Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.Urhinkel komm! ich rück' zur Seite, Du bist ja Bein von meinem Bein, Es ist vollkommen für uns Beide Raum, Licht und Luft auf diesem Stein." Dann schaute Urgockel das Brautpaar sehr gebieterisch "Was euch ist recht, das ist mir billig, Ihr wollet zwei und zwei hier seyn, Und drum in Zukunft nicht mehr will ich Das ein mal eins hier seyn allein; Dreh, Gackelei den Ring und führe Die Ahnfrau her mit Sang und Klang; Bleibt Wahrheit immer vor der Thüre, Wird Zeit und Mährchen stäts zu lang." Gackeleia, welche großes Mitleid mit dem Urgockel Urhinkel komm! ich ruͤck' zur Seite, Du biſt ja Bein von meinem Bein, Es iſt vollkommen fuͤr uns Beide Raum, Licht und Luft auf dieſem Stein.“ Dann ſchaute Urgockel das Brautpaar ſehr gebieteriſch „Was euch iſt recht, das iſt mir billig, Ihr wollet zwei und zwei hier ſeyn, Und drum in Zukunft nicht mehr will ich Das ein mal eins hier ſeyn allein; Dreh, Gackelei den Ring und fuͤhre Die Ahnfrau her mit Sang und Klang; Bleibt Wahrheit immer vor der Thuͤre, Wird Zeit und Maͤhrchen ſtaͤts zu lang.“ Gackeleia, welche großes Mitleid mit dem Urgockel <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0243" n="191"/> <l>Urhinkel komm! ich ruͤck' zur Seite,</l><lb/> <l>Du biſt ja Bein von meinem Bein,</l><lb/> <l>Es iſt vollkommen fuͤr uns Beide</l><lb/> <l>Raum, Licht und Luft auf dieſem Stein.“</l><lb/> </lg> <p>Dann ſchaute Urgockel das Brautpaar ſehr gebieteriſch<lb/> an und fuhr fort:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Was euch iſt recht, das iſt mir billig,</l><lb/> <l>Ihr wollet zwei und zwei hier ſeyn,</l><lb/> <l>Und drum in Zukunft nicht mehr will ich</l><lb/> <l>Das ein mal eins hier ſeyn allein;</l><lb/> <l>Dreh, Gackelei den Ring und fuͤhre</l><lb/> <l>Die Ahnfrau her mit Sang und Klang;</l><lb/> <l>Bleibt Wahrheit immer vor der Thuͤre,</l><lb/> <l>Wird Zeit und Maͤhrchen ſtaͤts zu lang.“</l><lb/> </lg> <p>Gackeleia, welche großes Mitleid mit dem Urgockel<lb/> hatte, drehte den Ring Salomonis ſchnell, ſchnell mit dem<lb/> Wunſche, die Gebeine der Frau Urhinkel moͤchten aus dem<lb/> Grabe unter der Hennenlinde erhoben und Alles bereit<lb/> ſeyn, um ſie in die Gruft Urgockels beiſetzen zu koͤnnen.<lb/> Als ſie nun aus der Kapelle hinausgezogen waren, fanden<lb/> ſie Alles folgendermaſſen geordnet; im Schatten der Hen¬<lb/> nenlinde um das Hennenkreuz ſtanden bei den Lilien drei<lb/> ſchneeweiß gekleidete Kloſterjungfrauen und mitten zwiſchen<lb/> ihnen ſchwebte der Geiſt der Frau Urhinkel von Hennegau<lb/> in einem ſchneeweißen, ſchimmernden Gewand; ihr von langen<lb/> ſchwarzen Locken umſtroͤmtes Haupt war uͤber einem weißen<lb/> Schleier mir weißen Roſen gekroͤnt, auf ihrer Schulter ſaß<lb/> eine weiße Henne, in der einen Hand hielt ſie eine goldne<lb/> Spindel, in der andern ein feines leuchtendes Brod. Ihr<lb/> Angeſicht war nicht irdiſch ſchoͤn, aber von einer himmliſchen<lb/> Liebe und Freundlichkeit uͤbergoſſen, man konnte nicht auf¬<lb/> hoͤren, ſie anzuſchauen, ihr Blick war eine ſegnende Verbin¬<lb/> dung von Thau und mildem Sonnenlicht. In kleiner Ent¬<lb/> fernung von ihnen war das Grab der Ahnfrau eroͤffnet und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [191/0243]
Urhinkel komm! ich ruͤck' zur Seite,
Du biſt ja Bein von meinem Bein,
Es iſt vollkommen fuͤr uns Beide
Raum, Licht und Luft auf dieſem Stein.“
Dann ſchaute Urgockel das Brautpaar ſehr gebieteriſch
an und fuhr fort:
„Was euch iſt recht, das iſt mir billig,
Ihr wollet zwei und zwei hier ſeyn,
Und drum in Zukunft nicht mehr will ich
Das ein mal eins hier ſeyn allein;
Dreh, Gackelei den Ring und fuͤhre
Die Ahnfrau her mit Sang und Klang;
Bleibt Wahrheit immer vor der Thuͤre,
Wird Zeit und Maͤhrchen ſtaͤts zu lang.“
Gackeleia, welche großes Mitleid mit dem Urgockel
hatte, drehte den Ring Salomonis ſchnell, ſchnell mit dem
Wunſche, die Gebeine der Frau Urhinkel moͤchten aus dem
Grabe unter der Hennenlinde erhoben und Alles bereit
ſeyn, um ſie in die Gruft Urgockels beiſetzen zu koͤnnen.
Als ſie nun aus der Kapelle hinausgezogen waren, fanden
ſie Alles folgendermaſſen geordnet; im Schatten der Hen¬
nenlinde um das Hennenkreuz ſtanden bei den Lilien drei
ſchneeweiß gekleidete Kloſterjungfrauen und mitten zwiſchen
ihnen ſchwebte der Geiſt der Frau Urhinkel von Hennegau
in einem ſchneeweißen, ſchimmernden Gewand; ihr von langen
ſchwarzen Locken umſtroͤmtes Haupt war uͤber einem weißen
Schleier mir weißen Roſen gekroͤnt, auf ihrer Schulter ſaß
eine weiße Henne, in der einen Hand hielt ſie eine goldne
Spindel, in der andern ein feines leuchtendes Brod. Ihr
Angeſicht war nicht irdiſch ſchoͤn, aber von einer himmliſchen
Liebe und Freundlichkeit uͤbergoſſen, man konnte nicht auf¬
hoͤren, ſie anzuſchauen, ihr Blick war eine ſegnende Verbin¬
dung von Thau und mildem Sonnenlicht. In kleiner Ent¬
fernung von ihnen war das Grab der Ahnfrau eroͤffnet und
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