Fundament ist die Gesellschaft ohne den Glauben an Gott. Alle höhern Güter, welche die Menschen hoch- schätzen, alle Bedingungen, die sie zu ihrem Wohle bedürfen, hängen von diesem Glauben ab.
Ohne den Glauben an Gott gibt es keine Sitt- lichkeit. Sollen wir sittlich gut leben und handeln, so müssen wir vor Allem einen wesentlichen Unterschied zwischen Gut und Schlecht, zwischen Recht und Unrecht anerkennen. Das ist die erste und allernothwendigste Bedingung, ohne welche die Sittlichkeit ganz undenkbar ist. Wenn es aber keinen Gott, keinen unendlich heiligen und gerechten, keinen allwissenden Gott gibt, dann gibt es keinen wesentlichen Unterschied zwischen Gut und Bös, dann braucht der Mensch bei all' seinem Thun und Lassen nur nach dem Einen zu fragen, ob die betreffende Sache oder Handlung ihm angenehm oder unangenehm, ob sie ihm Schmerz oder Freude, Schaden oder Nutzen bringe. Er hat das Recht, die entsetzlichsten Thaten zu verrichten, Thaten, deren bloßer Name uns schon mit Schrecken erfüllt, wenn er sich von denselben nur Vergnügen oder irgend einen Vor- theil versprechen kann. Er mag ruhig sein Messer in Menschenblut tauchen und kalt seine nächsten An- gehörigen umbringen, er mag herzlos arme Wittwen und Waisen in's größte Unglück stürzen, mag frech die heiligsten und wichtigsten Versprechen und Eid- schwüre brechen, er hat ein Recht dazu, wenn ihm diese Unthaten nur Freude machen oder irgend einen Vortheil bringen und er dabei so klug zu Werke geht, daß ihm
Fundament ist die Gesellschaft ohne den Glauben an Gott. Alle höhern Güter, welche die Menschen hoch- schätzen, alle Bedingungen, die sie zu ihrem Wohle bedürfen, hängen von diesem Glauben ab.
Ohne den Glauben an Gott gibt es keine Sitt- lichkeit. Sollen wir sittlich gut leben und handeln, so müssen wir vor Allem einen wesentlichen Unterschied zwischen Gut und Schlecht, zwischen Recht und Unrecht anerkennen. Das ist die erste und allernothwendigste Bedingung, ohne welche die Sittlichkeit ganz undenkbar ist. Wenn es aber keinen Gott, keinen unendlich heiligen und gerechten, keinen allwissenden Gott gibt, dann gibt es keinen wesentlichen Unterschied zwischen Gut und Bös, dann braucht der Mensch bei all' seinem Thun und Lassen nur nach dem Einen zu fragen, ob die betreffende Sache oder Handlung ihm angenehm oder unangenehm, ob sie ihm Schmerz oder Freude, Schaden oder Nutzen bringe. Er hat das Recht, die entsetzlichsten Thaten zu verrichten, Thaten, deren bloßer Name uns schon mit Schrecken erfüllt, wenn er sich von denselben nur Vergnügen oder irgend einen Vor- theil versprechen kann. Er mag ruhig sein Messer in Menschenblut tauchen und kalt seine nächsten An- gehörigen umbringen, er mag herzlos arme Wittwen und Waisen in's größte Unglück stürzen, mag frech die heiligsten und wichtigsten Versprechen und Eid- schwüre brechen, er hat ein Recht dazu, wenn ihm diese Unthaten nur Freude machen oder irgend einen Vortheil bringen und er dabei so klug zu Werke geht, daß ihm
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Fundament ist die Gesellschaft ohne den Glauben an
Gott. Alle höhern Güter, welche die Menschen hoch-
schätzen, alle Bedingungen, die sie zu ihrem Wohle
bedürfen, hängen von diesem Glauben ab.
Ohne den Glauben an Gott gibt es keine Sitt-
lichkeit. Sollen wir sittlich gut leben und handeln,
so müssen wir vor Allem einen wesentlichen Unterschied
zwischen Gut und Schlecht, zwischen Recht und Unrecht
anerkennen. Das ist die erste und allernothwendigste
Bedingung, ohne welche die Sittlichkeit ganz undenkbar
ist. Wenn es aber keinen Gott, keinen unendlich
heiligen und gerechten, keinen allwissenden Gott gibt,
dann gibt es keinen wesentlichen Unterschied zwischen
Gut und Bös, dann braucht der Mensch bei all' seinem
Thun und Lassen nur nach dem Einen zu fragen, ob
die betreffende Sache oder Handlung ihm angenehm
oder unangenehm, ob sie ihm Schmerz oder Freude,
Schaden oder Nutzen bringe. Er hat das Recht, die
entsetzlichsten Thaten zu verrichten, Thaten, deren bloßer
Name uns schon mit Schrecken erfüllt, wenn er sich
von denselben nur Vergnügen oder irgend einen Vor-
theil versprechen kann. Er mag ruhig sein Messer
in Menschenblut tauchen und kalt seine nächsten An-
gehörigen umbringen, er mag herzlos arme Wittwen
und Waisen in's größte Unglück stürzen, mag frech
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Bremscheid, Matthias von. Der christliche Mann in seinem Glauben und Leben. Mainz, 1901, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bremscheid_mann_1901/56>, abgerufen am 24.11.2024.
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