Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.robe sprechen, ehe ich dir nur den hundertsten Theil der Stie¬ "O Stern und Blume, Geist und Kleid, Lieb, Leid und Zeit und Ewigkeit! Schönster Baum im Paradies, Gieb mir Das und gieb mir Dies, Rüttel dich und schüttel dich, Schüttel Leib und Herz und Geist, Und was diesen zierlich heißt, Hüllend, füllend über mich." O Hinkel! -- dein blaues, oder wie du willst, farbiges robe ſprechen, ehe ich dir nur den hundertſten Theil der Stie¬ „O Stern und Blume, Geiſt und Kleid, Lieb, Leid und Zeit und Ewigkeit! Schoͤnſter Baum im Paradies, Gieb mir Das und gieb mir Dies, Ruͤttel dich und ſchuͤttel dich, Schuͤttel Leib und Herz und Geiſt, Und was dieſen zierlich heißt, Huͤllend, fuͤllend uͤber mich.“ O Hinkel! — dein blaues, oder wie du willſt, farbiges <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0105" n="75"/> robe ſprechen, ehe ich dir nur den hundertſten Theil der Stie¬<lb/> felchen, Pantoͤffelchen, Roͤckchen, Schuͤrzchen, Huͤtchen, Tuͤ¬<lb/> chelchen, Quaͤſtchen, Trottelchen u. ſ. w. nenne, iſt es Tag,<lb/> und du knieeſt mitten darunter und raͤumſt und packſt und<lb/> probirſt Alles nach der Reihe; — aber Herz Hinkel, das<lb/> Schoͤnſte iſt: da iſt kein Zapfenbrett, wie im Huͤhnerminiſte¬<lb/> rium, nein, da ſtehen ganze Choͤre Choͤre der großartigſten, edelſten,<lb/> lieblichſten, erhabenſten, kindlichſten Marmorfiguren von<lb/> Engeln, Genien, Denkern, Dichtern, Propheten, Goͤttern<lb/> und Helden, und auf ihren Haͤnden tragen ſie die Kleider,<lb/> die in kryſtallenen Schalen zwiſchen duftenden Blumen ruhen,<lb/> in der Mitte der Garderobe ſtehen die drei Grazien um einen<lb/> dicken Lilienbuſch, und wenn du zu traͤge biſt, dich ſelbſt an¬<lb/> zukleiden, trittſt du zwiſchen die Grazien und ſagſt nur den<lb/> Spruch deiner Ahnfrau von Hennegau:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„O Stern und Blume, Geiſt und Kleid,</l><lb/> <l>Lieb, Leid und Zeit und Ewigkeit!</l><lb/> <l>Schoͤnſter Baum im Paradies,</l><lb/> <l>Gieb mir Das und gieb mir Dies,</l><lb/> <l>Ruͤttel dich und ſchuͤttel dich,</l><lb/> <l>Schuͤttel Leib und Herz und Geiſt,</l><lb/> <l>Und was dieſen zierlich heißt,</l><lb/> <l>Huͤllend, fuͤllend uͤber mich.“</l><lb/> </lg> <p>O Hinkel! — dein blaues, oder wie du willſt, farbiges<lb/> Wunder ſollſt du da ſehen, augenblicklich ſollſt du da fix und<lb/> fertig auf die ſchoͤnſte und vortheilhafteſte Weiſe bekleidet<lb/> daſtehen. — Ich will nicht weiter ſprechen, o Hinkel von<lb/> Hennegau, von allen Kabinetten und Kabinettchen, von der<lb/> Bibliothek, der Hauskapelle, der Kuͤche, der Speiſekammer,<lb/> dem Saal, Ball zu ſchlagen, dem Muſikſaal, der Gemaͤlde-<lb/> Gallerie, der Aepfelkammer, der tiefſinnigen Denkhalle, der<lb/> Kinderſtube, dem Karouſſel, dem Badhaus, dem Huͤhnerhof,<lb/> ach! und dem bezaubernd ſchoͤnen Stall voll der edelſten<lb/> Pferde und Pferdchen, vor Allem ein arabiſches Schimmel¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [75/0105]
robe ſprechen, ehe ich dir nur den hundertſten Theil der Stie¬
felchen, Pantoͤffelchen, Roͤckchen, Schuͤrzchen, Huͤtchen, Tuͤ¬
chelchen, Quaͤſtchen, Trottelchen u. ſ. w. nenne, iſt es Tag,
und du knieeſt mitten darunter und raͤumſt und packſt und
probirſt Alles nach der Reihe; — aber Herz Hinkel, das
Schoͤnſte iſt: da iſt kein Zapfenbrett, wie im Huͤhnerminiſte¬
rium, nein, da ſtehen ganze Choͤre Choͤre der großartigſten, edelſten,
lieblichſten, erhabenſten, kindlichſten Marmorfiguren von
Engeln, Genien, Denkern, Dichtern, Propheten, Goͤttern
und Helden, und auf ihren Haͤnden tragen ſie die Kleider,
die in kryſtallenen Schalen zwiſchen duftenden Blumen ruhen,
in der Mitte der Garderobe ſtehen die drei Grazien um einen
dicken Lilienbuſch, und wenn du zu traͤge biſt, dich ſelbſt an¬
zukleiden, trittſt du zwiſchen die Grazien und ſagſt nur den
Spruch deiner Ahnfrau von Hennegau:
„O Stern und Blume, Geiſt und Kleid,
Lieb, Leid und Zeit und Ewigkeit!
Schoͤnſter Baum im Paradies,
Gieb mir Das und gieb mir Dies,
Ruͤttel dich und ſchuͤttel dich,
Schuͤttel Leib und Herz und Geiſt,
Und was dieſen zierlich heißt,
Huͤllend, fuͤllend uͤber mich.“
O Hinkel! — dein blaues, oder wie du willſt, farbiges
Wunder ſollſt du da ſehen, augenblicklich ſollſt du da fix und
fertig auf die ſchoͤnſte und vortheilhafteſte Weiſe bekleidet
daſtehen. — Ich will nicht weiter ſprechen, o Hinkel von
Hennegau, von allen Kabinetten und Kabinettchen, von der
Bibliothek, der Hauskapelle, der Kuͤche, der Speiſekammer,
dem Saal, Ball zu ſchlagen, dem Muſikſaal, der Gemaͤlde-
Gallerie, der Aepfelkammer, der tiefſinnigen Denkhalle, der
Kinderſtube, dem Karouſſel, dem Badhaus, dem Huͤhnerhof,
ach! und dem bezaubernd ſchoͤnen Stall voll der edelſten
Pferde und Pferdchen, vor Allem ein arabiſches Schimmel¬
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