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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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Herzliche Zueignung.
mit einem Thürchen bedeckt, ließen uns an vielen Orten die Kinder
um den Preis einer Stecknadel sehen, weswegen wir der Akademie
12 kr. für einen Brief Stecknadeln berechnen. Ueberall war es ei¬
gentlich dasselbe; mir schien uns merkwürdig, daß in Köln ein Hei¬
ligenbildchen darin war und man es ein Paradies nannte, daß in
Nürnberg ein Spielpfennig darin war und man es eine Rarität
nannte, daß in Berlin ein Bischen Rauchpulver darin war und man
es eine Kunst nannte. Ueberall aber kostete es nur eine Stecknadel."

Längere Zeit hielt ich mich und eine meiner Schwestern für die
privatisirenden Besitzer von Vadutz, und wir erzählten uns jeden
Morgen die Tugenden, welche wir in den Träumen der letz¬
ten Nacht an Land und Leuten inkognito ausgeübt hatten. Unsere Ver¬
dienste häuften sich dermaßen, daß wir sie in Bataillone einthei¬
len und außer den Revuen in den Feldbau entlassen mußten. Es
reicht hin, wenn ich sage, daß wir die Akazienbäume, den Erd¬
mandel-Caffee, den Schlüsselblumen-Champagner, die Uebung des
Körpers durch Tanzen für alle drei christlichen Religionspartheien,
das Gichtpapier, die Toleranzpomade, die Beruhigungs-Schawls
a 2 fl. 24 kr., die Käppchen aus Freundschaft a 12 kr. die Kuhpo¬
cken, die Kunst ein guter Jüngling, ein edles Mädchen zu werden,
und Elise, das Weib, wie es seyn soll, und Alles, wie es seyn soll
und nie seyn wird, und die wasserdichten Lobzettel in Vadutz einführten.
Unsere Geldsorten schnitten wir aus Goldpapier. Unsre Gnadenge¬
schenke bestanden aus Abschnitten von Zuckerpapier, welches noch die
Fußtapfen der darauf gebackenen Bisquits trug. -- So machten wir
Alles und vor Allem uns höchst glücklich. -- Da nun eine Kaiser¬
krönung nahte und oft von den Reichskleinodien und allerlei Beleh¬
nungen gesprochen wurde, dachten wir uns auch Reichskleinodien von
Vadutz aus. Wir regierten inkognito, die Kleinodien mußten also
versteckt getragen werden. Nie hatte ich etwas blinkenderes gesehen,
als die Epaulets eines ungarischen Magnaten, und so verfertigte ich
dann aus Goldpapier und allerlei Flittern Achselbänder, als die
Reichskleinodien von Vadutz, die ich versteckt unter meiner Weste
tragen konnte. Da nun alle Reichskleinodien eine sehr alte Geschichte
haben, und ich keine ältere Geschichte von Kleinodien wußte, als
daß Abrahams Knecht der Rebecka Armringe angelegt, so ließ ich die
Reichskleinodien von Vadutz, die Schulterbänder der Rebecka seyn;
und weil die ältern Geschwister, wenn ich mich bei dem Bilder-An¬

Herzliche Zueignung.
mit einem Thuͤrchen bedeckt, ließen uns an vielen Orten die Kinder
um den Preis einer Stecknadel ſehen, weswegen wir der Akademie
12 kr. fuͤr einen Brief Stecknadeln berechnen. Ueberall war es ei¬
gentlich dasſelbe; mir ſchien uns merkwuͤrdig, daß in Koͤln ein Hei¬
ligenbildchen darin war und man es ein Paradies nannte, daß in
Nuͤrnberg ein Spielpfennig darin war und man es eine Raritaͤt
nannte, daß in Berlin ein Bischen Rauchpulver darin war und man
es eine Kunſt nannte. Ueberall aber koſtete es nur eine Stecknadel.“

Laͤngere Zeit hielt ich mich und eine meiner Schweſtern fuͤr die
privatiſirenden Beſitzer von Vadutz, und wir erzaͤhlten uns jeden
Morgen die Tugenden, welche wir in den Traͤumen der letz¬
ten Nacht an Land und Leuten inkognito ausgeuͤbt hatten. Unſere Ver¬
dienſte haͤuften ſich dermaßen, daß wir ſie in Bataillone einthei¬
len und außer den Revuen in den Feldbau entlaſſen mußten. Es
reicht hin, wenn ich ſage, daß wir die Akazienbaͤume, den Erd¬
mandel-Caffee, den Schluͤſſelblumen-Champagner, die Uebung des
Koͤrpers durch Tanzen fuͤr alle drei chriſtlichen Religionspartheien,
das Gichtpapier, die Toleranzpomade, die Beruhigungs-Schawls
à 2 fl. 24 kr., die Kaͤppchen aus Freundſchaft à 12 kr. die Kuhpo¬
cken, die Kunſt ein guter Juͤngling, ein edles Maͤdchen zu werden,
und Eliſe, das Weib, wie es ſeyn ſoll, und Alles, wie es ſeyn ſoll
und nie ſeyn wird, und die waſſerdichten Lobzettel in Vadutz einfuͤhrten.
Unſere Geldſorten ſchnitten wir aus Goldpapier. Unſre Gnadenge¬
ſchenke beſtanden aus Abſchnitten von Zuckerpapier, welches noch die
Fußtapfen der darauf gebackenen Bisquits trug. — So machten wir
Alles und vor Allem uns hoͤchſt gluͤcklich. — Da nun eine Kaiſer¬
kroͤnung nahte und oft von den Reichskleinodien und allerlei Beleh¬
nungen geſprochen wurde, dachten wir uns auch Reichskleinodien von
Vadutz aus. Wir regierten inkognito, die Kleinodien mußten alſo
verſteckt getragen werden. Nie hatte ich etwas blinkenderes geſehen,
als die Epaulets eines ungariſchen Magnaten, und ſo verfertigte ich
dann aus Goldpapier und allerlei Flittern Achſelbaͤnder, als die
Reichskleinodien von Vadutz, die ich verſteckt unter meiner Weſte
tragen konnte. Da nun alle Reichskleinodien eine ſehr alte Geſchichte
haben, und ich keine aͤltere Geſchichte von Kleinodien wußte, als
daß Abrahams Knecht der Rebecka Armringe angelegt, ſo ließ ich die
Reichskleinodien von Vadutz, die Schulterbaͤnder der Rebecka ſeyn;
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[VIII/0016] Herzliche Zueignung. mit einem Thuͤrchen bedeckt, ließen uns an vielen Orten die Kinder um den Preis einer Stecknadel ſehen, weswegen wir der Akademie 12 kr. fuͤr einen Brief Stecknadeln berechnen. Ueberall war es ei¬ gentlich dasſelbe; mir ſchien uns merkwuͤrdig, daß in Koͤln ein Hei¬ ligenbildchen darin war und man es ein Paradies nannte, daß in Nuͤrnberg ein Spielpfennig darin war und man es eine Raritaͤt nannte, daß in Berlin ein Bischen Rauchpulver darin war und man es eine Kunſt nannte. Ueberall aber koſtete es nur eine Stecknadel.“ Laͤngere Zeit hielt ich mich und eine meiner Schweſtern fuͤr die privatiſirenden Beſitzer von Vadutz, und wir erzaͤhlten uns jeden Morgen die Tugenden, welche wir in den Traͤumen der letz¬ ten Nacht an Land und Leuten inkognito ausgeuͤbt hatten. Unſere Ver¬ dienſte haͤuften ſich dermaßen, daß wir ſie in Bataillone einthei¬ len und außer den Revuen in den Feldbau entlaſſen mußten. Es reicht hin, wenn ich ſage, daß wir die Akazienbaͤume, den Erd¬ mandel-Caffee, den Schluͤſſelblumen-Champagner, die Uebung des Koͤrpers durch Tanzen fuͤr alle drei chriſtlichen Religionspartheien, das Gichtpapier, die Toleranzpomade, die Beruhigungs-Schawls à 2 fl. 24 kr., die Kaͤppchen aus Freundſchaft à 12 kr. die Kuhpo¬ cken, die Kunſt ein guter Juͤngling, ein edles Maͤdchen zu werden, und Eliſe, das Weib, wie es ſeyn ſoll, und Alles, wie es ſeyn ſoll und nie ſeyn wird, und die waſſerdichten Lobzettel in Vadutz einfuͤhrten. Unſere Geldſorten ſchnitten wir aus Goldpapier. Unſre Gnadenge¬ ſchenke beſtanden aus Abſchnitten von Zuckerpapier, welches noch die Fußtapfen der darauf gebackenen Bisquits trug. — So machten wir Alles und vor Allem uns hoͤchſt gluͤcklich. — Da nun eine Kaiſer¬ kroͤnung nahte und oft von den Reichskleinodien und allerlei Beleh¬ nungen geſprochen wurde, dachten wir uns auch Reichskleinodien von Vadutz aus. Wir regierten inkognito, die Kleinodien mußten alſo verſteckt getragen werden. Nie hatte ich etwas blinkenderes geſehen, als die Epaulets eines ungariſchen Magnaten, und ſo verfertigte ich dann aus Goldpapier und allerlei Flittern Achſelbaͤnder, als die Reichskleinodien von Vadutz, die ich verſteckt unter meiner Weſte tragen konnte. Da nun alle Reichskleinodien eine ſehr alte Geſchichte haben, und ich keine aͤltere Geſchichte von Kleinodien wußte, als daß Abrahams Knecht der Rebecka Armringe angelegt, ſo ließ ich die Reichskleinodien von Vadutz, die Schulterbaͤnder der Rebecka ſeyn; und weil die aͤltern Geſchwiſter, wenn ich mich bei dem Bilder-An¬

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. VIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/16>, abgerufen am 21.11.2024.