schnurrte eine wunderschöne Puppe in den artigsten Kleidern, wie eine Reisende geputzt, unter dem Mantel hervor, und rannte gerade auf das Gitter des Gartens zu, stieß einige¬ male an die goldenen Gitterstäbe und würde gewiß zu ihr hineingekommen seyn, wenn sich nicht eine hagere Hand aus dem Mantel nach ihr hingestreckt und sie wieder in die Verbor¬ genheit zurückgezogen hatte, wo die kleine Puppe von einer rauhen Stimme sehr ausgeschimpft wurde, daß sie sich un¬ terstanden habe, unter dem Mantel hervorzulaufen.
Gackeleia konnte nicht mehr länger zurückhalten, und rief einmal über das anderemal: "bitte, bitte du schwarzer Mantel, zanke doch die liebe schöne Puppe nicht so, lasse sie doch ein wenig heraus zu mir in den Garten." Da that sich auf einmal der Mantel auf, und ein alter Mann mit einem langen weißen Bart richtete sich vor Gackeleia auf und sprach: "ich bitte recht sehr um Verzeihung, daß ich meine Puppe hier ein wenig unter meinen Mantel tanzen ließ und auf der Maultrommel dazu spielte, ich habe nicht gewußt, daß das Comteßchen zusah. Ich wollte nur ver¬ suchen, ob sie mir auf der Reise nicht melancholisch gewor¬ den sey; denn ich will sie hier in Gelnhausen für Geld auf dem Rathhause tanzen lassen. Sehen das Comteßchen nur, sie ist ganz artig, jetzt ist sie in ihren Reisekleidern mit einem Mantel und Reisehut und einem Blumenstrauß und einer Landkarte und einem Nachtsack; aber die Schnürstiefelchen sind doch allerliebst, sie hält gewaltig auf einen schönen Fuß, aber Comteßchen, sie hat eine viel schönere Garderobe, sie kann sich verkleiden, in was sie will, bald so, bald so, wenn das Comteßchen erlaubt, werde ich die Ehre haben, Ihnen alle ihre Kleidchen und sieben Sächelchen zu zeigen, ich habe mir hier um meinen Regenschirm sechszehn Silberglöckchen befestigt und bei jedem Glöckchen ein anderes Kleidchen und was dazu gehört, und wenn sie schmutzig sind, wäscht mir sie der Regen und im Sonnenschein trocknen sie. Lasse ich
ſchnurrte eine wunderſchoͤne Puppe in den artigſten Kleidern, wie eine Reiſende geputzt, unter dem Mantel hervor, und rannte gerade auf das Gitter des Gartens zu, ſtieß einige¬ male an die goldenen Gitterſtaͤbe und wuͤrde gewiß zu ihr hineingekommen ſeyn, wenn ſich nicht eine hagere Hand aus dem Mantel nach ihr hingeſtreckt und ſie wieder in die Verbor¬ genheit zuruͤckgezogen hatte, wo die kleine Puppe von einer rauhen Stimme ſehr ausgeſchimpft wurde, daß ſie ſich un¬ terſtanden habe, unter dem Mantel hervorzulaufen.
Gackeleia konnte nicht mehr laͤnger zuruͤckhalten, und rief einmal uͤber das anderemal: „bitte, bitte du ſchwarzer Mantel, zanke doch die liebe ſchoͤne Puppe nicht ſo, laſſe ſie doch ein wenig heraus zu mir in den Garten.“ Da that ſich auf einmal der Mantel auf, und ein alter Mann mit einem langen weißen Bart richtete ſich vor Gackeleia auf und ſprach: „ich bitte recht ſehr um Verzeihung, daß ich meine Puppe hier ein wenig unter meinen Mantel tanzen ließ und auf der Maultrommel dazu ſpielte, ich habe nicht gewußt, daß das Comteßchen zuſah. Ich wollte nur ver¬ ſuchen, ob ſie mir auf der Reiſe nicht melancholiſch gewor¬ den ſey; denn ich will ſie hier in Gelnhauſen fuͤr Geld auf dem Rathhauſe tanzen laſſen. Sehen das Comteßchen nur, ſie iſt ganz artig, jetzt iſt ſie in ihren Reiſekleidern mit einem Mantel und Reiſehut und einem Blumenſtrauß und einer Landkarte und einem Nachtſack; aber die Schnuͤrſtiefelchen ſind doch allerliebſt, ſie haͤlt gewaltig auf einen ſchoͤnen Fuß, aber Comteßchen, ſie hat eine viel ſchoͤnere Garderobe, ſie kann ſich verkleiden, in was ſie will, bald ſo, bald ſo, wenn das Comteßchen erlaubt, werde ich die Ehre haben, Ihnen alle ihre Kleidchen und ſieben Saͤchelchen zu zeigen, ich habe mir hier um meinen Regenſchirm ſechszehn Silbergloͤckchen befeſtigt und bei jedem Gloͤckchen ein anderes Kleidchen und was dazu gehoͤrt, und wenn ſie ſchmutzig ſind, waͤſcht mir ſie der Regen und im Sonnenſchein trocknen ſie. Laſſe ich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0132"n="96"/>ſchnurrte eine wunderſchoͤne Puppe in den artigſten Kleidern,<lb/>
wie eine Reiſende geputzt, unter dem Mantel hervor, und<lb/>
rannte gerade auf das Gitter des Gartens zu, ſtieß einige¬<lb/>
male an die goldenen Gitterſtaͤbe und wuͤrde gewiß zu ihr<lb/>
hineingekommen ſeyn, wenn ſich nicht eine hagere Hand aus<lb/>
dem Mantel nach ihr hingeſtreckt und ſie wieder in die Verbor¬<lb/>
genheit zuruͤckgezogen hatte, wo die kleine Puppe von einer<lb/>
rauhen Stimme ſehr ausgeſchimpft wurde, daß ſie ſich un¬<lb/>
terſtanden habe, unter dem Mantel hervorzulaufen.</p><lb/><p>Gackeleia konnte nicht mehr laͤnger zuruͤckhalten, und<lb/>
rief einmal uͤber das anderemal: „bitte, bitte du ſchwarzer<lb/>
Mantel, zanke doch die liebe ſchoͤne Puppe nicht ſo, laſſe<lb/>ſie doch ein wenig heraus zu mir in den Garten.“ Da that<lb/>ſich auf einmal der Mantel auf, und ein alter Mann mit<lb/>
einem langen weißen Bart richtete ſich vor Gackeleia auf<lb/>
und ſprach: „ich bitte recht ſehr um Verzeihung, daß ich<lb/>
meine Puppe hier ein wenig unter meinen Mantel tanzen<lb/>
ließ und auf der Maultrommel dazu ſpielte, ich habe nicht<lb/>
gewußt, daß das Comteßchen zuſah. Ich wollte nur ver¬<lb/>ſuchen, ob ſie mir auf der Reiſe nicht melancholiſch gewor¬<lb/>
den ſey; denn ich will ſie hier in Gelnhauſen fuͤr Geld auf<lb/>
dem Rathhauſe tanzen laſſen. Sehen das Comteßchen nur,<lb/>ſie iſt ganz artig, jetzt iſt ſie in ihren Reiſekleidern mit einem<lb/>
Mantel und Reiſehut und einem Blumenſtrauß und einer<lb/>
Landkarte und einem Nachtſack; aber die Schnuͤrſtiefelchen<lb/>ſind doch allerliebſt, ſie haͤlt gewaltig auf einen ſchoͤnen Fuß,<lb/>
aber Comteßchen, ſie hat eine viel ſchoͤnere Garderobe, ſie<lb/>
kann ſich verkleiden, in was ſie will, bald ſo, bald ſo, wenn<lb/>
das Comteßchen erlaubt, werde ich die Ehre haben, Ihnen<lb/>
alle ihre Kleidchen und ſieben Saͤchelchen zu zeigen, ich habe<lb/>
mir hier um meinen Regenſchirm ſechszehn Silbergloͤckchen<lb/>
befeſtigt und bei jedem Gloͤckchen ein anderes Kleidchen und<lb/>
was dazu gehoͤrt, und wenn ſie ſchmutzig ſind, waͤſcht mir<lb/>ſie der Regen und im Sonnenſchein trocknen ſie. Laſſe ich<lb/></p></div></body></text></TEI>
[96/0132]
ſchnurrte eine wunderſchoͤne Puppe in den artigſten Kleidern,
wie eine Reiſende geputzt, unter dem Mantel hervor, und
rannte gerade auf das Gitter des Gartens zu, ſtieß einige¬
male an die goldenen Gitterſtaͤbe und wuͤrde gewiß zu ihr
hineingekommen ſeyn, wenn ſich nicht eine hagere Hand aus
dem Mantel nach ihr hingeſtreckt und ſie wieder in die Verbor¬
genheit zuruͤckgezogen hatte, wo die kleine Puppe von einer
rauhen Stimme ſehr ausgeſchimpft wurde, daß ſie ſich un¬
terſtanden habe, unter dem Mantel hervorzulaufen.
Gackeleia konnte nicht mehr laͤnger zuruͤckhalten, und
rief einmal uͤber das anderemal: „bitte, bitte du ſchwarzer
Mantel, zanke doch die liebe ſchoͤne Puppe nicht ſo, laſſe
ſie doch ein wenig heraus zu mir in den Garten.“ Da that
ſich auf einmal der Mantel auf, und ein alter Mann mit
einem langen weißen Bart richtete ſich vor Gackeleia auf
und ſprach: „ich bitte recht ſehr um Verzeihung, daß ich
meine Puppe hier ein wenig unter meinen Mantel tanzen
ließ und auf der Maultrommel dazu ſpielte, ich habe nicht
gewußt, daß das Comteßchen zuſah. Ich wollte nur ver¬
ſuchen, ob ſie mir auf der Reiſe nicht melancholiſch gewor¬
den ſey; denn ich will ſie hier in Gelnhauſen fuͤr Geld auf
dem Rathhauſe tanzen laſſen. Sehen das Comteßchen nur,
ſie iſt ganz artig, jetzt iſt ſie in ihren Reiſekleidern mit einem
Mantel und Reiſehut und einem Blumenſtrauß und einer
Landkarte und einem Nachtſack; aber die Schnuͤrſtiefelchen
ſind doch allerliebſt, ſie haͤlt gewaltig auf einen ſchoͤnen Fuß,
aber Comteßchen, ſie hat eine viel ſchoͤnere Garderobe, ſie
kann ſich verkleiden, in was ſie will, bald ſo, bald ſo, wenn
das Comteßchen erlaubt, werde ich die Ehre haben, Ihnen
alle ihre Kleidchen und ſieben Saͤchelchen zu zeigen, ich habe
mir hier um meinen Regenſchirm ſechszehn Silbergloͤckchen
befeſtigt und bei jedem Gloͤckchen ein anderes Kleidchen und
was dazu gehoͤrt, und wenn ſie ſchmutzig ſind, waͤſcht mir
ſie der Regen und im Sonnenſchein trocknen ſie. Laſſe ich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/132>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.