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Bremscheid, Matthias von. Der christliche Mann in seinem Glauben und Leben. Mainz, 1901.

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den Kampf gehen, keine verbündeten Fürsten und
Könige, die ihr den geringsten Beistand leisten; sie hat
keine anderen Waffen als ihre Thränen und Seufzer,
als ihre Geduld und ihr Gebet, als ihre Schwäche und
Schmach, ihre Wunden und ihr Blut. Muß da die
arme, schwache Kirche nicht unterliegen? Muß sie nicht
elend erdrückt werden von der Riesenmacht der römi-
schen Weltbeherrscher? Man kann es nicht anders er-
warten, und oft glaubten auch diese grausamen Dränger
selbst ihr Ziel schon ganz erreicht zu haben. Diocletian,
welcher die letzte und blutigste Verfolgung gegen die
christliche Kirche hervorgerufen hatte, meinte eine voll-
ständige Niederlage derselben herbeigeführt zu haben.
In seiner Siegesfreude ließ er Münzen prägen, die
auf der einen Seite sein Bild und seinen Namen, auf
der andern Seite aber die Inschrift tragen: "Nach
Vertilgung des Christenthums."
Die Präfecten, die
Philosophen und das ganze heidnische Volk frohlockten
und jubelten; überall sang man Spottlieder auf die
todtgeglaubte Kirche. Doch auch diesmal war wie früher
die Siegesfreude eitle Täuschung. Wohl war die Kirche
arg bedrängt und geschwächt; die Zahl ihrer Gläubigen
war klein geworden; nur in Schlupfwinkeln und unter
der Erde konnte sie die heiligen Geheimnisse feiern,
aber dem Tode war sie nicht verfallen. So kräftig
pulsirte noch das Leben durch die Adern ihres gräßlich
verwundeten und schon todt geglaubten Körpers, daß
sie wenige Jahre später ihren eigentlichen Siegeslauf
über das römische Reich und die ganze Erde antreten

den Kampf gehen, keine verbündeten Fürsten und
Könige, die ihr den geringsten Beistand leisten; sie hat
keine anderen Waffen als ihre Thränen und Seufzer,
als ihre Geduld und ihr Gebet, als ihre Schwäche und
Schmach, ihre Wunden und ihr Blut. Muß da die
arme, schwache Kirche nicht unterliegen? Muß sie nicht
elend erdrückt werden von der Riesenmacht der römi-
schen Weltbeherrscher? Man kann es nicht anders er-
warten, und oft glaubten auch diese grausamen Dränger
selbst ihr Ziel schon ganz erreicht zu haben. Diocletian,
welcher die letzte und blutigste Verfolgung gegen die
christliche Kirche hervorgerufen hatte, meinte eine voll-
ständige Niederlage derselben herbeigeführt zu haben.
In seiner Siegesfreude ließ er Münzen prägen, die
auf der einen Seite sein Bild und seinen Namen, auf
der andern Seite aber die Inschrift tragen: „Nach
Vertilgung des Christenthums.“
Die Präfecten, die
Philosophen und das ganze heidnische Volk frohlockten
und jubelten; überall sang man Spottlieder auf die
todtgeglaubte Kirche. Doch auch diesmal war wie früher
die Siegesfreude eitle Täuschung. Wohl war die Kirche
arg bedrängt und geschwächt; die Zahl ihrer Gläubigen
war klein geworden; nur in Schlupfwinkeln und unter
der Erde konnte sie die heiligen Geheimnisse feiern,
aber dem Tode war sie nicht verfallen. So kräftig
pulsirte noch das Leben durch die Adern ihres gräßlich
verwundeten und schon todt geglaubten Körpers, daß
sie wenige Jahre später ihren eigentlichen Siegeslauf
über das römische Reich und die ganze Erde antreten

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[99/0111] den Kampf gehen, keine verbündeten Fürsten und Könige, die ihr den geringsten Beistand leisten; sie hat keine anderen Waffen als ihre Thränen und Seufzer, als ihre Geduld und ihr Gebet, als ihre Schwäche und Schmach, ihre Wunden und ihr Blut. Muß da die arme, schwache Kirche nicht unterliegen? Muß sie nicht elend erdrückt werden von der Riesenmacht der römi- schen Weltbeherrscher? Man kann es nicht anders er- warten, und oft glaubten auch diese grausamen Dränger selbst ihr Ziel schon ganz erreicht zu haben. Diocletian, welcher die letzte und blutigste Verfolgung gegen die christliche Kirche hervorgerufen hatte, meinte eine voll- ständige Niederlage derselben herbeigeführt zu haben. In seiner Siegesfreude ließ er Münzen prägen, die auf der einen Seite sein Bild und seinen Namen, auf der andern Seite aber die Inschrift tragen: „Nach Vertilgung des Christenthums.“ Die Präfecten, die Philosophen und das ganze heidnische Volk frohlockten und jubelten; überall sang man Spottlieder auf die todtgeglaubte Kirche. Doch auch diesmal war wie früher die Siegesfreude eitle Täuschung. Wohl war die Kirche arg bedrängt und geschwächt; die Zahl ihrer Gläubigen war klein geworden; nur in Schlupfwinkeln und unter der Erde konnte sie die heiligen Geheimnisse feiern, aber dem Tode war sie nicht verfallen. So kräftig pulsirte noch das Leben durch die Adern ihres gräßlich verwundeten und schon todt geglaubten Körpers, daß sie wenige Jahre später ihren eigentlichen Siegeslauf über das römische Reich und die ganze Erde antreten

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Zitationshilfe: Bremscheid, Matthias von. Der christliche Mann in seinem Glauben und Leben. Mainz, 1901, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bremscheid_mann_1901/111>, abgerufen am 21.11.2024.