Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite
Muscheln. Dimyarier. Bohrmuscheln.

"Auf welche Weise bohrt der Teredo in dem Holze, worin er sich einnistet? Diese Frage,
welche sich alsbald dem Geiste des Beobachters aufdrängt, ist bis jetzt fast einstimmig beantwortet
worden. Man sah die Schale für das Bohrinstrument an, womit das Thier seine Wohnung
aushöhlte. Seit einigen Jahren hat man in Frankreich und England mehrere Theorien vorgebracht,
wonach man die Durchbohrung entweder einer mechanischen oder einer chemischen Thätigkeit
zuschreibt. Deshayes -- der berühmte französische Conchyliolog -- ist für die letztere Meinung
eingenommen. Der beste seiner Beweisgründe ist für uns die Beobachtung, daß der Muskel-
apparat des Teredo durchaus nicht dazu geschickt ist, jenes vermeintliche Bohrinstrument in
Bewegung zu setzen und es in Drehung oder in die Bewegung von einer Seite zur anderen zu
bringen, die nothwendig erfolgen müssen, wenn man sich die beobachteten Resultate erklären
wollte. Der genannte Naturforscher schreibt die Aushöhlung der Gänge der Gegenwart einer
Ausscheidung zu, welche im Stande sei, die Holzmasse aufzulösen. An dieser Erklärung kann
etwas Wahres sein; sie genügt mir aber nicht, indem sie durchaus keine Rechenschaft über die
Regelmäßigkeit giebt, welche diese eigenthümliche Reibearbeit auf ihrer ganzen Erstreckung zeigt.
Welcher Art auch das angegriffene Holz sein, welche Richtung der Gang nehmen mag, der
Schnitt ist immer so vollkommen deutlich, als wenn die Höhlung mit einem aufs Sorgfältigste
geschliffenen Bohrer gemacht worden wäre. Die Wände des Ganges und sein Vorderende sind
vollkommen glatt, wie verschiedenartig auch die Dichtigkeit und Härte der Holzschichten sein mögen;
und man weiß, daß bei der Tanne z. B. diese verschieden sehr groß ist. Die Annahme, daß
irgend ein Auflösungsmittel mit solcher Regelmäßigkeit wirken könne, scheint sehr schwierig. Es
würde, scheint uns, schneller die zarteren und weniger dichten Holztheile angreifen, so daß die
härteren vorstehen müßten. Dieser Einwurf ist auch gegen die Annahme zu richten, wonach die
Aushöhlung der Gänge der Wirkung der Wasserströme zuzuschreiben wäre, welche durch die
Wimperhaare verursacht werden."

"An der Arbeit der Bohrwürmer scheint mir Alles das Gepräge einer direkten mechanischen
Thätigkeit zu haben. Wenn aber das Thier hierzu nicht die Schale anwendet, welches Werkzeuges
soll es sich bedienen? Die Lösung der Frage scheint mir schwierig. Jch will jedoch über diesen Punkt
eine vielleicht richtige Vermuthung aufstellen. Man darf nicht vergessen, daß das Jnnere des
Ganges immer mit Wasser erfüllt ist und daß folglich alle Stellen, welche nicht durch die Kalk-
röhre geschützt werden, einer fortwährenden Auflockerung unterworfen sind. Eine selbst sehr
schwache mechanische Thätigkeit reicht zur Wegnahme dieser so aufgeweichten Schichte hin, und
wie dünn die letztere auch sein mag, wenn die in Rede stehende Thätigkeit nur irgendwie ununter-
brochen wirkt, reicht sie hin, um die Aushöhlung des Ganges zu erklären. Da nun die oberen
Mantelfalten und besonders die Kopfkaputze willkürlich durch Blutzufluß aufgebläht werden können,
und mit einer dicken Oberhaut bedeckt sind und die Kaputze durch 4 starke Muskeln in Bewegung
gesetzt werden kann, so scheint sie mir sehr geeignet, die Rolle, um die es sich handelt, zu spielen.
Es scheint mir daher wahrscheinlich, daß sie das Holz abzuschaben bestimmt ist, nachdem es durch
die Auflockerung im Wasser und vielleicht auch durch eine Abscheidung des Thieres erweicht worden."
Wir müssen aber hier einschalten, daß dieser Vermuthung gegenüber später der Utrechter Zoolog
Harting ganz andere direkte Beobachtungen aufgestellt hat. Nach ihm braucht Teredo beim
Bohren die zwei Klappen seiner Schale wie zwei Kinnladen oder Zangenspitzen, mit dem Unter-
schiede jedoch, daß ihre Bewegung nach einander auf zwei zu einander rechtwinkeligen Ebenen
erfolgt. Er hat unzählige kleine Zähnchen entdeckt, welche so stehen, daß bei jedem Stoße die
Holzmasse in äußerst kleine viereckige Stückchen zerhackt wird. Die Zähnchen sollen sich wenig
abnutzen, weil sie schneiden und nicht schaben und weil sie beim Fortwachsen der Schale durch
Bildung neuer Zuwachsstreifen jedesmal von neuen überragt werden.

"Die Bohrwürmer", fährt Quatrefages fort, "vermehren sich außerordentlich schnell. Man
theilte mir in Passages bei St. Sebastian einen Vorfall mit, der eine Vorstellung davon geben

Muſcheln. Dimyarier. Bohrmuſcheln.

„Auf welche Weiſe bohrt der Teredo in dem Holze, worin er ſich einniſtet? Dieſe Frage,
welche ſich alsbald dem Geiſte des Beobachters aufdrängt, iſt bis jetzt faſt einſtimmig beantwortet
worden. Man ſah die Schale für das Bohrinſtrument an, womit das Thier ſeine Wohnung
aushöhlte. Seit einigen Jahren hat man in Frankreich und England mehrere Theorien vorgebracht,
wonach man die Durchbohrung entweder einer mechaniſchen oder einer chemiſchen Thätigkeit
zuſchreibt. Deshayes — der berühmte franzöſiſche Conchyliolog — iſt für die letztere Meinung
eingenommen. Der beſte ſeiner Beweisgründe iſt für uns die Beobachtung, daß der Muskel-
apparat des Teredo durchaus nicht dazu geſchickt iſt, jenes vermeintliche Bohrinſtrument in
Bewegung zu ſetzen und es in Drehung oder in die Bewegung von einer Seite zur anderen zu
bringen, die nothwendig erfolgen müſſen, wenn man ſich die beobachteten Reſultate erklären
wollte. Der genannte Naturforſcher ſchreibt die Aushöhlung der Gänge der Gegenwart einer
Ausſcheidung zu, welche im Stande ſei, die Holzmaſſe aufzulöſen. An dieſer Erklärung kann
etwas Wahres ſein; ſie genügt mir aber nicht, indem ſie durchaus keine Rechenſchaft über die
Regelmäßigkeit giebt, welche dieſe eigenthümliche Reibearbeit auf ihrer ganzen Erſtreckung zeigt.
Welcher Art auch das angegriffene Holz ſein, welche Richtung der Gang nehmen mag, der
Schnitt iſt immer ſo vollkommen deutlich, als wenn die Höhlung mit einem aufs Sorgfältigſte
geſchliffenen Bohrer gemacht worden wäre. Die Wände des Ganges und ſein Vorderende ſind
vollkommen glatt, wie verſchiedenartig auch die Dichtigkeit und Härte der Holzſchichten ſein mögen;
und man weiß, daß bei der Tanne z. B. dieſe verſchieden ſehr groß iſt. Die Annahme, daß
irgend ein Auflöſungsmittel mit ſolcher Regelmäßigkeit wirken könne, ſcheint ſehr ſchwierig. Es
würde, ſcheint uns, ſchneller die zarteren und weniger dichten Holztheile angreifen, ſo daß die
härteren vorſtehen müßten. Dieſer Einwurf iſt auch gegen die Annahme zu richten, wonach die
Aushöhlung der Gänge der Wirkung der Waſſerſtröme zuzuſchreiben wäre, welche durch die
Wimperhaare verurſacht werden.“

„An der Arbeit der Bohrwürmer ſcheint mir Alles das Gepräge einer direkten mechaniſchen
Thätigkeit zu haben. Wenn aber das Thier hierzu nicht die Schale anwendet, welches Werkzeuges
ſoll es ſich bedienen? Die Löſung der Frage ſcheint mir ſchwierig. Jch will jedoch über dieſen Punkt
eine vielleicht richtige Vermuthung aufſtellen. Man darf nicht vergeſſen, daß das Jnnere des
Ganges immer mit Waſſer erfüllt iſt und daß folglich alle Stellen, welche nicht durch die Kalk-
röhre geſchützt werden, einer fortwährenden Auflockerung unterworfen ſind. Eine ſelbſt ſehr
ſchwache mechaniſche Thätigkeit reicht zur Wegnahme dieſer ſo aufgeweichten Schichte hin, und
wie dünn die letztere auch ſein mag, wenn die in Rede ſtehende Thätigkeit nur irgendwie ununter-
brochen wirkt, reicht ſie hin, um die Aushöhlung des Ganges zu erklären. Da nun die oberen
Mantelfalten und beſonders die Kopfkaputze willkürlich durch Blutzufluß aufgebläht werden können,
und mit einer dicken Oberhaut bedeckt ſind und die Kaputze durch 4 ſtarke Muskeln in Bewegung
geſetzt werden kann, ſo ſcheint ſie mir ſehr geeignet, die Rolle, um die es ſich handelt, zu ſpielen.
Es ſcheint mir daher wahrſcheinlich, daß ſie das Holz abzuſchaben beſtimmt iſt, nachdem es durch
die Auflockerung im Waſſer und vielleicht auch durch eine Abſcheidung des Thieres erweicht worden.“
Wir müſſen aber hier einſchalten, daß dieſer Vermuthung gegenüber ſpäter der Utrechter Zoolog
Harting ganz andere direkte Beobachtungen aufgeſtellt hat. Nach ihm braucht Teredo beim
Bohren die zwei Klappen ſeiner Schale wie zwei Kinnladen oder Zangenſpitzen, mit dem Unter-
ſchiede jedoch, daß ihre Bewegung nach einander auf zwei zu einander rechtwinkeligen Ebenen
erfolgt. Er hat unzählige kleine Zähnchen entdeckt, welche ſo ſtehen, daß bei jedem Stoße die
Holzmaſſe in äußerſt kleine viereckige Stückchen zerhackt wird. Die Zähnchen ſollen ſich wenig
abnutzen, weil ſie ſchneiden und nicht ſchaben und weil ſie beim Fortwachſen der Schale durch
Bildung neuer Zuwachsſtreifen jedesmal von neuen überragt werden.

„Die Bohrwürmer“, fährt Quatrefages fort, „vermehren ſich außerordentlich ſchnell. Man
theilte mir in Paſſages bei St. Sebaſtian einen Vorfall mit, der eine Vorſtellung davon geben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <floatingText>
        <body>
          <div n="1">
            <div n="2">
              <pb facs="#f0976" n="928"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Mu&#x017F;cheln. Dimyarier. Bohrmu&#x017F;cheln.</hi> </fw><lb/>
              <p>&#x201E;Auf welche Wei&#x017F;e bohrt der Teredo in dem Holze, worin er &#x017F;ich einni&#x017F;tet? Die&#x017F;e Frage,<lb/>
welche &#x017F;ich alsbald dem Gei&#x017F;te des Beobachters aufdrängt, i&#x017F;t bis jetzt fa&#x017F;t ein&#x017F;timmig beantwortet<lb/>
worden. Man &#x017F;ah die Schale für das Bohrin&#x017F;trument an, womit das Thier &#x017F;eine Wohnung<lb/>
aushöhlte. Seit einigen Jahren hat man in Frankreich und England mehrere Theorien vorgebracht,<lb/>
wonach man die Durchbohrung entweder einer mechani&#x017F;chen oder einer chemi&#x017F;chen Thätigkeit<lb/>
zu&#x017F;chreibt. <hi rendition="#g">Deshayes</hi> &#x2014; der berühmte franzö&#x017F;i&#x017F;che Conchyliolog &#x2014; i&#x017F;t für die letztere Meinung<lb/>
eingenommen. Der be&#x017F;te &#x017F;einer Beweisgründe i&#x017F;t für uns die Beobachtung, daß der Muskel-<lb/>
apparat des Teredo durchaus nicht dazu ge&#x017F;chickt i&#x017F;t, jenes vermeintliche Bohrin&#x017F;trument in<lb/>
Bewegung zu &#x017F;etzen und es in Drehung oder in die Bewegung von einer Seite zur anderen zu<lb/>
bringen, die nothwendig erfolgen mü&#x017F;&#x017F;en, wenn man &#x017F;ich die beobachteten Re&#x017F;ultate erklären<lb/>
wollte. Der genannte Naturfor&#x017F;cher &#x017F;chreibt die Aushöhlung der Gänge der Gegenwart einer<lb/>
Aus&#x017F;cheidung zu, welche im Stande &#x017F;ei, die Holzma&#x017F;&#x017F;e aufzulö&#x017F;en. An die&#x017F;er Erklärung kann<lb/>
etwas Wahres &#x017F;ein; &#x017F;ie genügt mir aber nicht, indem &#x017F;ie durchaus keine Rechen&#x017F;chaft über die<lb/>
Regelmäßigkeit giebt, welche die&#x017F;e eigenthümliche Reibearbeit auf ihrer ganzen Er&#x017F;treckung zeigt.<lb/>
Welcher Art auch das angegriffene Holz &#x017F;ein, welche Richtung der Gang nehmen mag, der<lb/>
Schnitt i&#x017F;t immer &#x017F;o vollkommen deutlich, als wenn die Höhlung mit einem aufs Sorgfältig&#x017F;te<lb/>
ge&#x017F;chliffenen Bohrer gemacht worden wäre. Die Wände des Ganges und &#x017F;ein Vorderende &#x017F;ind<lb/>
vollkommen glatt, wie ver&#x017F;chiedenartig auch die Dichtigkeit und Härte der Holz&#x017F;chichten &#x017F;ein mögen;<lb/>
und man weiß, daß bei der Tanne z. B. die&#x017F;e ver&#x017F;chieden &#x017F;ehr groß i&#x017F;t. Die Annahme, daß<lb/>
irgend ein Auflö&#x017F;ungsmittel mit &#x017F;olcher Regelmäßigkeit wirken könne, &#x017F;cheint &#x017F;ehr &#x017F;chwierig. Es<lb/>
würde, &#x017F;cheint uns, &#x017F;chneller die zarteren und weniger dichten Holztheile angreifen, &#x017F;o daß die<lb/>
härteren vor&#x017F;tehen müßten. Die&#x017F;er Einwurf i&#x017F;t auch gegen die Annahme zu richten, wonach die<lb/>
Aushöhlung der Gänge der Wirkung der Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;tröme zuzu&#x017F;chreiben wäre, welche durch die<lb/>
Wimperhaare verur&#x017F;acht werden.&#x201C;</p><lb/>
              <p>&#x201E;An der Arbeit der Bohrwürmer &#x017F;cheint mir Alles das Gepräge einer direkten mechani&#x017F;chen<lb/>
Thätigkeit zu haben. Wenn aber das Thier hierzu nicht die Schale anwendet, welches Werkzeuges<lb/>
&#x017F;oll es &#x017F;ich bedienen? Die Lö&#x017F;ung der Frage &#x017F;cheint mir &#x017F;chwierig. Jch will jedoch über die&#x017F;en Punkt<lb/>
eine vielleicht richtige Vermuthung auf&#x017F;tellen. Man darf nicht verge&#x017F;&#x017F;en, daß das Jnnere des<lb/>
Ganges immer mit Wa&#x017F;&#x017F;er erfüllt i&#x017F;t und daß folglich alle Stellen, welche nicht durch die Kalk-<lb/>
röhre ge&#x017F;chützt werden, einer fortwährenden Auflockerung unterworfen &#x017F;ind. Eine &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ehr<lb/>
&#x017F;chwache mechani&#x017F;che Thätigkeit reicht zur Wegnahme die&#x017F;er &#x017F;o aufgeweichten Schichte hin, und<lb/>
wie dünn die letztere auch &#x017F;ein mag, wenn die in Rede &#x017F;tehende Thätigkeit nur irgendwie ununter-<lb/>
brochen wirkt, reicht &#x017F;ie hin, um die Aushöhlung des Ganges zu erklären. Da nun die oberen<lb/>
Mantelfalten und be&#x017F;onders die Kopfkaputze willkürlich durch Blutzufluß aufgebläht werden können,<lb/>
und mit einer dicken Oberhaut bedeckt &#x017F;ind und die Kaputze durch 4 &#x017F;tarke Muskeln in Bewegung<lb/>
ge&#x017F;etzt werden kann, &#x017F;o &#x017F;cheint &#x017F;ie mir &#x017F;ehr geeignet, die Rolle, um die es &#x017F;ich handelt, zu &#x017F;pielen.<lb/>
Es &#x017F;cheint mir daher wahr&#x017F;cheinlich, daß &#x017F;ie das Holz abzu&#x017F;chaben be&#x017F;timmt i&#x017F;t, nachdem es durch<lb/>
die Auflockerung im Wa&#x017F;&#x017F;er und vielleicht auch durch eine Ab&#x017F;cheidung des Thieres erweicht worden.&#x201C;<lb/>
Wir mü&#x017F;&#x017F;en aber hier ein&#x017F;chalten, daß die&#x017F;er Vermuthung gegenüber &#x017F;päter der Utrechter Zoolog<lb/><hi rendition="#g">Harting</hi> ganz andere direkte Beobachtungen aufge&#x017F;tellt hat. Nach ihm braucht <hi rendition="#aq">Teredo</hi> beim<lb/>
Bohren die zwei Klappen &#x017F;einer Schale wie zwei Kinnladen oder Zangen&#x017F;pitzen, mit dem Unter-<lb/>
&#x017F;chiede jedoch, daß ihre Bewegung nach einander auf zwei zu einander rechtwinkeligen Ebenen<lb/>
erfolgt. Er hat unzählige kleine Zähnchen entdeckt, welche &#x017F;o &#x017F;tehen, daß bei jedem Stoße die<lb/>
Holzma&#x017F;&#x017F;e in äußer&#x017F;t kleine viereckige Stückchen zerhackt wird. Die Zähnchen &#x017F;ollen &#x017F;ich wenig<lb/>
abnutzen, weil &#x017F;ie &#x017F;chneiden und nicht &#x017F;chaben und weil &#x017F;ie beim Fortwach&#x017F;en der Schale durch<lb/>
Bildung neuer Zuwachs&#x017F;treifen jedesmal von neuen überragt werden.</p><lb/>
              <p>&#x201E;Die Bohrwürmer&#x201C;, fährt <hi rendition="#g">Quatrefages</hi> fort, &#x201E;vermehren &#x017F;ich außerordentlich &#x017F;chnell. Man<lb/>
theilte mir in Pa&#x017F;&#x017F;ages bei St. Seba&#x017F;tian einen Vorfall mit, der eine Vor&#x017F;tellung davon geben<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </body>
      </floatingText>
    </body>
  </text>
</TEI>
[928/0976] Muſcheln. Dimyarier. Bohrmuſcheln. „Auf welche Weiſe bohrt der Teredo in dem Holze, worin er ſich einniſtet? Dieſe Frage, welche ſich alsbald dem Geiſte des Beobachters aufdrängt, iſt bis jetzt faſt einſtimmig beantwortet worden. Man ſah die Schale für das Bohrinſtrument an, womit das Thier ſeine Wohnung aushöhlte. Seit einigen Jahren hat man in Frankreich und England mehrere Theorien vorgebracht, wonach man die Durchbohrung entweder einer mechaniſchen oder einer chemiſchen Thätigkeit zuſchreibt. Deshayes — der berühmte franzöſiſche Conchyliolog — iſt für die letztere Meinung eingenommen. Der beſte ſeiner Beweisgründe iſt für uns die Beobachtung, daß der Muskel- apparat des Teredo durchaus nicht dazu geſchickt iſt, jenes vermeintliche Bohrinſtrument in Bewegung zu ſetzen und es in Drehung oder in die Bewegung von einer Seite zur anderen zu bringen, die nothwendig erfolgen müſſen, wenn man ſich die beobachteten Reſultate erklären wollte. Der genannte Naturforſcher ſchreibt die Aushöhlung der Gänge der Gegenwart einer Ausſcheidung zu, welche im Stande ſei, die Holzmaſſe aufzulöſen. An dieſer Erklärung kann etwas Wahres ſein; ſie genügt mir aber nicht, indem ſie durchaus keine Rechenſchaft über die Regelmäßigkeit giebt, welche dieſe eigenthümliche Reibearbeit auf ihrer ganzen Erſtreckung zeigt. Welcher Art auch das angegriffene Holz ſein, welche Richtung der Gang nehmen mag, der Schnitt iſt immer ſo vollkommen deutlich, als wenn die Höhlung mit einem aufs Sorgfältigſte geſchliffenen Bohrer gemacht worden wäre. Die Wände des Ganges und ſein Vorderende ſind vollkommen glatt, wie verſchiedenartig auch die Dichtigkeit und Härte der Holzſchichten ſein mögen; und man weiß, daß bei der Tanne z. B. dieſe verſchieden ſehr groß iſt. Die Annahme, daß irgend ein Auflöſungsmittel mit ſolcher Regelmäßigkeit wirken könne, ſcheint ſehr ſchwierig. Es würde, ſcheint uns, ſchneller die zarteren und weniger dichten Holztheile angreifen, ſo daß die härteren vorſtehen müßten. Dieſer Einwurf iſt auch gegen die Annahme zu richten, wonach die Aushöhlung der Gänge der Wirkung der Waſſerſtröme zuzuſchreiben wäre, welche durch die Wimperhaare verurſacht werden.“ „An der Arbeit der Bohrwürmer ſcheint mir Alles das Gepräge einer direkten mechaniſchen Thätigkeit zu haben. Wenn aber das Thier hierzu nicht die Schale anwendet, welches Werkzeuges ſoll es ſich bedienen? Die Löſung der Frage ſcheint mir ſchwierig. Jch will jedoch über dieſen Punkt eine vielleicht richtige Vermuthung aufſtellen. Man darf nicht vergeſſen, daß das Jnnere des Ganges immer mit Waſſer erfüllt iſt und daß folglich alle Stellen, welche nicht durch die Kalk- röhre geſchützt werden, einer fortwährenden Auflockerung unterworfen ſind. Eine ſelbſt ſehr ſchwache mechaniſche Thätigkeit reicht zur Wegnahme dieſer ſo aufgeweichten Schichte hin, und wie dünn die letztere auch ſein mag, wenn die in Rede ſtehende Thätigkeit nur irgendwie ununter- brochen wirkt, reicht ſie hin, um die Aushöhlung des Ganges zu erklären. Da nun die oberen Mantelfalten und beſonders die Kopfkaputze willkürlich durch Blutzufluß aufgebläht werden können, und mit einer dicken Oberhaut bedeckt ſind und die Kaputze durch 4 ſtarke Muskeln in Bewegung geſetzt werden kann, ſo ſcheint ſie mir ſehr geeignet, die Rolle, um die es ſich handelt, zu ſpielen. Es ſcheint mir daher wahrſcheinlich, daß ſie das Holz abzuſchaben beſtimmt iſt, nachdem es durch die Auflockerung im Waſſer und vielleicht auch durch eine Abſcheidung des Thieres erweicht worden.“ Wir müſſen aber hier einſchalten, daß dieſer Vermuthung gegenüber ſpäter der Utrechter Zoolog Harting ganz andere direkte Beobachtungen aufgeſtellt hat. Nach ihm braucht Teredo beim Bohren die zwei Klappen ſeiner Schale wie zwei Kinnladen oder Zangenſpitzen, mit dem Unter- ſchiede jedoch, daß ihre Bewegung nach einander auf zwei zu einander rechtwinkeligen Ebenen erfolgt. Er hat unzählige kleine Zähnchen entdeckt, welche ſo ſtehen, daß bei jedem Stoße die Holzmaſſe in äußerſt kleine viereckige Stückchen zerhackt wird. Die Zähnchen ſollen ſich wenig abnutzen, weil ſie ſchneiden und nicht ſchaben und weil ſie beim Fortwachſen der Schale durch Bildung neuer Zuwachsſtreifen jedesmal von neuen überragt werden. „Die Bohrwürmer“, fährt Quatrefages fort, „vermehren ſich außerordentlich ſchnell. Man theilte mir in Paſſages bei St. Sebaſtian einen Vorfall mit, der eine Vorſtellung davon geben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/976
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 928. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/976>, abgerufen am 23.11.2024.