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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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Der Alte:

"Guck', bei diesem sechsten Glöckchen
Hängt ein schwarz und weißes Röckchen;
Wenn sie soll ein Nönnchen seyn,
Hüllt man ihr die krausen Löckchen
Hier in dieses Schleierlein,
Setzt ihr auf dies Dornenkränzchen,
Und giebt ihr dies Rosenkränzchen
In die kleine, fromme Hand."

Gackeleia:

"O wie artig, wie scharmant!
Sag', hast du auch Pfeffernüßchen,
Bildchen, Blümchen, Leckerbißchen?"

Der Alte:

"Guck', hier bei dem sieb'ten Glöckchen
Hängt ein feuerfarbig Röckchen
Nach der Mode von Vadutz
Zugestutzt, ein Zauberputz.
Auf dem Gürtel schwarz auf weiß,
Der zugleich der Zauberkreis,
Groß das ganze Alphabeth
Abera-Cadabra steht.
Hier ist auch der Zauberstab,
Wen er anrührt, geht in's Grab;
Ist es heut nicht, ist es morgen,
Keiner braucht darum zu sorgen.
Und hier ist der Zauberspiegel,
Wer hineinblickt, sieht das Siegel
Seiner Thorheit im Gesicht,
So bei Nacht als Tageslicht.
Und hier ist das Zaubersieb,
Wer es stiehlt, der kennt den Dieb;
Doch sieh' hier ein Wunderding,
Sieh' von Gold ein runder Ring,
Wer ihn trägt, ist nicht ganz klug,
Hat zu viel und nie genug.

Der Alte:

„Guck', bei dieſem ſechsten Gloͤckchen
Haͤngt ein ſchwarz und weißes Roͤckchen;
Wenn ſie ſoll ein Noͤnnchen ſeyn,
Huͤllt man ihr die krauſen Loͤckchen
Hier in dieſes Schleierlein,
Setzt ihr auf dies Dornenkraͤnzchen,
Und giebt ihr dies Roſenkraͤnzchen
In die kleine, fromme Hand.“

Gackeleia:

„O wie artig, wie ſcharmant!
Sag', haſt du auch Pfeffernuͤßchen,
Bildchen, Bluͤmchen, Leckerbißchen?“

Der Alte:

„Guck', hier bei dem ſieb'ten Gloͤckchen
Haͤngt ein feuerfarbig Roͤckchen
Nach der Mode von Vadutz
Zugeſtutzt, ein Zauberputz.
Auf dem Guͤrtel ſchwarz auf weiß,
Der zugleich der Zauberkreis,
Groß das ganze Alphabeth
Abera-Cadabra ſteht.
Hier iſt auch der Zauberſtab,
Wen er anruͤhrt, geht in's Grab;
Iſt es heut nicht, iſt es morgen,
Keiner braucht darum zu ſorgen.
Und hier iſt der Zauberſpiegel,
Wer hineinblickt, ſieht das Siegel
Seiner Thorheit im Geſicht,
So bei Nacht als Tageslicht.
Und hier iſt das Zauberſieb,
Wer es ſtiehlt, der kennt den Dieb;
Doch ſieh' hier ein Wunderding,
Sieh' von Gold ein runder Ring,
Wer ihn traͤgt, iſt nicht ganz klug,
Hat zu viel und nie genug.
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[100/0138] Der Alte: „Guck', bei dieſem ſechsten Gloͤckchen Haͤngt ein ſchwarz und weißes Roͤckchen; Wenn ſie ſoll ein Noͤnnchen ſeyn, Huͤllt man ihr die krauſen Loͤckchen Hier in dieſes Schleierlein, Setzt ihr auf dies Dornenkraͤnzchen, Und giebt ihr dies Roſenkraͤnzchen In die kleine, fromme Hand.“ Gackeleia: „O wie artig, wie ſcharmant! Sag', haſt du auch Pfeffernuͤßchen, Bildchen, Bluͤmchen, Leckerbißchen?“ Der Alte: „Guck', hier bei dem ſieb'ten Gloͤckchen Haͤngt ein feuerfarbig Roͤckchen Nach der Mode von Vadutz Zugeſtutzt, ein Zauberputz. Auf dem Guͤrtel ſchwarz auf weiß, Der zugleich der Zauberkreis, Groß das ganze Alphabeth Abera-Cadabra ſteht. Hier iſt auch der Zauberſtab, Wen er anruͤhrt, geht in's Grab; Iſt es heut nicht, iſt es morgen, Keiner braucht darum zu ſorgen. Und hier iſt der Zauberſpiegel, Wer hineinblickt, ſieht das Siegel Seiner Thorheit im Geſicht, So bei Nacht als Tageslicht. Und hier iſt das Zauberſieb, Wer es ſtiehlt, der kennt den Dieb; Doch ſieh' hier ein Wunderding, Sieh' von Gold ein runder Ring, Wer ihn traͤgt, iſt nicht ganz klug, Hat zu viel und nie genug.

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/138>, abgerufen am 21.11.2024.