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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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schöner Blumen, alle mit Buchs, Salbei und Schnittlauch ein¬
gefaßt, und die Wege waren mit glitzerndem Goldsand be¬
streut; in der Mitte war ein Springbrünnchen, worin Gold¬
fischchen schwammen, und über demselben ein goldener Käfig
voll der buntesten singenden Vögel; hinter dem Brunnen
aber war eine kleine Laube von Rosen und eine kleine Ra¬
senbank. Ein schönes goldenes Gitter umgab das ganze
liebe Gärtchen. "Ach", dachte Gackeleia, "wie glückselig
wäre ich, wenn ich eine Puppe in meinem schönen Gar¬
ten spazieren führen könnte, so allein gefällt er mir gar
nicht, was hilft es mir auch, wenn ich mir aus meinem
Taschentuche durch allerlei Knoten eine Puppe zusammen¬
knüpfe, sie ist doch nie eine schöne Gliederpuppe, ganz wie
ein Mensch, mit einem schönen lakirten Gesicht -- und der
Vater hat mir selbst solche Puppen verboten."

Während Gackeleia so in schweren Puppensorgen auf
ihrer Rasenbank saß, hörte sie auf einmal eine angenehme
summende, aber sehr leise Musik ganz nahe hinter ihr vor
dem Garten, der an einem Feldweg lag. Da guckte sie
durch die Blätter und sah etwas Seltsames. Dicht vor dem
Gitter saß ein Mann in einem schwarzen Mantel ohne Kopf
an der Erde zusammengehuckt, und unter dem Mantel her¬
vor schnurrte die Musik. Gackeleia beugte sich zur Erde, um
zu sehen, wo nur in aller Welt die feine Musik herkomme;
wie war sie erstaunt, als sie da unten ein paar allerlieb¬
ste Puppenbeinchen in himmelblauen, mit Silber gestickten
Schnürstiefelchen ganz im Takte der Musik herumschnurren
sah, sie wußte gar nicht, was sie vor Neugier, die Puppe
ganz zu sehen, anfangen sollte. Oft war sie im Begriffe,
die Hand durchs Gitter zu stecken und den schwarzen Man¬
tel ein wenig aufzuheben, aber die Furcht, weil sie an die¬
ser Gestalt keinen Kopf sah, hielt sie immer wieder zurück.
Endlich brach sie sich eine lange Weidenruthe ab, steckte sie
durch das Gitter und lüftete den Mantel ein wenig, da

ſchoͤner Blumen, alle mit Buchs, Salbei und Schnittlauch ein¬
gefaßt, und die Wege waren mit glitzerndem Goldſand be¬
ſtreut; in der Mitte war ein Springbruͤnnchen, worin Gold¬
fiſchchen ſchwammen, und uͤber demſelben ein goldener Kaͤfig
voll der bunteſten ſingenden Voͤgel; hinter dem Brunnen
aber war eine kleine Laube von Roſen und eine kleine Ra¬
ſenbank. Ein ſchoͤnes goldenes Gitter umgab das ganze
liebe Gaͤrtchen. „Ach“, dachte Gackeleia, „wie gluͤckſelig
waͤre ich, wenn ich eine Puppe in meinem ſchoͤnen Gar¬
ten ſpazieren fuͤhren koͤnnte, ſo allein gefaͤllt er mir gar
nicht, was hilft es mir auch, wenn ich mir aus meinem
Taſchentuche durch allerlei Knoten eine Puppe zuſammen¬
knuͤpfe, ſie iſt doch nie eine ſchoͤne Gliederpuppe, ganz wie
ein Menſch, mit einem ſchoͤnen lakirten Geſicht — und der
Vater hat mir ſelbſt ſolche Puppen verboten.“

Waͤhrend Gackeleia ſo in ſchweren Puppenſorgen auf
ihrer Raſenbank ſaß, hoͤrte ſie auf einmal eine angenehme
ſummende, aber ſehr leiſe Muſik ganz nahe hinter ihr vor
dem Garten, der an einem Feldweg lag. Da guckte ſie
durch die Blaͤtter und ſah etwas Seltſames. Dicht vor dem
Gitter ſaß ein Mann in einem ſchwarzen Mantel ohne Kopf
an der Erde zuſammengehuckt, und unter dem Mantel her¬
vor ſchnurrte die Muſik. Gackeleia beugte ſich zur Erde, um
zu ſehen, wo nur in aller Welt die feine Muſik herkomme;
wie war ſie erſtaunt, als ſie da unten ein paar allerlieb¬
ſte Puppenbeinchen in himmelblauen, mit Silber geſtickten
Schnuͤrſtiefelchen ganz im Takte der Muſik herumſchnurren
ſah, ſie wußte gar nicht, was ſie vor Neugier, die Puppe
ganz zu ſehen, anfangen ſollte. Oft war ſie im Begriffe,
die Hand durchs Gitter zu ſtecken und den ſchwarzen Man¬
tel ein wenig aufzuheben, aber die Furcht, weil ſie an die¬
ſer Geſtalt keinen Kopf ſah, hielt ſie immer wieder zuruͤck.
Endlich brach ſie ſich eine lange Weidenruthe ab, ſteckte ſie
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[95/0131] ſchoͤner Blumen, alle mit Buchs, Salbei und Schnittlauch ein¬ gefaßt, und die Wege waren mit glitzerndem Goldſand be¬ ſtreut; in der Mitte war ein Springbruͤnnchen, worin Gold¬ fiſchchen ſchwammen, und uͤber demſelben ein goldener Kaͤfig voll der bunteſten ſingenden Voͤgel; hinter dem Brunnen aber war eine kleine Laube von Roſen und eine kleine Ra¬ ſenbank. Ein ſchoͤnes goldenes Gitter umgab das ganze liebe Gaͤrtchen. „Ach“, dachte Gackeleia, „wie gluͤckſelig waͤre ich, wenn ich eine Puppe in meinem ſchoͤnen Gar¬ ten ſpazieren fuͤhren koͤnnte, ſo allein gefaͤllt er mir gar nicht, was hilft es mir auch, wenn ich mir aus meinem Taſchentuche durch allerlei Knoten eine Puppe zuſammen¬ knuͤpfe, ſie iſt doch nie eine ſchoͤne Gliederpuppe, ganz wie ein Menſch, mit einem ſchoͤnen lakirten Geſicht — und der Vater hat mir ſelbſt ſolche Puppen verboten.“ Waͤhrend Gackeleia ſo in ſchweren Puppenſorgen auf ihrer Raſenbank ſaß, hoͤrte ſie auf einmal eine angenehme ſummende, aber ſehr leiſe Muſik ganz nahe hinter ihr vor dem Garten, der an einem Feldweg lag. Da guckte ſie durch die Blaͤtter und ſah etwas Seltſames. Dicht vor dem Gitter ſaß ein Mann in einem ſchwarzen Mantel ohne Kopf an der Erde zuſammengehuckt, und unter dem Mantel her¬ vor ſchnurrte die Muſik. Gackeleia beugte ſich zur Erde, um zu ſehen, wo nur in aller Welt die feine Muſik herkomme; wie war ſie erſtaunt, als ſie da unten ein paar allerlieb¬ ſte Puppenbeinchen in himmelblauen, mit Silber geſtickten Schnuͤrſtiefelchen ganz im Takte der Muſik herumſchnurren ſah, ſie wußte gar nicht, was ſie vor Neugier, die Puppe ganz zu ſehen, anfangen ſollte. Oft war ſie im Begriffe, die Hand durchs Gitter zu ſtecken und den ſchwarzen Man¬ tel ein wenig aufzuheben, aber die Furcht, weil ſie an die¬ ſer Geſtalt keinen Kopf ſah, hielt ſie immer wieder zuruͤck. Endlich brach ſie ſich eine lange Weidenruthe ab, ſteckte ſie durch das Gitter und luͤftete den Mantel ein wenig, da

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/131>, abgerufen am 21.11.2024.