lich sicher unversehrt herauszuholen. Schwieriger ist es natürlich, wo erst schwere Hammerschläge die Höhlungen in den Felsstücken bloslegen müssen. Aber auch in diesem Falle wird die Jagd
[Abbildung]
Das einäugige Engmaul. (Stenostomum monocelis).
oft erleichtert durch die Vorarbeiten der Bohrschwämme, welche, wie wir an seinem Orte sehen werden, den här- testen Kalkfelsen so durchziehen, daß er unter den Fin- gern zerbröckelt.
Ein weiteres Eingehen in die vielen bisher bekannt gewordenen Arten müssen wir uns hier um so mehr versagen, als die Lebensweise dieser Thiere eine höchst einförmige ist und von ihrer Entwicklungsgeschichte auch nur erst einzelne Bruchstücke erforscht wurden.
Zwischen der Unterordnung der Schnurwürmer und der folgenden nehmen ein Paar kleine Familien mikro- skopischer Turbellarien eine vermittelnde Stellung ein. Die erste ist die vorzugsweise in den süßen Gewässern vertretene der Kleinmünder,Microstomeae. Jch bilde hier ein kleines, deuselben angehöriges Wesen ab, was ich erst kürzlich bei Gratz entdeckt, und das mir deshalb interessant ist, weil es ein bisher nur bei seebewohnenden Turbellarien gefundenes Organ besitzt. Jch neune es das einäugige Engmaul,Stenostomum monocelis. Die enge Mundöffnung (o) mit dem darauf folgenden engen Schlunde bei gestrecktem Körper und gewissen an- deren anatomischen Eigenthümlichkeiten weist es der Gat- tung Stenostomum zu. Das vor dem Munde liegende helle Bläschen (s) ist ein augenartiges Organ, möglicher Weise auch ein Gehörwerkzeug und war, wie gesagt, bisher nur bei einigen in der See lebenden Gattungen bekannt. Für den Specialkenner wird die vorliegende, bei Gratz lebende Form ein willkommenes Zwischenglied zur Gattung Monocelis. Wir sehen ferner an unserem Thierchen ein geschlängeltes Wassergefäß (v), dessen Ver- zweigungen nur hie und da bei stärkerer Vergrößerung deutlich werden. Was uns aber am meisten interessirt und uns die Fortpflanzungsgeschichte der Ringelwürmer Nais, Autolytus und Myrianida ins Gedächtniß zurück- ruft, ist die Knospenbildung am Hinterende. Jm Juni, wo ich die Thierchen anhaltend beobachtete, fand ich selten ein Einzelwesen, gewöhnlich ein "Vorderthier" als Mutter, mit einem "Hinterthier", ihrer töchterlichen Knospe. Dabei sorgt die Mutter zugleich auf andere Weise für die Erhaltung der Art, indem in ihrem Hin- terleibe ein Paket Eier (e) sichtbar ist. -- Durch diese Knospenbildung zeichnet sich auch die andere nahe ver- wandte Gattung Microstomum aus, welche als Microstomum lineare im mittleren Deutschland und auch am Ostseestrande gefunden wird.
Strudelwürmer. Microſtomeen. Rhabdocoelen.
lich ſicher unverſehrt herauszuholen. Schwieriger iſt es natürlich, wo erſt ſchwere Hammerſchläge die Höhlungen in den Felsſtücken bloslegen müſſen. Aber auch in dieſem Falle wird die Jagd
[Abbildung]
Das einäugige Engmaul. (Stenostomum monocelis).
oft erleichtert durch die Vorarbeiten der Bohrſchwämme, welche, wie wir an ſeinem Orte ſehen werden, den här- teſten Kalkfelſen ſo durchziehen, daß er unter den Fin- gern zerbröckelt.
Ein weiteres Eingehen in die vielen bisher bekannt gewordenen Arten müſſen wir uns hier um ſo mehr verſagen, als die Lebensweiſe dieſer Thiere eine höchſt einförmige iſt und von ihrer Entwicklungsgeſchichte auch nur erſt einzelne Bruchſtücke erforſcht wurden.
Zwiſchen der Unterordnung der Schnurwürmer und der folgenden nehmen ein Paar kleine Familien mikro- ſkopiſcher Turbellarien eine vermittelnde Stellung ein. Die erſte iſt die vorzugsweiſe in den ſüßen Gewäſſern vertretene der Kleinmünder,Microstomeae. Jch bilde hier ein kleines, deuſelben angehöriges Weſen ab, was ich erſt kürzlich bei Gratz entdeckt, und das mir deshalb intereſſant iſt, weil es ein bisher nur bei ſeebewohnenden Turbellarien gefundenes Organ beſitzt. Jch neune es das einäugige Engmaul,Stenostomum monocelis. Die enge Mundöffnung (o) mit dem darauf folgenden engen Schlunde bei geſtrecktem Körper und gewiſſen an- deren anatomiſchen Eigenthümlichkeiten weiſt es der Gat- tung Stenostomum zu. Das vor dem Munde liegende helle Bläschen (s) iſt ein augenartiges Organ, möglicher Weiſe auch ein Gehörwerkzeug und war, wie geſagt, bisher nur bei einigen in der See lebenden Gattungen bekannt. Für den Specialkenner wird die vorliegende, bei Gratz lebende Form ein willkommenes Zwiſchenglied zur Gattung Monocelis. Wir ſehen ferner an unſerem Thierchen ein geſchlängeltes Waſſergefäß (v), deſſen Ver- zweigungen nur hie und da bei ſtärkerer Vergrößerung deutlich werden. Was uns aber am meiſten intereſſirt und uns die Fortpflanzungsgeſchichte der Ringelwürmer Nais, Autolytus und Myrianida ins Gedächtniß zurück- ruft, iſt die Knospenbildung am Hinterende. Jm Juni, wo ich die Thierchen anhaltend beobachtete, fand ich ſelten ein Einzelweſen, gewöhnlich ein „Vorderthier“ als Mutter, mit einem „Hinterthier“, ihrer töchterlichen Knospe. Dabei ſorgt die Mutter zugleich auf andere Weiſe für die Erhaltung der Art, indem in ihrem Hin- terleibe ein Paket Eier (e) ſichtbar iſt. — Durch dieſe Knospenbildung zeichnet ſich auch die andere nahe ver- wandte Gattung Microstomum aus, welche als Microstomum lineare im mittleren Deutſchland und auch am Oſtſeeſtrande gefunden wird.
<TEI><text><body><floatingText><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0776"n="732"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Strudelwürmer. Microſtomeen. Rhabdocoelen.</hi></fw><lb/>
lich ſicher unverſehrt herauszuholen. Schwieriger iſt es natürlich, wo erſt ſchwere Hammerſchläge<lb/>
die Höhlungen in den Felsſtücken bloslegen müſſen. Aber auch in dieſem Falle wird die Jagd<lb/><figure><head><hirendition="#c"><hirendition="#g">Das einäugige Engmaul.</hi> (<hirendition="#aq">Stenostomum<lb/>
monocelis</hi>).</hi></head></figure><lb/>
oft erleichtert durch die Vorarbeiten der Bohrſchwämme,<lb/>
welche, wie wir an ſeinem Orte ſehen werden, den här-<lb/>
teſten Kalkfelſen ſo durchziehen, daß er unter den Fin-<lb/>
gern zerbröckelt.</p><lb/><p>Ein weiteres Eingehen in die vielen bisher bekannt<lb/>
gewordenen Arten müſſen wir uns hier um ſo mehr<lb/>
verſagen, als die Lebensweiſe dieſer Thiere eine höchſt<lb/>
einförmige iſt und von ihrer Entwicklungsgeſchichte auch<lb/>
nur erſt einzelne Bruchſtücke erforſcht wurden.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Zwiſchen der Unterordnung der Schnurwürmer und<lb/>
der folgenden nehmen ein Paar kleine Familien mikro-<lb/>ſkopiſcher Turbellarien eine vermittelnde Stellung ein.<lb/>
Die erſte iſt die vorzugsweiſe in den ſüßen Gewäſſern<lb/>
vertretene der <hirendition="#g">Kleinmünder,</hi><hirendition="#aq">Microstomeae.</hi> Jch bilde<lb/>
hier ein kleines, deuſelben angehöriges Weſen ab, was<lb/>
ich erſt kürzlich bei Gratz entdeckt, und das mir deshalb<lb/>
intereſſant iſt, weil es ein bisher nur bei ſeebewohnenden<lb/>
Turbellarien gefundenes Organ beſitzt. Jch neune es<lb/>
das <hirendition="#g">einäugige Engmaul,</hi><hirendition="#aq">Stenostomum monocelis.</hi><lb/>
Die enge Mundöffnung (<hirendition="#aq">o</hi>) mit dem darauf folgenden<lb/>
engen Schlunde bei geſtrecktem Körper und gewiſſen an-<lb/>
deren anatomiſchen Eigenthümlichkeiten weiſt es der Gat-<lb/>
tung <hirendition="#aq">Stenostomum</hi> zu. Das vor dem Munde liegende<lb/>
helle Bläschen (<hirendition="#aq">s</hi>) iſt ein augenartiges Organ, möglicher<lb/>
Weiſe auch ein Gehörwerkzeug und war, wie geſagt,<lb/>
bisher nur bei einigen in der See lebenden Gattungen<lb/>
bekannt. Für den Specialkenner wird die vorliegende,<lb/>
bei Gratz lebende Form ein willkommenes Zwiſchenglied<lb/>
zur Gattung <hirendition="#aq">Monocelis.</hi> Wir ſehen ferner an unſerem<lb/>
Thierchen ein geſchlängeltes Waſſergefäß (<hirendition="#aq">v</hi>), deſſen Ver-<lb/>
zweigungen nur hie und da bei ſtärkerer Vergrößerung<lb/>
deutlich werden. Was uns aber am meiſten intereſſirt<lb/>
und uns die Fortpflanzungsgeſchichte der Ringelwürmer<lb/><hirendition="#aq">Nais, Autolytus</hi> und <hirendition="#aq">Myrianida</hi> ins Gedächtniß zurück-<lb/>
ruft, iſt die Knospenbildung am Hinterende. Jm<lb/>
Juni, wo ich die Thierchen anhaltend beobachtete, fand<lb/>
ich ſelten ein Einzelweſen, gewöhnlich ein „Vorderthier“<lb/>
als Mutter, mit einem „Hinterthier“, ihrer töchterlichen<lb/>
Knospe. Dabei ſorgt die Mutter zugleich auf andere<lb/>
Weiſe für die Erhaltung der Art, indem in ihrem Hin-<lb/>
terleibe ein Paket Eier (<hirendition="#aq">e</hi>) ſichtbar iſt. — Durch dieſe<lb/>
Knospenbildung zeichnet ſich auch die andere nahe ver-<lb/>
wandte Gattung <hirendition="#aq">Microstomum</hi> aus, welche als <hirendition="#aq">Microstomum lineare</hi> im mittleren Deutſchland und<lb/>
auch am Oſtſeeſtrande gefunden wird.</p><lb/></div></div></div></body></floatingText></body></text></TEI>
[732/0776]
Strudelwürmer. Microſtomeen. Rhabdocoelen.
lich ſicher unverſehrt herauszuholen. Schwieriger iſt es natürlich, wo erſt ſchwere Hammerſchläge
die Höhlungen in den Felsſtücken bloslegen müſſen. Aber auch in dieſem Falle wird die Jagd
[Abbildung Das einäugige Engmaul. (Stenostomum
monocelis).]
oft erleichtert durch die Vorarbeiten der Bohrſchwämme,
welche, wie wir an ſeinem Orte ſehen werden, den här-
teſten Kalkfelſen ſo durchziehen, daß er unter den Fin-
gern zerbröckelt.
Ein weiteres Eingehen in die vielen bisher bekannt
gewordenen Arten müſſen wir uns hier um ſo mehr
verſagen, als die Lebensweiſe dieſer Thiere eine höchſt
einförmige iſt und von ihrer Entwicklungsgeſchichte auch
nur erſt einzelne Bruchſtücke erforſcht wurden.
Zwiſchen der Unterordnung der Schnurwürmer und
der folgenden nehmen ein Paar kleine Familien mikro-
ſkopiſcher Turbellarien eine vermittelnde Stellung ein.
Die erſte iſt die vorzugsweiſe in den ſüßen Gewäſſern
vertretene der Kleinmünder, Microstomeae. Jch bilde
hier ein kleines, deuſelben angehöriges Weſen ab, was
ich erſt kürzlich bei Gratz entdeckt, und das mir deshalb
intereſſant iſt, weil es ein bisher nur bei ſeebewohnenden
Turbellarien gefundenes Organ beſitzt. Jch neune es
das einäugige Engmaul, Stenostomum monocelis.
Die enge Mundöffnung (o) mit dem darauf folgenden
engen Schlunde bei geſtrecktem Körper und gewiſſen an-
deren anatomiſchen Eigenthümlichkeiten weiſt es der Gat-
tung Stenostomum zu. Das vor dem Munde liegende
helle Bläschen (s) iſt ein augenartiges Organ, möglicher
Weiſe auch ein Gehörwerkzeug und war, wie geſagt,
bisher nur bei einigen in der See lebenden Gattungen
bekannt. Für den Specialkenner wird die vorliegende,
bei Gratz lebende Form ein willkommenes Zwiſchenglied
zur Gattung Monocelis. Wir ſehen ferner an unſerem
Thierchen ein geſchlängeltes Waſſergefäß (v), deſſen Ver-
zweigungen nur hie und da bei ſtärkerer Vergrößerung
deutlich werden. Was uns aber am meiſten intereſſirt
und uns die Fortpflanzungsgeſchichte der Ringelwürmer
Nais, Autolytus und Myrianida ins Gedächtniß zurück-
ruft, iſt die Knospenbildung am Hinterende. Jm
Juni, wo ich die Thierchen anhaltend beobachtete, fand
ich ſelten ein Einzelweſen, gewöhnlich ein „Vorderthier“
als Mutter, mit einem „Hinterthier“, ihrer töchterlichen
Knospe. Dabei ſorgt die Mutter zugleich auf andere
Weiſe für die Erhaltung der Art, indem in ihrem Hin-
terleibe ein Paket Eier (e) ſichtbar iſt. — Durch dieſe
Knospenbildung zeichnet ſich auch die andere nahe ver-
wandte Gattung Microstomum aus, welche als Microstomum lineare im mittleren Deutſchland und
auch am Oſtſeeſtrande gefunden wird.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 732. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/776>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.