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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Heteronereis. Phyllodoce. Torrea. Glycera. Sandwurm.
ihren Bewegungen im Wasser nur ihre Augen als zwei rothe Punkte und zwei Reihen violeter
Punkte sieht, drüsenartige Organe am Grunde der Fußstummel. Wie vollkommene Gesichtswerk-
zeuge jene beiden Augen seien, davon überzeugte sich der oben genannte pariser Naturforscher auf
folgende überraschende Weise. Die Güte der Augen hängt unter anderm in erster Linie davon
ab, daß der lichtbrechende Apparat, im menschlichen Auge Hornhaut, wässerige Flüssigkeit, Linse
und Glaskörper, ein getreues, wirkliches Bild der Gegenstände entwerfe. Wenn man ein frisch
ausgeschnittenes Ochsenauge, dessen hintere Fläche man vom Fett gereinigt hat, mit dieser Fläche
sich zuwendet und das Licht auf dem gewöhnlichen Wege in dasselbe treten läßt, so sind in der
That die vor uns liegenden Gegenstände, Bäume, Vorübergehende, im verkleinerten Maßstabe
aber umgekehrter Stellung auf der durchscheinenden Rückenwand des Auges abgebildet. Der
Zoolog betrachtete mit dem Mikroskop das Auge der Torrea und siehe, auf dessen Hintergrund
projectirte sich das zierlichste und genaueste Bild eines Theiles der vor dem Fenster des Beobachters
sich ausbreitenden Landschaft. Die eine Bedingung der Vollkommenheit des Gesichtsorganes war
erfüllt und die andere Bedingung, eine Netzhaut zum Auffangen des Bildes und ein Nerv zur
Uebermittelung des Eindruckes an das Gehirn war auch da. Wir fügen hinzu, daß eine ähnliche
Vollkommenheit dieser Organe für die meisten der freilebenden Rückenkiemer gilt.

Einen ganz anderen Eindruck macht wiederum die Familie der Glycera. Die Segmente
ihres gestreckten Körpers sowie der kegelförmige Kopflappen sind nochmals schmal geringelt. Sie
können einen im Verhältniß zu ihrer Größe ganz kolossalen Rüssel vorstrecken, der mit allerhand
kleinen Warzen und Zähnchen dicht bedeckt ist. Wie sie sich seiner bedienen, beobachtet man leicht,
wenn man sie am Seestrande unter Steinen auf sandigem Boden überrascht: sie bohren sich alsdann,
den Rüssel abwechselnd mit Gewalt ausstreckend und einziehend, in den Boden ein. Jhrer ver-
steckten, lichtscheuen Lebensweise entspricht auch die wenig lebhafte Färbung. Die Verbreitung der
Gattung Glycera ist eine sehr große; man kennt sie von Neu-Seeland, Valparaiso, Peru, von
Grönland und vom Nordkap, wie denn auch eine Reihe von Arten in den mittel- und südeuro-
päischen Meeren nicht fehlen.

Mit dem Sandwurme (Pieraas, Arenicola piscatorum) kommen wir zu einer sehr natür-
lichen, abgeschlossenen Familie, deren Glieder eine ähnliche Lebensweise führen, wie die Glyceren.
Die genannte Musterart war bis zu Lamark als ein Regenwurm betrachtet worden. Unsere
Abbildung zeigt, daß der Körper nach vorn stark zugespitzt ist, und daß er in drei Hauptabschnitte
zerfällt. Er erreicht eine Länge von 9 Zoll und variirt sehr in der Färbung; grünliche, gelbliche
und röthliche Tinten herrschen vor, es gibt aber auch sehr helle und fast dunkelschwarze Jndividuen.
Die Nuancen dieser Färbungen stehen im offenbaren Zusammenhange mit der Beschaffenheit des
Aufenthaltes, indem die helle Varietät nur in fast reinem Sandboden, die schwarze in einem durch
starke Beimischung organischer, sich zersetzender Stoffe fast schlammigen Boden vorkommt. Jch
fand diese dunkel gefärbten Sandwürmer mit einem Stich in Grün z. B. in dem schlammigen
Hafen von Nizza. Ueber den kleinen dreieckigen Kopf hervor kann der einem Becher gleichende
Rüssel gestreckt werden. Die vordern Körpersegmente tragen auf dem Rücken bloß die in Höcker
eingepflanzten Borstenbündel, hinter welchen auf den dreizehn mittleren Segmenten die äußerst
zierlich verzweigten Kiemenbäumchen stehen. Das letzte Drittel des Körpers ist ganz drehrund,
ohne Kiemen und Fußhöcker.

Der Fischer-Sandwurm lebt an allen Küsten des westlichen Europa und von Grönland.
An vielen sandigen Uferstrecken kommt er in ungeheuren Mengen vor, indem er die Zone
liebt, welche bei der Ebbe blosgelegt wird. Da die Fischer ihn gern als Köder benutzen,
so wird ihm eifrig nachgestellt. Die Jagd ist zwar nicht schwierig, erfordert aber eine gewisse
Kenntniß seiner Lebensgewohnheiten. Gleich den Regenwürmern verschlingt der Sandwurm
große Mengen des Bodens, in dem er lebt, um damit die zu seiner Ernährung dienende organische
Materie in den Magen zu bekommen. Gleich den Regenwürmern kommt er an die Oberfläche, um

Heteronereis. Phyllodoce. Torrea. Glycera. Sandwurm.
ihren Bewegungen im Waſſer nur ihre Augen als zwei rothe Punkte und zwei Reihen violeter
Punkte ſieht, drüſenartige Organe am Grunde der Fußſtummel. Wie vollkommene Geſichtswerk-
zeuge jene beiden Augen ſeien, davon überzeugte ſich der oben genannte pariſer Naturforſcher auf
folgende überraſchende Weiſe. Die Güte der Augen hängt unter anderm in erſter Linie davon
ab, daß der lichtbrechende Apparat, im menſchlichen Auge Hornhaut, wäſſerige Flüſſigkeit, Linſe
und Glaskörper, ein getreues, wirkliches Bild der Gegenſtände entwerfe. Wenn man ein friſch
ausgeſchnittenes Ochſenauge, deſſen hintere Fläche man vom Fett gereinigt hat, mit dieſer Fläche
ſich zuwendet und das Licht auf dem gewöhnlichen Wege in daſſelbe treten läßt, ſo ſind in der
That die vor uns liegenden Gegenſtände, Bäume, Vorübergehende, im verkleinerten Maßſtabe
aber umgekehrter Stellung auf der durchſcheinenden Rückenwand des Auges abgebildet. Der
Zoolog betrachtete mit dem Mikroſkop das Auge der Torrea und ſiehe, auf deſſen Hintergrund
projectirte ſich das zierlichſte und genaueſte Bild eines Theiles der vor dem Fenſter des Beobachters
ſich ausbreitenden Landſchaft. Die eine Bedingung der Vollkommenheit des Geſichtsorganes war
erfüllt und die andere Bedingung, eine Netzhaut zum Auffangen des Bildes und ein Nerv zur
Uebermittelung des Eindruckes an das Gehirn war auch da. Wir fügen hinzu, daß eine ähnliche
Vollkommenheit dieſer Organe für die meiſten der freilebenden Rückenkiemer gilt.

Einen ganz anderen Eindruck macht wiederum die Familie der Glycera. Die Segmente
ihres geſtreckten Körpers ſowie der kegelförmige Kopflappen ſind nochmals ſchmal geringelt. Sie
können einen im Verhältniß zu ihrer Größe ganz koloſſalen Rüſſel vorſtrecken, der mit allerhand
kleinen Warzen und Zähnchen dicht bedeckt iſt. Wie ſie ſich ſeiner bedienen, beobachtet man leicht,
wenn man ſie am Seeſtrande unter Steinen auf ſandigem Boden überraſcht: ſie bohren ſich alsdann,
den Rüſſel abwechſelnd mit Gewalt ausſtreckend und einziehend, in den Boden ein. Jhrer ver-
ſteckten, lichtſcheuen Lebensweiſe entſpricht auch die wenig lebhafte Färbung. Die Verbreitung der
Gattung Glycera iſt eine ſehr große; man kennt ſie von Neu-Seeland, Valparaiſo, Peru, von
Grönland und vom Nordkap, wie denn auch eine Reihe von Arten in den mittel- und ſüdeuro-
päiſchen Meeren nicht fehlen.

Mit dem Sandwurme (Pieraas, Arenicola piscatorum) kommen wir zu einer ſehr natür-
lichen, abgeſchloſſenen Familie, deren Glieder eine ähnliche Lebensweiſe führen, wie die Glyceren.
Die genannte Muſterart war bis zu Lamark als ein Regenwurm betrachtet worden. Unſere
Abbildung zeigt, daß der Körper nach vorn ſtark zugeſpitzt iſt, und daß er in drei Hauptabſchnitte
zerfällt. Er erreicht eine Länge von 9 Zoll und variirt ſehr in der Färbung; grünliche, gelbliche
und röthliche Tinten herrſchen vor, es gibt aber auch ſehr helle und faſt dunkelſchwarze Jndividuen.
Die Nuancen dieſer Färbungen ſtehen im offenbaren Zuſammenhange mit der Beſchaffenheit des
Aufenthaltes, indem die helle Varietät nur in faſt reinem Sandboden, die ſchwarze in einem durch
ſtarke Beimiſchung organiſcher, ſich zerſetzender Stoffe faſt ſchlammigen Boden vorkommt. Jch
fand dieſe dunkel gefärbten Sandwürmer mit einem Stich in Grün z. B. in dem ſchlammigen
Hafen von Nizza. Ueber den kleinen dreieckigen Kopf hervor kann der einem Becher gleichende
Rüſſel geſtreckt werden. Die vordern Körperſegmente tragen auf dem Rücken bloß die in Höcker
eingepflanzten Borſtenbündel, hinter welchen auf den dreizehn mittleren Segmenten die äußerſt
zierlich verzweigten Kiemenbäumchen ſtehen. Das letzte Drittel des Körpers iſt ganz drehrund,
ohne Kiemen und Fußhöcker.

Der Fiſcher-Sandwurm lebt an allen Küſten des weſtlichen Europa und von Grönland.
An vielen ſandigen Uferſtrecken kommt er in ungeheuren Mengen vor, indem er die Zone
liebt, welche bei der Ebbe blosgelegt wird. Da die Fiſcher ihn gern als Köder benutzen,
ſo wird ihm eifrig nachgeſtellt. Die Jagd iſt zwar nicht ſchwierig, erfordert aber eine gewiſſe
Kenntniß ſeiner Lebensgewohnheiten. Gleich den Regenwürmern verſchlingt der Sandwurm
große Mengen des Bodens, in dem er lebt, um damit die zu ſeiner Ernährung dienende organiſche
Materie in den Magen zu bekommen. Gleich den Regenwürmern kommt er an die Oberfläche, um

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[685/0729] Heteronereis. Phyllodoce. Torrea. Glycera. Sandwurm. ihren Bewegungen im Waſſer nur ihre Augen als zwei rothe Punkte und zwei Reihen violeter Punkte ſieht, drüſenartige Organe am Grunde der Fußſtummel. Wie vollkommene Geſichtswerk- zeuge jene beiden Augen ſeien, davon überzeugte ſich der oben genannte pariſer Naturforſcher auf folgende überraſchende Weiſe. Die Güte der Augen hängt unter anderm in erſter Linie davon ab, daß der lichtbrechende Apparat, im menſchlichen Auge Hornhaut, wäſſerige Flüſſigkeit, Linſe und Glaskörper, ein getreues, wirkliches Bild der Gegenſtände entwerfe. Wenn man ein friſch ausgeſchnittenes Ochſenauge, deſſen hintere Fläche man vom Fett gereinigt hat, mit dieſer Fläche ſich zuwendet und das Licht auf dem gewöhnlichen Wege in daſſelbe treten läßt, ſo ſind in der That die vor uns liegenden Gegenſtände, Bäume, Vorübergehende, im verkleinerten Maßſtabe aber umgekehrter Stellung auf der durchſcheinenden Rückenwand des Auges abgebildet. Der Zoolog betrachtete mit dem Mikroſkop das Auge der Torrea und ſiehe, auf deſſen Hintergrund projectirte ſich das zierlichſte und genaueſte Bild eines Theiles der vor dem Fenſter des Beobachters ſich ausbreitenden Landſchaft. Die eine Bedingung der Vollkommenheit des Geſichtsorganes war erfüllt und die andere Bedingung, eine Netzhaut zum Auffangen des Bildes und ein Nerv zur Uebermittelung des Eindruckes an das Gehirn war auch da. Wir fügen hinzu, daß eine ähnliche Vollkommenheit dieſer Organe für die meiſten der freilebenden Rückenkiemer gilt. Einen ganz anderen Eindruck macht wiederum die Familie der Glycera. Die Segmente ihres geſtreckten Körpers ſowie der kegelförmige Kopflappen ſind nochmals ſchmal geringelt. Sie können einen im Verhältniß zu ihrer Größe ganz koloſſalen Rüſſel vorſtrecken, der mit allerhand kleinen Warzen und Zähnchen dicht bedeckt iſt. Wie ſie ſich ſeiner bedienen, beobachtet man leicht, wenn man ſie am Seeſtrande unter Steinen auf ſandigem Boden überraſcht: ſie bohren ſich alsdann, den Rüſſel abwechſelnd mit Gewalt ausſtreckend und einziehend, in den Boden ein. Jhrer ver- ſteckten, lichtſcheuen Lebensweiſe entſpricht auch die wenig lebhafte Färbung. Die Verbreitung der Gattung Glycera iſt eine ſehr große; man kennt ſie von Neu-Seeland, Valparaiſo, Peru, von Grönland und vom Nordkap, wie denn auch eine Reihe von Arten in den mittel- und ſüdeuro- päiſchen Meeren nicht fehlen. Mit dem Sandwurme (Pieraas, Arenicola piscatorum) kommen wir zu einer ſehr natür- lichen, abgeſchloſſenen Familie, deren Glieder eine ähnliche Lebensweiſe führen, wie die Glyceren. Die genannte Muſterart war bis zu Lamark als ein Regenwurm betrachtet worden. Unſere Abbildung zeigt, daß der Körper nach vorn ſtark zugeſpitzt iſt, und daß er in drei Hauptabſchnitte zerfällt. Er erreicht eine Länge von 9 Zoll und variirt ſehr in der Färbung; grünliche, gelbliche und röthliche Tinten herrſchen vor, es gibt aber auch ſehr helle und faſt dunkelſchwarze Jndividuen. Die Nuancen dieſer Färbungen ſtehen im offenbaren Zuſammenhange mit der Beſchaffenheit des Aufenthaltes, indem die helle Varietät nur in faſt reinem Sandboden, die ſchwarze in einem durch ſtarke Beimiſchung organiſcher, ſich zerſetzender Stoffe faſt ſchlammigen Boden vorkommt. Jch fand dieſe dunkel gefärbten Sandwürmer mit einem Stich in Grün z. B. in dem ſchlammigen Hafen von Nizza. Ueber den kleinen dreieckigen Kopf hervor kann der einem Becher gleichende Rüſſel geſtreckt werden. Die vordern Körperſegmente tragen auf dem Rücken bloß die in Höcker eingepflanzten Borſtenbündel, hinter welchen auf den dreizehn mittleren Segmenten die äußerſt zierlich verzweigten Kiemenbäumchen ſtehen. Das letzte Drittel des Körpers iſt ganz drehrund, ohne Kiemen und Fußhöcker. Der Fiſcher-Sandwurm lebt an allen Küſten des weſtlichen Europa und von Grönland. An vielen ſandigen Uferſtrecken kommt er in ungeheuren Mengen vor, indem er die Zone liebt, welche bei der Ebbe blosgelegt wird. Da die Fiſcher ihn gern als Köder benutzen, ſo wird ihm eifrig nachgeſtellt. Die Jagd iſt zwar nicht ſchwierig, erfordert aber eine gewiſſe Kenntniß ſeiner Lebensgewohnheiten. Gleich den Regenwürmern verſchlingt der Sandwurm große Mengen des Bodens, in dem er lebt, um damit die zu ſeiner Ernährung dienende organiſche Materie in den Magen zu bekommen. Gleich den Regenwürmern kommt er an die Oberfläche, um

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 685. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/729>, abgerufen am 28.09.2024.