die Abbildung dieses Thieres zur Hand nimmt, daß es auf alle Beobachter, welche sich nicht in eine vergleichende Zergliederung desselben einlassen konnten, den Eindruck nicht eines Weichthieres von dem Range einer Muschel, sondern den eines Wurmes machen mußte. Die Schale, welche sich an dem verdickten Kopfende befindet, ist hinten und vorn so weit ausgerundet, daß eigentlich nur noch ein kurzes, reifenförmiges Schalenrudiment übrig ist. Die vordere Schalenöffnung ist aber von dem Mantel so überwachsen, daß nur ein kleines, den Fuß vorstellendes Wärzchen aus seinem Schlitz hervortreten kann. Oberhalb der beiden Schalenhälften tritt zwischen ihnen der Mantel hervor und bildet eine Falte, die Kaputze, welche durch verschiedene sich kreuzende Muskeln in allen Richtungen bewegt werden kann. Der hinter dieser kopfartigen Auschwellung liegende Theil des Thieres bis zu den langen Siphonen ist sehr verlängert und wird mit den Siphonen von einer unregelmäßig gebogenen Kalkröhre eingeschlossen. Letztere ist hinten offen und so weit, als die Siphonen einen Spalt zwischen sich lassen, durch eine Längsscheidewand getheilt. Wo die Mautelröhre in die Siphonen übergeht, ist ein starker ringförmiger Schließmuskel mit einem Quermuskel, der wohl dem hinteren Schließmuskel der anderen Dimyarier entspricht, während der vordere zwischen den kleinen Schalenhälften liegt. Auf diesem hinteren Schließmuskel sitzen zwei plattenförmige Schalenstücke, die Paletten, und dieß ist die einzige Stelle, wo der Mantel mit der oben erwähnten Röhre unmittelbar verwachsen ist. Uebereinstimmend mit dieser äußeren, von den übrigen Muscheln so abweichenden Form ist natürlich auch die Form und Lage der inneren Körpertheile, namentlich der Leber, des Herzens, der Kiemen, der Fortpflanzungsorgane; die Abweichung besteht aber eigentlich nur darin, daß diese Organe hier nicht über, sondern hinter einander gelegen sind, während die allgemeinen Grundzüge des Baues vollständig diejenigen aller übrigen Zweischaler sind.
Die Lebensweise der Bohrwürmer ist von Niemandem gründlicher als von Quatrefages beobachtet, so daß es am Besten ist, ich gebe die wörtliche Uebersetzung seiner Schilderung. "Man weiß", sagt er, "daß diese Weichthiere die härtesten Holzarten, wie sie auch sonst beschaffen sein mögen, zerbohren. Man weiß, daß ihre Gänge mit einer Kalkröhre ausgekleidet sind, womit das Thier nur an zwei, den Paletten entsprechenden Stellen zusammenhängt. Fast unnöthig ist es, daran zu erinnern, daß diese verderblichen Weichthiere sich bisweilen so vermehren, daß sie durch ihre Röhren beinahe das ganze Jnnere eines sonst ganz gesunden Stückes Holz verschwinden machen, ohne daß es, so zu sagen, möglich wäre, äußerlich Anzeichen jener Zerstörungen zu finden. Endlich ist es unrichtig, wenn man gemeint hat, die Bohrwürmer gingen immer nur in der Richtung der Holzfasern vorwärts: sie durchbohren das Holz in allen Richtungen, und oft bietet eine und dieselbe Höhlung die verschiedensten Biegungen, bald der Faser folgend, bald sie unter rechtem Winkel schneidend. Solche Biegungen stellen sich immer ein, sobald ein Bohrwurm entweder auf die Röhre einer seiner Nachbarn stößt, oder auf einen alten verlassenen, sogar seiner Kalkauskleidung beraubten Gang. Diese Art von Jnstinkt bewirkt, daß, so zahlreich auch die Röhren in einem Stück Holz sein mögen, sie doch nie an einander hängen und daß man sie durch Faulenlassen des Holzes immer vollständig von einander trennen könnte. Gewöhnlich ist der von dem Teredo gebildete Holzgang nur längs des Körpers des Thieres hin mit Kalk aus- gekleidet, am Vorderende aber das Holz unbedeckt. Adanson -- ein sehr ausgezeichneter Mollusken-Beobachter des vorigen Jahrhunderts -- fand, daß der Blindsack in einigen Fällen dieselbe Kalkbekleidung, wie der übrige Gang besäße; und einige Naturforscher, welche dieß für eine Eigenthümlichkeit der ausgewachsenen Jndividuen hielten, haben darauf Schlüsse für die systematische Verwandtschaft der Vohrwürmer begründet; aber schon Deshayes beobachtete Gänge, welche durch eine Querscheidewand in größerer oder geringerer Entfernung vom Vorder- ende abgeschlossen waren. Jch habe Aehnliches beobachtet. Andrerseits fand ich sehr häufig das Ende des Ganges großer Jndividuen offen, während bei viel kleineren und wahrscheinlich jüngeren Jndividuen dieses Ende abgeschlossen war. Jch glaube daher, daß das Vorhandensein oder der Mangel dieser Scheidewand durchaus zufällig ist."
Schiffswurm.
die Abbildung dieſes Thieres zur Hand nimmt, daß es auf alle Beobachter, welche ſich nicht in eine vergleichende Zergliederung deſſelben einlaſſen konnten, den Eindruck nicht eines Weichthieres von dem Range einer Muſchel, ſondern den eines Wurmes machen mußte. Die Schale, welche ſich an dem verdickten Kopfende befindet, iſt hinten und vorn ſo weit ausgerundet, daß eigentlich nur noch ein kurzes, reifenförmiges Schalenrudiment übrig iſt. Die vordere Schalenöffnung iſt aber von dem Mantel ſo überwachſen, daß nur ein kleines, den Fuß vorſtellendes Wärzchen aus ſeinem Schlitz hervortreten kann. Oberhalb der beiden Schalenhälften tritt zwiſchen ihnen der Mantel hervor und bildet eine Falte, die Kaputze, welche durch verſchiedene ſich kreuzende Muskeln in allen Richtungen bewegt werden kann. Der hinter dieſer kopfartigen Auſchwellung liegende Theil des Thieres bis zu den langen Siphonen iſt ſehr verlängert und wird mit den Siphonen von einer unregelmäßig gebogenen Kalkröhre eingeſchloſſen. Letztere iſt hinten offen und ſo weit, als die Siphonen einen Spalt zwiſchen ſich laſſen, durch eine Längsſcheidewand getheilt. Wo die Mautelröhre in die Siphonen übergeht, iſt ein ſtarker ringförmiger Schließmuskel mit einem Quermuskel, der wohl dem hinteren Schließmuskel der anderen Dimyarier entſpricht, während der vordere zwiſchen den kleinen Schalenhälften liegt. Auf dieſem hinteren Schließmuskel ſitzen zwei plattenförmige Schalenſtücke, die Paletten, und dieß iſt die einzige Stelle, wo der Mantel mit der oben erwähnten Röhre unmittelbar verwachſen iſt. Uebereinſtimmend mit dieſer äußeren, von den übrigen Muſcheln ſo abweichenden Form iſt natürlich auch die Form und Lage der inneren Körpertheile, namentlich der Leber, des Herzens, der Kiemen, der Fortpflanzungsorgane; die Abweichung beſteht aber eigentlich nur darin, daß dieſe Organe hier nicht über, ſondern hinter einander gelegen ſind, während die allgemeinen Grundzüge des Baues vollſtändig diejenigen aller übrigen Zweiſchaler ſind.
Die Lebensweiſe der Bohrwürmer iſt von Niemandem gründlicher als von Quatrefages beobachtet, ſo daß es am Beſten iſt, ich gebe die wörtliche Ueberſetzung ſeiner Schilderung. „Man weiß“, ſagt er, „daß dieſe Weichthiere die härteſten Holzarten, wie ſie auch ſonſt beſchaffen ſein mögen, zerbohren. Man weiß, daß ihre Gänge mit einer Kalkröhre ausgekleidet ſind, womit das Thier nur an zwei, den Paletten entſprechenden Stellen zuſammenhängt. Faſt unnöthig iſt es, daran zu erinnern, daß dieſe verderblichen Weichthiere ſich bisweilen ſo vermehren, daß ſie durch ihre Röhren beinahe das ganze Jnnere eines ſonſt ganz geſunden Stückes Holz verſchwinden machen, ohne daß es, ſo zu ſagen, möglich wäre, äußerlich Anzeichen jener Zerſtörungen zu finden. Endlich iſt es unrichtig, wenn man gemeint hat, die Bohrwürmer gingen immer nur in der Richtung der Holzfaſern vorwärts: ſie durchbohren das Holz in allen Richtungen, und oft bietet eine und dieſelbe Höhlung die verſchiedenſten Biegungen, bald der Faſer folgend, bald ſie unter rechtem Winkel ſchneidend. Solche Biegungen ſtellen ſich immer ein, ſobald ein Bohrwurm entweder auf die Röhre einer ſeiner Nachbarn ſtößt, oder auf einen alten verlaſſenen, ſogar ſeiner Kalkauskleidung beraubten Gang. Dieſe Art von Jnſtinkt bewirkt, daß, ſo zahlreich auch die Röhren in einem Stück Holz ſein mögen, ſie doch nie an einander hängen und daß man ſie durch Faulenlaſſen des Holzes immer vollſtändig von einander trennen könnte. Gewöhnlich iſt der von dem Teredo gebildete Holzgang nur längs des Körpers des Thieres hin mit Kalk aus- gekleidet, am Vorderende aber das Holz unbedeckt. Adanſon — ein ſehr ausgezeichneter Mollusken-Beobachter des vorigen Jahrhunderts — fand, daß der Blindſack in einigen Fällen dieſelbe Kalkbekleidung, wie der übrige Gang beſäße; und einige Naturforſcher, welche dieß für eine Eigenthümlichkeit der ausgewachſenen Jndividuen hielten, haben darauf Schlüſſe für die ſyſtematiſche Verwandtſchaft der Vohrwürmer begründet; aber ſchon Deshayes beobachtete Gänge, welche durch eine Querſcheidewand in größerer oder geringerer Entfernung vom Vorder- ende abgeſchloſſen waren. Jch habe Aehnliches beobachtet. Andrerſeits fand ich ſehr häufig das Ende des Ganges großer Jndividuen offen, während bei viel kleineren und wahrſcheinlich jüngeren Jndividuen dieſes Ende abgeſchloſſen war. Jch glaube daher, daß das Vorhandenſein oder der Mangel dieſer Scheidewand durchaus zufällig iſt.“
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Schiffswurm.
die Abbildung dieſes Thieres zur Hand nimmt, daß es auf alle Beobachter, welche ſich nicht in
eine vergleichende Zergliederung deſſelben einlaſſen konnten, den Eindruck nicht eines Weichthieres
von dem Range einer Muſchel, ſondern den eines Wurmes machen mußte. Die Schale, welche
ſich an dem verdickten Kopfende befindet, iſt hinten und vorn ſo weit ausgerundet, daß eigentlich
nur noch ein kurzes, reifenförmiges Schalenrudiment übrig iſt. Die vordere Schalenöffnung iſt
aber von dem Mantel ſo überwachſen, daß nur ein kleines, den Fuß vorſtellendes Wärzchen aus
ſeinem Schlitz hervortreten kann. Oberhalb der beiden Schalenhälften tritt zwiſchen ihnen der
Mantel hervor und bildet eine Falte, die Kaputze, welche durch verſchiedene ſich kreuzende Muskeln
in allen Richtungen bewegt werden kann. Der hinter dieſer kopfartigen Auſchwellung liegende
Theil des Thieres bis zu den langen Siphonen iſt ſehr verlängert und wird mit den Siphonen
von einer unregelmäßig gebogenen Kalkröhre eingeſchloſſen. Letztere iſt hinten offen und ſo weit,
als die Siphonen einen Spalt zwiſchen ſich laſſen, durch eine Längsſcheidewand getheilt. Wo die
Mautelröhre in die Siphonen übergeht, iſt ein ſtarker ringförmiger Schließmuskel mit einem
Quermuskel, der wohl dem hinteren Schließmuskel der anderen Dimyarier entſpricht, während
der vordere zwiſchen den kleinen Schalenhälften liegt. Auf dieſem hinteren Schließmuskel ſitzen
zwei plattenförmige Schalenſtücke, die Paletten, und dieß iſt die einzige Stelle, wo der Mantel
mit der oben erwähnten Röhre unmittelbar verwachſen iſt. Uebereinſtimmend mit dieſer äußeren,
von den übrigen Muſcheln ſo abweichenden Form iſt natürlich auch die Form und Lage der inneren
Körpertheile, namentlich der Leber, des Herzens, der Kiemen, der Fortpflanzungsorgane; die Abweichung
beſteht aber eigentlich nur darin, daß dieſe Organe hier nicht über, ſondern hinter einander gelegen ſind,
während die allgemeinen Grundzüge des Baues vollſtändig diejenigen aller übrigen Zweiſchaler ſind.
Die Lebensweiſe der Bohrwürmer iſt von Niemandem gründlicher als von Quatrefages
beobachtet, ſo daß es am Beſten iſt, ich gebe die wörtliche Ueberſetzung ſeiner Schilderung. „Man
weiß“, ſagt er, „daß dieſe Weichthiere die härteſten Holzarten, wie ſie auch ſonſt beſchaffen ſein
mögen, zerbohren. Man weiß, daß ihre Gänge mit einer Kalkröhre ausgekleidet ſind, womit das
Thier nur an zwei, den Paletten entſprechenden Stellen zuſammenhängt. Faſt unnöthig iſt es,
daran zu erinnern, daß dieſe verderblichen Weichthiere ſich bisweilen ſo vermehren, daß ſie durch
ihre Röhren beinahe das ganze Jnnere eines ſonſt ganz geſunden Stückes Holz verſchwinden
machen, ohne daß es, ſo zu ſagen, möglich wäre, äußerlich Anzeichen jener Zerſtörungen zu finden.
Endlich iſt es unrichtig, wenn man gemeint hat, die Bohrwürmer gingen immer nur in der
Richtung der Holzfaſern vorwärts: ſie durchbohren das Holz in allen Richtungen, und oft bietet
eine und dieſelbe Höhlung die verſchiedenſten Biegungen, bald der Faſer folgend, bald ſie unter
rechtem Winkel ſchneidend. Solche Biegungen ſtellen ſich immer ein, ſobald ein Bohrwurm
entweder auf die Röhre einer ſeiner Nachbarn ſtößt, oder auf einen alten verlaſſenen, ſogar ſeiner
Kalkauskleidung beraubten Gang. Dieſe Art von Jnſtinkt bewirkt, daß, ſo zahlreich auch die
Röhren in einem Stück Holz ſein mögen, ſie doch nie an einander hängen und daß man ſie
durch Faulenlaſſen des Holzes immer vollſtändig von einander trennen könnte. Gewöhnlich iſt
der von dem Teredo gebildete Holzgang nur längs des Körpers des Thieres hin mit Kalk aus-
gekleidet, am Vorderende aber das Holz unbedeckt. Adanſon — ein ſehr ausgezeichneter
Mollusken-Beobachter des vorigen Jahrhunderts — fand, daß der Blindſack in einigen Fällen
dieſelbe Kalkbekleidung, wie der übrige Gang beſäße; und einige Naturforſcher, welche dieß für
eine Eigenthümlichkeit der ausgewachſenen Jndividuen hielten, haben darauf Schlüſſe für die
ſyſtematiſche Verwandtſchaft der Vohrwürmer begründet; aber ſchon Deshayes beobachtete
Gänge, welche durch eine Querſcheidewand in größerer oder geringerer Entfernung vom Vorder-
ende abgeſchloſſen waren. Jch habe Aehnliches beobachtet. Andrerſeits fand ich ſehr häufig das
Ende des Ganges großer Jndividuen offen, während bei viel kleineren und wahrſcheinlich jüngeren
Jndividuen dieſes Ende abgeſchloſſen war. Jch glaube daher, daß das Vorhandenſein oder der
Mangel dieſer Scheidewand durchaus zufällig iſt.“
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 927. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/975>, abgerufen am 23.11.2024.
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