann der Anfangstheil des Darmes in Geſtalt eines zum Graben oder zum Fangen der Beute geſchickten Rüſſels vorgeſtreckt und ausgeſtülpt werden. Die höhere Stellung der Ringelwürmer zeigt ſich vor Allem in der Form und Entfaltung ihres Nerven- ſyſtems, worin ſie ſich den ächten Gliederthieren vollſtändig anſchließen. Man hat daher auch in der Energie und Manchfaltigkeit ihrer Lebensäußerungen den entſprechenden Anſchluß an die höher organiſirten Gliederthiere zu erwarten. Es iſt kaum gerathen, noch mehr in allgemeinen Redensarten von ihnen zu ſprechen, ehe wir uns nicht mit einer mäßigen Anzahl von Formen und Gruppen ſoweit bekannt gemacht haben, daß wir an ein genügendes Material von An- ſchauungen und Vorſtellungen unſere weiteren Mittheilungen knüpfen können. Zwei nach ihren Bewegungsorganen zu unterſcheidende Hauptabtheilungen finden wir im Regenwurm und in dem Blutegel repräſentirt. Der erſtere freilich iſt dieſer Würde inſofern nur unvollkommen gewachſen, als man ihn ſehr genau befühlen und von rückwärts nach vorn durch die Finger gleiten laſſen muß, um ſich von dem Vorhandenſein der für ſeine Abtheilung charakteriſtiſchen Borſten zu überzeugen. Er gehört zu den Borſtenwürmern, deren Eigenthümlichkeit darin beſteht, daß ſie entweder unmittelbar in die Haut oder in hervorſtehende, fußartige Stummeln eingepflanzte Borſten beſitzen, welche bei den Bewegungen als Stütz-, Stemm- oder Ruderorgane dienen. Jhnen gegenüber gruppiren ſich um den Blutegel die Glattwürmer. Erſte Ordnung. Borſtenwürmer (Chaetopoda). Wie eben geſagt, ſind die Borſtenwürmer gekennzeichnet durch ſeitliche Bündel oder Kämme von Borſten, in denen uns das Mikroſkop eine Reihe der zierlichſten Bildungen offenbart. Haken, Spieße, Sägen, Pfeile, Meſſer, Kämme, glatte und geriefte Ruder und andere ſtechende und ſchneidende Jnſtrumente ſind in dieſen Miniatur-Borſten zu finden. Die einfacheren Formen,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 681. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/725>, abgerufen am 23.11.2024.