fälligster Weise mit einander verflochten und verbunden sind. Am merkwürdigsten ist die Zwitter- drüse, ein traubiges, in den obersten Windungen in der Leber verborgenes Organ, in welchem in ein und denselben Drüsenabtheilungen sowohl die Eier als der Samen erzeugt werden. Die Geschlechtsöffnung befindet sich auf der rechten Seite des Halses unweit des großen Fühlers. Unter den gleich hinter ihr liegenden Theilen fällt ein dickwandiges sackförmiges Organ auf, der Pfeilsack, in dessen Jnneren sich ein kalkiges Werkzeug in Gestalt eines Pfeiles, Dolches oder Stiletes bildet, der Liebespfeil. Von seinem Gebrauch unten. Sie sind bei den einzelnen Species von so charakteristischer Form, daß sie ein schätzbares Kennzeichen für die Systematik abgeben. Bei den meisten unserer Lungen-Zwitterschnecken findet eine gegenseitige Begattung und, wie man wohl annehmen muß, da die beiden Thiere sich durchaus gleich verhalten, auch gegenseitige Befruchtung statt. Es fehlt aber noch die direkte Beobachtung, ob beide Schnecken nach der gegenseitigen Begattung fruchtbare Eier legen. Warum eine innere Selbstbefruchtung nicht statt- findet, läßt sich auch nicht beantworten, denn die Antwort, daß eine Befruchtung nur auf dem Gegensatz der Jndividuen und der von ihnen gelieferten Stoffe beruhe, erklärt nichts, sondern ist eine Umschreibung der Thatsache, womit eine abgethane sogenannte Naturphilosophie sich selbst etwas weiß machte. Nur bei der Gattung Limnaeus der Wasser-Lungenschnecken fungirt das eine Jndividuum als Männchen, das andre als Weibchen und sitzt ersteres auf diesem. Nicht selten aber wird während dieser Gelegenheit das erste Männchen für ein drittes Jndividuum zum Weibchen, und so fort, daß 6 bis 8 Jndividuen kettenartig vereinigt sind, wo denn das unterste bloß als Weibchen, das oberste blos als Männchen, die mittleren in beiden Richtungen fungiren.
Wir werden zu erwarten haben, daß die Wasser-Lungenschnecken und die Land-Lungen- schnecken hinsichtlich ihrer Lebensweise ähnliche durchgreifende Verschiedenheiten zeigen, wie über- haupt in dem Gegensatz ihres Aufenthaltes liegt. Ja derselbe wird sich hier um so mehr geltend machen, als diese Thiere eine so äußerst geringe Ortsbewegung ausführen, daß es ihnen unmög- lich gemacht ist, durch Wanderungen oder schnellere Flucht sich den regelmäßigen oder zufälligen klimatischen Einflüssen und Unbilden zu entziehen, welche bekanntlich in weit höherem Grade auf dem Lande, als im Wasser sich geltend machen. Wir besitzen von dem schon wiederholt genannten von Martens, einem der Naturforscher der preußischen Expedition nach Ostasien, ein aus- gezeichnetes kleines Werk über die Bedingungen und das Thatsächliche der geographischen Ver- breitung der europäischen Land- und Süßwasserschnecken, aus welchem wir die meisten unserer Angaben schöpfen werden. Es liegt also wie gesagt, in der Natur gerade der Landschnecken, daß wir den Thatsachen und den Gesetzen ihrer Verbreitung eine besondere Aufmerksamkeit schenken. Die Wichtigkeit dieser Beobachtungen ist erst im letzten Jahrzehnt recht hervorgetreten, da sie für die moderne Frage nach dem Begriffe der Art und für die richtige Erkenntniß der jüngsten, unseren Erdtheil definitiv gestaltenden Vorgänge entscheidend werden zu sollen scheinen. Es ist daher schon hier, noch ehe wir uns mit Namen und Kennzeichen der Familien und Gattungen näher bekannt gemacht haben, einiges Allgemeine über jene Punkte mitzutheilen.
"Auch die Landschnecken bedürfen alle eines ziemlich hohen Grades von Feuchtigkeit zum thätigen Leben. Schutzlosere, wie die Nacktschnecken und die Arten der nur unvollständig bedeckten Gattungen (Testacella u. A.) gehen in der Trockenheit bald zu Grunde, z. B. in einer Papp- schachtel die kleineren Arten schon in 24 Stunden. Auch die weitmündige Bulimus gallina sultana stirbt an nicht ganz feuchten Orten in wenigen Tagen. Ueberhaupt scheinen alle Arten mit glänzenden, durchscheinenden Schalen sehr viel Feuchtigkeit zu bedürfen. Auch alle behaarten Schnecken lieben die Nässe. Umgekehrt besitzen diejenigen Landschnecken, welche große Trockenheit auszuhalten haben, eine undurchsichtige, matte, fast oberhautlose Schale. Eine bunte Färbung des die Weichthiere umkleidenden Mantels ist auch für die im Feuchten lebenden Schnecken charak- teristisch. Wahrscheinlich hängt dieser Charakter mit dem Durchscheinen der Schale zusammen, welche Licht bis zum Mantel gelangen läßt, während derselbe bei allen dickschaligen Schnecken
Bau und Lebensweiſe.
fälligſter Weiſe mit einander verflochten und verbunden ſind. Am merkwürdigſten iſt die Zwitter- drüſe, ein traubiges, in den oberſten Windungen in der Leber verborgenes Organ, in welchem in ein und denſelben Drüſenabtheilungen ſowohl die Eier als der Samen erzeugt werden. Die Geſchlechtsöffnung befindet ſich auf der rechten Seite des Halſes unweit des großen Fühlers. Unter den gleich hinter ihr liegenden Theilen fällt ein dickwandiges ſackförmiges Organ auf, der Pfeilſack, in deſſen Jnneren ſich ein kalkiges Werkzeug in Geſtalt eines Pfeiles, Dolches oder Stiletes bildet, der Liebespfeil. Von ſeinem Gebrauch unten. Sie ſind bei den einzelnen Species von ſo charakteriſtiſcher Form, daß ſie ein ſchätzbares Kennzeichen für die Syſtematik abgeben. Bei den meiſten unſerer Lungen-Zwitterſchnecken findet eine gegenſeitige Begattung und, wie man wohl annehmen muß, da die beiden Thiere ſich durchaus gleich verhalten, auch gegenſeitige Befruchtung ſtatt. Es fehlt aber noch die direkte Beobachtung, ob beide Schnecken nach der gegenſeitigen Begattung fruchtbare Eier legen. Warum eine innere Selbſtbefruchtung nicht ſtatt- findet, läßt ſich auch nicht beantworten, denn die Antwort, daß eine Befruchtung nur auf dem Gegenſatz der Jndividuen und der von ihnen gelieferten Stoffe beruhe, erklärt nichts, ſondern iſt eine Umſchreibung der Thatſache, womit eine abgethane ſogenannte Naturphiloſophie ſich ſelbſt etwas weiß machte. Nur bei der Gattung Limnaeus der Waſſer-Lungenſchnecken fungirt das eine Jndividuum als Männchen, das andre als Weibchen und ſitzt erſteres auf dieſem. Nicht ſelten aber wird während dieſer Gelegenheit das erſte Männchen für ein drittes Jndividuum zum Weibchen, und ſo fort, daß 6 bis 8 Jndividuen kettenartig vereinigt ſind, wo denn das unterſte bloß als Weibchen, das oberſte blos als Männchen, die mittleren in beiden Richtungen fungiren.
Wir werden zu erwarten haben, daß die Waſſer-Lungenſchnecken und die Land-Lungen- ſchnecken hinſichtlich ihrer Lebensweiſe ähnliche durchgreifende Verſchiedenheiten zeigen, wie über- haupt in dem Gegenſatz ihres Aufenthaltes liegt. Ja derſelbe wird ſich hier um ſo mehr geltend machen, als dieſe Thiere eine ſo äußerſt geringe Ortsbewegung ausführen, daß es ihnen unmög- lich gemacht iſt, durch Wanderungen oder ſchnellere Flucht ſich den regelmäßigen oder zufälligen klimatiſchen Einflüſſen und Unbilden zu entziehen, welche bekanntlich in weit höherem Grade auf dem Lande, als im Waſſer ſich geltend machen. Wir beſitzen von dem ſchon wiederholt genannten von Martens, einem der Naturforſcher der preußiſchen Expedition nach Oſtaſien, ein aus- gezeichnetes kleines Werk über die Bedingungen und das Thatſächliche der geographiſchen Ver- breitung der europäiſchen Land- und Süßwaſſerſchnecken, aus welchem wir die meiſten unſerer Angaben ſchöpfen werden. Es liegt alſo wie geſagt, in der Natur gerade der Landſchnecken, daß wir den Thatſachen und den Geſetzen ihrer Verbreitung eine beſondere Aufmerkſamkeit ſchenken. Die Wichtigkeit dieſer Beobachtungen iſt erſt im letzten Jahrzehnt recht hervorgetreten, da ſie für die moderne Frage nach dem Begriffe der Art und für die richtige Erkenntniß der jüngſten, unſeren Erdtheil definitiv geſtaltenden Vorgänge entſcheidend werden zu ſollen ſcheinen. Es iſt daher ſchon hier, noch ehe wir uns mit Namen und Kennzeichen der Familien und Gattungen näher bekannt gemacht haben, einiges Allgemeine über jene Punkte mitzutheilen.
„Auch die Landſchnecken bedürfen alle eines ziemlich hohen Grades von Feuchtigkeit zum thätigen Leben. Schutzloſere, wie die Nacktſchnecken und die Arten der nur unvollſtändig bedeckten Gattungen (Testacella u. A.) gehen in der Trockenheit bald zu Grunde, z. B. in einer Papp- ſchachtel die kleineren Arten ſchon in 24 Stunden. Auch die weitmündige Bulimus gallina sultana ſtirbt an nicht ganz feuchten Orten in wenigen Tagen. Ueberhaupt ſcheinen alle Arten mit glänzenden, durchſcheinenden Schalen ſehr viel Feuchtigkeit zu bedürfen. Auch alle behaarten Schnecken lieben die Näſſe. Umgekehrt beſitzen diejenigen Landſchnecken, welche große Trockenheit auszuhalten haben, eine undurchſichtige, matte, faſt oberhautloſe Schale. Eine bunte Färbung des die Weichthiere umkleidenden Mantels iſt auch für die im Feuchten lebenden Schnecken charak- teriſtiſch. Wahrſcheinlich hängt dieſer Charakter mit dem Durchſcheinen der Schale zuſammen, welche Licht bis zum Mantel gelangen läßt, während derſelbe bei allen dickſchaligen Schnecken
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Bau und Lebensweiſe.
fälligſter Weiſe mit einander verflochten und verbunden ſind. Am merkwürdigſten iſt die Zwitter-
drüſe, ein traubiges, in den oberſten Windungen in der Leber verborgenes Organ, in welchem in
ein und denſelben Drüſenabtheilungen ſowohl die Eier als der Samen erzeugt werden. Die
Geſchlechtsöffnung befindet ſich auf der rechten Seite des Halſes unweit des großen Fühlers.
Unter den gleich hinter ihr liegenden Theilen fällt ein dickwandiges ſackförmiges Organ auf,
der Pfeilſack, in deſſen Jnneren ſich ein kalkiges Werkzeug in Geſtalt eines Pfeiles, Dolches oder
Stiletes bildet, der Liebespfeil. Von ſeinem Gebrauch unten. Sie ſind bei den einzelnen Species
von ſo charakteriſtiſcher Form, daß ſie ein ſchätzbares Kennzeichen für die Syſtematik abgeben.
Bei den meiſten unſerer Lungen-Zwitterſchnecken findet eine gegenſeitige Begattung und, wie
man wohl annehmen muß, da die beiden Thiere ſich durchaus gleich verhalten, auch gegenſeitige
Befruchtung ſtatt. Es fehlt aber noch die direkte Beobachtung, ob beide Schnecken nach der
gegenſeitigen Begattung fruchtbare Eier legen. Warum eine innere Selbſtbefruchtung nicht ſtatt-
findet, läßt ſich auch nicht beantworten, denn die Antwort, daß eine Befruchtung nur auf dem
Gegenſatz der Jndividuen und der von ihnen gelieferten Stoffe beruhe, erklärt nichts, ſondern iſt
eine Umſchreibung der Thatſache, womit eine abgethane ſogenannte Naturphiloſophie ſich ſelbſt
etwas weiß machte. Nur bei der Gattung Limnaeus der Waſſer-Lungenſchnecken fungirt das eine
Jndividuum als Männchen, das andre als Weibchen und ſitzt erſteres auf dieſem. Nicht ſelten
aber wird während dieſer Gelegenheit das erſte Männchen für ein drittes Jndividuum zum
Weibchen, und ſo fort, daß 6 bis 8 Jndividuen kettenartig vereinigt ſind, wo denn das unterſte
bloß als Weibchen, das oberſte blos als Männchen, die mittleren in beiden Richtungen fungiren.
Wir werden zu erwarten haben, daß die Waſſer-Lungenſchnecken und die Land-Lungen-
ſchnecken hinſichtlich ihrer Lebensweiſe ähnliche durchgreifende Verſchiedenheiten zeigen, wie über-
haupt in dem Gegenſatz ihres Aufenthaltes liegt. Ja derſelbe wird ſich hier um ſo mehr geltend
machen, als dieſe Thiere eine ſo äußerſt geringe Ortsbewegung ausführen, daß es ihnen unmög-
lich gemacht iſt, durch Wanderungen oder ſchnellere Flucht ſich den regelmäßigen oder zufälligen
klimatiſchen Einflüſſen und Unbilden zu entziehen, welche bekanntlich in weit höherem Grade auf
dem Lande, als im Waſſer ſich geltend machen. Wir beſitzen von dem ſchon wiederholt genannten
von Martens, einem der Naturforſcher der preußiſchen Expedition nach Oſtaſien, ein aus-
gezeichnetes kleines Werk über die Bedingungen und das Thatſächliche der geographiſchen Ver-
breitung der europäiſchen Land- und Süßwaſſerſchnecken, aus welchem wir die meiſten unſerer
Angaben ſchöpfen werden. Es liegt alſo wie geſagt, in der Natur gerade der Landſchnecken, daß
wir den Thatſachen und den Geſetzen ihrer Verbreitung eine beſondere Aufmerkſamkeit ſchenken.
Die Wichtigkeit dieſer Beobachtungen iſt erſt im letzten Jahrzehnt recht hervorgetreten, da ſie für
die moderne Frage nach dem Begriffe der Art und für die richtige Erkenntniß der jüngſten, unſeren
Erdtheil definitiv geſtaltenden Vorgänge entſcheidend werden zu ſollen ſcheinen. Es iſt daher ſchon
hier, noch ehe wir uns mit Namen und Kennzeichen der Familien und Gattungen näher bekannt
gemacht haben, einiges Allgemeine über jene Punkte mitzutheilen.
„Auch die Landſchnecken bedürfen alle eines ziemlich hohen Grades von Feuchtigkeit zum
thätigen Leben. Schutzloſere, wie die Nacktſchnecken und die Arten der nur unvollſtändig bedeckten
Gattungen (Testacella u. A.) gehen in der Trockenheit bald zu Grunde, z. B. in einer Papp-
ſchachtel die kleineren Arten ſchon in 24 Stunden. Auch die weitmündige Bulimus gallina sultana
ſtirbt an nicht ganz feuchten Orten in wenigen Tagen. Ueberhaupt ſcheinen alle Arten mit
glänzenden, durchſcheinenden Schalen ſehr viel Feuchtigkeit zu bedürfen. Auch alle behaarten
Schnecken lieben die Näſſe. Umgekehrt beſitzen diejenigen Landſchnecken, welche große Trockenheit
auszuhalten haben, eine undurchſichtige, matte, faſt oberhautloſe Schale. Eine bunte Färbung
des die Weichthiere umkleidenden Mantels iſt auch für die im Feuchten lebenden Schnecken charak-
teriſtiſch. Wahrſcheinlich hängt dieſer Charakter mit dem Durchſcheinen der Schale zuſammen,
welche Licht bis zum Mantel gelangen läßt, während derſelbe bei allen dickſchaligen Schnecken
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 791. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/837>, abgerufen am 23.11.2024.
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