Soll die Muskeltrichine zur Geschlechtsreife gelangen, so ist, womit unsere Darstellung begann, die Versetzung in den Darmkanal des Menschen oder gewisser Thiere nothwendig. Nach den bisherigen Beobachtungen und Versuchen tritt diese letzte Entwicklungs- und Lebensperiode ein im Schwein, Kaninchen, Hasen, Meerschweinchen, Maus, Ratte, Katze, Hund, Jgel, Kalb, Eichelhäher, Taube, Truthahn, Haushuhn. Diese Liste wird wahrscheinlich sich noch sehr vermehren lassen. Jedoch findet bei keinem Vogel eine Einwanderung der jungen Brut in die Muskeln statt; von jenen Säugethieren aber sind die dem Menschen regelmäßig zur Nahrung dienenden Kaninchen, Hase und Rind natürlich nur unter ganz besonderen Umständen der Trichinose ausgesetzt und können füglich als eine Quelle der Ansteckung für den Menschen nicht angesehen werden. Alle Welt weiß, daß die Vorsichtsmaßregeln auf das Schwein zu concentriren sind, für dieses aber scheinen Maus und Ratte, welche gelegentlich gefressen werden, häufig die Vermittler der Ansteckung zu sein.
Ein harmloser Bewohner des Menschen ist der Peitschenwurm (Trichocephalus dispar), gegen 17 Linien lang. Der vordere Körpertheil, welcher den unverhältnißmäßig langen Schlund enthält, ist haarförmig, der hintere dick, stumpf abgerundet. Sein Vorkommen -- er hält sich gewöhnlich im Blinddarm auf -- ist eben so häufig, wie das des Spulwurmes, und die Gelegenheit, seine Eier zufällig zu verschlucken, dieselbe. Die Eier halten sich Monate, ja ein bis zwei Jahre lang im Wasser und der Erde, wobei die Entwicklung sehr langsam vor sich gehn, auch durch wieder- holtes Eintrocknen unterbrochen werden kann. Da es, wie gesagt, höchst wahrscheinlich ist, daß die Entwicklung ohne Zwischenwirth abläuft, so sind alle jene Möglichkeiten da, wie beim Spul- wurm, durch Trinken unreinen Wassers und alle jene kleinen Nachlässigkeiten, welche auch der reinlichste Mensch beim Essen und Trinken nicht völlig vermeidet.
Durch manche interessante Eigenthümlichkeit des Baues und der Lebensweise ist die Familie der Saitenwürmer (Gordiacea) ausgezeichnet. Schon seit Jahrhunderten wird derjenige Saiten- wurm, welcher seit Linne den Namen Gordius aquaticus führt, in den naturgeschichtlichen Schriften erwähnt. Der wahrscheinlich sehr alte, im Volke entstandene Name "Wasserkalb" ist seit 1560 durch Geßner aufbewahrt. Die auffälligen Verschlingungen und Verknotungen, welche die Thiere auf dem Grunde der Gewässer einzeln oder zu mehreren bilden, ließen sie mit einem gordischen Knoten vergleichen, und zum gordischen Knoten gestaltete sich dem Pastor Göze in Quedlinburg, dem Verfasser der ausgezeichneten Naturgeschichte der Eingeweidewürmer, die von uns jetzt Mermis genannte Gattung, deren dunkle, mit Einwanderungen in Jnsekten ver- knüpfte Lebensgeschichte ihm unlösbar schien.
Wir unterscheiden unter den Saitenwürmern zwei Gattungen. Von der einen, Gordius, kommen bei uns mehrere Arten vor, welche früher nicht unterschieden und als Gordius aquaticus, Wasserkalb zusammengefaßt wurden. Die mittlere Länge der Männchen beträgt 3 bis 6 Zoll, doch messen einzelne über einen Fuß. Die mittlere Länge der Weibchen ist zwischen 3 und 41/2 Zoll. Die Dicke der mittelgroßen Männchen schwankt zwischen [ 1/5 ] und 1/4 Linie; die Weibchen sind etwas dicker. Die im Allgemeinen braune Farbe kommt in manchfachen Nuancen vor. Die Männchen sind durchgehends dunkler und vorwiegend schwärzlich gefärbt, vom glänzenden Mäusegrau bis zum tiefsten, glänzenden Braunschwarz, welches an einigen Körperstellen auch in reines Schwarz übergehen kann. Die Farbe der Weibchen ist stets heller und nicht glänzend, vom Jsabellgelb fast bis zum gesättigten Gelbbraun. Auf der Mittellinie des Bauches und des Rückens verläuft bei Männchen und Weibchen ein dunklerer Längsstreif, der auch bei den übrigens dunkelsten Männchen noch wahrnehmbar ist. Ueber einen Punkt, über den man am leichtesten Aufschluß erhalten zu
46*
Trichine. Peitſchenwurm. Waſſerkalb.
Soll die Muskeltrichine zur Geſchlechtsreife gelangen, ſo iſt, womit unſere Darſtellung begann, die Verſetzung in den Darmkanal des Menſchen oder gewiſſer Thiere nothwendig. Nach den bisherigen Beobachtungen und Verſuchen tritt dieſe letzte Entwicklungs- und Lebensperiode ein im Schwein, Kaninchen, Haſen, Meerſchweinchen, Maus, Ratte, Katze, Hund, Jgel, Kalb, Eichelhäher, Taube, Truthahn, Haushuhn. Dieſe Liſte wird wahrſcheinlich ſich noch ſehr vermehren laſſen. Jedoch findet bei keinem Vogel eine Einwanderung der jungen Brut in die Muskeln ſtatt; von jenen Säugethieren aber ſind die dem Menſchen regelmäßig zur Nahrung dienenden Kaninchen, Haſe und Rind natürlich nur unter ganz beſonderen Umſtänden der Trichinoſe ausgeſetzt und können füglich als eine Quelle der Anſteckung für den Menſchen nicht angeſehen werden. Alle Welt weiß, daß die Vorſichtsmaßregeln auf das Schwein zu concentriren ſind, für dieſes aber ſcheinen Maus und Ratte, welche gelegentlich gefreſſen werden, häufig die Vermittler der Anſteckung zu ſein.
Ein harmloſer Bewohner des Menſchen iſt der Peitſchenwurm (Trichocephalus dispar), gegen 17 Linien lang. Der vordere Körpertheil, welcher den unverhältnißmäßig langen Schlund enthält, iſt haarförmig, der hintere dick, ſtumpf abgerundet. Sein Vorkommen — er hält ſich gewöhnlich im Blinddarm auf — iſt eben ſo häufig, wie das des Spulwurmes, und die Gelegenheit, ſeine Eier zufällig zu verſchlucken, dieſelbe. Die Eier halten ſich Monate, ja ein bis zwei Jahre lang im Waſſer und der Erde, wobei die Entwicklung ſehr langſam vor ſich gehn, auch durch wieder- holtes Eintrocknen unterbrochen werden kann. Da es, wie geſagt, höchſt wahrſcheinlich iſt, daß die Entwicklung ohne Zwiſchenwirth abläuft, ſo ſind alle jene Möglichkeiten da, wie beim Spul- wurm, durch Trinken unreinen Waſſers und alle jene kleinen Nachläſſigkeiten, welche auch der reinlichſte Menſch beim Eſſen und Trinken nicht völlig vermeidet.
Durch manche intereſſante Eigenthümlichkeit des Baues und der Lebensweiſe iſt die Familie der Saitenwürmer (Gordiacea) ausgezeichnet. Schon ſeit Jahrhunderten wird derjenige Saiten- wurm, welcher ſeit Linné den Namen Gordius aquaticus führt, in den naturgeſchichtlichen Schriften erwähnt. Der wahrſcheinlich ſehr alte, im Volke entſtandene Name „Waſſerkalb“ iſt ſeit 1560 durch Geßner aufbewahrt. Die auffälligen Verſchlingungen und Verknotungen, welche die Thiere auf dem Grunde der Gewäſſer einzeln oder zu mehreren bilden, ließen ſie mit einem gordiſchen Knoten vergleichen, und zum gordiſchen Knoten geſtaltete ſich dem Paſtor Göze in Quedlinburg, dem Verfaſſer der ausgezeichneten Naturgeſchichte der Eingeweidewürmer, die von uns jetzt Mermis genannte Gattung, deren dunkle, mit Einwanderungen in Jnſekten ver- knüpfte Lebensgeſchichte ihm unlösbar ſchien.
Wir unterſcheiden unter den Saitenwürmern zwei Gattungen. Von der einen, Gordius, kommen bei uns mehrere Arten vor, welche früher nicht unterſchieden und als Gordius aquaticus, Waſſerkalb zuſammengefaßt wurden. Die mittlere Länge der Männchen beträgt 3 bis 6 Zoll, doch meſſen einzelne über einen Fuß. Die mittlere Länge der Weibchen iſt zwiſchen 3 und 4½ Zoll. Die Dicke der mittelgroßen Männchen ſchwankt zwiſchen [⅕] und ¼ Linie; die Weibchen ſind etwas dicker. Die im Allgemeinen braune Farbe kommt in manchfachen Nuancen vor. Die Männchen ſind durchgehends dunkler und vorwiegend ſchwärzlich gefärbt, vom glänzenden Mäuſegrau bis zum tiefſten, glänzenden Braunſchwarz, welches an einigen Körperſtellen auch in reines Schwarz übergehen kann. Die Farbe der Weibchen iſt ſtets heller und nicht glänzend, vom Jſabellgelb faſt bis zum geſättigten Gelbbraun. Auf der Mittellinie des Bauches und des Rückens verläuft bei Männchen und Weibchen ein dunklerer Längsſtreif, der auch bei den übrigens dunkelſten Männchen noch wahrnehmbar iſt. Ueber einen Punkt, über den man am leichteſten Aufſchluß erhalten zu
46*
<TEI><text><body><floatingText><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0767"n="723"/><fwplace="top"type="header">Trichine. Peitſchenwurm. Waſſerkalb.</fw><lb/><p><hirendition="#g">Soll die Muskeltrichine zur Geſchlechtsreife gelangen, ſo iſt,</hi> womit unſere<lb/>
Darſtellung begann, die <hirendition="#g">Verſetzung in den Darmkanal des Menſchen oder gewiſſer<lb/>
Thiere nothwendig.</hi> Nach den bisherigen Beobachtungen und Verſuchen tritt dieſe letzte<lb/>
Entwicklungs- und Lebensperiode ein im Schwein, Kaninchen, Haſen, Meerſchweinchen, Maus,<lb/>
Ratte, Katze, Hund, Jgel, Kalb, Eichelhäher, Taube, Truthahn, Haushuhn. Dieſe Liſte wird<lb/>
wahrſcheinlich ſich noch ſehr vermehren laſſen. Jedoch findet bei keinem Vogel eine Einwanderung<lb/>
der jungen Brut in die Muskeln ſtatt; von jenen Säugethieren aber ſind die dem Menſchen<lb/>
regelmäßig zur Nahrung dienenden Kaninchen, Haſe und Rind natürlich nur unter ganz beſonderen<lb/>
Umſtänden der Trichinoſe ausgeſetzt und können füglich als eine Quelle der Anſteckung für den<lb/>
Menſchen nicht angeſehen werden. Alle Welt weiß, daß die Vorſichtsmaßregeln auf das Schwein<lb/>
zu concentriren ſind, für dieſes aber ſcheinen Maus und Ratte, welche gelegentlich gefreſſen werden,<lb/>
häufig die Vermittler der Anſteckung zu ſein.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Ein harmloſer Bewohner des Menſchen iſt der <hirendition="#g">Peitſchenwurm</hi> (<hirendition="#aq">Trichocephalus dispar</hi>),<lb/>
gegen 17 Linien lang. Der vordere Körpertheil, welcher den unverhältnißmäßig langen Schlund<lb/>
enthält, iſt haarförmig, der hintere dick, ſtumpf abgerundet. Sein Vorkommen — er hält ſich<lb/>
gewöhnlich im Blinddarm auf — iſt eben ſo häufig, wie das des Spulwurmes, und die Gelegenheit,<lb/>ſeine Eier zufällig zu verſchlucken, dieſelbe. Die Eier halten ſich Monate, ja ein bis zwei Jahre lang<lb/>
im Waſſer und der Erde, wobei die Entwicklung ſehr langſam vor ſich gehn, auch durch wieder-<lb/>
holtes Eintrocknen unterbrochen werden kann. Da es, wie geſagt, höchſt wahrſcheinlich iſt, daß<lb/>
die Entwicklung ohne Zwiſchenwirth abläuft, ſo ſind alle jene Möglichkeiten da, wie beim Spul-<lb/>
wurm, durch Trinken unreinen Waſſers und alle jene kleinen Nachläſſigkeiten, welche auch der<lb/>
reinlichſte Menſch beim Eſſen und Trinken nicht völlig vermeidet.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Durch manche intereſſante Eigenthümlichkeit des Baues und der Lebensweiſe iſt die Familie<lb/>
der <hirendition="#g">Saitenwürmer</hi> (<hirendition="#aq">Gordiacea</hi>) ausgezeichnet. Schon ſeit Jahrhunderten wird derjenige Saiten-<lb/>
wurm, welcher ſeit <hirendition="#g">Linn<hirendition="#aq">é</hi></hi> den Namen <hirendition="#aq">Gordius aquaticus</hi> führt, in den naturgeſchichtlichen<lb/>
Schriften erwähnt. Der wahrſcheinlich ſehr alte, im Volke entſtandene Name „Waſſerkalb“ iſt<lb/>ſeit 1560 durch <hirendition="#g">Geßner</hi> aufbewahrt. Die auffälligen Verſchlingungen und Verknotungen,<lb/>
welche die Thiere auf dem Grunde der Gewäſſer einzeln oder zu mehreren bilden, ließen ſie mit<lb/>
einem gordiſchen Knoten vergleichen, und zum gordiſchen Knoten geſtaltete ſich dem Paſtor <hirendition="#g">Göze</hi><lb/>
in Quedlinburg, dem Verfaſſer der ausgezeichneten Naturgeſchichte der Eingeweidewürmer, die<lb/>
von uns jetzt <hirendition="#aq">Mermis</hi> genannte Gattung, deren dunkle, mit Einwanderungen in Jnſekten ver-<lb/>
knüpfte Lebensgeſchichte ihm unlösbar ſchien.</p><lb/><p>Wir unterſcheiden unter den Saitenwürmern zwei Gattungen. Von der einen, <hirendition="#aq">Gordius</hi>,<lb/>
kommen bei uns mehrere Arten vor, welche früher nicht unterſchieden und als <hirendition="#aq">Gordius aquaticus,</hi><lb/><hirendition="#g">Waſſerkalb</hi> zuſammengefaßt wurden. Die mittlere Länge der Männchen beträgt 3 bis 6 Zoll,<lb/>
doch meſſen einzelne über einen Fuß. Die mittlere Länge der Weibchen iſt zwiſchen 3 und 4½<lb/>
Zoll. Die Dicke der mittelgroßen Männchen ſchwankt zwiſchen <supplied>⅕</supplied> und ¼ Linie; die Weibchen<lb/>ſind etwas dicker. Die im Allgemeinen braune Farbe kommt in manchfachen Nuancen vor. Die<lb/>
Männchen ſind durchgehends dunkler und vorwiegend ſchwärzlich gefärbt, vom glänzenden Mäuſegrau<lb/>
bis zum tiefſten, glänzenden Braunſchwarz, welches an einigen Körperſtellen auch in reines Schwarz<lb/>
übergehen kann. Die Farbe der Weibchen iſt ſtets heller und nicht glänzend, vom Jſabellgelb faſt<lb/>
bis zum geſättigten Gelbbraun. Auf der Mittellinie des Bauches und des Rückens verläuft bei<lb/>
Männchen und Weibchen ein dunklerer Längsſtreif, der auch bei den übrigens dunkelſten Männchen<lb/>
noch wahrnehmbar iſt. Ueber einen Punkt, über den man am leichteſten Aufſchluß erhalten zu<lb/><fwplace="bottom"type="sig">46*</fw><lb/></p></div></div></div></body></floatingText></body></text></TEI>
[723/0767]
Trichine. Peitſchenwurm. Waſſerkalb.
Soll die Muskeltrichine zur Geſchlechtsreife gelangen, ſo iſt, womit unſere
Darſtellung begann, die Verſetzung in den Darmkanal des Menſchen oder gewiſſer
Thiere nothwendig. Nach den bisherigen Beobachtungen und Verſuchen tritt dieſe letzte
Entwicklungs- und Lebensperiode ein im Schwein, Kaninchen, Haſen, Meerſchweinchen, Maus,
Ratte, Katze, Hund, Jgel, Kalb, Eichelhäher, Taube, Truthahn, Haushuhn. Dieſe Liſte wird
wahrſcheinlich ſich noch ſehr vermehren laſſen. Jedoch findet bei keinem Vogel eine Einwanderung
der jungen Brut in die Muskeln ſtatt; von jenen Säugethieren aber ſind die dem Menſchen
regelmäßig zur Nahrung dienenden Kaninchen, Haſe und Rind natürlich nur unter ganz beſonderen
Umſtänden der Trichinoſe ausgeſetzt und können füglich als eine Quelle der Anſteckung für den
Menſchen nicht angeſehen werden. Alle Welt weiß, daß die Vorſichtsmaßregeln auf das Schwein
zu concentriren ſind, für dieſes aber ſcheinen Maus und Ratte, welche gelegentlich gefreſſen werden,
häufig die Vermittler der Anſteckung zu ſein.
Ein harmloſer Bewohner des Menſchen iſt der Peitſchenwurm (Trichocephalus dispar),
gegen 17 Linien lang. Der vordere Körpertheil, welcher den unverhältnißmäßig langen Schlund
enthält, iſt haarförmig, der hintere dick, ſtumpf abgerundet. Sein Vorkommen — er hält ſich
gewöhnlich im Blinddarm auf — iſt eben ſo häufig, wie das des Spulwurmes, und die Gelegenheit,
ſeine Eier zufällig zu verſchlucken, dieſelbe. Die Eier halten ſich Monate, ja ein bis zwei Jahre lang
im Waſſer und der Erde, wobei die Entwicklung ſehr langſam vor ſich gehn, auch durch wieder-
holtes Eintrocknen unterbrochen werden kann. Da es, wie geſagt, höchſt wahrſcheinlich iſt, daß
die Entwicklung ohne Zwiſchenwirth abläuft, ſo ſind alle jene Möglichkeiten da, wie beim Spul-
wurm, durch Trinken unreinen Waſſers und alle jene kleinen Nachläſſigkeiten, welche auch der
reinlichſte Menſch beim Eſſen und Trinken nicht völlig vermeidet.
Durch manche intereſſante Eigenthümlichkeit des Baues und der Lebensweiſe iſt die Familie
der Saitenwürmer (Gordiacea) ausgezeichnet. Schon ſeit Jahrhunderten wird derjenige Saiten-
wurm, welcher ſeit Linné den Namen Gordius aquaticus führt, in den naturgeſchichtlichen
Schriften erwähnt. Der wahrſcheinlich ſehr alte, im Volke entſtandene Name „Waſſerkalb“ iſt
ſeit 1560 durch Geßner aufbewahrt. Die auffälligen Verſchlingungen und Verknotungen,
welche die Thiere auf dem Grunde der Gewäſſer einzeln oder zu mehreren bilden, ließen ſie mit
einem gordiſchen Knoten vergleichen, und zum gordiſchen Knoten geſtaltete ſich dem Paſtor Göze
in Quedlinburg, dem Verfaſſer der ausgezeichneten Naturgeſchichte der Eingeweidewürmer, die
von uns jetzt Mermis genannte Gattung, deren dunkle, mit Einwanderungen in Jnſekten ver-
knüpfte Lebensgeſchichte ihm unlösbar ſchien.
Wir unterſcheiden unter den Saitenwürmern zwei Gattungen. Von der einen, Gordius,
kommen bei uns mehrere Arten vor, welche früher nicht unterſchieden und als Gordius aquaticus,
Waſſerkalb zuſammengefaßt wurden. Die mittlere Länge der Männchen beträgt 3 bis 6 Zoll,
doch meſſen einzelne über einen Fuß. Die mittlere Länge der Weibchen iſt zwiſchen 3 und 4½
Zoll. Die Dicke der mittelgroßen Männchen ſchwankt zwiſchen ⅕ und ¼ Linie; die Weibchen
ſind etwas dicker. Die im Allgemeinen braune Farbe kommt in manchfachen Nuancen vor. Die
Männchen ſind durchgehends dunkler und vorwiegend ſchwärzlich gefärbt, vom glänzenden Mäuſegrau
bis zum tiefſten, glänzenden Braunſchwarz, welches an einigen Körperſtellen auch in reines Schwarz
übergehen kann. Die Farbe der Weibchen iſt ſtets heller und nicht glänzend, vom Jſabellgelb faſt
bis zum geſättigten Gelbbraun. Auf der Mittellinie des Bauches und des Rückens verläuft bei
Männchen und Weibchen ein dunklerer Längsſtreif, der auch bei den übrigens dunkelſten Männchen
noch wahrnehmbar iſt. Ueber einen Punkt, über den man am leichteſten Aufſchluß erhalten zu
46*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 723. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/767>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.