Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.Herzliche Zueignung. hüte Er sich vor allen Kunstfiguren, denn sie sollen ihm als Ruthenbeschert werden, das prophezeihe ich Ihm." -- Sieh, liebes Gro߬ mütterchen, da hast du nun auch die Quelle des so oft im Mährchen wiederkehrenden Reims: "Keine Puppe, sondern nur eine schöne Kunst¬ figur." -- Als ich der Frau Rath sagte: "Wenn der Osterhaas sol¬ che Eier legen würde, möchten die Hasen und die Eier gewaltig im Preise steigen," erwiederte sie: "ja und wenn man mit den Eiern kippte, würde man behutsamer seyn, um dem Harlekin nicht ein Loch in das allerliebste Köpfchen zu stoßen. Hätte nur Wolfgang diesen Harlekin im Ei gekannt, was hätte der für schöne Mährchen von ihm erzählt, denn, wenn er seine Kameraden am Osterfest die Oster¬ eier im Garten suchen ließ, bewirthete er sie immer mit einem ganzen Eierkuchen von Mährchen aus dem großen Weltei, das über dem Brüten zerbrochen, so daß aus dem obern Theil der Schale der Himmel, aus dem untern die Erde entstanden ist." -- Hiemit weißt du nun auch, wie die vielen Eierhändel und Eierorden in das Mähr¬ chen kommen, das ist Alles mit dem Harlekin aus dem Weltei ge¬ krochen. -- Danke du Gott, daß in der inkompleten Encyklopädie von Krünitz, welche ich aus der Verlassenschaft des erlauchten Sala¬ thiel Salaboni, genannt Picktus, Salzgraf von Orbis erstanden habe, unter andern acht und fünfzig Bänden, auch der eilfte und also der Artikel Ei fehlt, sonst würde ich dir noch weit mehr Eierspeisen vorgesetzt haben; -- und somit habe ich dir auch eingestanden, woher ich meist Alles habe, was dieses Mährchen so langweilig macht, nehmlich aus Krünitz Encyklopädie, und wer es nicht darin findet, bedenke doch nur, daß alle Exemplare inkomplett sind. -- Vergebens wirst du dich, ausser in Schott¬ land, nach der großen breiten Schottländerin umsehen, welche am Schluße einen so derben Schatten über alle die Artigkeiten wirft; eine etwas vollkommene Person hatte vor mir bedauert, daß die Erfindung durch dick und dünn mit mir davon gehe, da ich mir aber nur allzu fei¬ ner Zierlichkeiten bewußt war, setzte ich, damit jene Person Recht habe, diese breite Kounteß als Ballast in das Mährchen und fürchte schier, ihre Corpulenz sey nur Contrebande von lauter Agrements und Anmuthigkeiten. Nun muß ich dir noch eingestehen, daß ich außer dir auch dei¬ Herzliche Zueignung. huͤte Er ſich vor allen Kunſtfiguren, denn ſie ſollen ihm als Ruthenbeſchert werden, das prophezeihe ich Ihm.“ — Sieh, liebes Gro߬ muͤtterchen, da haſt du nun auch die Quelle des ſo oft im Maͤhrchen wiederkehrenden Reims: „Keine Puppe, ſondern nur eine ſchoͤne Kunſt¬ figur.“ — Als ich der Frau Rath ſagte: „Wenn der Oſterhaas ſol¬ che Eier legen wuͤrde, moͤchten die Haſen und die Eier gewaltig im Preiſe ſteigen,“ erwiederte ſie: „ja und wenn man mit den Eiern kippte, wuͤrde man behutſamer ſeyn, um dem Harlekin nicht ein Loch in das allerliebſte Koͤpfchen zu ſtoßen. Haͤtte nur Wolfgang dieſen Harlekin im Ei gekannt, was haͤtte der fuͤr ſchoͤne Maͤhrchen von ihm erzaͤhlt, denn, wenn er ſeine Kameraden am Oſterfeſt die Oſter¬ eier im Garten ſuchen ließ, bewirthete er ſie immer mit einem ganzen Eierkuchen von Maͤhrchen aus dem großen Weltei, das uͤber dem Bruͤten zerbrochen, ſo daß aus dem obern Theil der Schale der Himmel, aus dem untern die Erde entſtanden iſt.“ — Hiemit weißt du nun auch, wie die vielen Eierhaͤndel und Eierorden in das Maͤhr¬ chen kommen, das iſt Alles mit dem Harlekin aus dem Weltei ge¬ krochen. — Danke du Gott, daß in der inkompleten Encyklopaͤdie von Kruͤnitz, welche ich aus der Verlaſſenſchaft des erlauchten Sala¬ thiel Salaboni, genannt Picktus, Salzgraf von Orbis erſtanden habe, unter andern acht und fuͤnfzig Baͤnden, auch der eilfte und alſo der Artikel Ei fehlt, ſonſt wuͤrde ich dir noch weit mehr Eierſpeiſen vorgeſetzt haben; — und ſomit habe ich dir auch eingeſtanden, woher ich meiſt Alles habe, was dieſes Maͤhrchen ſo langweilig macht, nehmlich aus Kruͤnitz Encyklopaͤdie, und wer es nicht darin findet, bedenke doch nur, daß alle Exemplare inkomplett ſind. — Vergebens wirſt du dich, auſſer in Schott¬ land, nach der großen breiten Schottlaͤnderin umſehen, welche am Schluße einen ſo derben Schatten uͤber alle die Artigkeiten wirft; eine etwas vollkommene Perſon hatte vor mir bedauert, daß die Erfindung durch dick und duͤnn mit mir davon gehe, da ich mir aber nur allzu fei¬ ner Zierlichkeiten bewußt war, ſetzte ich, damit jene Perſon Recht habe, dieſe breite Kounteß als Ballaſt in das Maͤhrchen und fuͤrchte ſchier, ihre Corpulenz ſey nur Contrebande von lauter Agrements und Anmuthigkeiten. Nun muß ich dir noch eingeſtehen, daß ich außer dir auch dei¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0021" n="XIII"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Herzliche Zueignung.</hi><lb/></fw>huͤte Er ſich vor allen Kunſtfiguren, denn ſie ſollen ihm als Ruthen<lb/> beſchert werden, das prophezeihe ich Ihm.“ — Sieh, liebes Gro߬<lb/> muͤtterchen, da haſt du nun auch die Quelle des ſo oft im Maͤhrchen<lb/> wiederkehrenden Reims: „Keine Puppe, ſondern nur eine ſchoͤne Kunſt¬<lb/> figur.“ — Als ich der Frau Rath ſagte: „Wenn der Oſterhaas ſol¬<lb/> che Eier legen wuͤrde, moͤchten die Haſen und die Eier gewaltig im<lb/> Preiſe ſteigen,“ erwiederte ſie: „ja und wenn man mit den Eiern<lb/> kippte, wuͤrde man behutſamer ſeyn, um dem Harlekin nicht ein Loch<lb/> in das allerliebſte Koͤpfchen zu ſtoßen. Haͤtte nur Wolfgang dieſen<lb/> Harlekin im Ei gekannt, was haͤtte der fuͤr ſchoͤne Maͤhrchen von<lb/> ihm erzaͤhlt, denn, wenn er ſeine Kameraden am Oſterfeſt die Oſter¬<lb/> eier im Garten ſuchen ließ, bewirthete er ſie immer mit einem ganzen<lb/> Eierkuchen von Maͤhrchen aus dem großen Weltei, das uͤber dem<lb/> Bruͤten zerbrochen, ſo daß aus dem obern Theil der Schale der<lb/> Himmel, aus dem untern die Erde entſtanden iſt.“ — Hiemit weißt<lb/> du nun auch, wie die vielen Eierhaͤndel und Eierorden in das Maͤhr¬<lb/> chen kommen, das iſt Alles mit dem Harlekin aus dem Weltei ge¬<lb/> krochen. — Danke du Gott, daß in der inkompleten Encyklopaͤdie<lb/> von Kruͤnitz, welche ich aus der Verlaſſenſchaft des erlauchten Sala¬<lb/> thiel Salaboni, genannt Picktus, Salzgraf von Orbis erſtanden habe,<lb/> unter andern acht und fuͤnfzig Baͤnden, auch der eilfte und alſo der<lb/> Artikel Ei fehlt, ſonſt wuͤrde ich dir noch weit mehr Eierſpeiſen vorgeſetzt<lb/> haben; — und ſomit habe ich dir auch eingeſtanden, woher ich meiſt Alles<lb/> habe, was dieſes Maͤhrchen ſo langweilig macht, nehmlich aus Kruͤnitz<lb/> Encyklopaͤdie, und wer es nicht darin findet, bedenke doch nur, daß alle<lb/> Exemplare inkomplett ſind. — Vergebens wirſt du dich, auſſer in Schott¬<lb/> land, nach der großen breiten Schottlaͤnderin umſehen, welche am Schluße<lb/> einen ſo derben Schatten uͤber alle die Artigkeiten wirft; eine etwas<lb/> vollkommene Perſon hatte vor mir bedauert, daß die Erfindung durch<lb/> dick und duͤnn mit mir davon gehe, da ich mir aber nur allzu fei¬<lb/> ner Zierlichkeiten bewußt war, ſetzte ich, damit jene Perſon Recht<lb/> habe, dieſe breite Kounteß als Ballaſt in das Maͤhrchen und fuͤrchte<lb/> ſchier, ihre Corpulenz ſey nur Contrebande von lauter Agrements<lb/> und Anmuthigkeiten.</p><lb/> <p>Nun muß ich dir noch eingeſtehen, daß ich außer dir auch dei¬<lb/> ner klugen, klaren und guten Freundin dieſes Maͤhrchen widmen<lb/> wollte, welche einſt, da ich ihr in Gegenwart Anderer ſagte, wie ſehr<lb/> ich ſie verehren muͤße, ſo anmuthig ſtrafend zu den Umſtehenden<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [XIII/0021]
Herzliche Zueignung.
huͤte Er ſich vor allen Kunſtfiguren, denn ſie ſollen ihm als Ruthen
beſchert werden, das prophezeihe ich Ihm.“ — Sieh, liebes Gro߬
muͤtterchen, da haſt du nun auch die Quelle des ſo oft im Maͤhrchen
wiederkehrenden Reims: „Keine Puppe, ſondern nur eine ſchoͤne Kunſt¬
figur.“ — Als ich der Frau Rath ſagte: „Wenn der Oſterhaas ſol¬
che Eier legen wuͤrde, moͤchten die Haſen und die Eier gewaltig im
Preiſe ſteigen,“ erwiederte ſie: „ja und wenn man mit den Eiern
kippte, wuͤrde man behutſamer ſeyn, um dem Harlekin nicht ein Loch
in das allerliebſte Koͤpfchen zu ſtoßen. Haͤtte nur Wolfgang dieſen
Harlekin im Ei gekannt, was haͤtte der fuͤr ſchoͤne Maͤhrchen von
ihm erzaͤhlt, denn, wenn er ſeine Kameraden am Oſterfeſt die Oſter¬
eier im Garten ſuchen ließ, bewirthete er ſie immer mit einem ganzen
Eierkuchen von Maͤhrchen aus dem großen Weltei, das uͤber dem
Bruͤten zerbrochen, ſo daß aus dem obern Theil der Schale der
Himmel, aus dem untern die Erde entſtanden iſt.“ — Hiemit weißt
du nun auch, wie die vielen Eierhaͤndel und Eierorden in das Maͤhr¬
chen kommen, das iſt Alles mit dem Harlekin aus dem Weltei ge¬
krochen. — Danke du Gott, daß in der inkompleten Encyklopaͤdie
von Kruͤnitz, welche ich aus der Verlaſſenſchaft des erlauchten Sala¬
thiel Salaboni, genannt Picktus, Salzgraf von Orbis erſtanden habe,
unter andern acht und fuͤnfzig Baͤnden, auch der eilfte und alſo der
Artikel Ei fehlt, ſonſt wuͤrde ich dir noch weit mehr Eierſpeiſen vorgeſetzt
haben; — und ſomit habe ich dir auch eingeſtanden, woher ich meiſt Alles
habe, was dieſes Maͤhrchen ſo langweilig macht, nehmlich aus Kruͤnitz
Encyklopaͤdie, und wer es nicht darin findet, bedenke doch nur, daß alle
Exemplare inkomplett ſind. — Vergebens wirſt du dich, auſſer in Schott¬
land, nach der großen breiten Schottlaͤnderin umſehen, welche am Schluße
einen ſo derben Schatten uͤber alle die Artigkeiten wirft; eine etwas
vollkommene Perſon hatte vor mir bedauert, daß die Erfindung durch
dick und duͤnn mit mir davon gehe, da ich mir aber nur allzu fei¬
ner Zierlichkeiten bewußt war, ſetzte ich, damit jene Perſon Recht
habe, dieſe breite Kounteß als Ballaſt in das Maͤhrchen und fuͤrchte
ſchier, ihre Corpulenz ſey nur Contrebande von lauter Agrements
und Anmuthigkeiten.
Nun muß ich dir noch eingeſtehen, daß ich außer dir auch dei¬
ner klugen, klaren und guten Freundin dieſes Maͤhrchen widmen
wollte, welche einſt, da ich ihr in Gegenwart Anderer ſagte, wie ſehr
ich ſie verehren muͤße, ſo anmuthig ſtrafend zu den Umſtehenden
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