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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Medicinischer Blutegel.
anderen Egeln die eigentlichen Segmente, sondern, wie aus der Vertheilung und Wiederholung
der inneren Organe hervorgeht, bilden erst vier bis fünf Ringel ein solches. Der Kopflappen ist
mit dem Mundsegment zu einer geringelten Haftscheibe verschmolzen. Der hintere Saugnapf ist
meist deutlich vom Körper abgeschnürt, und oberhalb desselben mündet der Darm. Der Schlund
kann soweit umgestülpt werden, daß drei, oft gezähnelte muskulöse Falten zu Tage treten.

Wir beschäftigen uns zunächst etwas eingehender mit den medicinischen Blutegeln, den
Arten von Hirudo, die zur Oeffnung der Wunde, aus der sie Blut saugen wollen, mit zahlreichen
spitzen Zähnchen auf den halbkreisförmigen Kieferfalten ausgestattet sind, wie sie sich ferner durch
die bedeutende Weite ihres mit zahlreichen Seitentaschen versehenen Magens auszeichnen. Wir
müssen jedoch diese und andere Eigenthümlichkeiten ihres Baues näher betrachten. Die medi-
cinischen Blutegel besitzen 10 Augen, welche, wie der nachstehende Umriß (2) zeigt, über die vorderen
8 Ringel paarweise vertheilt sind. Das Mikroskop zeigt, daß der Kopfrand des Egels noch eine
Menge sehr eigenthümlicher, becherförmiger Organe trägt, welche nach ihrer Beschaffenheit und
ihrem Nervenreichthum zu schließen, besondere Sinneswerkzeuge zu sein scheinen. Ob damit die
Kopsscheibe zu einem sehr empfindlichen Tastorgan gemacht ist, oder ob die Becher eine Art von
Geruchs- oder Witterungsorganen sind, ist schwer zu entscheiden.

Die sogenannten Kiefer der Blutegel bestehen aus einer halbkreisförmigen, festen Muskel-
masse. Die Muskelfasern kreuzen sich so, daß die Kiefer nach Art einer Schrotsäge bewegt werden

[Abbildung] Bau der Blutegel.
1 Darmkanal. a Schlund. b Die mittleren Magenblindsäcke. c Die letzten Blindsäcke. 2 Borderende mit den Augen.
3 Ein Kieferwulst des Pferdeegets.
und die 60 bis 70 auf der Kante befestigten Zähnchen zugleich stechen und reißen. Die Kiefern
sind gegenseitig so gestellt, wie die charakteristische, dreistrahlige Wunde es zeigt. Auf den Schlund
(a) folgt der mit 11 Paar Blindtaschen versehene Magen (b). Natürlich müssen wir den ganzen
Raum zum Magen rechnen, welcher beim Saugen auf ein Mal gefüllt wird, und diese Füllung
geschieht bis in die äußersten Zipfel jenes langen, letzten Paares der Blindsäcke (c), welche noch
neben dem kurzen, engen Darm bis nahe aus Hinterende sich erstrecken. Und da sowohl die
Körperwandungen, wie die Magenwände elastisch und dehnbar sind, begreift es sich, wie der Blutegel
seinen ganzen Umfang im Saugen um das Drei- bis Vierfache vermehren kann. Der medicinische
Blutegel hat ein sehr verwickeltes Blutgefäßsystem. Wen diese Verhältnisse interessiren, welche
am Blutegel schwer zu expliciren sind, suche sich helle, durchscheinende Exemplare der weitver-
breiteten Egelart Nephelis vulgaris (S. 703) zu verschaffen. Jn einem engen Glasrohre und gegen
das Licht gehalten, sieht man an dem ganz unversehrten Thiere mit der Lupe sehr deutlich den
ganzen Blutumlauf, der hauptsächlich in einer Fluktuation von einer Seite zur andern besteht.

Der Blutegel ist, wie alle Egel, Zwitter; die männliche Oeffnung liegt zwischen dem 24. und
25. Ringe, die weibliche zwischen dem 29. und 30. Die Beschreibung des Eierlegens und die
Bildung der Eikapseln verlangt eine Berücksichtigung ihrer Lebensweise überhaupt, wobei wir der

Mediciniſcher Blutegel.
anderen Egeln die eigentlichen Segmente, ſondern, wie aus der Vertheilung und Wiederholung
der inneren Organe hervorgeht, bilden erſt vier bis fünf Ringel ein ſolches. Der Kopflappen iſt
mit dem Mundſegment zu einer geringelten Haftſcheibe verſchmolzen. Der hintere Saugnapf iſt
meiſt deutlich vom Körper abgeſchnürt, und oberhalb deſſelben mündet der Darm. Der Schlund
kann ſoweit umgeſtülpt werden, daß drei, oft gezähnelte muskulöſe Falten zu Tage treten.

Wir beſchäftigen uns zunächſt etwas eingehender mit den mediciniſchen Blutegeln, den
Arten von Hirudo, die zur Oeffnung der Wunde, aus der ſie Blut ſaugen wollen, mit zahlreichen
ſpitzen Zähnchen auf den halbkreisförmigen Kieferfalten ausgeſtattet ſind, wie ſie ſich ferner durch
die bedeutende Weite ihres mit zahlreichen Seitentaſchen verſehenen Magens auszeichnen. Wir
müſſen jedoch dieſe und andere Eigenthümlichkeiten ihres Baues näher betrachten. Die medi-
ciniſchen Blutegel beſitzen 10 Augen, welche, wie der nachſtehende Umriß (2) zeigt, über die vorderen
8 Ringel paarweiſe vertheilt ſind. Das Mikroſkop zeigt, daß der Kopfrand des Egels noch eine
Menge ſehr eigenthümlicher, becherförmiger Organe trägt, welche nach ihrer Beſchaffenheit und
ihrem Nervenreichthum zu ſchließen, beſondere Sinneswerkzeuge zu ſein ſcheinen. Ob damit die
Kopſſcheibe zu einem ſehr empfindlichen Taſtorgan gemacht iſt, oder ob die Becher eine Art von
Geruchs- oder Witterungsorganen ſind, iſt ſchwer zu entſcheiden.

Die ſogenannten Kiefer der Blutegel beſtehen aus einer halbkreisförmigen, feſten Muskel-
maſſe. Die Muskelfaſern kreuzen ſich ſo, daß die Kiefer nach Art einer Schrotſäge bewegt werden

[Abbildung] Bau der Blutegel.
1 Darmkanal. a Schlund. b Die mittleren Magenblindſäcke. c Die letzten Blindſäcke. 2 Borderende mit den Augen.
3 Ein Kieferwulſt des Pferdeegets.
und die 60 bis 70 auf der Kante befeſtigten Zähnchen zugleich ſtechen und reißen. Die Kiefern
ſind gegenſeitig ſo geſtellt, wie die charakteriſtiſche, dreiſtrahlige Wunde es zeigt. Auf den Schlund
(a) folgt der mit 11 Paar Blindtaſchen verſehene Magen (b). Natürlich müſſen wir den ganzen
Raum zum Magen rechnen, welcher beim Saugen auf ein Mal gefüllt wird, und dieſe Füllung
geſchieht bis in die äußerſten Zipfel jenes langen, letzten Paares der Blindſäcke (c), welche noch
neben dem kurzen, engen Darm bis nahe aus Hinterende ſich erſtrecken. Und da ſowohl die
Körperwandungen, wie die Magenwände elaſtiſch und dehnbar ſind, begreift es ſich, wie der Blutegel
ſeinen ganzen Umfang im Saugen um das Drei- bis Vierfache vermehren kann. Der mediciniſche
Blutegel hat ein ſehr verwickeltes Blutgefäßſyſtem. Wen dieſe Verhältniſſe intereſſiren, welche
am Blutegel ſchwer zu expliciren ſind, ſuche ſich helle, durchſcheinende Exemplare der weitver-
breiteten Egelart Nephelis vulgaris (S. 703) zu verſchaffen. Jn einem engen Glasrohre und gegen
das Licht gehalten, ſieht man an dem ganz unverſehrten Thiere mit der Lupe ſehr deutlich den
ganzen Blutumlauf, der hauptſächlich in einer Fluktuation von einer Seite zur andern beſteht.

Der Blutegel iſt, wie alle Egel, Zwitter; die männliche Oeffnung liegt zwiſchen dem 24. und
25. Ringe, die weibliche zwiſchen dem 29. und 30. Die Beſchreibung des Eierlegens und die
Bildung der Eikapſeln verlangt eine Berückſichtigung ihrer Lebensweiſe überhaupt, wobei wir der

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[699/0743] Mediciniſcher Blutegel. anderen Egeln die eigentlichen Segmente, ſondern, wie aus der Vertheilung und Wiederholung der inneren Organe hervorgeht, bilden erſt vier bis fünf Ringel ein ſolches. Der Kopflappen iſt mit dem Mundſegment zu einer geringelten Haftſcheibe verſchmolzen. Der hintere Saugnapf iſt meiſt deutlich vom Körper abgeſchnürt, und oberhalb deſſelben mündet der Darm. Der Schlund kann ſoweit umgeſtülpt werden, daß drei, oft gezähnelte muskulöſe Falten zu Tage treten. Wir beſchäftigen uns zunächſt etwas eingehender mit den mediciniſchen Blutegeln, den Arten von Hirudo, die zur Oeffnung der Wunde, aus der ſie Blut ſaugen wollen, mit zahlreichen ſpitzen Zähnchen auf den halbkreisförmigen Kieferfalten ausgeſtattet ſind, wie ſie ſich ferner durch die bedeutende Weite ihres mit zahlreichen Seitentaſchen verſehenen Magens auszeichnen. Wir müſſen jedoch dieſe und andere Eigenthümlichkeiten ihres Baues näher betrachten. Die medi- ciniſchen Blutegel beſitzen 10 Augen, welche, wie der nachſtehende Umriß (2) zeigt, über die vorderen 8 Ringel paarweiſe vertheilt ſind. Das Mikroſkop zeigt, daß der Kopfrand des Egels noch eine Menge ſehr eigenthümlicher, becherförmiger Organe trägt, welche nach ihrer Beſchaffenheit und ihrem Nervenreichthum zu ſchließen, beſondere Sinneswerkzeuge zu ſein ſcheinen. Ob damit die Kopſſcheibe zu einem ſehr empfindlichen Taſtorgan gemacht iſt, oder ob die Becher eine Art von Geruchs- oder Witterungsorganen ſind, iſt ſchwer zu entſcheiden. Die ſogenannten Kiefer der Blutegel beſtehen aus einer halbkreisförmigen, feſten Muskel- maſſe. Die Muskelfaſern kreuzen ſich ſo, daß die Kiefer nach Art einer Schrotſäge bewegt werden [Abbildung Bau der Blutegel. 1 Darmkanal. a Schlund. b Die mittleren Magenblindſäcke. c Die letzten Blindſäcke. 2 Borderende mit den Augen. 3 Ein Kieferwulſt des Pferdeegets.] und die 60 bis 70 auf der Kante befeſtigten Zähnchen zugleich ſtechen und reißen. Die Kiefern ſind gegenſeitig ſo geſtellt, wie die charakteriſtiſche, dreiſtrahlige Wunde es zeigt. Auf den Schlund (a) folgt der mit 11 Paar Blindtaſchen verſehene Magen (b). Natürlich müſſen wir den ganzen Raum zum Magen rechnen, welcher beim Saugen auf ein Mal gefüllt wird, und dieſe Füllung geſchieht bis in die äußerſten Zipfel jenes langen, letzten Paares der Blindſäcke (c), welche noch neben dem kurzen, engen Darm bis nahe aus Hinterende ſich erſtrecken. Und da ſowohl die Körperwandungen, wie die Magenwände elaſtiſch und dehnbar ſind, begreift es ſich, wie der Blutegel ſeinen ganzen Umfang im Saugen um das Drei- bis Vierfache vermehren kann. Der mediciniſche Blutegel hat ein ſehr verwickeltes Blutgefäßſyſtem. Wen dieſe Verhältniſſe intereſſiren, welche am Blutegel ſchwer zu expliciren ſind, ſuche ſich helle, durchſcheinende Exemplare der weitver- breiteten Egelart Nephelis vulgaris (S. 703) zu verſchaffen. Jn einem engen Glasrohre und gegen das Licht gehalten, ſieht man an dem ganz unverſehrten Thiere mit der Lupe ſehr deutlich den ganzen Blutumlauf, der hauptſächlich in einer Fluktuation von einer Seite zur andern beſteht. Der Blutegel iſt, wie alle Egel, Zwitter; die männliche Oeffnung liegt zwiſchen dem 24. und 25. Ringe, die weibliche zwiſchen dem 29. und 30. Die Beſchreibung des Eierlegens und die Bildung der Eikapſeln verlangt eine Berückſichtigung ihrer Lebensweiſe überhaupt, wobei wir der

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 699. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/743>, abgerufen am 24.11.2024.