Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.Testacella. Platzregenschnecke. Zwergschnecke. Auricula. Pedipes. einen langen letzten Umgang und ein kleines Gewinde. Die Jnnenlippe ist durch Falten undzahnartige Vorsprünge ausgezeichnet. Das Thier aber, wie uns die Abbildung des Scarabus imbrium zeigt, hat blos zwei kegelförmige Fühler, an deren Grunde innen die Augen stehn. Die eben genannte Platzregenschnecke verdankt, nach Rumph, ihre Benennung Folgendem. "Es werden diese Schnecken an der Seeküste unter verfaulten Blättern und Holz, sowohl am Strande, als mehr landwärts, ja öfter [Abbildung]
Platzregenschnecke (Scarabus imbrium). auch auf den Bergen gefunden, wo garnicht viele Menschen hinkommen und auch nicht wahrscheinlich ist, daß sie so geschwinde vom Strande dahinkriechen könnten. Man glaubt daher, daß sie durch den Wind bei starkem Platzregen von unten aufgehoben und daselbst wieder niedergeworfen werden. Mir aber kommt es wahrscheinlicher vor, daß sie auf den Bergen selbst durch vielen Regen erzeugt werden, weil man sie dort sowohl ganz klein als groß findet." Man kennt von den Auriculaceen über 200 Arten, von denen nur wenige auf Europa kommen. Zu letzteren gehören einige der Zwergschnecken (Carychium), sehr kleine, kaum 2 Linien lange Thierchen, welche, wie überhaupt die Auriculaceen, auf sehr feuchtem, mit Moos, Blättern und faulendem Holze bedecktem, beschattetem Boden sich aufhalten, ohne sonstige auffallende Erscheinungen in ihrer Lebensweise zu bieten. Die artenreichste Gattung ist Auricula, die zugleich eine außerordentliche Biegsamkeit in ihrer Verbreitung zeigt. Einige Arten derselben (A. scarabus und minima) leben an feuchten Orten an der Oberfläche des Bodens; eine andre (A. Judae) findet sich an sandigen, vom Meere überschwemmten Stellen; noch andere (A. myosotis, coniformis, nitens u. a.) finden sich nur am Meeresufer in Gesellschaft echter Seebewohner und endlich haben einige südamerikanische Arten die Lebensweise der Süß- wasser-Lungenschnecken angenommen und bewohnen gleich diesen die süßen Gewässer. Wenn die Systematiker aus dieser Verschiedenheit des Standortes Veranlassung genommen haben, die Gattung in sogenannte Untergattungen zu theilen und den zoologischen Katalog mit neuen Namen zu belasten, so ist das nach unseren Grundsätzen völlig ungerechtfertigt. Jndem wir uns davon leiten lassen, die wahrscheinliche gemeinsame Abstammung als leitenden Gesichtspunkt bei der Auf- stellung von Thiergruppen (Gattungen, Familien u. s. w.) gelten zu lassen, können wir auf den verschiedenen Aufenthalt, sofern die Anpassung an ihn die anatomischen und Gestalteigenthümlich- keiten unverändert gelassen, gar kein Gewicht legen. Es beweist das Vorkommen der Arten einer und derselben Sippe auf dem Lande, im süßen und salzigen Wasser nur die große Anpassungs- fähigkeit. Durch eine sehr eigenthümliche Gangweise ist der den Auriculaceen sich anreihende, nur in Tropenländern vorkommende Pedipes ausgezeichnet. Der Fuß ist bei ihm durch eine Querfurche in zwei ungleiche Hälften getheilt. Wenn er vorwärts kommen will, so befestigt er sich mittelst der hinteren Hälfte seines Fußes und schiebt die vordere soweit voran, als es die Furche, welche hierbei merklich nachgiebt, es gestattet. Dann zieht das Thierchen die hintere Hälfte nach, bis sie die vordere berührt und rückt mithin den Körper so weit voran, als diese zwei Punkte auseinander sind. Hierauf beginnt es den zweiten Schritt, indem es sich abermals auf die hintere Hälfte stützt und die vordere vorschiebt. Diese spannende Bewegung, wie bei Egeln und Spanner-Raupen beschaffen, erfolgt mit solcher Raschheit, daß nur wenige Weichthiere den Pedipes an Behendigkeit übertreffen. Sehr ähnlich ist die Bewegungsweise der Pupa pagodula, wie wir ebenfalls nach Johnston zur Ergänzung des Wenigen, was oben über die Moosschnecken angeführt wurde, mittheilen wollen. Dieses 11/2 Linien lange, in Frankreich, der Schweiz und Oester- 51*
Teſtacella. Platzregenſchnecke. Zwergſchnecke. Auricula. Pedipes. einen langen letzten Umgang und ein kleines Gewinde. Die Jnnenlippe iſt durch Falten undzahnartige Vorſprünge ausgezeichnet. Das Thier aber, wie uns die Abbildung des Scarabus imbrium zeigt, hat blos zwei kegelförmige Fühler, an deren Grunde innen die Augen ſtehn. Die eben genannte Platzregenſchnecke verdankt, nach Rumph, ihre Benennung Folgendem. „Es werden dieſe Schnecken an der Seeküſte unter verfaulten Blättern und Holz, ſowohl am Strande, als mehr landwärts, ja öfter [Abbildung]
Platzregenſchnecke (Scarabus imbrium). auch auf den Bergen gefunden, wo garnicht viele Menſchen hinkommen und auch nicht wahrſcheinlich iſt, daß ſie ſo geſchwinde vom Strande dahinkriechen könnten. Man glaubt daher, daß ſie durch den Wind bei ſtarkem Platzregen von unten aufgehoben und daſelbſt wieder niedergeworfen werden. Mir aber kommt es wahrſcheinlicher vor, daß ſie auf den Bergen ſelbſt durch vielen Regen erzeugt werden, weil man ſie dort ſowohl ganz klein als groß findet.“ Man kennt von den Auriculaceen über 200 Arten, von denen nur wenige auf Europa kommen. Zu letzteren gehören einige der Zwergſchnecken (Carychium), ſehr kleine, kaum 2 Linien lange Thierchen, welche, wie überhaupt die Auriculaceen, auf ſehr feuchtem, mit Moos, Blättern und faulendem Holze bedecktem, beſchattetem Boden ſich aufhalten, ohne ſonſtige auffallende Erſcheinungen in ihrer Lebensweiſe zu bieten. Die artenreichſte Gattung iſt Auricula, die zugleich eine außerordentliche Biegſamkeit in ihrer Verbreitung zeigt. Einige Arten derſelben (A. scarabus und minima) leben an feuchten Orten an der Oberfläche des Bodens; eine andre (A. Judae) findet ſich an ſandigen, vom Meere überſchwemmten Stellen; noch andere (A. myosotis, coniformis, nitens u. a.) finden ſich nur am Meeresufer in Geſellſchaft echter Seebewohner und endlich haben einige ſüdamerikaniſche Arten die Lebensweiſe der Süß- waſſer-Lungenſchnecken angenommen und bewohnen gleich dieſen die ſüßen Gewäſſer. Wenn die Syſtematiker aus dieſer Verſchiedenheit des Standortes Veranlaſſung genommen haben, die Gattung in ſogenannte Untergattungen zu theilen und den zoologiſchen Katalog mit neuen Namen zu belaſten, ſo iſt das nach unſeren Grundſätzen völlig ungerechtfertigt. Jndem wir uns davon leiten laſſen, die wahrſcheinliche gemeinſame Abſtammung als leitenden Geſichtspunkt bei der Auf- ſtellung von Thiergruppen (Gattungen, Familien u. ſ. w.) gelten zu laſſen, können wir auf den verſchiedenen Aufenthalt, ſofern die Anpaſſung an ihn die anatomiſchen und Geſtalteigenthümlich- keiten unverändert gelaſſen, gar kein Gewicht legen. Es beweiſt das Vorkommen der Arten einer und derſelben Sippe auf dem Lande, im ſüßen und ſalzigen Waſſer nur die große Anpaſſungs- fähigkeit. Durch eine ſehr eigenthümliche Gangweiſe iſt der den Auriculaceen ſich anreihende, nur in Tropenländern vorkommende Pedipes ausgezeichnet. Der Fuß iſt bei ihm durch eine Querfurche in zwei ungleiche Hälften getheilt. Wenn er vorwärts kommen will, ſo befeſtigt er ſich mittelſt der hinteren Hälfte ſeines Fußes und ſchiebt die vordere ſoweit voran, als es die Furche, welche hierbei merklich nachgiebt, es geſtattet. Dann zieht das Thierchen die hintere Hälfte nach, bis ſie die vordere berührt und rückt mithin den Körper ſo weit voran, als dieſe zwei Punkte auseinander ſind. Hierauf beginnt es den zweiten Schritt, indem es ſich abermals auf die hintere Hälfte ſtützt und die vordere vorſchiebt. Dieſe ſpannende Bewegung, wie bei Egeln und Spanner-Raupen beſchaffen, erfolgt mit ſolcher Raſchheit, daß nur wenige Weichthiere den Pedipes an Behendigkeit übertreffen. Sehr ähnlich iſt die Bewegungsweiſe der Pupa pagodula, wie wir ebenfalls nach Johnſton zur Ergänzung des Wenigen, was oben über die Moosſchnecken angeführt wurde, mittheilen wollen. Dieſes 1½ Linien lange, in Frankreich, der Schweiz und Oeſter- 51*
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Teſtacella. Platzregenſchnecke. Zwergſchnecke. Auricula. Pedipes.
einen langen letzten Umgang und ein kleines Gewinde. Die Jnnenlippe iſt durch Falten und
zahnartige Vorſprünge ausgezeichnet. Das Thier aber, wie uns die Abbildung des Scarabus
imbrium zeigt, hat blos zwei kegelförmige Fühler, an deren Grunde innen die Augen ſtehn.
Die eben genannte Platzregenſchnecke verdankt, nach Rumph, ihre Benennung Folgendem.
„Es werden dieſe Schnecken an der Seeküſte unter verfaulten Blättern und Holz, ſowohl am
Strande, als mehr landwärts, ja öfter
[Abbildung Platzregenſchnecke (Scarabus imbrium).]
auch auf den Bergen gefunden, wo gar
nicht viele Menſchen hinkommen und auch
nicht wahrſcheinlich iſt, daß ſie ſo geſchwinde
vom Strande dahinkriechen könnten. Man
glaubt daher, daß ſie durch den Wind bei
ſtarkem Platzregen von unten aufgehoben
und daſelbſt wieder niedergeworfen werden.
Mir aber kommt es wahrſcheinlicher vor,
daß ſie auf den Bergen ſelbſt durch vielen
Regen erzeugt werden, weil man ſie dort
ſowohl ganz klein als groß findet.“ Man
kennt von den Auriculaceen über 200 Arten,
von denen nur wenige auf Europa kommen. Zu letzteren gehören einige der Zwergſchnecken
(Carychium), ſehr kleine, kaum 2 Linien lange Thierchen, welche, wie überhaupt die Auriculaceen, auf
ſehr feuchtem, mit Moos, Blättern und faulendem Holze bedecktem, beſchattetem Boden ſich aufhalten,
ohne ſonſtige auffallende Erſcheinungen in ihrer Lebensweiſe zu bieten. Die artenreichſte Gattung
iſt Auricula, die zugleich eine außerordentliche Biegſamkeit in ihrer Verbreitung zeigt. Einige
Arten derſelben (A. scarabus und minima) leben an feuchten Orten an der Oberfläche des
Bodens; eine andre (A. Judae) findet ſich an ſandigen, vom Meere überſchwemmten Stellen;
noch andere (A. myosotis, coniformis, nitens u. a.) finden ſich nur am Meeresufer in Geſellſchaft
echter Seebewohner und endlich haben einige ſüdamerikaniſche Arten die Lebensweiſe der Süß-
waſſer-Lungenſchnecken angenommen und bewohnen gleich dieſen die ſüßen Gewäſſer. Wenn die
Syſtematiker aus dieſer Verſchiedenheit des Standortes Veranlaſſung genommen haben, die Gattung
in ſogenannte Untergattungen zu theilen und den zoologiſchen Katalog mit neuen Namen zu
belaſten, ſo iſt das nach unſeren Grundſätzen völlig ungerechtfertigt. Jndem wir uns davon
leiten laſſen, die wahrſcheinliche gemeinſame Abſtammung als leitenden Geſichtspunkt bei der Auf-
ſtellung von Thiergruppen (Gattungen, Familien u. ſ. w.) gelten zu laſſen, können wir auf den
verſchiedenen Aufenthalt, ſofern die Anpaſſung an ihn die anatomiſchen und Geſtalteigenthümlich-
keiten unverändert gelaſſen, gar kein Gewicht legen. Es beweiſt das Vorkommen der Arten einer
und derſelben Sippe auf dem Lande, im ſüßen und ſalzigen Waſſer nur die große Anpaſſungs-
fähigkeit. Durch eine ſehr eigenthümliche Gangweiſe iſt der den Auriculaceen ſich anreihende,
nur in Tropenländern vorkommende Pedipes ausgezeichnet. Der Fuß iſt bei ihm durch eine
Querfurche in zwei ungleiche Hälften getheilt. Wenn er vorwärts kommen will, ſo befeſtigt er
ſich mittelſt der hinteren Hälfte ſeines Fußes und ſchiebt die vordere ſoweit voran, als es die
Furche, welche hierbei merklich nachgiebt, es geſtattet. Dann zieht das Thierchen die hintere
Hälfte nach, bis ſie die vordere berührt und rückt mithin den Körper ſo weit voran, als dieſe
zwei Punkte auseinander ſind. Hierauf beginnt es den zweiten Schritt, indem es ſich abermals
auf die hintere Hälfte ſtützt und die vordere vorſchiebt. Dieſe ſpannende Bewegung, wie bei
Egeln und Spanner-Raupen beſchaffen, erfolgt mit ſolcher Raſchheit, daß nur wenige Weichthiere
den Pedipes an Behendigkeit übertreffen. Sehr ähnlich iſt die Bewegungsweiſe der Pupa pagodula,
wie wir ebenfalls nach Johnſton zur Ergänzung des Wenigen, was oben über die Moosſchnecken
angeführt wurde, mittheilen wollen. Dieſes 1½ Linien lange, in Frankreich, der Schweiz und Oeſter-
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