Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.Was sie aber niemals that, Denn sie ist zu delikat, Daß des Morgenlands Gesetze Sie durch solche Kost verletze, Drum lass' ich steinharten Kuchen Sie belohnend oft versuchen. Andern gönnt sie stäts das Beste, Und sich selbst läßt sie die Reste, Was so übrig ist geblieben, Ganz demüthiglich belieben. Zuseh'n läßt sie sich nicht gerne, Wenn sie ißt, sonst wär's gar leicht, Daß man menschlich essen lerne Und nicht mehr den Thieren gleicht. -- Ja ich zweifle, ob Comtessen Jemals zierlicher gegessen." Bei diesen Worten des Alten hob Gackeleia ihr Köpf¬ "Wie Comtessen essen, weiß ich,
Denn ich übe mich gar fleißig. Die Erzmundwischmeisterin, Comteß Torschon de Popin, Lehrte mich, wie stäts bei Tische Jeder anders, ländlich, sittlich, Appe- und unappetitlich. Standsgemäß das Maul sich wische. Denk', die große Lektion Vom Maulwischrecht kann ich schon; Als ich mit Gefühlsbetonung Sie bei Hof hab' deklamirt, Wischt' die Königin, gerührt, Mir das Mäulchen zur Belohnung." Was ſie aber niemals that, Denn ſie iſt zu delikat, Daß des Morgenlands Geſetze Sie durch ſolche Koſt verletze, Drum laſſ' ich ſteinharten Kuchen Sie belohnend oft verſuchen. Andern goͤnnt ſie ſtaͤts das Beſte, Und ſich ſelbſt laͤßt ſie die Reſte, Was ſo uͤbrig iſt geblieben, Ganz demuͤthiglich belieben. Zuſeh'n laͤßt ſie ſich nicht gerne, Wenn ſie ißt, ſonſt waͤr's gar leicht, Daß man menſchlich eſſen lerne Und nicht mehr den Thieren gleicht. — Ja ich zweifle, ob Comteſſen Jemals zierlicher gegeſſen.“ Bei dieſen Worten des Alten hob Gackeleia ihr Koͤpf¬ „Wie Comteſſen eſſen, weiß ich,
Denn ich uͤbe mich gar fleißig. Die Erzmundwiſchmeiſterin, Comteß Torſchon de Popin, Lehrte mich, wie ſtaͤts bei Tiſche Jeder anders, laͤndlich, ſittlich, Appe- und unappetitlich. Standsgemaͤß das Maul ſich wiſche. Denk', die große Lektion Vom Maulwiſchrecht kann ich ſchon; Als ich mit Gefuͤhlsbetonung Sie bei Hof hab' deklamirt, Wiſcht' die Koͤnigin, geruͤhrt, Mir das Maͤulchen zur Belohnung.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0149" n="111"/> <l>Was ſie aber niemals that,</l><lb/> <l>Denn ſie iſt zu delikat,</l><lb/> <l>Daß des Morgenlands Geſetze</l><lb/> <l>Sie durch ſolche Koſt verletze,</l><lb/> <l>Drum laſſ' ich ſteinharten Kuchen</l><lb/> <l>Sie belohnend oft verſuchen.</l><lb/> <l>Andern goͤnnt ſie ſtaͤts das Beſte,</l><lb/> <l>Und ſich ſelbſt laͤßt ſie die Reſte,</l><lb/> <l>Was ſo uͤbrig iſt geblieben,</l><lb/> <l>Ganz demuͤthiglich belieben.</l><lb/> <l>Zuſeh'n laͤßt ſie ſich nicht gerne,</l><lb/> <l>Wenn ſie ißt, ſonſt waͤr's gar leicht,</l><lb/> <l>Daß man menſchlich eſſen lerne</l><lb/> <l>Und nicht mehr den Thieren gleicht. —</l><lb/> <l>Ja ich zweifle, ob Comteſſen</l><lb/> <l>Jemals zierlicher gegeſſen.“</l><lb/> </lg> <p>Bei dieſen Worten des Alten hob Gackeleia ihr Koͤpf¬<lb/> chen mit einigem Selbſtgefuͤhl in die Hoͤhe, denn ſie wußte<lb/> wohl, daß ſie eine Comteſſe ſey, und daß ſie ſehr anſtaͤndig<lb/> nach den Tiſchregeln zu eſſen gelernt hatte; ja ſie bildete<lb/> ſich etwas darauf ein; daher ſprach ſie zu dem Alten etwas<lb/> in verweiſendem Tone:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Wie Comteſſen eſſen, weiß ich,</l><lb/> <l>Denn ich uͤbe mich gar fleißig.</l><lb/> <l>Die Erzmundwiſchmeiſterin,</l><lb/> <l>Comteß Torſchon de Popin,</l><lb/> <l>Lehrte mich, wie ſtaͤts bei Tiſche</l><lb/> <l>Jeder anders, laͤndlich, ſittlich,</l><lb/> <l>Appe- und unappetitlich.</l><lb/> <l>Standsgemaͤß das Maul ſich wiſche.</l><lb/> <l>Denk', die große Lektion</l><lb/> <l>Vom Maulwiſchrecht kann ich ſchon;</l><lb/> <l>Als ich mit Gefuͤhlsbetonung</l><lb/> <l>Sie bei Hof hab' deklamirt,</l><lb/> <l>Wiſcht' die Koͤnigin, geruͤhrt,</l><lb/> <l>Mir das Maͤulchen zur Belohnung.“</l><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [111/0149]
Was ſie aber niemals that,
Denn ſie iſt zu delikat,
Daß des Morgenlands Geſetze
Sie durch ſolche Koſt verletze,
Drum laſſ' ich ſteinharten Kuchen
Sie belohnend oft verſuchen.
Andern goͤnnt ſie ſtaͤts das Beſte,
Und ſich ſelbſt laͤßt ſie die Reſte,
Was ſo uͤbrig iſt geblieben,
Ganz demuͤthiglich belieben.
Zuſeh'n laͤßt ſie ſich nicht gerne,
Wenn ſie ißt, ſonſt waͤr's gar leicht,
Daß man menſchlich eſſen lerne
Und nicht mehr den Thieren gleicht. —
Ja ich zweifle, ob Comteſſen
Jemals zierlicher gegeſſen.“
Bei dieſen Worten des Alten hob Gackeleia ihr Koͤpf¬
chen mit einigem Selbſtgefuͤhl in die Hoͤhe, denn ſie wußte
wohl, daß ſie eine Comteſſe ſey, und daß ſie ſehr anſtaͤndig
nach den Tiſchregeln zu eſſen gelernt hatte; ja ſie bildete
ſich etwas darauf ein; daher ſprach ſie zu dem Alten etwas
in verweiſendem Tone:
„Wie Comteſſen eſſen, weiß ich,
Denn ich uͤbe mich gar fleißig.
Die Erzmundwiſchmeiſterin,
Comteß Torſchon de Popin,
Lehrte mich, wie ſtaͤts bei Tiſche
Jeder anders, laͤndlich, ſittlich,
Appe- und unappetitlich.
Standsgemaͤß das Maul ſich wiſche.
Denk', die große Lektion
Vom Maulwiſchrecht kann ich ſchon;
Als ich mit Gefuͤhlsbetonung
Sie bei Hof hab' deklamirt,
Wiſcht' die Koͤnigin, geruͤhrt,
Mir das Maͤulchen zur Belohnung.“
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