als Anguillulen ausweisen, auf dieselbe Weise, wie andere unter ähnlichen Bedingungen allmälig zum Leben gelangen und sich lebhaft zu bewegen beginnen. Die in dem völlig ausgebildeten, kranken Getreidekorne enthaltenen Würmchen sind geschlechtslos. Kommt das Korn in den feuchten Boden, so erweicht und fault es; die darin enthaltenen, vorher eingetrockneten Würmchen aber gelangen durch die Feuchtigkeit zur Lebensthätigkeit, und die erweichte, verfaulte Hülle gestattet ihnen, sich aus ihr zu entfernen und sich im Boden zu verbreiten. Gelangen sie zu einer jungen Weizenpflanze, so kriechen sie an derselben herauf, halten sich bei trockener Witterung in den Blattscheiden ohne Bewegung und Lebenszeichen auf, suchen aber bei einfallendem Regen mit dem Emporwachsen des Halmes immer weiter nach oben zu kommen und gelangen so zu einer Zeit schon in die oberste Blattscheide und somit zu der sich bildenden Aehre, in welcher dieselbe noch in ihrer ersten Entwicklung begriffen ist. Durch die eingedrungenen Würmchen wird nun eine abnorme Entwicklung der Blüthentheile in ähnlicher Weise veranlaßt, wie wir die Galläpfel durch Jnsektenlarven entstehen sehen, es bildet sich aus ihnen ein gerundeter Auswuchs, in dessen Mitte sich die Würmchen befinden. Diese entwickeln sich hier rasch zur normalen Ausbildung. Die Weibchen legen eine große Menge Eier und sterben dann, wie auch die Männchen, bald ab. Währenddem wächst der Auswuchs, bis er zur Zeit der beginnenden Reife des Weizens fast die Größe eines normalen Kornes erreicht hat. Die alte Generation der Anguillulen ist dann schon ausgestorben, aus den Eiern sind die Embryonen längst ausgekrochen und bilden nun als geschlechtslose Larven den staubig faserigen Jnhalt des Gallengewächses. Dieses trocknet mit den scheinbar leblosen Würmchen zu dem sogenannten Gicht- oder Radenkorn des Weizens zusammen. Gelangt dasselbe mit den gesunden Weizenkörnern in den feuchten Ackerboden, so wiederholt sich der Kreislauf."
Auch in einigen andern, wild wachsenden Gräsern rufen Anguillulen ähnliche Erscheinungen hervor, wie denn auch als Ursache der als Kornfäule bezeichneten Krankheit der Weberkarde von Kühn eine Anguillula erkannt worden ist. Der Lebenslauf der letzteren scheint durchaus derselbe zu sein, wie derjenige des Weizenälchens, derselbe Scheintod der Würmchen in den trockenen Blüthentheilen, sofortiges Aufleben bei Befeuchtung. Da nasse Witterung das Aufsteigen der Aelchen am Stengel befördert, so erklärt es sich, warum die Kornfäule besonders in nassen Jahren sich ausbreitet. Auch unter den verschiedenen Feinden der Zuckerrübe befindet sich eine Anguillula. Es sind nur Weibchen beobachtet, welche sich an die Wurzelfasern ansaugen und zu einem eiförmigen Säckchen von 3/4 Linie Länge und fast 1/2 Linie Breite anschwellen.
Es ist wiederholt von dem Wiederaufleben der Rotiferen und der mikroskopischen Fadenwürmer die Rede gewesen, es wird aber nicht unzweckmäßig sein, diese merkwürdige Erscheinung noch etwas weiter zu besprechen. Der berühmte Needham, der Entdecker des Weizenälchens, hatte dem englischen Naturforscher Baker 1744 einige der Weizengallen gegeben und noch nach 27 Jahren, 1771, gelang es Baker, die Weizenälchen daraus wieder durch Anfeuchten zum Leben zu bringen. Das Wiederaufleben nach 20 Jahren der Eintrocknung ist bestätigt worden. Sicher kommt das meiste auf die Art und Sorgfalt der Aufbewahrung an. Einer der größten Gegner der sogenannten freiwilligen oder Urzeugung im vorigen Jahrhundert, der scharfsinnige Spallanzani, wußte schon, daß eine der wesentlichsten Bedingungen der im Dachmoose befindlichen Räderthiere und Anguillen die sei, daß ihr Körper mehr oder weniger vom Moose oder Sand bedeckt sei. Er trocknete und befeuchtete dieselben Thierchen mit gleichem Erfolg, nur wurde die Zahl der wieder auflebenden immer geringer und bis zum sechszehnten Auf- leben brachte es keines. Jn der That halten die Thierchen ganz außerordentliche Verationen aus. Davaine, welcher die Naturgeschichte des Weizenälchens aufgeklärt hat, legte drei Jahre alte Larven unter die Luftpumpe, nachdem er auch für absolute Austrocknung der Luft gesorgt, und ließ sie fünf Tage im luftleeren Raum. Die meisten der Larven lebten dann auf, nachdem sie drei Stunden in reinem Wasser zugebracht hatten. Ganz anders als die Larven verhalten sich aber
Fadenwürmer. Pflanzenparaſiten. Spulwürmer.
als Anguillulen ausweiſen, auf dieſelbe Weiſe, wie andere unter ähnlichen Bedingungen allmälig zum Leben gelangen und ſich lebhaft zu bewegen beginnen. Die in dem völlig ausgebildeten, kranken Getreidekorne enthaltenen Würmchen ſind geſchlechtslos. Kommt das Korn in den feuchten Boden, ſo erweicht und fault es; die darin enthaltenen, vorher eingetrockneten Würmchen aber gelangen durch die Feuchtigkeit zur Lebensthätigkeit, und die erweichte, verfaulte Hülle geſtattet ihnen, ſich aus ihr zu entfernen und ſich im Boden zu verbreiten. Gelangen ſie zu einer jungen Weizenpflanze, ſo kriechen ſie an derſelben herauf, halten ſich bei trockener Witterung in den Blattſcheiden ohne Bewegung und Lebenszeichen auf, ſuchen aber bei einfallendem Regen mit dem Emporwachſen des Halmes immer weiter nach oben zu kommen und gelangen ſo zu einer Zeit ſchon in die oberſte Blattſcheide und ſomit zu der ſich bildenden Aehre, in welcher dieſelbe noch in ihrer erſten Entwicklung begriffen iſt. Durch die eingedrungenen Würmchen wird nun eine abnorme Entwicklung der Blüthentheile in ähnlicher Weiſe veranlaßt, wie wir die Galläpfel durch Jnſektenlarven entſtehen ſehen, es bildet ſich aus ihnen ein gerundeter Auswuchs, in deſſen Mitte ſich die Würmchen befinden. Dieſe entwickeln ſich hier raſch zur normalen Ausbildung. Die Weibchen legen eine große Menge Eier und ſterben dann, wie auch die Männchen, bald ab. Währenddem wächſt der Auswuchs, bis er zur Zeit der beginnenden Reife des Weizens faſt die Größe eines normalen Kornes erreicht hat. Die alte Generation der Anguillulen iſt dann ſchon ausgeſtorben, aus den Eiern ſind die Embryonen längſt ausgekrochen und bilden nun als geſchlechtsloſe Larven den ſtaubig faſerigen Jnhalt des Gallengewächſes. Dieſes trocknet mit den ſcheinbar lebloſen Würmchen zu dem ſogenannten Gicht- oder Radenkorn des Weizens zuſammen. Gelangt daſſelbe mit den geſunden Weizenkörnern in den feuchten Ackerboden, ſo wiederholt ſich der Kreislauf.“
Auch in einigen andern, wild wachſenden Gräſern rufen Anguillulen ähnliche Erſcheinungen hervor, wie denn auch als Urſache der als Kornfäule bezeichneten Krankheit der Weberkarde von Kühn eine Anguillula erkannt worden iſt. Der Lebenslauf der letzteren ſcheint durchaus derſelbe zu ſein, wie derjenige des Weizenälchens, derſelbe Scheintod der Würmchen in den trockenen Blüthentheilen, ſofortiges Aufleben bei Befeuchtung. Da naſſe Witterung das Aufſteigen der Aelchen am Stengel befördert, ſo erklärt es ſich, warum die Kornfäule beſonders in naſſen Jahren ſich ausbreitet. Auch unter den verſchiedenen Feinden der Zuckerrübe befindet ſich eine Anguillula. Es ſind nur Weibchen beobachtet, welche ſich an die Wurzelfaſern anſaugen und zu einem eiförmigen Säckchen von ¾ Linie Länge und faſt ½ Linie Breite anſchwellen.
Es iſt wiederholt von dem Wiederaufleben der Rotiferen und der mikroſkopiſchen Fadenwürmer die Rede geweſen, es wird aber nicht unzweckmäßig ſein, dieſe merkwürdige Erſcheinung noch etwas weiter zu beſprechen. Der berühmte Needham, der Entdecker des Weizenälchens, hatte dem engliſchen Naturforſcher Baker 1744 einige der Weizengallen gegeben und noch nach 27 Jahren, 1771, gelang es Baker, die Weizenälchen daraus wieder durch Anfeuchten zum Leben zu bringen. Das Wiederaufleben nach 20 Jahren der Eintrocknung iſt beſtätigt worden. Sicher kommt das meiſte auf die Art und Sorgfalt der Aufbewahrung an. Einer der größten Gegner der ſogenannten freiwilligen oder Urzeugung im vorigen Jahrhundert, der ſcharfſinnige Spallanzani, wußte ſchon, daß eine der weſentlichſten Bedingungen der im Dachmooſe befindlichen Räderthiere und Anguillen die ſei, daß ihr Körper mehr oder weniger vom Mooſe oder Sand bedeckt ſei. Er trocknete und befeuchtete dieſelben Thierchen mit gleichem Erfolg, nur wurde die Zahl der wieder auflebenden immer geringer und bis zum ſechszehnten Auf- leben brachte es keines. Jn der That halten die Thierchen ganz außerordentliche Verationen aus. Davaine, welcher die Naturgeſchichte des Weizenälchens aufgeklärt hat, legte drei Jahre alte Larven unter die Luftpumpe, nachdem er auch für abſolute Austrocknung der Luft geſorgt, und ließ ſie fünf Tage im luftleeren Raum. Die meiſten der Larven lebten dann auf, nachdem ſie drei Stunden in reinem Waſſer zugebracht hatten. Ganz anders als die Larven verhalten ſich aber
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[714/0758]
Fadenwürmer. Pflanzenparaſiten. Spulwürmer.
als Anguillulen ausweiſen, auf dieſelbe Weiſe, wie andere unter ähnlichen Bedingungen allmälig
zum Leben gelangen und ſich lebhaft zu bewegen beginnen. Die in dem völlig ausgebildeten,
kranken Getreidekorne enthaltenen Würmchen ſind geſchlechtslos. Kommt das Korn in den feuchten
Boden, ſo erweicht und fault es; die darin enthaltenen, vorher eingetrockneten Würmchen aber
gelangen durch die Feuchtigkeit zur Lebensthätigkeit, und die erweichte, verfaulte Hülle geſtattet
ihnen, ſich aus ihr zu entfernen und ſich im Boden zu verbreiten. Gelangen ſie zu einer jungen
Weizenpflanze, ſo kriechen ſie an derſelben herauf, halten ſich bei trockener Witterung in den
Blattſcheiden ohne Bewegung und Lebenszeichen auf, ſuchen aber bei einfallendem Regen mit dem
Emporwachſen des Halmes immer weiter nach oben zu kommen und gelangen ſo zu einer Zeit
ſchon in die oberſte Blattſcheide und ſomit zu der ſich bildenden Aehre, in welcher dieſelbe noch
in ihrer erſten Entwicklung begriffen iſt. Durch die eingedrungenen Würmchen wird nun eine
abnorme Entwicklung der Blüthentheile in ähnlicher Weiſe veranlaßt, wie wir die Galläpfel durch
Jnſektenlarven entſtehen ſehen, es bildet ſich aus ihnen ein gerundeter Auswuchs, in deſſen Mitte
ſich die Würmchen befinden. Dieſe entwickeln ſich hier raſch zur normalen Ausbildung. Die
Weibchen legen eine große Menge Eier und ſterben dann, wie auch die Männchen, bald ab.
Währenddem wächſt der Auswuchs, bis er zur Zeit der beginnenden Reife des Weizens faſt die
Größe eines normalen Kornes erreicht hat. Die alte Generation der Anguillulen iſt dann ſchon
ausgeſtorben, aus den Eiern ſind die Embryonen längſt ausgekrochen und bilden nun als
geſchlechtsloſe Larven den ſtaubig faſerigen Jnhalt des Gallengewächſes. Dieſes trocknet mit den
ſcheinbar lebloſen Würmchen zu dem ſogenannten Gicht- oder Radenkorn des Weizens zuſammen.
Gelangt daſſelbe mit den geſunden Weizenkörnern in den feuchten Ackerboden, ſo wiederholt ſich
der Kreislauf.“
Auch in einigen andern, wild wachſenden Gräſern rufen Anguillulen ähnliche Erſcheinungen
hervor, wie denn auch als Urſache der als Kornfäule bezeichneten Krankheit der Weberkarde von
Kühn eine Anguillula erkannt worden iſt. Der Lebenslauf der letzteren ſcheint durchaus derſelbe
zu ſein, wie derjenige des Weizenälchens, derſelbe Scheintod der Würmchen in den trockenen
Blüthentheilen, ſofortiges Aufleben bei Befeuchtung. Da naſſe Witterung das Aufſteigen der
Aelchen am Stengel befördert, ſo erklärt es ſich, warum die Kornfäule beſonders in naſſen Jahren
ſich ausbreitet. Auch unter den verſchiedenen Feinden der Zuckerrübe befindet ſich eine Anguillula.
Es ſind nur Weibchen beobachtet, welche ſich an die Wurzelfaſern anſaugen und zu einem
eiförmigen Säckchen von ¾ Linie Länge und faſt ½ Linie Breite anſchwellen.
Es iſt wiederholt von dem Wiederaufleben der Rotiferen und der mikroſkopiſchen
Fadenwürmer die Rede geweſen, es wird aber nicht unzweckmäßig ſein, dieſe merkwürdige
Erſcheinung noch etwas weiter zu beſprechen. Der berühmte Needham, der Entdecker des
Weizenälchens, hatte dem engliſchen Naturforſcher Baker 1744 einige der Weizengallen gegeben
und noch nach 27 Jahren, 1771, gelang es Baker, die Weizenälchen daraus wieder durch
Anfeuchten zum Leben zu bringen. Das Wiederaufleben nach 20 Jahren der Eintrocknung iſt
beſtätigt worden. Sicher kommt das meiſte auf die Art und Sorgfalt der Aufbewahrung an.
Einer der größten Gegner der ſogenannten freiwilligen oder Urzeugung im vorigen Jahrhundert,
der ſcharfſinnige Spallanzani, wußte ſchon, daß eine der weſentlichſten Bedingungen der im
Dachmooſe befindlichen Räderthiere und Anguillen die ſei, daß ihr Körper mehr oder weniger
vom Mooſe oder Sand bedeckt ſei. Er trocknete und befeuchtete dieſelben Thierchen mit gleichem
Erfolg, nur wurde die Zahl der wieder auflebenden immer geringer und bis zum ſechszehnten Auf-
leben brachte es keines. Jn der That halten die Thierchen ganz außerordentliche Verationen aus.
Davaine, welcher die Naturgeſchichte des Weizenälchens aufgeklärt hat, legte drei Jahre alte
Larven unter die Luftpumpe, nachdem er auch für abſolute Austrocknung der Luft geſorgt, und
ließ ſie fünf Tage im luftleeren Raum. Die meiſten der Larven lebten dann auf, nachdem ſie
drei Stunden in reinem Waſſer zugebracht hatten. Ganz anders als die Larven verhalten ſich aber
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 714. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/758>, abgerufen am 23.11.2024.
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