gräflichen Gnaden nebst Familie werden doch das viele Fleisch nicht so ohne Brod in den nüchternen Magen hineinfressen; das könnte ihnen unmöglich gesund seyn." "Ei behüte," sagte der Schweizer, "sie brauchen täglich dreißig große Weißbrode, hundert fünfzig Semmeln, hundert Eierwecken, hundert Bubenschenkel und zweihundert und sechs und neunzig Zwiebacke zum Kaffee." -- "O so empfehle ich mich beßtens zum Hochgräflichen Hofbäcker", rief der Bäckermeister. "Wir wollen sehen", sprach der Schweizer, "wer heute gleich das beßte liefern wird, kömmt ans Brett." Da stürzten alle die Bäcker und Fleischer nach ihren Buden und hackten und kneteten und rollten und glasirten die Eierwe¬ cken und rissen die Läden auf und stellten Alles hinaus, daß es eine Pracht war; und so gieng es nun auf allen Seiten von Gelnhausen; alle Krämer und alle Krauthändler ka¬ men, sahen, staunten und wurden berichtet und waren voll Freude, daß sie so viel Geld verdienen sollten.
Gockel und Hinkel und Gackeleia aber liefen im Schloß herum und sahen Alles an; alle die Dienerschaft setzte sich in Bewegung; man kleidete sich an, man wurde frisirt, man putzte Stiefel und Schuh, man klopfte Kleider aus, tränkte die Pferde, fütterte Hühner, frühstückte; es war ein Leben und Weben wie in dem größten Schloß. Die Bürgerschaft, um ihre Freude zu bezeigen, kam mit fliegenden Fahnen ge¬ zogen, jede Zunft mit dem Bild ihres Schutzpatronen auf der Fahne und schöner Musik; sie standen Alle vor dem Schloße, feuerten ihre rostigen Flinten in die Luft und schrieen: "Vivat der Herr Graf Gockel von Hanau! Vi¬ vat die Gräfin Hinkel und die Comtesse Gackeleia! Vivat hoch! und abermal hoch!" -- Gockel und Hinkel und Ga¬ ckeleia standen auf dem Balkon am Fenster und warfen Geld unter das Volk. Gockel warf den Männern hundert Stück neue Gockeld'ors, Hinkel den Frauen hundert Stück neue Hinkeld'ors, worunter auch eine große Anzahl Basler Hen¬
graͤflichen Gnaden nebſt Familie werden doch das viele Fleiſch nicht ſo ohne Brod in den nuͤchternen Magen hineinfreſſen; das koͤnnte ihnen unmoͤglich geſund ſeyn.“ „Ei behuͤte,“ ſagte der Schweizer, „ſie brauchen taͤglich dreißig große Weißbrode, hundert fuͤnfzig Semmeln, hundert Eierwecken, hundert Bubenſchenkel und zweihundert und ſechs und neunzig Zwiebacke zum Kaffee.“ — „O ſo empfehle ich mich beßtens zum Hochgraͤflichen Hofbaͤcker“, rief der Baͤckermeiſter. „Wir wollen ſehen“, ſprach der Schweizer, „wer heute gleich das beßte liefern wird, koͤmmt ans Brett.“ Da ſtuͤrzten alle die Baͤcker und Fleiſcher nach ihren Buden und hackten und kneteten und rollten und glaſirten die Eierwe¬ cken und riſſen die Laͤden auf und ſtellten Alles hinaus, daß es eine Pracht war; und ſo gieng es nun auf allen Seiten von Gelnhauſen; alle Kraͤmer und alle Krauthaͤndler ka¬ men, ſahen, ſtaunten und wurden berichtet und waren voll Freude, daß ſie ſo viel Geld verdienen ſollten.
Gockel und Hinkel und Gackeleia aber liefen im Schloß herum und ſahen Alles an; alle die Dienerſchaft ſetzte ſich in Bewegung; man kleidete ſich an, man wurde friſirt, man putzte Stiefel und Schuh, man klopfte Kleider aus, traͤnkte die Pferde, fuͤtterte Huͤhner, fruͤhſtuͤckte; es war ein Leben und Weben wie in dem groͤßten Schloß. Die Buͤrgerſchaft, um ihre Freude zu bezeigen, kam mit fliegenden Fahnen ge¬ zogen, jede Zunft mit dem Bild ihres Schutzpatronen auf der Fahne und ſchoͤner Muſik; ſie ſtanden Alle vor dem Schloße, feuerten ihre roſtigen Flinten in die Luft und ſchrieen: „Vivat der Herr Graf Gockel von Hanau! Vi¬ vat die Graͤfin Hinkel und die Comteſſe Gackeleia! Vivat hoch! und abermal hoch!“ — Gockel und Hinkel und Ga¬ ckeleia ſtanden auf dem Balkon am Fenſter und warfen Geld unter das Volk. Gockel warf den Maͤnnern hundert Stuͤck neue Gockeld'ors, Hinkel den Frauen hundert Stuͤck neue Hinkeld'ors, worunter auch eine große Anzahl Basler Hen¬
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graͤflichen Gnaden nebſt Familie werden doch das viele Fleiſch
nicht ſo ohne Brod in den nuͤchternen Magen hineinfreſſen;
das koͤnnte ihnen unmoͤglich geſund ſeyn.“ „Ei behuͤte,“
ſagte der Schweizer, „ſie brauchen taͤglich dreißig große
Weißbrode, hundert fuͤnfzig Semmeln, hundert Eierwecken,
hundert Bubenſchenkel und zweihundert und ſechs und neunzig
Zwiebacke zum Kaffee.“ — „O ſo empfehle ich mich beßtens
zum Hochgraͤflichen Hofbaͤcker“, rief der Baͤckermeiſter.
„Wir wollen ſehen“, ſprach der Schweizer, „wer heute
gleich das beßte liefern wird, koͤmmt ans Brett.“ Da
ſtuͤrzten alle die Baͤcker und Fleiſcher nach ihren Buden und
hackten und kneteten und rollten und glaſirten die Eierwe¬
cken und riſſen die Laͤden auf und ſtellten Alles hinaus, daß
es eine Pracht war; und ſo gieng es nun auf allen Seiten
von Gelnhauſen; alle Kraͤmer und alle Krauthaͤndler ka¬
men, ſahen, ſtaunten und wurden berichtet und waren voll
Freude, daß ſie ſo viel Geld verdienen ſollten.
Gockel und Hinkel und Gackeleia aber liefen im Schloß
herum und ſahen Alles an; alle die Dienerſchaft ſetzte ſich in
Bewegung; man kleidete ſich an, man wurde friſirt, man
putzte Stiefel und Schuh, man klopfte Kleider aus, traͤnkte
die Pferde, fuͤtterte Huͤhner, fruͤhſtuͤckte; es war ein Leben
und Weben wie in dem groͤßten Schloß. Die Buͤrgerſchaft,
um ihre Freude zu bezeigen, kam mit fliegenden Fahnen ge¬
zogen, jede Zunft mit dem Bild ihres Schutzpatronen auf
der Fahne und ſchoͤner Muſik; ſie ſtanden Alle vor dem
Schloße, feuerten ihre roſtigen Flinten in die Luft und
ſchrieen: „Vivat der Herr Graf Gockel von Hanau! Vi¬
vat die Graͤfin Hinkel und die Comteſſe Gackeleia! Vivat
hoch! und abermal hoch!“ — Gockel und Hinkel und Ga¬
ckeleia ſtanden auf dem Balkon am Fenſter und warfen Geld
unter das Volk. Gockel warf den Maͤnnern hundert Stuͤck
neue Gockeld'ors, Hinkel den Frauen hundert Stuͤck neue
Hinkeld'ors, worunter auch eine große Anzahl Basler Hen¬
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/125>, abgerufen am 21.11.2024.
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