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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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schnurrte eine wunderschöne Puppe in den artigsten Kleidern,
wie eine Reisende geputzt, unter dem Mantel hervor, und
rannte gerade auf das Gitter des Gartens zu, stieß einige¬
male an die goldenen Gitterstäbe und würde gewiß zu ihr
hineingekommen seyn, wenn sich nicht eine hagere Hand aus
dem Mantel nach ihr hingestreckt und sie wieder in die Verbor¬
genheit zurückgezogen hatte, wo die kleine Puppe von einer
rauhen Stimme sehr ausgeschimpft wurde, daß sie sich un¬
terstanden habe, unter dem Mantel hervorzulaufen.

Gackeleia konnte nicht mehr länger zurückhalten, und
rief einmal über das anderemal: "bitte, bitte du schwarzer
Mantel, zanke doch die liebe schöne Puppe nicht so, lasse
sie doch ein wenig heraus zu mir in den Garten." Da that
sich auf einmal der Mantel auf, und ein alter Mann mit
einem langen weißen Bart richtete sich vor Gackeleia auf
und sprach: "ich bitte recht sehr um Verzeihung, daß ich
meine Puppe hier ein wenig unter meinen Mantel tanzen
ließ und auf der Maultrommel dazu spielte, ich habe nicht
gewußt, daß das Comteßchen zusah. Ich wollte nur ver¬
suchen, ob sie mir auf der Reise nicht melancholisch gewor¬
den sey; denn ich will sie hier in Gelnhausen für Geld auf
dem Rathhause tanzen lassen. Sehen das Comteßchen nur,
sie ist ganz artig, jetzt ist sie in ihren Reisekleidern mit einem
Mantel und Reisehut und einem Blumenstrauß und einer
Landkarte und einem Nachtsack; aber die Schnürstiefelchen
sind doch allerliebst, sie hält gewaltig auf einen schönen Fuß,
aber Comteßchen, sie hat eine viel schönere Garderobe, sie
kann sich verkleiden, in was sie will, bald so, bald so, wenn
das Comteßchen erlaubt, werde ich die Ehre haben, Ihnen
alle ihre Kleidchen und sieben Sächelchen zu zeigen, ich habe
mir hier um meinen Regenschirm sechszehn Silberglöckchen
befestigt und bei jedem Glöckchen ein anderes Kleidchen und
was dazu gehört, und wenn sie schmutzig sind, wäscht mir
sie der Regen und im Sonnenschein trocknen sie. Lasse ich

ſchnurrte eine wunderſchoͤne Puppe in den artigſten Kleidern,
wie eine Reiſende geputzt, unter dem Mantel hervor, und
rannte gerade auf das Gitter des Gartens zu, ſtieß einige¬
male an die goldenen Gitterſtaͤbe und wuͤrde gewiß zu ihr
hineingekommen ſeyn, wenn ſich nicht eine hagere Hand aus
dem Mantel nach ihr hingeſtreckt und ſie wieder in die Verbor¬
genheit zuruͤckgezogen hatte, wo die kleine Puppe von einer
rauhen Stimme ſehr ausgeſchimpft wurde, daß ſie ſich un¬
terſtanden habe, unter dem Mantel hervorzulaufen.

Gackeleia konnte nicht mehr laͤnger zuruͤckhalten, und
rief einmal uͤber das anderemal: „bitte, bitte du ſchwarzer
Mantel, zanke doch die liebe ſchoͤne Puppe nicht ſo, laſſe
ſie doch ein wenig heraus zu mir in den Garten.“ Da that
ſich auf einmal der Mantel auf, und ein alter Mann mit
einem langen weißen Bart richtete ſich vor Gackeleia auf
und ſprach: „ich bitte recht ſehr um Verzeihung, daß ich
meine Puppe hier ein wenig unter meinen Mantel tanzen
ließ und auf der Maultrommel dazu ſpielte, ich habe nicht
gewußt, daß das Comteßchen zuſah. Ich wollte nur ver¬
ſuchen, ob ſie mir auf der Reiſe nicht melancholiſch gewor¬
den ſey; denn ich will ſie hier in Gelnhauſen fuͤr Geld auf
dem Rathhauſe tanzen laſſen. Sehen das Comteßchen nur,
ſie iſt ganz artig, jetzt iſt ſie in ihren Reiſekleidern mit einem
Mantel und Reiſehut und einem Blumenſtrauß und einer
Landkarte und einem Nachtſack; aber die Schnuͤrſtiefelchen
ſind doch allerliebſt, ſie haͤlt gewaltig auf einen ſchoͤnen Fuß,
aber Comteßchen, ſie hat eine viel ſchoͤnere Garderobe, ſie
kann ſich verkleiden, in was ſie will, bald ſo, bald ſo, wenn
das Comteßchen erlaubt, werde ich die Ehre haben, Ihnen
alle ihre Kleidchen und ſieben Saͤchelchen zu zeigen, ich habe
mir hier um meinen Regenſchirm ſechszehn Silbergloͤckchen
befeſtigt und bei jedem Gloͤckchen ein anderes Kleidchen und
was dazu gehoͤrt, und wenn ſie ſchmutzig ſind, waͤſcht mir
ſie der Regen und im Sonnenſchein trocknen ſie. Laſſe ich

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[96/0132] ſchnurrte eine wunderſchoͤne Puppe in den artigſten Kleidern, wie eine Reiſende geputzt, unter dem Mantel hervor, und rannte gerade auf das Gitter des Gartens zu, ſtieß einige¬ male an die goldenen Gitterſtaͤbe und wuͤrde gewiß zu ihr hineingekommen ſeyn, wenn ſich nicht eine hagere Hand aus dem Mantel nach ihr hingeſtreckt und ſie wieder in die Verbor¬ genheit zuruͤckgezogen hatte, wo die kleine Puppe von einer rauhen Stimme ſehr ausgeſchimpft wurde, daß ſie ſich un¬ terſtanden habe, unter dem Mantel hervorzulaufen. Gackeleia konnte nicht mehr laͤnger zuruͤckhalten, und rief einmal uͤber das anderemal: „bitte, bitte du ſchwarzer Mantel, zanke doch die liebe ſchoͤne Puppe nicht ſo, laſſe ſie doch ein wenig heraus zu mir in den Garten.“ Da that ſich auf einmal der Mantel auf, und ein alter Mann mit einem langen weißen Bart richtete ſich vor Gackeleia auf und ſprach: „ich bitte recht ſehr um Verzeihung, daß ich meine Puppe hier ein wenig unter meinen Mantel tanzen ließ und auf der Maultrommel dazu ſpielte, ich habe nicht gewußt, daß das Comteßchen zuſah. Ich wollte nur ver¬ ſuchen, ob ſie mir auf der Reiſe nicht melancholiſch gewor¬ den ſey; denn ich will ſie hier in Gelnhauſen fuͤr Geld auf dem Rathhauſe tanzen laſſen. Sehen das Comteßchen nur, ſie iſt ganz artig, jetzt iſt ſie in ihren Reiſekleidern mit einem Mantel und Reiſehut und einem Blumenſtrauß und einer Landkarte und einem Nachtſack; aber die Schnuͤrſtiefelchen ſind doch allerliebſt, ſie haͤlt gewaltig auf einen ſchoͤnen Fuß, aber Comteßchen, ſie hat eine viel ſchoͤnere Garderobe, ſie kann ſich verkleiden, in was ſie will, bald ſo, bald ſo, wenn das Comteßchen erlaubt, werde ich die Ehre haben, Ihnen alle ihre Kleidchen und ſieben Saͤchelchen zu zeigen, ich habe mir hier um meinen Regenſchirm ſechszehn Silbergloͤckchen befeſtigt und bei jedem Gloͤckchen ein anderes Kleidchen und was dazu gehoͤrt, und wenn ſie ſchmutzig ſind, waͤſcht mir ſie der Regen und im Sonnenſchein trocknen ſie. Laſſe ich

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/132>, abgerufen am 09.05.2024.