Schwäne nachströmte, und auf dem Dache Alles von Tau¬ ben wimmelte. Gockel und Hinkel hatten die größte Freude an dem herrlichen Federgeviehzel und folgten, nachdem sie Alles einzeln bewundert hatten, der Gackeleia in das Schloß. Freudig und neugierig betrachteten sie eine Reihe von Ge¬ mächern und Sälen, welche alle mit dem prächtigsten alten Hausrath versehen waren, und traten endlich oben auf einer Terrasse heraus, von welcher sie herab in den Hühnerhof, links auf das Schloß und vor sich hin Gärten und Wald in die Ferne bis nach Gelnhausen und Hanau sahen.
"Hier ist es gar schön", sagte Gackeleia, "seht wie die schönen Tauben neben uns schweben, und der Pfau sieht auf der Spitze des Thurmes der Sonne entgegen; hier will ich Euch Alles erzählen, wie ich den Ring wieder erhalten habe, aber wir wollen auch etwas frühstücken." Kaum hatte sie dieses gesagt, als ein alter Diener einen großen Präsentirtel¬ ler mit Früchten und kaltem Fleischwerk und feinem Gebacke¬ nem und Wein und Milch über die Treppe heraufbrachte, und als er Alles vor sie niedergesetzt hatte, nochmals fragte: "sol¬ len die drei Esel mit dem Käse und den Schinken bepackt werden!" "Ja", sagte Gackeleia, "und daß nur Alles recht gut und ausgesucht sey; ich werde hernach das Weitere selbst befehlen." Gockel und Hinkel waren sehr begierig nach ih¬ rer Erzählung und baten sie zu beginnen. Da erzählte sie Folgendes:
"Lieber Vater, als meine Puppe -- nein, meine schöne Kunstfigur -- so weit vor mir vorausgelaufen und eure Ru¬ the -- nein, eure häßliche Kunstfigur -- so dicht hinter mir her war, zappelte ich mit Händen und Füßen, von euerm Knie herunter auf die Beine zu kommen, um meinem lie¬ ben Klandestinchen nachzueilen, welche bergab lief, wie sie noch nie gelaufen war; da ließest du mich los und eiltest den Felsen hinab der Mutter zu Hülfe, ich aber raffte mein Körbchen auf und rannte über Hals und Kopf der Kunstfi¬
Schwaͤne nachſtroͤmte, und auf dem Dache Alles von Tau¬ ben wimmelte. Gockel und Hinkel hatten die groͤßte Freude an dem herrlichen Federgeviehzel und folgten, nachdem ſie Alles einzeln bewundert hatten, der Gackeleia in das Schloß. Freudig und neugierig betrachteten ſie eine Reihe von Ge¬ maͤchern und Saͤlen, welche alle mit dem praͤchtigſten alten Hausrath verſehen waren, und traten endlich oben auf einer Terraſſe heraus, von welcher ſie herab in den Huͤhnerhof, links auf das Schloß und vor ſich hin Gaͤrten und Wald in die Ferne bis nach Gelnhauſen und Hanau ſahen.
„Hier iſt es gar ſchoͤn“, ſagte Gackeleia, „ſeht wie die ſchoͤnen Tauben neben uns ſchweben, und der Pfau ſieht auf der Spitze des Thurmes der Sonne entgegen; hier will ich Euch Alles erzaͤhlen, wie ich den Ring wieder erhalten habe, aber wir wollen auch etwas fruͤhſtuͤcken.“ Kaum hatte ſie dieſes geſagt, als ein alter Diener einen großen Praͤſentirtel¬ ler mit Fruͤchten und kaltem Fleiſchwerk und feinem Gebacke¬ nem und Wein und Milch uͤber die Treppe heraufbrachte, und als er Alles vor ſie niedergeſetzt hatte, nochmals fragte: „ſol¬ len die drei Eſel mit dem Kaͤſe und den Schinken bepackt werden!“ „Ja“, ſagte Gackeleia, „und daß nur Alles recht gut und ausgeſucht ſey; ich werde hernach das Weitere ſelbſt befehlen.“ Gockel und Hinkel waren ſehr begierig nach ih¬ rer Erzaͤhlung und baten ſie zu beginnen. Da erzaͤhlte ſie Folgendes:
„Lieber Vater, als meine Puppe — nein, meine ſchoͤne Kunſtfigur — ſo weit vor mir vorausgelaufen und eure Ru¬ the — nein, eure haͤßliche Kunſtfigur — ſo dicht hinter mir her war, zappelte ich mit Haͤnden und Fuͤßen, von euerm Knie herunter auf die Beine zu kommen, um meinem lie¬ ben Klandeſtinchen nachzueilen, welche bergab lief, wie ſie noch nie gelaufen war; da ließeſt du mich los und eilteſt den Felſen hinab der Mutter zu Huͤlfe, ich aber raffte mein Koͤrbchen auf und rannte uͤber Hals und Kopf der Kunſtfi¬
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Schwaͤne nachſtroͤmte, und auf dem Dache Alles von Tau¬
ben wimmelte. Gockel und Hinkel hatten die groͤßte Freude
an dem herrlichen Federgeviehzel und folgten, nachdem ſie
Alles einzeln bewundert hatten, der Gackeleia in das Schloß.
Freudig und neugierig betrachteten ſie eine Reihe von Ge¬
maͤchern und Saͤlen, welche alle mit dem praͤchtigſten alten
Hausrath verſehen waren, und traten endlich oben auf einer
Terraſſe heraus, von welcher ſie herab in den Huͤhnerhof,
links auf das Schloß und vor ſich hin Gaͤrten und Wald in
die Ferne bis nach Gelnhauſen und Hanau ſahen.
„Hier iſt es gar ſchoͤn“, ſagte Gackeleia, „ſeht wie die
ſchoͤnen Tauben neben uns ſchweben, und der Pfau ſieht auf
der Spitze des Thurmes der Sonne entgegen; hier will ich
Euch Alles erzaͤhlen, wie ich den Ring wieder erhalten habe,
aber wir wollen auch etwas fruͤhſtuͤcken.“ Kaum hatte ſie
dieſes geſagt, als ein alter Diener einen großen Praͤſentirtel¬
ler mit Fruͤchten und kaltem Fleiſchwerk und feinem Gebacke¬
nem und Wein und Milch uͤber die Treppe heraufbrachte, und
als er Alles vor ſie niedergeſetzt hatte, nochmals fragte: „ſol¬
len die drei Eſel mit dem Kaͤſe und den Schinken bepackt
werden!“ „Ja“, ſagte Gackeleia, „und daß nur Alles recht
gut und ausgeſucht ſey; ich werde hernach das Weitere ſelbſt
befehlen.“ Gockel und Hinkel waren ſehr begierig nach ih¬
rer Erzaͤhlung und baten ſie zu beginnen. Da erzaͤhlte ſie
Folgendes:
„Lieber Vater, als meine Puppe — nein, meine ſchoͤne
Kunſtfigur — ſo weit vor mir vorausgelaufen und eure Ru¬
the — nein, eure haͤßliche Kunſtfigur — ſo dicht hinter mir
her war, zappelte ich mit Haͤnden und Fuͤßen, von euerm
Knie herunter auf die Beine zu kommen, um meinem lie¬
ben Klandeſtinchen nachzueilen, welche bergab lief, wie ſie
noch nie gelaufen war; da ließeſt du mich los und eilteſt
den Felſen hinab der Mutter zu Huͤlfe, ich aber raffte mein
Koͤrbchen auf und rannte uͤber Hals und Kopf der Kunſtfi¬
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/186>, abgerufen am 23.11.2024.
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