des Mundes die Stelle von Athemorganen; allein die wahren Kiemen treffen wir nochmals in der Form und Stellung, wie bei den Rückenkiemern an. Es sind jene Züngelchen auf allen mit Fußstummeln versehenen Segmenten. Der Körper endigt mit einem drehrunden, ungeringelten, borstenlosen Abschnitt.
Eine der umfangreichsten und variabelsten Familien der Unterordnung der Kopfkiemer ist die der Terebellen (Terebellacea). Jhr gestreckter, aber sehr zusammenziehbarer und weicher Körper ist rund und vorn meist am dicksten. Am Kopf sitzt eine Querreihe oder zwei seitliche Büschel von Fühlfäden, bei einigen, z. B. der im Mittelmeere gemeinen Terebella nebulosa in so großer Menge, daß man sie nicht zählen kann. Diese Organe befinden sich nämlich in einer fortwährenden, schlangenartigen Bewegung, verkürzen und verlängern sich und scheinen wie lebendig durch einander zu kriechen, daß man, wenn ihre Anzahl steigt, jede Kontrole der Zählung verliert. Da sie meist gelblich oder röthlich gefärbt sind, geben sie in diesem Durcheinander einen sehr lieblichen Anblick. Bei den eigentlichen Stammarten der Terebellen stehen auf den vordern Körper- segmenten mehrere Kiemen. Bei der beistehend abgebildeten Art sind es drei zierlich verzweigte Bäumchen. Die oberen Fußstummel aller Terebellen tragen Büschel von Haarborsten. Alle ver- wenden Material aus ihrer Umgebung, um es zu ihren Wohnröhren zusammenzukitten. Terebella emmalina, aus der Bai von Biscaya, baut aus Muschelstückchen und Sand sehr zerbrechliche Röhren. Von ihrer Vorliebe für Muschelfragmente zu ihrem Bau hat die in allen mitteleuro- päischen Meeren gemeine Terebella conchilega ihren Namen. Die ebenfalls sehr gemeine Terebella nebulosa, so genannt, weil sie sich mit dem Gewirr ihrer röthlichen Fühlfäden wie mit einer deckenden Wolke umgeben kann, leimt sich zu temporärem Aufenthalt unter den Ufersteinen sehr zerbrechliche Röhren und laubenartige Gänge, die man häufig verlassen findet. Geschickter und beweg- licher als ihre Schwestern, kann sie, in einem Gefäß gehalten, ihre Fühlfäden, wie Quatre- fages sich ausdrückt, als lebendige Seile benutzen und sich daran, wie Münchhausen an seinem Zopfe, in die Höhe ziehen.
Jn der großen Familie der Serpulaccen (Serpulacea) sind die Kiemen vollständig an das vordere Ende gerückt, und das durch die Flimmerhärchen derselben in Strömung versetzte Wasser bringt der unmittelbar darunter gelegenen Mundöffnung die Nahrung zu. Der sonst ge- trennte Kopflappen ist hier mit dem durch die Mundöffnung ausgezeichneten ersten Segment verschmolzen, und der so gebildete Kopf ist durch eine Art von breiter Krause vom übrigen Körper abgesetzt. Merkwürdig ist der sogenannte Borsten- wechsel, indem auf der vorderen Körperhälfte am Rücken Haarborsten, am Bauche Haken- borsten, auf der hinteren dagegen die Haar- borsten am Bauche stehen. Jn der großen
[Abbildung]
Serpula ornata.
Gattung Serpula sehen wir einen oder auch zwei der Kiemenfäden in einen, von einem Faden getragenen keulenförmigen Deckel umgewandelt, der beim Zurückschlüpfen in die Röhre immer zuletzt zum Verschluß eingezogen wird. Das mikroskopische Detail dieser Deckel ist sehr wichtig für die Artunterscheidung und an sich hübsch anzusehen, da Zähnchen, kronenartige Aufsätze, bewegliche Stacheln und dergleichen organisches Schnitzwerk sie bei der einen Art so, bei der andern so, zierlich kennzeichnen. Ein anderes Feld der Manchfaltigkeit derselben Gattung ist in der
Taschenberg und Schmidt, wirbellose Thiere. (Brehm, Thierleben. VI.) 44
Hermella. Terebellen. Serpula.
des Mundes die Stelle von Athemorganen; allein die wahren Kiemen treffen wir nochmals in der Form und Stellung, wie bei den Rückenkiemern an. Es ſind jene Züngelchen auf allen mit Fußſtummeln verſehenen Segmenten. Der Körper endigt mit einem drehrunden, ungeringelten, borſtenloſen Abſchnitt.
Eine der umfangreichſten und variabelſten Familien der Unterordnung der Kopfkiemer iſt die der Terebellen (Terebellacea). Jhr geſtreckter, aber ſehr zuſammenziehbarer und weicher Körper iſt rund und vorn meiſt am dickſten. Am Kopf ſitzt eine Querreihe oder zwei ſeitliche Büſchel von Fühlfäden, bei einigen, z. B. der im Mittelmeere gemeinen Terebella nebulosa in ſo großer Menge, daß man ſie nicht zählen kann. Dieſe Organe befinden ſich nämlich in einer fortwährenden, ſchlangenartigen Bewegung, verkürzen und verlängern ſich und ſcheinen wie lebendig durch einander zu kriechen, daß man, wenn ihre Anzahl ſteigt, jede Kontrole der Zählung verliert. Da ſie meiſt gelblich oder röthlich gefärbt ſind, geben ſie in dieſem Durcheinander einen ſehr lieblichen Anblick. Bei den eigentlichen Stammarten der Terebellen ſtehen auf den vordern Körper- ſegmenten mehrere Kiemen. Bei der beiſtehend abgebildeten Art ſind es drei zierlich verzweigte Bäumchen. Die oberen Fußſtummel aller Terebellen tragen Büſchel von Haarborſten. Alle ver- wenden Material aus ihrer Umgebung, um es zu ihren Wohnröhren zuſammenzukitten. Terebella emmalina, aus der Bai von Biscaya, baut aus Muſchelſtückchen und Sand ſehr zerbrechliche Röhren. Von ihrer Vorliebe für Muſchelfragmente zu ihrem Bau hat die in allen mitteleuro- päiſchen Meeren gemeine Terebella conchilega ihren Namen. Die ebenfalls ſehr gemeine Terebella nebulosa, ſo genannt, weil ſie ſich mit dem Gewirr ihrer röthlichen Fühlfäden wie mit einer deckenden Wolke umgeben kann, leimt ſich zu temporärem Aufenthalt unter den Uferſteinen ſehr zerbrechliche Röhren und laubenartige Gänge, die man häufig verlaſſen findet. Geſchickter und beweg- licher als ihre Schweſtern, kann ſie, in einem Gefäß gehalten, ihre Fühlfäden, wie Quatre- fages ſich ausdrückt, als lebendige Seile benutzen und ſich daran, wie Münchhauſen an ſeinem Zopfe, in die Höhe ziehen.
Jn der großen Familie der Serpulaccen (Serpulacea) ſind die Kiemen vollſtändig an das vordere Ende gerückt, und das durch die Flimmerhärchen derſelben in Strömung verſetzte Waſſer bringt der unmittelbar darunter gelegenen Mundöffnung die Nahrung zu. Der ſonſt ge- trennte Kopflappen iſt hier mit dem durch die Mundöffnung ausgezeichneten erſten Segment verſchmolzen, und der ſo gebildete Kopf iſt durch eine Art von breiter Krauſe vom übrigen Körper abgeſetzt. Merkwürdig iſt der ſogenannte Borſten- wechſel, indem auf der vorderen Körperhälfte am Rücken Haarborſten, am Bauche Haken- borſten, auf der hinteren dagegen die Haar- borſten am Bauche ſtehen. Jn der großen
[Abbildung]
Serpula ornata.
Gattung Serpula ſehen wir einen oder auch zwei der Kiemenfäden in einen, von einem Faden getragenen keulenförmigen Deckel umgewandelt, der beim Zurückſchlüpfen in die Röhre immer zuletzt zum Verſchluß eingezogen wird. Das mikroſkopiſche Detail dieſer Deckel iſt ſehr wichtig für die Artunterſcheidung und an ſich hübſch anzuſehen, da Zähnchen, kronenartige Aufſätze, bewegliche Stacheln und dergleichen organiſches Schnitzwerk ſie bei der einen Art ſo, bei der andern ſo, zierlich kennzeichnen. Ein anderes Feld der Manchfaltigkeit derſelben Gattung iſt in der
Taſchenberg und Schmidt, wirbelloſe Thiere. (Brehm, Thierleben. VI.) 44
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[689/0733]
Hermella. Terebellen. Serpula.
des Mundes die Stelle von Athemorganen; allein die wahren Kiemen treffen wir nochmals in der
Form und Stellung, wie bei den Rückenkiemern an. Es ſind jene Züngelchen auf allen mit
Fußſtummeln verſehenen Segmenten. Der Körper endigt mit einem drehrunden, ungeringelten,
borſtenloſen Abſchnitt.
Eine der umfangreichſten und variabelſten Familien der Unterordnung der Kopfkiemer iſt die
der Terebellen (Terebellacea). Jhr geſtreckter, aber ſehr zuſammenziehbarer und weicher Körper
iſt rund und vorn meiſt am dickſten. Am Kopf ſitzt eine Querreihe oder zwei ſeitliche Büſchel
von Fühlfäden, bei einigen, z. B. der im Mittelmeere gemeinen Terebella nebulosa in ſo großer
Menge, daß man ſie nicht zählen kann. Dieſe Organe befinden ſich nämlich in einer fortwährenden,
ſchlangenartigen Bewegung, verkürzen und verlängern ſich und ſcheinen wie lebendig durch
einander zu kriechen, daß man, wenn ihre Anzahl ſteigt, jede Kontrole der Zählung verliert.
Da ſie meiſt gelblich oder röthlich gefärbt ſind, geben ſie in dieſem Durcheinander einen ſehr
lieblichen Anblick. Bei den eigentlichen Stammarten der Terebellen ſtehen auf den vordern Körper-
ſegmenten mehrere Kiemen. Bei der beiſtehend abgebildeten Art ſind es drei zierlich verzweigte
Bäumchen. Die oberen Fußſtummel aller Terebellen tragen Büſchel von Haarborſten. Alle ver-
wenden Material aus ihrer Umgebung, um es zu ihren Wohnröhren zuſammenzukitten. Terebella
emmalina, aus der Bai von Biscaya, baut aus Muſchelſtückchen und Sand ſehr zerbrechliche
Röhren. Von ihrer Vorliebe für Muſchelfragmente zu ihrem Bau hat die in allen mitteleuro-
päiſchen Meeren gemeine Terebella conchilega ihren Namen. Die ebenfalls ſehr gemeine Terebella
nebulosa, ſo genannt, weil ſie ſich mit dem Gewirr ihrer röthlichen Fühlfäden wie mit einer
deckenden Wolke umgeben kann, leimt ſich zu temporärem Aufenthalt unter den Uferſteinen ſehr
zerbrechliche Röhren und laubenartige Gänge, die man häufig verlaſſen findet. Geſchickter und beweg-
licher als ihre Schweſtern, kann ſie, in einem
Gefäß gehalten, ihre Fühlfäden, wie Quatre-
fages ſich ausdrückt, als lebendige Seile benutzen
und ſich daran, wie Münchhauſen an ſeinem
Zopfe, in die Höhe ziehen.
Jn der großen Familie der Serpulaccen
(Serpulacea) ſind die Kiemen vollſtändig an
das vordere Ende gerückt, und das durch die
Flimmerhärchen derſelben in Strömung verſetzte
Waſſer bringt der unmittelbar darunter gelegenen
Mundöffnung die Nahrung zu. Der ſonſt ge-
trennte Kopflappen iſt hier mit dem durch die
Mundöffnung ausgezeichneten erſten Segment
verſchmolzen, und der ſo gebildete Kopf iſt durch
eine Art von breiter Krauſe vom übrigen Körper
abgeſetzt. Merkwürdig iſt der ſogenannte Borſten-
wechſel, indem auf der vorderen Körperhälfte
am Rücken Haarborſten, am Bauche Haken-
borſten, auf der hinteren dagegen die Haar-
borſten am Bauche ſtehen. Jn der großen
[Abbildung Serpula ornata.]
Gattung Serpula ſehen wir einen oder auch zwei der Kiemenfäden in einen, von einem Faden
getragenen keulenförmigen Deckel umgewandelt, der beim Zurückſchlüpfen in die Röhre immer
zuletzt zum Verſchluß eingezogen wird. Das mikroſkopiſche Detail dieſer Deckel iſt ſehr wichtig
für die Artunterſcheidung und an ſich hübſch anzuſehen, da Zähnchen, kronenartige Aufſätze,
bewegliche Stacheln und dergleichen organiſches Schnitzwerk ſie bei der einen Art ſo, bei der andern
ſo, zierlich kennzeichnen. Ein anderes Feld der Manchfaltigkeit derſelben Gattung iſt in der
Taſchenberg und Schmidt, wirbelloſe Thiere. (Brehm, Thierleben. VI.) 44
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 689. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/733>, abgerufen am 23.11.2024.
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